Shadowrun Chronicles: Boston Lockdown REVIEW

Das schon etwas angestaubte Shadowrun-Universum wurde vor zwei Jahren mit Shadowrun Returns erfolgreich wiederbelebt, doch fehlte es dem Titel an einem Mehrspieler-Erlebnis. Diese Lücke versucht das österreichische Entwicklerstudio Cliffhanger Productions mit Shadowrun Chronicles: Boston Lockdown zu füllen. Boston Lockdown erzielte auf Kickstarter über 500.000 Dollar und ist damit ein guter Beweis für ein erfolgreich finanziertes Kickstarter-Projekt. Seit Kurzem ist die finale Version des Multiplayer-Titels auf Steam erhältlich und wir haben einen Blick darauf geworfen.

Shadowrun, jetzt auch in Boston

Shadowrun Chronicles Boston Lockdown Screenshot4

Die Shadowrun-Ableger sind bekannt für ihre futuristischen Städte, die wir natürlich im aktuellen Streich auch zu Gesicht bekommen. Boston Lockdown führt den Spieler, wie der Name schon verrät, in ein Boston im Jahre 2076. In den Straßen kämpfen verschiedene Banden um die Vorherrschaft und ihr wollt euch einen Platz in der Rangordnung sichern. Als neuer Shadowrunner beginnt eure Reise ganz unten, als ein Niemand, mit dem Ziel, eine Legende der Straßen zu werden. Auftrag um Auftrag vergeht, Erfahrung und Bankkonto wachsen und der anfänglich schwache Shadowrunner wird immer stärker.

Doch was ist Shadowrun eigentlich und wer sind diese Runner? Diese Frage stellen sich an dieser Stelle bestimmt viele, die mit dem Titel bislang noch keine Berührungen hatten. Shadowrun hat als futuristisches Pen&Paper Rollenspiel angefangen, parallel dazu wurden zahlreich Romane veröffentlicht und schlussendlich ist das Franchise auch auf dem PC gelandet. Im Fokus stehen immer die sogenannten Shadowrunner , auch einfach Runner genannt, die zwielichtige Aufträge jeder Art erledigen. Von einem einfachen Mordauftrag, über Informationsbeschaffung, bis hin zur Aufklärung einer Verschwörung. Ein Runner ist also ein Löser vieler Probleme und verdient damit seinen Lebensunterhalt. Große Firmen, die ganze Städte regieren, zahlen oft gutes Geld für den Untergang des größten Konkurrenten. Es geht eben immer ums Geld, was der Antrieb der Charaktere ist.

Hinter einem einfachen Auftrag steckt manchmal viel mehr als anfangs vermutet. Wie auch Warhammer oder Cthulhu, ist Shadowrun ein großes und sehr umfangreiches Universum. Viele Charaktere haben ihre ganz persönliche, tiefgründige Geschichte, mächtige Bösewichte handeln nicht einfach aus dem Bauch heraus, sondern haben ihre Beweggründe. Durch den gewaltigen Umfang erfordert das Franchise eine vergleichsweise lange Einarbeitungszeit, um alle Einzelheiten überblicken zu können. Diese Komplexität schreckt vor allem viele Casual-Spieler und Neulinge ab. Lässt man sich hingegen auf diese tiefe Spielwelt ein, kann man mit Shadowrun viel Spaß haben. Leider ist die Storyline in Boston Lockdown bei Weitem nicht so spannend wie die von Shadowrun Returns oder Dragonfall. Sowohl die Aufträge als auch die Dialoge wirken wahllos zusammengewürfelt und werden dem Spieler auch etwas lieblos präsentiert. Gerade Einsteiger des Shadowrun-Universums werden Probleme haben der Handlung angemessen zu folgen. In den Dialogen gibt es außerdem keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten, sondern immer nur ein mögliches Ende jeder Konversation.

Die Spielwelt von Boston Lockdown orientiert sich stark an den anderen Shadowrun-Abelgern und präsentiert ein Boston im Cyberpunk-/Futurepunk-Look. Die Straßen sind düster, rau und von kontrastreichen Neonfarben erhellt. Neben den Menschen beherbergt die Stadt noch Fantasy-Wesen wie Elfen, Zwerge, Orks oder Trolle. Die verhalten sich sehr menschlich, sprechen außerdem alle dieselbe Sprache. Firmen regieren die Stadt, Bandenführer die Straßen, das einfache Volk muss sich unterordnen.

Zusammen mit Freunden durch die Stadt

Shadowrun Chronicles Boston Lockdown Screenshot2

Zu Beginn Kampagne geht es an die Charaktererstellung, insgesamt drei Stück davon dürft ihr parallel besitzen, ähnlich wie in einem klassischen MMO. Aus verschiedenen Modellen und Rassen wählt ihr euren persönlichen Favoriten aus und verpasst ihm einen Hintergrund. Dabei gilt zu bedenken, dass jede Rasse unterschiedliche Boni mit sich bringt und jeder Hintergrund euch andere Statusattribute beschert. Ist der passende Charakter gefunden geht es auch schon los. Als junger Shadowrunner sucht ihr Arbeit bei Smedley, dem Boss einer Bande, der euch mit den verschiedensten Aufträge versorgt. Die meisten dieser Missionen müsst ihr natürlich nicht ganz allein bestreiten, sondern dürft einen bzw. drei Begleiter mitnehmen.

Einzelkämpfer, wie auch Teamspieler werden hier gleichermaßen bedient, denn ihr habt die Möglichkeit, Runs mit anderen Mitspielern zu bestreiten oder selbst die Kontrolle über die Begleiter zu übernehmen. Bei den Begleitern handelt es sich um die Shadowrunner anderer Spieler, die sich etwa auf eurem Erfahrungslevel befinden.

Mit neuer Ausrüstung im Gepäck und treuen Begleitern an der Seite macht ihr euch auf den Weg zum Einsatzziel. Die Kämpfe während der Runs laufen rundenbasiert ab. Dabei bewegt ihr euer ganzes Team in einem Zug, danach ist das gesamte Gegnerteam an der Reihe. Dieses System könnte direkt von den anderen Shadowrun-Ablegern oder XCOM: Enemy Unknown stammen, aber besser gut kopiert, als schlecht selbst gemacht. Wer einen dieser Titel gespielt hat, wird sich sofort zu Hause fühlen, doch auch Einsteiger sollten sofort zurechtkommen. Die Spielmechaniken sind leicht zu erlernen, aber dennoch komplex genug, um taktisch anspruchsvoll zu wirken. Zug um Zug bewegt ihr euch Feld für Feld vorwärts, immer auf der Hut vor hinterlistigen Feinden.

Bereits nach wenigen Spielstunden steigt der Schwierigkeitsgrad stark an, jeder Zug könnte der letzte sein. Beißt der Spielcharakter einmal ins Gras, muss der Auftrag neu gestartet werden, es gibt keine Checkpoints oder Zwischenspeicherfunktion. Das hebt die Spannung und lässt euch äußerst vorsichtig agieren. An einigen Stellen sind Neustarts aber nahezu unumgänglich. Verschiedene Gegnertypen erschweren das Vorankommen zusätzlich, Maschinen etwa sind immun gegen magische Angriffe und menschliche Feinde immun gegen Hacking. Daneben versperren euch verschlossene Türen oder Terminals oftmals den Weg. Euer Team solltet ihr also sorgfältig aus verschiedenen Klassen zusammenstellen, um möglichst viele Fähigkeiten mit an Bord zu haben.

Nach jedem Auftrag winkt eine kleine Geldspritze und Charisma-Punkte, so werden die Erfahrungspunkte genannt. Dieses Charisma lässt sich in verschiedene Fähigkeiten investieren. Es macht wenig Sinn, sich in alle Richtungen zu entwickeln, ihr solltet euch schon früh im Klaren sein, welche Fähigkeiten ihr später anstrebt. Ein, auf vollautomatische Waffen spezialisierter Soldat, sollte nicht auf Hacking trainiert werden, sondern auf Schaden oder Treffsicherheit. Die Möglichkeiten der Charakterentwicklung erscheinen sehr umfangreich, benötigen jedoch eine gewisse Einarbeitungszeit.

Technik und Multiplayer:

Durch das Early Access Programm hatte Cliffhanger Productions eine gute Möglichkeit auf die Wünsche und Anregungen der Community einzugehen. Begnadete Shadowrun-Fans konnten den Koop-Titel ausreichend testen und sich eine Meinung bilden. Auf dem Weg zur finalen Version wurde das Gameplay deshalb sehr oft verändert und überarbeitet.

Der comichafte Grafikstil ist nicht ganz so düster wie der von Shadowrun Returns, wirkt jedoch trotzdem passend und stellt die Spielwelt gut dar. Die wirkt bunt und kontrastreich, zeitgleich auch düster, an manchen Stellen aber etwas zu steril. Die Charaktermodelle der Spieler sehen ansprechend und abwechslungsreich gestaltet aus, die Gegnermodelle wiederholen sich leider relativ oft. Es fehlt zudem an Grafikeinstellungsmöglichkeiten, so lässt sich lediglich die Auflösung verändern, Einstellungsmöglichkeiten der Texturen, des Detaillevels oder der Schattenqualität bleiben aus.

Die Soundkulisse fügt sich gut ins Spielgeschehen ein, hält sich dabei aber dezent im Hintergrund. Leider wurden nicht alle Dialoge vertont und so müssen sie häufig selbst gelesen werden. Doch die Dialoge, die vertont wurden, sind auf Deutsch und Englisch verfügbar. Die deutsche Synchronisation wirkt leider an vielen Stellen sehr aufgesetzt und manchmal unglaubwürdig. Hätten die Entwickler den Fokus auf nur eine einzige Sprache gelegt, wäre die Qualität womöglich besser. Eine Kombination aus deutscher Sprachausgabe und englischen Untertiteln ist derzeit leider nicht möglich.

Während unseres Tests stürzte Boston Lockdown weder ab, noch brach die Verbindung zum Server zusammen. Das Spiel lief durchgehend in FullHD-Auflösung mit 60 Frames per Second, aktuelle Mittelklasse-Hardware sollte dafür locker ausreichen. Im Steam-Forum beklagen sich viele Spieler über Verbindungsprobleme während Mehrspielerpartien, uns ist davon während der Testzeit nichts aufgefallen. Einen Tag vor Release lieferte der Spiel-Launcher die Fehlermeldung „Illegal JSON Sequence“. Auf eine Nachfrage unsererseits im Steam-Forum kommentierte einer der Entwickler, dieser Fehler könnte mit der Server-Umstellung zum Erscheinungstag zusammenhängen. Inzwischen läuft das Spiel wieder einwandfrei.

Shadowrun macht als Einzelspieler schon Spaß, richtig spannend wird es erst im Multiplayer. Wenn ihr mit bis zu drei anderen Spielern einen Run bestreitet, übernimmt jeder die Kontrolle über seinen eigenen Charakter. Da ist eine Menge Taktik und Absprache nötig, um erfolgreich herauszukommen. Am Ende jedes Auftrags gibt es Belohnungen für alle Teilnehmer, Charisma bekommt ihr jedoch nur, wenn ihr den Auftrag das erste Mal beendet. Um die Multiplayer-Partien verwalten zu können, könnt ihr Freundeslisten anlegen und verfügt über einen Gruppen-Chat. Ein Gilden-System wie in anderen Online-Titeln gibt es offenbar nicht.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
73
73
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Multiplayer

FAZIT

Shadowrun Chronicles: Boston Lockdown ist ein durchschnittliches rundenbasiertes Taktikspiel. Die Spieltiefe kann mit Shadowrun Returns oder Dragonfall leider nicht mithalten, die Dialoge sind einseitig erzählt, wirken teilweise aufgesetzt und bieten keine Entscheidungsmöglichkeiten. Die Charaktere der Spielwelt wirken in gewisser Weise leer und zu jeder Zeit austauschbar. Cliffhanger Productions hat versucht, ein großartiges Universum in einen Koop-Titel zu packen, der gewisse WOW-Effekt der anderen Shadowrun-Ableger bleibt aber aus. Taktiker werden am wirklich gelungenen Kampfsystem große Freude finden, wer jedoch eine erstklassige Story erwartet, wird leider enttäuscht werden. Schade, Shadowrun Chronicles: Boston Lockdown hätte viel Potenzial, das die Entwickler leider nicht ausreizen und somit nicht mehr als ein durchschnittliches Ergebnis abliefern.

- Von  Fabian

MS Windows

Shadowrun Chronicles: Boston Lockdown REVIEW

USK 12 PEGI 12

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