Kathy Rain: Director’s Cut REVIEW
Mit „Kathy Rain“ (2016) und „Whispers of a Machine“ (2019) konnte sich der schwedische Indie-Entwickler Clifftop Games einen sehr guten Ruf in der Fangemeinde für Point & Click-Adventure aufbauen. Dementsprechend gespannt war man auf das dritte Projekt der Schweden. Und dementsprechend groß war die Enttäuschung, dass das dritte Spiel lediglich ein Director’s Cut zu ihrem Erstlingswerk Kathy Rain geworden ist. Dieser wurde übrigens Ende Oktober 2021 für PC und Switch veröffentlicht.
Die Tatsache, dass der Director’s Cut als separates Spiel gehandhabt wird und Besitzer der Originalversion erneut zur Kasse gebeten werden, stößt logischerweise auf wenig Gegenliebe.
Der Entwickler argumentiert unter anderem damit, dass man auf eine neue Engine gewechselt hat. Arbeitete man zuvor mit dem „Adventure Game Studio (AGS),“ basiert Kathy Rain: Director’s Cut auf der Unity-Engine. Und natürlich wurde diese neue Version eines alten Spiels mit zusätzlichem Inhalt und einigen Verbesserungen angereichert. Ob diese Zusätze jedoch ausreichen, um den Kauf dieses Director’s Cut zu rechtfertigen, erfahrt ihr im folgendem Review.
Zerrüttete Familienverhältnisse
Wir befinden uns in den USA des Jahres 1995. Der September neigt sich langsam seinen Ende zu. Wir übernehmen die Rolle der Titel-gebende Protagonistin Kathy Rain. Diese entpuppt sich als recht grantige Punkerin bzw. Rocker-Braut, die in erster Linie durch ihr misanthropisches Gebaren auffällt. Darüber hinaus ist sie Studentin für Journalistik und teilt sich an der Uni ein Zimmer mit Eileen Summers. Eileen ist als positiv eingestellte, hilfsbereite Christin ironischerweise das genaue Gegenteil von Kathy. Dieser Umstand hielt die beiden jungen Frauen aber nicht davon ab sich irgendwie zusammenzuraufen und anzufreunden. Als Eileen aus einer Todesanzeige in der Zeitung erfährt, das Kathys Großvater Joseph vor kurzem verstorben ist, hält sie Kathy dazu an, an dessen Beerdigung im benachbarte Dörfchen Conwell Springs teilzunehmen. Widerwillig lässt sich Kathy dazu hinreißen ihrem Großvater die letzte Ehre zu erweisen. Dies ist kein leichter Gang für sie, denn Kathy stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen und würde dieses Kapitel ihres Lebens am liebsten aus dem Gedächtnis streichen. Da ihre Großeltern jedoch zum positiven Teil ihrer Kindheitserinnerungen gehören, beißt sie in den sauren Apfel.
Nach der Beerdigung beschließt Kathy den Kontakt zu ihrer Großmutter wieder aufzubauen, was auch ohne Schwierigkeiten funktioniert. Allerdings erfährt sie hierdurch auch, dass ihr Großvater im Jahr 1981 einen mysteriösen Unfall im örtlichen Wald hatte, und seit jenem Tag sein restliches Leben als halbtotes Gemüse im Rollstuhl verbringen musste. Kathy ist schockiert von dieser Offenbarung und beschließt spontan Nachforschungen über den sogenannten „Unfall“ anzustellen, damit ihre arme Großmutter zumindest etwas Seelenfrieden finden kann. Tatsächlich scheint es aber eher Kathy selbst zu sein, die Seelenfrieden benötigt, denn die Nachforschungen wirbeln viele unangenehme Erinnerungen bezüglich ihrer Eltern auf. Darüber hinaus stellt sich mit der Zeit auch noch heraus, dass in Conwell Springs einige mysteriöse Dinge vor sich gehen.
Die Handlung von Kathy Rain: Director’s Cut ist durchweg spannend und ein sehr starker Motivator das Spiel zu Ende zu spielen. Im späteren Verlauf der Handlung driftet die Story aber stark in den Bereich des Übernatürlichen ab. Jedoch hat man diesen Aspekt im Director’s Cut besser gehandhabt als in der Original-Version. Dieses mal gibt es zumindest ein paar Erklärungsansätze, was es mit der gruseligen „Ortschaft“ im letzten Kapitel eigentlich auf sich hat. Und der Oberschurke wurde in eine eher neutrale Entität abgewandelt. Darüber hinaus hat man das Ende verbessert, so dass es sich jetzt endlich wie ein Sieg für die Protagonistin und den Spieler anfühlt. Das Ende ist jetzt auch derart gehalten, dass es die Handlung vernünftig abschließt, statt noch mal eine unerwünschte „Ihr konntet die Entität doch nicht stoppen“-Abschlusssequenz einzustreuen.
Bezüglich der Handlung ist der Director’s Cut also durchaus eine kleine Verbesserung zum Original, zumal auch einige der NPC’s etwas mehr Tiefe mit auf den Weg bekommen. Aber auch in dieser Version sollte man sich bewusst sein, dass die Protagonistin Kathy Rain definitiv nicht jedermanns Geschmacksnerv treffen wird. Und damit spiele ich keineswegs auf die hitzige Gender-Debatte an, dass man es mit einer starken, selbstbewussten(?) Frau zu tun hat, die auf eigenen Beinen steht et cetera pp. Nein, Kathy Rain ist ganz einfach ein enorm unsympathischer Zeitgenosse. Da wird auch gerne mal das Gesetz gebrochen, um einen Drogen-Drink zusammen zu mixen oder ein harmloser Obdachloser wird mit dem Taser ausgeknockt, damit Kathy weiterkommt. Immerhin gibt es hier und da einige Gesprächsoptionen, welche genutzt werden können, um Kathys fieses Verhalten zumindest etwas abzufangen, oder einige optionale Informationen bezüglich ihrer Vergangenheit zu erhalten. Besagte Vergangenheit ist freilich auch der Grund, warum Kathy so ist wie sie ist. Und in dem Spiel geht es ja auch darum, dass sich Kathy ihrer verkorksten Vergangenheit stellen muss. Es steckt also schon noch ein anständiger Mensch in ihr drinnen, allerdings schlägt sie halt teilweise sehr stark über die Stränge. Die Nummer mit dem Taser gegen den Obdachlosen hätte aber nun echt nicht sein müssen.
Standard-Adventure mit größtenteils vorbildlichem Spielfluss
Wir haben es hier mit einem klassischen Point & Click-Adventure zu tun. Diese Spiele tun sich schwer Innovationen einzubringen, und so spielt sich auch Kathy Rain, wie jedes andere Spiel dieser Kategorie: Man steuert die Protagonistin durch die übersichtlichen und liebevoll gepixelten Bilder, untersucht Umgebungsobjekte bzw. Hotspots, sammelt Gegenstände ein, die in einer aufrufbaren Inventarleiste am unteren Bildschirmrand gelistet werden, kombiniert besagte Gegenstände gegebenenfalls miteinander, nutzt diese Gegenstände um diverse Problemstellungen zu lösen (hierfür besagten Gegenstand von der Leiste auf den jeweiligen Hotspot bzw. NPC ziehen), quatscht mit NPCs um die Handlung voranzutreiben und somit neue Ortschaften oder Gesprächsthemen freizuschalten … Ja mein Gott, es ist eben ein Point & Click-Adventure, was freilich bedeutet, dass sämtliche Aktionen bequem mit der Maus und deren linker Taste abgewickelt werden können.
In der Original-Version gab es beim anklicken noch einen Zwischenschritt in Form eines kleinen Ringmenüs, welches verschiedene Aktionsmöglichkeiten offenbarte. Dieses wurde im Director’s Cut abgeschafft, womit das Spiel nochmals ein Stück zugänglicher wird. Natürlich sind sämtliche Hilfestellungen in Form von Hotspot-Anzeige, Doppelklick zum Abkürzen von Ein- und Ausgängen oder dem ergrauen abgeklapperter Gesprächsoptionen auch im Director’s Cut enthalten. Eine schnelle Fortbewegung der Spielfigur fehlt jedoch immer noch, was aber nicht schlimm ist, da die Screens in den meisten Fällen dermaßen übersichtlich und kompakt aufgebaut sind, dass Kathy nicht sonderlich viel herumlaufen muss.
Abseits klassischer Inventarrätsel und intensiver Gesprächsführung mit den NPCs der Spielwelt, bietet Kathy Rain hier und da auch mal etwas komplexere Aufgaben. So muss ein Schlössercode mithilfe eines alten Mathematikbuchs entschlüsselt werden, oder wir sollen aus den Wörtern einer Tonbandaufnahme einen gefälschten Telefonanruf zusammenstellen. Solche Aufgaben bringen dann auch etwas Anspruch und Abwechslung in den Adventure-Alltag mit ein. Und in der Regel sind derlei Aufgaben auch schnell genug gelöst, wodurch sie nicht frustrieren. Generell gehört das Spiel zu den etwas leichteren Adventures, was dazu führt, dass hier ein angenehm vorbildlicher Spielfluss entsteht. Der Mischmasch aus Handlungsfortschritt und Rätselspaß ist jedenfalls sehr gut dosiert, und ist meiner Meinung nach die größte Stärke von Kathy Rain.
Bezüglich des Gameplays bietet die Kathy Rain: Director’s Cut ein paar zusätzliche Screens mit ein paar neuen Puzzle-Aufgaben, sowie Abwandlungen bisheriger Rätsel. So wurde z.B. das Foto-Rätsel etwas interessanter gestaltet. Außerdem schaltet man im Spielverlauf alternative Skins für Kathys Motorrad frei, von denen einige an gut versteckte Achievements gekoppelt sind.. Die Anzahl der Achievements hat sich im Vergleich zur Originalversion übrigens verdoppelt. Ein regulärer Spieldurchlauf sollte jedoch auch in dieser Version nicht länger als ca. 8-9 Stunden betragen.
Eine Neuerung, die sich die Entwickler hätten verkneifen können, ist jedoch eine kurze, aber etwas irritierende Geschicklichkeitspassage kurz vorm Schluss des Spiels. Die wirkt nun wirklich völlig aus der Luft gegriffen und addiert nichts gehaltvolles zum Spielerlebnis. Aber abgesehen von diesem kleinen Fauxpas können die Änderungen und neuen Inhalte überzeugen – sofern man sie denn nach den fünf Jahren seit der Originalversion überhaupt identifizieren kann.
Grafik und Sound
Wie bereits erwähnt, orientiert sich das Spiel in grafischer Hinsicht an alten Retro-Adventures wie z.B. Monkey Island 1 und 2. Derartige Pixelgrafik ist ja generell wieder sehr beliebt, und das merkt man auch im Adventure-Genre. Obwohl ich ein Freund solcher Grafik bin, stehe ich dieser Entwicklung bei Adventures etwas skeptisch gegenüber. Die Renderbilder von typischen 2,5D-Adventures sehen einfach um Klassen besser aus, als die Retro-Pixeleien. Allerdings muss ich hierbei fairerweise erwähnen, dass ich keinerlei nostalgische Gefühle bezüglich Retro-Adventures hege. Ich gehöre also nicht vollends zur Zielgruppe. Unabhängig davon, ist Kathy Rain aber auch durchaus hübsch gepixelt und animiert. Die Schauplätze sind obendrein angenehm abwechslungsreich, obwohl das Spiel ja quasi nur in einer überschaubaren ländlichen Regon stattfindet. Schön finde ich weiterhin, dass man variable Charakterportraits neben die Textboxen hinzugefügt hat, was sehr dabei hilft die Emotionen und Persönlichkeit der Charaktere zu vermitteln.
Der Vorteil des Kathy Rain: Director’s Cut und dem Wechsel der Grafikengine von AGS auf Unity äußert sich in Form des Fullscreen-Supports. In der Originalversion hatte man dicke schwarze Balken an den Bildschirmrändern. Diese sind nun endlich Geschichte. Abgesehen davon bietet der Director’s Cut auch einige neue Schauplätze und Cutscenes. Der eigentliche Grafikstil und Look ist jedoch absolut identisch zum Original. Die meisten Grafiken wurden auch eins zu eins aus dem Original übernommen.
Der OST blieb hingegen unangetastet. Das macht aber nichts, da er schon im Original überzeugen konnte und eine hervorragende mysteriöse und melancholische Stimmung erzeugt. Den Melodien gelingt es wunderbar den Spieler in Stimmung zu versetzen und somit zum weiterspielen zu animieren.
Auch die Sprachausgabe ist gefällig und kann locker zu den Stärken des Spiels gezählt werden. Ehrensache, dass die neuen Textzeilen des Director’s Cut ebenfalls synchronisiert wurden.
Soweit ich mitbekommen habe, bekam Clifftop Games bezüglich der Synchronisation auch tatkräftige Unterstützung von Wadjet Eye, welche ja quasi für die Wiederbelebung dieser Retro-Style-Adventures verantwortlich sind. Da sollte die hohe Qualität der Sprachausgabe dann auch nicht verwundern.
Pro & Kontra

- erzeugt einen hervorragenden Spielfluss
- freundlicher Schwierigkeitsgrad, da auf unlogische und arg verworrene Rätsel verzichtet wird
- sehr guter OST und Sprachausgabe
- gewohnt unkomplizierte Point & Click-Steuerung

- es ist fragwürdig, dass Besitzer der Original-Version noch einmal für den Director's Cut zur Kasse gebeten werden
- die Geschicklichkeits-Einlage zum Ende des Spiels ist reichlich überflüssig
- Kathy ist eine recht unsympathische Protagonistin
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