Kathy Rain REVIEW

Kathy Rain oder auch Kathy Rain: A Detective Is Born ist ein klassisches Point & Click-Adventure vom schwedischen Indie-Entwicklerstudio Clifftop Games. Das Spiel wurde am 05. Mai 2016 auf Steam veröffentlicht und möchte wohl auf den Retro-Adventure-Zug aufspringen, der schon seit einigen Jahren durch die PC-Landschaft fährt. Die visuelle Gestaltung des Spiels erinnert jedenfalls sehr stark an die Adventures von Wadjet Eye (Blackwell, Shardlight, …). Thematisch versteht sich das Spiel als Mystery-Krimi, welcher im Verlauf der Handlung jedoch immer stärker ins Übernatürliche abdriftet. Was dieser Debut-Titel aus schwedischem Hause nun taugt oder nicht, soll folgendes Review aufzeigen.

Zerrüttete Familienverhältnisse

Wir befinden uns in den USA des Jahres 1995. Der September neigt sich langsam seinen Ende zu. Wir übernehmen die Rolle der Titel-gebende Protagonistin Kathy Rain. Diese entpuppt sich als recht grantige Punkerin bzw. Rocker-Braut, die in erster Linie durch ihr misanthropisches Gebaren auffällt. Darüber hinaus ist sie Studentin für Journalistik und teilt sich an der Uni ein Zimmer mit Eileen Summers. Eileen ist als positiv eingestellte, hilfsbereite Christin ironischerweise das genaue Gegenteil von Kathy. Dieser Umstand hielt die beiden jungen Frauen aber nicht davon ab sich irgendwie zusammenzuraufen und anzufreunden. Als Eileen aus einer Todesanzeige in der Zeitung erfährt, das Kathys Großvater Joseph vor kurzem verstorben ist, hält sie Kathy dazu an, an dessen Beerdigung im benachbarte Dörfchen Conwell Springs teilzunehmen. Widerwillig lässt sich Kathy dazu hinreißen ihrem Großvater die letzte Ehre zu erweisen. Dies ist kein leichter Gang für sie, denn Kathy stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen und würde dieses Kapitel ihres Lebens am liebsten aus dem Gedächtnis streichen. Da ihre Großeltern jedoch zum positiven Teil ihrer Kindheitserinnerungen gehören, beißt sie in den sauren Apfel.

Nach der Beerdigung beschließt Kathy den Kontakt zu ihrer Großmutter wieder aufzubauen, was auch ohne Schwierigkeiten funktioniert. Allerdings erfährt sie hierdurch auch, dass ihr Großvater im Jahr 1981 einen mysteriösen Unfall im örtlichen Wald hatte, und seit jenem Tag sein restliches Leben als halbtotes Gemüse im Rollstuhl verbringen musste. Kathy ist schockiert von dieser Offenbarung und beschließt spontan Nachforschungen über den sogenannten „Unfall“ anzustellen, damit ihre arme Großmutter zumindest etwas Seelenfrieden finden kann. Tatsächlich scheint es aber eher Kathy selbst zu sein, die Seelenfrieden benötigt, denn die Nachforschungen wirbeln viele unangenehme Erinnerungen bezüglich ihrer Eltern auf. Darüber hinaus stellt sich mit der Zeit auch noch heraus, dass in Conwell Springs einige mysteriöse Dinge vor sich gehen.

Die Handlung von Kathy Rain ist durchweg spannend und ein sehr starker Motivator das Spiel zu Ende zu spielen. Leider verfängt sich die Story mit der Zeit immer mehr in übernatürlichen Schmonzenz. Auf einmal ist dann die Rede von mysteriösen Irrlichtern, die „Alten Götter“ (Cthulhu-Mythos) werden plötzlich thematisiert und zu allem Überfluss, entpuppt sich das fünfte und letzte Kapitel als eine Art Silent Hill-Abklatsch. Also ja, man kann es auch übertreiben. Wirklich ärgerlich an der Sache ist jedoch, dass das Spiel keine vernünftige Erklärung für diese Geschehnisse bietet. Das Spiel gibt zwar genügend Material damit man sich seine eigene Erklärung zusammenstückeln kann, sofern man denn motiviert genug hierfür ist, aber eine deutliche, offizielle Erklärung bleibt aus. Außerdem wird im Abspann ohnehin angedeutet, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen ist. Wenn es ein Spiel gibt, dessen Handlung ein Sequel benötigt, dann ist es wohl Kathy Rain. Wann und ob es dieses Sequel geben wird, steht jedoch noch in den Sternen, denn der Entwickler arbeitet derzeit an einem Sci-fi-Adventure namens „Whispers of a Machine,“ welches nichts mit Kathy Rain zu tun hat.

Des Weiteren sollte noch klargestellt werden, dass die Protagonistin Kathy Rain definitiv nicht jedermanns Geschmacksnerv treffen wird. Und damit spiele ich keineswegs auf die hitzige Gender-Debatte an, dass man es mit einer starken, selbstbewussten(?) Frau zu tun hat, die auf eigenen Beinen steht et cetera pp. Nein, Kathy Rain ist ganz einfach ein enorm unsympathischer Zeitgenosse. Da wird auch gerne mal das Gesetz gebrochen, um einen Drogen-Drink zusammen zu mixen oder ein harmloser Obdachloser wird mit dem Taser ausgeknockt, damit Kathy weiterkommt. Immerhin gibt es hier und da einige Gesprächsoptionen, welche genutzt werden können, um Kathys fieses Verhalten zumindest etwas abzufangen, oder einige optionale Informationen bezüglich ihrer Vergangenheit zu erhalten. Besagte Vergangenheit ist freilich auch der Grund, warum Kathy so ist wie sie ist. Und in dem Spiel geht es ja auch darum, dass sich Kathy ihrer verkorksten Vergangenheit stellen muss. Es steckt also schon noch ein anständiger Mensch in ihr drinnen, allerdings schlägt sie halt teilweise sehr stark über die Stränge. Die Nummer mit dem Taser gegen den Obdachlosen hätte aber nun echt nicht sein müssen.

Standard-Adventure mit größtenteils vorbildlichem Spielfluss

Wir haben es hier mit einem klassischen Point & Click-Adventure zu tun. Diese Spiele tun sich schwer Innovationen einzubringen, und so spielt sich auch Kathy Rain, wie jedes andere Spiel dieser Kategorie: Man steuert die Protagonistin durch die übersichtlichen und liebevoll gepixelten Bilder, untersucht Umgebungsobjekte bzw. Hotspots, sammelt Gegenstände ein, die in einer aufrufbaren Inventarleiste am unteren Bildschirmrand gelistet werden, kombiniert besagte Gegenstände gegebenenfalls miteinander, nutzt diese Gegenstände um diverse Problemstellungen zu lösen (hierfür besagten Gegenstand von der Leiste auf den jeweiligen Hotspot bzw. NPC ziehen), quatscht mit NPCs um die Handlung voranzutreiben und somit neue Ortschaften oder Gesprächsthemen freizuschalten … Ja mein Gott, es ist eben ein Point & Click-Adventure, was freilich bedeutet, dass sämtliche Aktionen bequem mit der Maus und deren linker Taste abgewickelt werden können.

Klickt man auf einen relevanten Hotspot, Gegenstand oder NPC, wird ein kleines Ringemenü geöffnet, welches die Aktionsmöglichkeiten offenbart (anschauen, verwenden, darüber nachdenken, etwas entnehmen). Dieses Menü entfällt jedoch, wenn es ohnehin nur eine Aktionsmöglichkeit gibt. Trial & Error wird in Kathy Rain nämlich möglichst gering gehalten. So werden z.B. Gesprächsthemen, die bereits abgefragt wurden mit grauer Schrift markiert und unlogischer Schabernack bleibt dem Spieler erspart – löblich. Freilich darf auch eine Hotspot-Anzeige nicht fehlen (Leertaste). Der Doppelklick zum Abkürzen von Ein- und Ausgängen oder zur schnelleren Fortbewegung der Spielfigur fehlt jedoch, was aber nicht schlimm ist, da die Screens in den meisten Fällen dermaßen übersichtlich und kompakt aufgebaut sind, dass Kathy nicht sonderlich viel herumlaufen muss.

Abseits klassischer Inventarrätsel und intensiver Gesprächsführung mit den NPCs der Spielwelt, bietet Kathy Rain hier und da auch mal etwas komplexere Aufgaben. So muss ein Schlössercode mithilfe eines alten Mathematikbuchs entschlüsselt werden, oder wir sollen aus den Wörtern einer Tonbandaufnahme einen gefälschten Telefonanruf zusammenstellen. Solche Aufgaben bringen dann auch etwas Anspruch und Abwechslung in den Adventure-Alltag mit ein. Und in der Regel sind derlei Aufgaben auch schnell genug gelöst, wodurch sie nicht frustrieren. Generell gehört das Spiel zu den etwas leichteren Adventures, was dazu führt, dass hier ein angenehm vorbildlicher Spielfluss entsteht. Der Mischmasch aus Handlungsfortschritt und Rätselspaß ist jedenfalls sehr gut dosiert, und ist meiner Meinung nach die größte Stärke von Kathy Rain.

Leider musste ich aber an zwei Stellen dann doch eine Lösung zu rate ziehen. Bei der ersten Stelle war es aber meine eigene Schuld, da ich zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht alle Optionen ausprobierte, die mir das Spiel bis dato zur Verfügung stellte (ich musste an den Nutzernamen eines PCs herankommen). Bei der zweiten Stelle sieht dies jedoch anders aus: Hier galt es den Code für einen Tresor anhand kryptischer Gedichte in Kombination diverser Geburts- und Todesdatensätze zu entschlüsseln. Das war mir nach einiger Zeit des fruchtlosen Grübelns und Herumprobierens dann echt zu blöd, da es das einzige Rätsel im Spiel ist, welches bezüglich Schwierigkeitsgrades deutlich vom Rest des Spiels herausbrach. Aber abgesehen von diesem einen Ausrutscher lässt sich das Spiel recht angenehm und fair lösen.
Das Adventure bietet übrigens eine ungefähre Spieldauer von 8-9 Stunden sowie eine gesunde Palette an Achievements.

Grafik und Sound

Wie bereits erwähnt, orientiert sich das Spiel in grafischer Hinsicht an alten Retro-Adventures wie z.B. Monkey Island 1 und 2. Derartige Pixelgrafik ist ja generell wieder sehr beliebt, und das merkt man auch im Adventure-Genre. Obwohl ich ein Freund solcher Grafik bin, stehe ich dieser Entwicklung bei Adventures etwas skeptisch gegenüber. Die Renderbilder von typischen 2,5D-Adventures sehen einfach um Klassen besser aus, als die Retro-Pixeleien. Allerdings muss ich hierbei fairerweise erwähnen, dass ich keinerlei nostalgische Gefühle bezüglich Retro-Adventures hege. Ich gehöre also nicht vollends zur Zielgruppe. Unabhängig davon, ist Kathy Rain aber auch durchaus hübsch gepixelt und animiert. Die Schauplätze sind obendrein angenehm abwechslungsreich, obwohl das Spiel ja quasi nur an einem Ort stattfindet. Schön finde ich weiterhin, dass man variable Charakterportraits neben die Textboxen hinzugefügt hat, was sehr dabei hilft die Emotionen und Persönlichkeit der Charaktere zu vermitteln.

Das Spiel hat sich übrigens etwas Kritik wegen der geringen Auflösung eingefangen. Es scheint die allgemeine Auffassung zu bestehen, dass Kathy Rain in 320×240 Bildpunkten laufen würde, was ich aber nicht bestätigen möchte. Zumindest die Screenshots die ich angefertigt habe, wurden in 1280×720 Bildpunkten eingefangen.
Abgesehen davon, muss man natürlich klarstellen, dass das Spiel auf größeren Breitbild-Monitoren so oder so etwas arg grobpixelig ausschaut. Das ist eben die Kehrseite der Nostalgie-Medaille.

Glücklicherweise leidet der Soundtrack nicht unter nostalgischen Beschränkungen. Der OST kann ohne weiteres überzeugen und verbreitet eine hervorragende mysteriöse und melancholische Stimmung. Den Melodien gelingt es wunderbar den Spieler in Stimmung zu versetzen und somit zum weiterspielen zu animieren.
Auch die Sprachausgabe ist gefällig und kann locker zu den Stärken des Spiels gezählt werden. Soweit ich mitbekommen habe, bekam Clifftop Game bezüglich der Synchronisation auch tatkräftige Unterstützung von Wadjet Eye, welche ja quasi für die Wiederbelebung dieser Retro-Style-Adventures verantwortlich sind. Da sollte die hohe Qualität in dieser Hinsicht dann auch nicht verwundern.

Facebook
Twitter

Das könnte dir auch gefallen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Partner: