Kathy Rain 2: Soothsayer REVIEW
Nachdem sich der schwedische Indie-Entwickler Clifftop Games die Mühe machte ca. fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung ihres Point & Click-Adventures „Kathy Rain“ einen Director’s Cut zu eben jenen Spiel zu veröffentlichen, konnte man wohl davon ausgehen, dass die Schweden den Plan verfolgten eine Serie aufzubauen. Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass am 20. Mai 2025 die Fortsetzung Kathy Rain 2: Soothsayer in den großen Online-Shops Steam und GoG eintrudelte.
Der Publisher Raw Fury war so freundlich uns einen Key für Testzwecke zur Verfügung zu stellen. Und da ich bereits das erste Kathy Rain-Adventure von 2016, als auch den Director’s Cut von 2021 gerne gespielt habe, nahm ich den Key natürlich mit Freude entgegen. Was die Fortsetzung so alles zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Test.
Kathys Lebensabschnitt als Privatdetektivin
Es ist der 20. Mai 1998. Wir befinden uns in der fiktiven US-Großstadt Kassidy. Nachdem Kathy Rain vor einigen Jahren erschütternde Erlebnisse in ihrem Geburtsort Conwell Springs durchmachen musste, beschloss sie ihr Studium für Journalistik hinzuschmeißen und stattdessen eine Ausbildung als Privatdetektiv anzutreten. Und tatsächlich konnte sie eben diese mit Erfolg abschließen. Inzwischen hat sich Kathy selbstständig gemacht und betreibt eine eigene Detektei. Mit der Selbstständigkeit hat sich unsere grantige Rocker-Braut jedoch übernommen. Nach anfänglichen Erfolgen blieben die Aufträge aus. Es herrscht Ebbe in der Kasse. Kathy musste deswegen sogar ihre treue Freundin Eileen Summers entlassen und sieht sich nun mit einer drohenden Zwangsräumung konfrontiert.
In dieser Stunde der Not bekommt sie Besuch von ihrem alten Mentor Lucas Longhorn. Dieser ist sich Kathys misslicher Lage bewusst und bietet ihr eine Zusammenarbeit an.
Seit einigen Monaten wird Kassidy von einem grausamen Serienkiller geplagt, der von der Presse als „Wahrsager“ (bzw. Soothsayer im englischen Original) bezeichnet wird, da dieser am Tatort einen Obsidianspiegel hinterlässt. Der Wahrsager übte vor kurzem seinen fünften Mord aus – dieses mal hat es eine prominente Autorin erwischt. Angesichts der Inkompetenz der örtlichen Polizei, sieht sich der Bürgermeister Kassidys nun gezwungen ein Kopfgeld auszusetzen, um den Wahrsager aus dem Verkehr zu ziehen. Ein paar hunderttausend Dollar sollen als Belohnung bereitstehen, und Lucas würde das Kopfgeld Halbe-Halbe mit Kathy teilen. Allerdings hat unsere Titelheldin keine Lust ihr Leben für solch einen Hochrisiko-Auftrag aufs Spiel zu setzen und lässt Lucas abblitzen.
Doch kaum ist ihr Mentor aus dem Haus, hat Kathy einen Sinneswandel. Die Furcht vor der drohenden Obdachlosigkeit ist dann doch größer, als die Furcht vor einem Serienkiller. Also beschließt sie auf eigene Faust Nachforschungen über die Morde anzustellen, um das Kopfgeld zu kassieren. Mit der Zeit stellt sich immer mehr heraus, dass die Taten des Killers irgendwie mit den damaligen Geschehnissen in Conwell Springs zusammenhängen.
Wie schon im ersten Teil bekommen wir eine spannende detektivische Ermittlung geboten, welche gegen Ende hin stark ins Übernatürliche abdriftet. Tatsächlich sind die Ähnlichkeiten der gruseligen Final-Abschnitte mehr als nur offensichtlich, wodurch starke Abnutzungserscheinungen entstehen. Aber immerhin wird dieser Umstand genutzt, um viele offene Fragen des ersten Teils zu beantworten. Dennoch wären mir neue Ideen lieber gewesen.
Irritierend ist weiterhin, dass sich Kathy trotz der Erlebnisse des ersten Teils nicht vernünftig weiterentwickelt hat. Sie hat immer noch ihre durchtriebene und egoistische Ader, welche sie auf den ersten Blick reichlich unsympathisch erscheinen lässt. Glücklicherweise lässt sie auch immer wieder ihre Menschlichkeit und Empathie durchscheinen, weswegen man Kathy dann doch noch ins Herz schließen kann. Auf jeden Fall ist sie weitaus interessanter als die meisten Protagonisten anderer Adventures.
Da es sich bei Kathy Rain 2: Soothsayer um eine Fortsetzungsgeschichte handelt, sind Kenntnisse des Vorgängers zwingend erforderlich. Das Spiel versucht zwar gegenzusteuern, indem es vor Spielbeginn eine gelungene Zusammenfassung der vorangegangenen Ereignisse gibt, aber das ist kein wirklicher Ersatz dafür den ersten Teil selbst durchzuspielen. Ich persönlich würde von einem Quereinstieg jedenfalls abraten.
Knifflige Detektivarbeit
Wie schon der Vorgänger, so ist auch Kathy Rain 2: Soothsayer ein klassisches Point & Click-Adventure, welches die bewährten Gameplay-Formeln nutzt. Man steuert die Protagonistin durch liebevoll gepixelte Ortschaften, untersucht Umgebungsobjekte bzw. Hotspots, sammelt Gegenstände ein, die in einer aufrufbaren Inventarleiste am unteren Bildschirmrand gelistet werden, kombiniert besagte Gegenstände gegebenenfalls miteinander, nutzt diese Gegenstände um diverse Problemstellungen zu lösen (hierfür besagten Gegenstand von der Leiste auf den jeweiligen Hotspot bzw. NPC ziehen), quatscht mit NPCs um die Handlung voranzutreiben und somit neue Ortschaften oder Gesprächsthemen freizuschalten … Ja mein Gott, es ist eben ein Point & Click-Adventure, was freilich bedeutet, dass sämtliche Aktionen bequem mit der Maus und deren linker Taste abgewickelt werden können. Die rechte Maustaste bleibt übrigens ungenutzt. Das Spiel versucht sich also möglichst bequem zu halten.
Dementsprechend sollte es auch nicht verwundern, dass hier alle gängigen Hilfestellungen geboten werden. Es gibt eine Hotspot-Anzeige, das Ergrauen abgeklapperter Gesprächsoptionen und ein Questlog. Letzteres stellt obendrein eine Zweitfunktion als Hinweisgeber zur Verfügung, sofern man auf die jeweils gelistete Aufgabenstellung klickt. Wer dieser Hilfe nicht widerstehen kann, darf sie auch im Optionsmenü deaktivieren. Freilich gibt es auch den Doppelklick um Fußwege zu Ein- und Ausgängen abzukürzen. Kathys Laufgeschwindigkeit ist nämlich so gemächlich wie eh und je. Letzteres kann in etwas weitläufigeren Ortschaften wie der Bibliothek auch mal lästig werden. Das Spiel bietet eine Autosave-Funktion und eine umfassende manuelle Speicheroption. Sollte es in kritischen Situationen zu einem Game Over kommen, darf man umgehend einen neuen Versuch starten. Man kann Kathy Rain 2 also sehr entspannt spielen.
Abseits klassischer Inventarrätsel setzt Kathy Rain 2 aber auch immer wieder auf handfeste Detektivarbeit. Aufgaben wie das Recherchieren in Datenbänken, knacken von Zahlencodes oder Computerhacking können richtig anstrengend werden und die grauen Zellen ordentlich auf Trab bringen. Obendrein ist das Spiel, zumindest in der ersten Hälfte, überaus Dialoglastig, schließlich gilt es ja jede Menge Zeugen zu befragen und so. Tatsächlich hat man sich bei NPC-Dialogen sogar ein brandneues Feature ausgedacht (zumindest habe ich das noch in keinem anderen Adventure gesehen). Am unteren Rand der Themenliste ist ein blauer Button mit Karosymbol und Fragezeichen. Betätigt man den Button, darf man die NPCs nun auch über die Hotspots der näheren Umgebung befragen. Hierdurch hat man einen weiteren Faktor, den man im Hinterkopf behalten muss. Und freilich werden die Gespräche hierdurch noch ausufernder.
Diese Fokussierung auf konkrete Detektivarbeit passt einerseits gut zur Story, könnte aber andererseits einige Adventure-Fans abschrecken, die sich lieber mehr mit Inventarrätseln befassen. Jedenfalls sollte man die Dialoglastigkeit und den Schwierigkeitsgrad der Detektiv-Rätsel nicht unterschätzen. Kathy Rain 2 ist kein Adventure, welches ich Neulingen oder Casuals empfehlen würde. Teil 1 war da ne ganze Ecke zugänglicher. Erfahrene Adventure-Hobby-Detektive werden sich hingegen über den gestiegenen Anspruch freuen. Auch der Umfang wurde seit dem letzten Spiel spürbar angehoben. Ich selbst habe für meinen gründlichen Spieldurchlauf ca. 12 Stunden benötigt. Zahlreiche optionale Achievements sorgen obendrein für einen gewissen Mehrwert, sofern man auf diese kleinen virtuellen Bildchen wert legt.
Grafik und Sound
Wenig überraschend setzt auch der zweite Teil der Kathy Rain-Reihe auf den Retro-Pixellook seliger Lucas Arts- und Sierra-Tage. Im Vergleich zum ersten Teil hat man die Pixelgrafik ordentlich verbessert. Sowohl die Ortschaften, die Charaktersprites, als auch deren Textbox-Mugshots sind nun wesentlich detaillierter und hübscher. Die Animationen gefallen ebenfalls. Besonders cool ist, dass man dieses mal auch richtige Pixel-Zwischensequenzen eingebaut hat, die richtig schön anzuschauen sind.
Ich habe keine nostalgische Bindung zu Pixel-Grafik in Adventures. Ich bevorzuge da definitiv Renderbilder. Aber Kathy Rain 2: Soothsayer hat mir bewiesen, dass auch Pixel-Adventures das Zeug dazu haben mich optisch anzusprechen. Schön ist weiterhin, dass das Spiel auch auf meinem alten PC sehr gut läuft. Die hohen Systemanforderungen auf der Steam-Storepage erscheinen etwas übertrieben. Da hat der Entwickler die Unity-Engine jedenfalls gut im Griff.
Auch der Soundtrack kann überzeugen. Die Tracks sind nun düsterer angehaucht als im ersten Teil, verbreiten aber erneut viel Atmosphäre und bereichern das Spielerlebnis.
Die englische Sprachausgabe ist erstklassig und gehört mit zu den besten, welche ich im Genre erlebt habe. Die Sprecher hauchen ihren Charakteren sehr viel Leben ein und lassen die Spielwelt lebendig erscheinen. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es leider nicht, aber dafür wurden die Texte sehr professionell ins Deutsche übersetzt.
Pro & Kontra

- die Pixelgrafik wurde seit dem letzten Spiel stark verbessert
- die Detektiv-Thematik wird durch entsprechende Aufgaben und umfassende Befragungen glaubhaft vermittelt
- guter OST und tolle englische Sprachausgabe
- längere Spieldauer als der letzte Teil
- gewohnt unkomplizierte Point & Click-Steuerung

- nicht für Quereinsteiger geeignet, man sollte erst einmal den ersten Teil gezockt haben
- ist dialoglastiger als andere Adventures, was in den Anfangsphasen recht zäh wirkt
- der Schwierigkeitsgrad kann stellenweise recht knifflig werden, ist nichts für Neueinsteiger
- Kathy hat immer noch recht unsympathische Charakterzüge, welche sauer aufstoßen können
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