Star Wars Jedi Survivor REVIEW
Star Wars Jedi Survivor erzählt eine der interessantesten Geschichten und beherbergt gleichzeitig die vielleicht beste Besetzung, die das Franchise in den letzten Jahren gesehen hat. Zugegeben, die Messlatte liegt mittlerweile – je nachdem aus welchem Lager man kommt – nicht mehr allzu hoch, dennoch läuft Entwickler Respawn Entertainment mit dem Nachfolger von Star Wars Jedi Fallen Order stellenweise zu absoluter Höchstform auf und liefert darüber hinaus ein Spiel ab, das seinen Vorgänger in jeder Hinsicht in den Schatten stellt. Wären da nur nicht die technischen Unzulänglichkeiten…
Mit der heißen Nadel gestrickt

Bevor ich mich dem eigentlichen Spiel widme, möchte ich gleich den Elefanten im Raum ansprechen und aus dem Weg räumen: Ja, Respawn Entertainment hätte noch ein paar Wochen mehr für den Feinschliff haben sollen. Ja, Star Wars Jedi Survivor ist in einem unfertigen Zustand erschienen. Und das ist natürlich zu kritisieren, schließlich ist der Eintrittspreis in das Abenteuer mit 69,99 Euro auf dem PC und 79,99 Euro auf den Konsolen happig. Da will man natürlich ein fertiges Endprodukt haben und sich den Spaß nicht durch Abstürze, Bugs und eine unsaubere Performance verderben lassen.
Aus eigener Erfahrung kann ich nur für die PlayStation 5 Version sprechen, die mit dem in dieser Generation mittlerweile üblichen Qualitäts- und Performance-Modus ausgestattet ist. Der Qualitätsmodus strebt eine möglichst hohe Auflösung und damit ein sauberes Bild an, ist dafür aber auf angestrebte 30 Frames beschränkt. Der Performance-Modus hingegen will 60 Bilder erreichen und spart dafür an der Auflösung. Soweit die Theorie, denn vor allem der Performance-Modus lässt zu wünschen übrig. Hier scheint die Regel zu gelten, je größer das Gebiet, desto größer der Einbruch bei den Bildern pro Sekunde. Vor allem auf dem zweiten Planeten Koboh, der über viele offene Areale verfügt und sozusagen die Hub-Welt des Spiels darstellt, bricht die Framerate regelmäßig ein. Ein weiterer Knackpunkt scheint laut den Experten von Digital Foundry das Ray-Tracing zu sein. Denn in beiden Modi ist Ray-Tracing auch auf den Konsolen aktiviert, was zumindest im Performance-Modus überrascht. So schön die Effekte auch sind, die durch diese Technik ermöglicht werden, so intensiv sind sie für die Hardware, egal ob auf dem PC oder insbesondere auf den Konsolen. Eine Möglichkeit, Ray-Tracing zu deaktivieren, gibt es auf Konsolen auch nach dem aktuellen Patch 1.04 (Stand 05.05.2023) nicht.
Zahlen und Eindrücke lügen nicht

Ein weiteres Problem ist noch nicht gelöst und wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen: Die Bildqualität auf den Konsolen. Auch hier beziehe ich mich auf die Angaben von Digital Foundry, die nach ihren meist sehr genauen Messungen für den Quality-Modus eine Auflösung von 972p bis 1440p und für den Performance-Modus eine Auflösung von 684p bis 864p ausgaben. Gerade wenn man die Spielfigur Cal Kestis in Bewegung setzt und vor allem in den actionreichen und effektlastigen Kämpfen sieht man den Einbruch der Bildqualität deutlich. Gleichzeitig versucht AMDs Skalierungstechnik FSR 2.1 die Unschärfe abzumildern und ein möglichst sauberes Bild darzustellen. Dies gelingt in Szenen ohne viel Action durchaus und führt stellenweise zu einem überraschend guten Ergebnis.
Die Entwickler bemühen sich um Schadensbegrenzung und versuchen, die Brandherde zu löschen. Zu beneiden sind sie nicht, zumal viele Spielerinnen und Spieler ihren Unmut in den sozialen Medien kundtun und es natürlich wie immer Idioten gibt, die übers Ziel hinausschießen und ihre Kritik bewusst oder unbewusst in belästigende und beleidigende Kommentare packen. Und dass ausgerechnet der technische Zustand den Diskurs um Jedi Survivor bestimmt, ist schade. Denn eigentlich macht das Spiel auf so vielen Ebenen so vieles gut und richtig.
Star Wars Flair durch und durch

Sieht man von den Problemen ab, wird einem audiovisuell ein Spiel geboten, das immer wieder beeindruckend gut aussieht und klingt. Die schiere Menge an unterschiedlichen Assets ist beeindruckend, der Detailgrad ebenfalls. Die Gestaltung der verschiedenen Planeten ist visuell gelungen, insbesondere Coruscant, Jedha und Koboh. Die Verzahnung der Areale untereinander ist Leveldesign in Perfektion. Die Welten sind gleichzeitig Spielwiese für Cals alte und neue akrobatische Fähigkeiten und laden mit ihren geheimen Orten und Verstecken zum Erkunden ein. Einer der zentralen Orte, zu dem man immer wieder zurückkehrt, ist eine Cantina, die sich im Laufe des Spiels mit Leben und neuen Gesichtern füllt. Hier tummelt sich eine Vielzahl vor allem optisch toll gestalteter Figuren, seien es Droiden oder nichtmenschliche Wesen. Die Musik trifft immer wieder den Nagel auf den Kopf und sorgt für Gänsehaut, die Soundkulisse sowieso. Wenn alles läuft und so zusammenkommt, wie von den Entwicklern intendiert, dann ist Jedi Survivor ein audiovisuell wunderbares Erlebnis.
Das Abenteuer von Cal Kestis geht weiter

An dieser Stelle ein Geständnis: Ich konnte den damaligen Hype um Jedi Fallen Order nicht ganz nachvollziehen, zumindest nicht rein auf das Spiel selbst bezogen. Den historischen Kontext mit zig Jahren ohne Star Wars Singleplayer-Spiel, gescheiterten Projekten und den in den Medien ziemlich verrissenen Battlefront-Spielen von DICE (die ich beide sehr mochte) mal ausgeklammert, empfand ich Respawns Erstlingswerk mit der Krieg der Sterne Lizenz zwar als Spiel mit guten Ansätzen, aber abgesehen von der durchaus spannenden Story und den Charakteren konnte mich der Gameplay-Mix aus Souls-ähnlichen, Metroidvania und Uncharted typischen Klettereinlagen noch nicht vollends überzeugen. Ich hatte zwar Spaß mit dem Spiel, aber das ungenutzte Potential links und rechts war für mich viel zu offensichtlich.
Knapp vier Jahre später liefert Respawn Entertainment mit Jedi Survivor einen Nachfolger ab, der in fast jeder Hinsicht besser funktioniert und stellenweise sogar glänzt. Die Handlung spielt einige Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers und stellt erneut Cal Kestis in den Mittelpunkt. Als einer der wenigen Überlebenden der Order-66 und dem damit verbundenen Massaker an den Jedi sowie der Machtübernahme des Imperiums als Diktatur in der Galaxis lebte Kestis lange Jahre im Untergrund und versuchte stets, seine Machtbegabung vor den wachsamen Augen der Inquisition zu verbergen. In Fallen Order findet Kestis eine neue Meisterin, Freunde und Verbündete und seine Mission: den Orden der Jedi wieder aufzubauen. Daran hat sich in Jedi Survivor nicht viel geändert, nur dass seine alten Weggefährten inzwischen in der Galaxis verstreut sind und Kestis mit neuen Gefährten versucht, den aussichtslos erscheinenden Kampf gegen das Imperium fortzusetzen.
Toller Held mit vielen Schichten

Der neue Kestis ist viel reifer und gefasster als der junge, noch naive Jedi des Vorgängers. Kestis hat zwischen den beiden Spielen und auch bis zum Ende seines zweiten Auftritts eine starke Wandlung durchgemacht, die der von Luke in Episode 4 über Episode 5 bis Episode 6 sehr ähnlich ist. Cameron Monaghan, der vor allem aus den Serien Shameless und Gotham bekannt ist, spielt erneut die Rolle des Cal und hat sich endgültig in den Charakter verliebt. Ich LIEBE Cal Kestis als Hauptfigur und nach dem Ende von Jedi Survivor würde ich sogar sagen, dass das Franchise hier eines seiner besten Gesichter überhaupt hat. Monaghans Leistung ist vielschichtig und offenbart für das Franchise erstaunlich viele Schichten, die weit über den typischen Jedi hinausgehen. Auch Themen wie Liebe und Humor sind Teil ihres Charakters und machen Kestis so vielschichtig, dass Lucasfilm und Disney einen großen Fehler begehen würden, wenn sie die Figur allein im Videospielkosmos lassen würden. Eine Serie oder gar ein Film mit Cameron Monaghan als Cal Kestis ist eigentlich ein No-Brainer.
Die Macht eines Jedi

Glücklicherweise leidet Cal in der Fortsetzung nicht an der typischen Krankheit vieler Videospielhelden und hat seine Fähigkeiten aus dem Vorgänger nicht vergessen. Machtschub, Doppelsprung und diverse andere Fähigkeiten stehen von Anfang an zur Verfügung, darüber hinaus kann man über einen umfangreichen Skilltree viele weitere Möglichkeiten gegen den Einsatz von Skillpunkten erwerben. Am Ende des Spiels reißt man ganze Gegnergruppen zu Boden, löst mit dem neuen Parier-Schwert mächtige Konter und eine Schubwelle aus, verwirrt Gegner und lässt sie die eigenen Kameraden unter Beschuss nehmen. Jedi Survivor versteht es hervorragend, dem Spieler/der Spielerin zu vermitteln, wie mächtig Cal ist. Das Kampfsystem wurde um weitere Elemente erweitert und im Detail verfeinert. Respawn Entertainment bedient sich zwar der Konventionen der Souls-likes, will aber vor allem ein zugängliches Erlebnis schaffen. Selbst auf dem höchsten der fünf verfügbaren Schwierigkeitsgrade erreicht man noch lange nicht den Anspruch eines Bloodborne und das ist auch gut so. Vielmehr freut es mich zu sehen, wie Konzepte und Einflüsse vor allem von FromSoftware mittlerweile im Mainstream angekommen sind und neu interpretiert und arrangiert werden.
Kämpfe machen wieder einen großen Teil des Spiels aus. Diesmal bekommt es Cal nicht nur mit den imperialen Truppen zu tun, sondern unter anderem auch mit den Droiden aus der Prequel-Trilogie. Diese wurden von einer kriminellen Organisation übernommen und umprogrammiert. Die Kommentare der Kampfdroiden sind immer wieder herrlich, ihre Kampffähigkeiten nicht viel besser als die der lächerlichen Sturmtruppen (der Kanon bleibt also erhalten!). Natürlich gibt es auch anspruchsvollere Gegner, vor allem die neuen Nahkampfgegner haben es in sich und auch die Bosskämpfe stechen positiv hervor. Ich möchte an dieser Stelle nichts spoilern, aber es gibt zwei, drei Kämpfe, bei denen mein Fanherz ganz schön in die Höhe geschnellt ist. Hier treffen die Wucht des Kampfsystems und das tolle Trefferfeedback auf eine grandiose Inszenierung, die alle Rezeptoren eines Star Wars Fans anspricht.
Die Waffen eines Jedi

Da hilft es natürlich noch mehr, das Cal diesmal nicht nur ein einzelnes Schwert schwingt, sondern auch zwei gleichzeitig, ein Doppelklingenschwert, ein Schwert zum Parieren wie jenes von Kylo Ren sowie ein Schwert plus Blaster. Jede der insgesamt fünf Haltungen hat einen eigenen Pfad im Fähigkeitenbaum, eigene Angriffsmuster und Spezialattacken. Leider kann man nur zwei Haltungen gleichzeitig mit sich „führen“. Will man wechseln, muss man dies an einen Speicherpunkt oder einer Werkbank tun. Warum man hier einen Riegel vorschiebt, ist mir nicht ganz klar, eigentlich hätte es möglich sein können, dass man on the fly zwischen den Haltungen hin und her schaltet. Überladen ist die Steuerung ohnehin schon, wenn derart krass, dass man zu sehr in den unterschiedlichen Situationen umdenken muss.
Von den neuen Haltungen hat mir das Parier-Schwert am besten gefallen. In anderen Spielen wäre das der Zweihänder, eine schwere und langsame Waffe, die aber mächtig Schaden austeilt. Selbst bei Bossgegnern kann man mit zwei, drei gut getimten Paraden schnell die Ausdauerleiste in den Keller bringen und zum mächtigen Gegenangriff übergehen. Auch die neue Kombination Schwert + Blaster ist cool und für den Fernkampf gut geeignet. Allerdings ist die Energie des Blasters schnell am Limit und man muss eine Abkühlphase in Kauf nehmen. Die Doppelklingen eignen sich perfekt für den Kampf gegen größere Gruppen, während die Einzelklinge und die beiden Schwerter ideale Allrounder sind.
Größer ja, aber auch besser?

Jedi Survivor ist deutlich größer als sein Vorgänger. Mit Koboh gibt es eine große Open World, mit Jedha eine etwas kleinere. Die restlichen vier Planeten sind deutlich kleiner und linearer. Abseits der Kämpfe konzentriert sich das Gameplay vor allem auf die Erkundung der Spielwelt, wobei hier neben den spaßigen Kletter- und Plattformeinlagen, die dank eines neuen Greifhakens noch agiler ablaufen, vor allem das Metdroidvania als Grundkonzept zum Tragen kommt. In den Welten gibt es viele offene Bereiche, darunter Jedi-Kammern mit Prüfungen, die vor allem mit der Physik spielen. Die mal kleineren, mal größeren Rätsel sind meist abwechslungsreich und oft mit Plattform-Einlagen kombiniert. Diese Mischung ist sehr befriedigend. Wie gesagt: Respawn Entertainment versteht es mittlerweile gut, die Elemente zusammenzuführen.
Wo ich noch etwas zu meckern habe, sind die Belohnungen. Jedi Survivor überschüttet einen mit Unmengen an Outfits, Frisuren, Teilen zur Individualisierung von Cals treuem und immer noch knuddeligem Droiden BD-1, dem Laserschwert sowie dem neuen Blaster. Aber so richtig befriedigend – und das sage ich als großer Star Wars Fan – ist das alles nicht. Natürlich ist das Anpassen des Laserschwertes cool, vor allem weil man diesmal von Anfang an zwischen verschiedenen Farben wählen kann. Und ja, dass ich Cal ’ne Vokuhila und einen Porno-Schnurrbart verpassen kann, ist lustig. Aber in Sachen Loot, das den Aufwand wirklich lohnt, darf im Nachfolger gerne noch mehr passieren.
Pro & Kontra

- spannend erzählte Geschichte mit viel Star Wars Flair
- Cal Kestis als gereifter Protagonist is fantastisch
- ausgebautes und verfeinertes Kampfsystem
- visuell und in puncto Level-Design toll gestaltete Welten
- Sounddesign und Musik wie von einem anderen Stern (im positiven Sinne)
- griffige Steuerung
- gut umgesetzte Versatzstücke aus dem Metroidvania- und Plattformer-Genres

- technsiche Probleme zum Start, je nach Plattform mehr (PC) oder etwas weniger (Konsolen)
- Performance-Modus auf PS5 bricht in offenen Abschnitten immer wieder ein und sorgt für sichtlich unsaubere Bildqualität
- Loot fühlt sich selten befriedigend an

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