Light Fairytale: Episode 1 REVIEW
Light Fairytale ist ein Rollenspiel im Stil der großen Klassiker der PS1- und PS2-Ära. Vor allem Final Fantasy VII und Breath of Fire: Dragon Quarter dienen als Inspirationsquelle für das ambitionierte Projekt des französischen Indie-Entwicklers neko.works. Ursprünglich handelte es sich um ein Kickstarter-Projekt, welches jedoch scheiterte, da der gewünschte Spendenbetrag von durchaus realistischen 30.000 € nicht erreicht werden konnte. Es konnten lediglich 8.218 € zusammengetragen werden. Also musste eine andere Lösung her, um das Projekt zu bewerkstelligen. Der aktuelle Lösungsansatz lautet Episodenformat. Laut des Entwicklers sind mindestens 3 Episoden geplant, und die erste Episode, auf derer dieses Review basiert, wurde am 13.05.2019 veröffentlicht, nachdem sie bereits ein halbes Jahr lang im Early Access verfügbar war. Ob sich der Kauf der 9,99 € teuren Episode lohnt oder nicht, soll folgender Test verraten.
Folgenschwerer Wutausbruch
Light Fairytale versetzt uns in eine dystopische Welt, welche vor tausenden von Jahren einer nicht näher erläuterten Katastrophe zum Opfer gefallen ist. Besagte Katastrophe zwang die Menschheit in den Untergrund, wo sie eine große Stadt erbauten, welche in Stockwerken strukturiert wurde. Die Mächtigen und Privilegierten leben in den oberen Stockwerken, während die armen Schlucker in den Unteren ausharren müssen. Die Ordnung und Sozialstrukturen in der Stadt werden vom sogenannten „Empire“ aufrecht erhalten, während die Vergangenheit in Form der Oberfläche schon längst in Vergessenheit geraten ist.
Episode 1 dreht sich um die beiden Teens Haru und Kuroko. Haru ist ein arbeitsloser Faulpelz, Tagträumer und Herumtreiber von der untersten Ebene 1, der noch nicht mal genügend Ambitionen mitbringt sich eine Wohnung zu suchen und stattdessen wie ein Penner haust. Seine Zeit verbringt er viel lieber mit Nickerchen und dem Nachsabbern nach niedlichen Catgirls und der scharfen Bardame im Bunny-Kostüm. Es dürfte wohl in erster Linie an seinem guten Aussehen liegen, dass die burschikose Hackerin Kuroko versucht diesen Looser anzugraben. Dummerweise ist Haru viel zu verpeilt um die Signale seiner Kindheitsfreundin zu deuten, während Kuroko nicht genügend Mumm aufbringt direkt zu sagen was Sache ist.
Haru träumt in letzter Zeit von einer seltsamen blauen Decke, die wohl „Sky“ (Himmel) genannt wird. Doch was soll dieser Himmel überhaupt sein und wieso träumt Haru davon? Kuroko will unterdessen den neuen Wahrsager-Laden auf ihrer Heimat-Ebene 2 unter die Lupe nehmen und nimmt Haru dafür in Schlepptau. Nachdem sich die beiden Teens an diesem Tag wieder trennen, holt Haru jedoch erstmals die harte Realität seiner Welt ein. Soldaten des Imperiums verhaften ein kleines Mädchen aus seinem Freundeskreis wegen angeblichen Diebstahls – und jeder weiß, dass diejenigen, die verhaftet werden für immer verschwinden. Als einige Zeit später dann auch noch ein besonders widerwärtiger Soldat versucht einer Katze den Schwanz abzuschneiden, um diesen auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, entlädt sich Harus Frust, was ihn dazu treibt einige Imperiums-Soldaten mit seinem Lichtschwert aufzuschlitzen (ja, hier gibts Lichtschwerter). Dummerweise wird er dabei von einer hochrangigen Generalin ertappt und fast getötet, nur mit Kurokos Hilfe gelingt es ihm vorzeitig zu entkommen. Die Beiden begeben sich auf eine aussichtslose Flucht.
Ich nehme gleich mal den großen Knackpunkt von Light Fairytale vorweg: Das Spiel ist kurz, sehr kurz. Stellt euch vor, ihr spielt Final Fantasy VII. Ihr habt gerade Reaktor 5 gesprengt und den Kampfroboter erledigt. Cloud stürzt ins Bodenlose ab, was Tifa und Barret hilflos mitverfolgen müssen. Und dann – Cliffhanger! Jetzt heißt es auf die zweite Episode zu warten. Genau das erwartet euch in Episode 1 von Light Fairytale. Die Episode ist vorbei, bevor sie überhaupt richtig in die Gänge kommt. Streng genommen handelt es sich nicht um Episode 1, sondern um einen Prolog, der in erster Linie dazu dient den Spieler mit den beiden Hauptcharaktern und ihrer Heimat vertraut zu machen, sowie einige Nebencharaktere grob anzureißen. Glücklicherweise ist das Setting frisch, sowie die beiden Protagonisten liebenswert genug, um das Interesse auf die nächste Episode ordentlich anzuheizen. Auch die zahlreichen liebevollen, aber dennoch unaufdringlichen Anspielungen auf die großen JRPG-Klassiker sorgen immer wieder für ein wohliges Lächeln und vermitteln deutlich, dass hier jemand mit Herzblut an der Sache dransitzt.
Etwas seltsam ist jedoch das Anime-Outrofilmchen, welches heftige Spoiler vom Stapel lässt. Das Filmchen an sich sieht schick aus und ist eine tolle Belohnung für das Durchspielen des Spiels, aber der Spoiler-Faktor ist schon extrem derb.
Kurz, aber oho!
Light Fairytale bietet viele Einstellungsoptionen bezüglich Grafik und Technik, außerdem werden sowohl Tastatur als auch Gamepads unterstützt. Die interessanteste Option wird jedoch erst freigeschaltet, sobald man das Spiel durchgespielt hat. Dann darf man Light Fairytale nämlich noch mal aus der Sicht von Kuroko erleben. Hier gibt es natürlich alternative Sequenzen, die man zuvor nicht gesehen hat. Komplexitätswunder sollte man aber nicht erwarten, da der Storyverlauf, die Gegner, etc. identisch bleiben. Für den ersten Spieldurchlauf ist man jedoch auf Haru beschränkt. Dennoch ist die Wahl aus zwei Protagonisten eine sehr schöne Option, die ich bis dato in dieser Form nur in Star Ocean 2 gesehen habe. Hierdurch wird auch die Spieldauer etwas verlängert, denn meinen Spieldurchlauf mit Haru hatte ich bereits nach 3 Stunden und 30 Minuten durch. Für meinen Zweiten mit Kuroko benötigte ich dann noch mal um die 2 Stunden und 15 Minuten. Etwas Achievement-Hunting und der Kampf um höhere Platzierungen auf dem Leaderboard (die werden z.B. an die Minigames gebunden), können da auch noch etwas zur maximalen Spielzeit hinzufügen. Also ja, wie bereits gesagt, ist der große Knackpunkt des Spiels die läppische Spieldauer. Davon sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen, denn der Gameplay-Inhalt bietet trotz dessen einige schöne Ideen.
In den ersten Spielabschnitten geht es erst einmal nur darum die Gegend zu erkunden, was dann auch vom Spiel genutzt wird, um einige Tutorial-Erklärungen in Form von NPC-Dialogen abzuwickeln. Per Tastendruck lässt sich der Visor-Scanner aktivieren. Dieser fungiert als eine Art Hotspot-Anzeige und markiert Ein- und Ausgänge, ansprechbare NPCs, sowie die Kampffelder – ein sehr nützliches Tool!
Die Kampffelder sind die Zonen, in denen die Rundenkämpfe getriggert werden. Typische Zufallskämpfe gibt es hier nämlich nicht, und jedes Kampffeld ist obendrein auf 2 bis 4 Kämpfe beschränkt. Danach gilt ein Kampffeld als „Clear!“ was bedeutet, dass hier grundsätzlich keine Kämpfe mehr stattfinden. Das heißt, dass konstantes Grinding nicht möglich ist, sondern eben nur in jenem Rahmen, wie Kampffelder zur Verfügung stehen. Einige Kampffelder kann man auch umgehen. Hierbei hilft der Visor weiter.
Durch diese Strukturierung ist der Spieler gezwungen geschickt mit seinen Ressourcen umzugehen, denn man kann sich eben nicht endlos viel Geld zusammengrinden, um sich einen Batzen von Heilmitteln anzuhäufen. Und den ersten und einzigen Shop im Spiel findet man sowieso erst im letzten Spieldrittel. Ähnliches gilt für Exp und damit verbundene Level-Ups. Selbst wer jeden möglichen Kampf abwickelt, wird zum Ende des Spiels lediglich auf Stufe 4 sein, was bedeutet, dass man nie so stark sein wird, dass man die Gegner mit eins zwei Treffern von der Platte putzen kann. Hierdurch wird ein gutes Balancing des Schwierigkeitsgrads gewährt und man fühlt sich während der Flucht tatsächlich bedroht und in Gefahr.
Die Kämpfe laufen ganz klassisch ab. Bevor man agieren darf, muss man warten, bis sich der Aktionsbalken aufgeladen hat. Anschließend stehen die typischen Befehle zur Verfügung wie Angriff, Verteidigung, Gegenstände oder auch die Orb-Magie. Die Orbs sind dasselbe wie die Substanzen aus FF VII. Die meisten Ausrüstungsstücke bieten zwei Slots für Orbs. Die Orbs werden benötigt um Magie zu wirken oder Harus Lichtschwert mit Energie zu versorgen. Da zwei Slots zur Verfügung stehen, lassen sich bestimmte Orbs auch kombinieren, um stärkere oder variierende Effekte zu erzielen. Leider bietet Episode 1 gerade mal 3 verschiedene Orb-Typen (von denen man zwei leicht verfehlen kann), weswegen sich die Möglichkeiten hierbei noch arg in Grenzen halten. Da werden dann die zukünftigen Episoden zeigen müssen, was das Orb-System taugt.
Es sind auch die klassischen „Limit-Wutangriffe“ enthalten (werden hier „Fury“ genannt). Kassieren die Spielfiguren Schaden im Kampf, wächst der Fury-Balken. Ist dieser voll, verwandelt sich der jeweilige Charakter in eine Art Super-Form und darf eine Spezialtechnik lostreten (ein Heilzauber für Haru und eine effektive Schlagkombo für Kuroko). In den späteren Episoden, sollen die Charaktere auch noch weitere Fury-Techniken erwerben können. Anders als bei den Limit-Angriffen aus FF VII gewährt Light Fairytale jedoch nicht die Fury-Techniken nach eigenem Wunsch einzusetzen. Sobald der Fury-Balken aufgeladen ist, muss die Technik im nächsten Zug des Charakters eingesetzt werden, egal ob dies gerade recht kommt oder nicht.
Trotz der Kürze des Spiels darf man sich mit drei Minigames befassen. Das rein optionale „Night Riders“ ist ein sehr unterhaltsames Arcade-Spielchen im Atari-Stil, der „Stealth Contest“ ist eine eher fade „Drück das Knöpfchen im richtigen Moment“-Angelegenheit, und zum Schluss gibt es noch eine kurze Geschicklichkeitspassage, die man bei Bedarf jedoch auch überspringen darf.
Ein kleiner Kritikpunkt zum Schluss: Aus irgendeinem Grund, hat man sich entschlossen die Laufmechanik der Spielfigur „realistisch“ zu gestalten. Soll heißen, dass es noch eine lästige „Bremsbewegung“ gibt, sobald man die Lauftaste loslässt. Auch das allgemeine Feeling beim laufen wirkt dezent träge. Kein Vergleich zur absolut direkten Charaktersteuerung eines FF VII. Ich hoffe der Entwickler bessert in dieser Hinsicht noch mal nach, denn solch ein JRPG ist echt kein Spiel, wo man eine realistisch-träge Charaktersteuerung benötigt.
Tja, und damit wäre auch erklärt, was Light Fairytale: Episode 1 so alles zu bieten hat. Das Spiel ist natürlich viel zu kurz, um voraussehen zu können, wie gut das Komplettpaket letztendlich sein wird, aber Episode 1 macht verdammt viel Lust auf das, was noch kommen mag!
Grafik und Sound
Das Spiel wurde mithilfe der Unity-Engine erstellt, was sich aber glücklicherweise nur durch das Unity-Emblem am Spielstart bemerkbar macht. Die Grafik von Light Fairytale ist, für das was sie erreichen möchte, nämlich absolut exzellent ausgefallen, und war auch der Hauptgrund dafür, warum ich mir das Spiel gekauft hatte. Die Screenshots erweckten sofort Erinnerungen an Final Fantasy VII und wirkten genauso detailverliebt wie meine heißgeliebten Renderbilder eben auszusehen haben. Überraschenderweise nutzt das Spiel jedoch gar keine Renderbilder sondern 3D-Grafiken. Die 3D-Grafik wurde nur derart genial gestaltet, dass es wirkt, als ob klassische Renderbilder genutzt worden wären. Die Entscheidung zur dritten Dimension hat oftmals positive Auswirkungen, die man bei Renderbildern auch nicht unbedingt erreicht hätte. So gibt es keine Pixelbildung, wenn man mit der Kamera heranzoomt und die Ortschaften wirken auch nicht statisch, da es viele schöne Details gibt, wie drehende Litfaßsäulen, Ventilatoren oder auch zerberstende Wände.
Bei den 3D-Charaktermodellen hat man sich für einen einheitlichen Chibi-Stil entschieden, der sowohl im Kampf, als auch in den Maps verwendet wird. Dieser auf niedlich getrimmte Stil ist starke Geschmackssache, weckt bei mir aber zumindest Erinnerungen an das erste Wild Arms. Die Artworkzeichnungen, die z.B. für Dialogbox-Konterfeis, im Menü oder auch im Anime-Outro verwendet werden, geben den Charakteren hingegen natürlichere Proportionen. Egal welchen Aspekt der Grafik man betrachtet, alles wirkt sehr sauber, professionell und hübsch anzuschauen. Man hat immer das Gefühl man spielt ein Qualitätsprodukt und kein billig zusammengeschludertes Hobbyprojekt aus dem Unity-Engine-Baukasten. Da hat der Entwickler unglaublich gute Arbeit geleistet!
Auch der Soundtrack ist richtig gut gelungen, bietet für mich als Ohrwurm-Fanatiker jedoch leider nichts Prägnantes. Auffällig ist hingegen, dass einige Tracks deutliche Hommagen an gewisse Stücke aus Final Fantasy VII darstellen. Da lassen sich schon überdeutliche Parallelen heraushören. Allerdings bleibt der OST immer im Bereich der Hommage und rutscht nie ins Plagiat hinein. Ein Spagat den man erst mal hinbekommen muss. Man hat sich sogar die Mühe gemacht einen eigenen Themesong zu komponieren und von einer japanischen Sängerin performen zu lassen. Sowohl der reguläre OST, als auch der gesungene Themesong stehen als separate DLCs zur Verfügung. Eine Sprachausgabe gibt es nicht und die Soundeffekte wirken klassisch-charmant ohne aufdringlich zu werden.
Pro & Kontra
- tolle audiovisuelle Präsentation
- spannendes, nach wie vor unverbrauchtes Setting
- bietet einige relativ frische, gute Ideen (Visor, Kampffelder, ein alternativer Spieldurchlauf)
- Achievements, Minigames und Leaderboards
- sehr kurzes Spiel, es ist weniger ein erstes Kapitel, als viel mehr ein Prolog
- 10 Euro für 3,5 bis 6 Stunden Spielzeit sind etwas hoch gegriffen
- die Laufbewegungen der Spielfiguren sind unnötig träge
- das Bangen und Warten auf die nächsten Episode(n)