Growl REVIEW
Der Arcade-Klassiker Double Dragon hatte Anno 1987 die Landschaft der Videospiele deutlich mitgeprägt. Viele andere Entwickler sprangen auf den Brawler-Zug auf und brachten ihre eigenen Interpretationen des Spielprinzips auf den Markt. Auch das japansiche Unternehmen Taito wollte einen Teil vom Kuchen abhaben und hat die kommenden Jahre einige Spiele dieser Art produziert. Vermutlich versuchten die Japaner sich für eines dieser Spiele die Indiana Jones-Lizenz zu schnappen, was dann aber doch nicht geklappt hat. Folglich hat man die bereits erstellten Sprites und Grafiken wiederverwertet und in ein Spiel mit wirrer Tierschutzthematik gepackt. Das Ergebnis nennt sich Growl (bzw. Runark in Japan), und erschien 1990 in den Arcade-Hallen. Im Februar 1991 wurde das Game auch auf den Genesis/Mega Drive portiert.
Das Arcade-Original bekommt ihr dieser Tage übrigens als Bestandteil der „Taito Legends 2“-Collection für PS2, Xbox und PC. Diese Version ist jedoch zensiert und arbeitet mit hässlichen Weichzeichnern. Aber wie dem auch sei, was dieser abgefahrene Siedescroll-Prügler mit Indiana Jones-DNS im Detail zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Review.
Die erste Wahl für militante PETA-Anhänger
Die Story ist simpel. Im frühen 20ten Jahrhundert wird die Fauna Afrikas von grausamen Wilderern geplagt. Mehrere Tierrassen sind vom Aussterben bedroht, also wird das örtliche Ranger Corps kontaktiert, um den Übeltätern mal ordentlich in den Hintern zu treten. Doch der Auftrag kommt ein paar Minütchen zu spät, denn die Wilderer stehen bereits wortwörtlich vor der Tür der Ranger-Zentrale und jagen diese mit ner Granate in die Luft. Glücklicherweise kommen die vier dort stationierten Ranger noch mal mit dem Leben davon und brennen darauf zurückzuschlagen. Der Kampf beginnt direkt in den Ruinen der zerstörten Ranger-Zentrale, und die vier Wildhüter werden nicht eher ruhen, bis sie sich den mysteriösen Anführer der Wilderer vorgeknöpft haben.
So weit so geradlinig. Es gibt jedoch einige Besonderheiten die unbedingt besprochen werden sollten. Zunächst ist da einmal der bereits erwähnte Indiana Jones-Einfluss. Einige Charaktersprites wurden sehr offensichtlich für eine entsprechende Filmumsetzung kreiert. Zwei der Rangersprites sehen Indie zum verwechseln ähnlich. Ferner verprügelt man hier unter anderem John Rhys Davies in seiner Rolle als Sallah oder den Kotzbrocken Roscoe, mit den sich der junge Indie im dritten Film auseinandersetzen muss. Auch der erschossene Schwertkämpfer aus dem ersten Indie-Film muss wieder herhalten.
Bescheuert wird es hingegen, wenn man auf einmal gegen einen mit Sack maskierten Muskelprotz á la Jason Vorhees antreten muss, oder plötzlich Frauen in schrillen Business-Klamotten aufkreuzen. Und über den völlig durchgeknallten als auch spielerisch unpassenden Endgegner breite ich jetzt mal den Mantel des Schweigens, den muss man wirklich selbst erleben. Die damit einhergehende Storywendung zieht die Handlung natürlich vollends ins lächerliche.
Auffällig ist auch das hohe Maß an Gewalt. In der unzensierten Version zerfetzen Sprengwaffen Gegnersprites in kokelnde Fleischbrocken, und Gegner die bereits am Boden Knien, kann man packen und das Knie küssen lassen. Wenigstens rundet die übertriebene Gewalt im Stil von 80er-Jahre Actionstreifen den herrlich bizarren und durchgeknallten Trip namens Growl ab.
Es muss auch erwähnt werden, dass die Genesis/Mega Drive-Version die Handlung erweitert und abändert. Dort bekommen die verantwortlichen Organisationen, sowie die Stadt und auch die vier Spielfiguren endlich Namen spendiert (die Burschen heißen Gen, Burn, Khan und Jack), allerdings wird das Geschehen vom frühen 20ten Jahrhundert ins Jahr 1998 verfrachtet, was hinsichtlich einiger Grafiken jedoch keinen Sinn ergibt.
Der Tierfreund und sein Arsenal
Gameplay-technisch orientiert sich Growl am ehesten an Double Dragon, das ist durchaus bemerkenswert, da die meisten 90er Brawler dem Erfolg von Final Fight hinterher hechelten. Obendrein versucht Taito ihrem Spiel einen ganz eigenen individuellen Anstrich zu verpassen, aber der Reihe nach. Ich gehe mal davon aus, dass das ohnehin simple Grundspielprinzip eines Brawlers geläufig ist. Den linearen Levelschlauch von links nach rechts entlangwandern und jeden Gegner erledigen der sich in den Weg stellt.
Growl bietet Koop-Gameplay für bis zu vier Spieler, ist aber auch für Einzelspieler sehr unterhaltsam. Die vier Spielfiguren unterscheiden sich in den Statistikwerten Angriffskraft (Attack), Sprungkraft (Jump) und Lebensenergie (Life). Unabhängig davon fühlen sich die vier Ranger aber ziemlich gleich an. Es stehen vier Schwierigkeitsgrade zur Auswahl: Easy, Normal, Hard und Hardest. Im allgemeinen ist der Schwierigkeitsgrad von Growl eine ganze Ecke freundlicher, als bei der Konkurrenz. Obwohl euch das Spiel sehr gerne wahre Gegnermassen entgegenwirft, kann man diese überraschend gut in den Griff bekommen. Dies liegt hauptsächlich am großzügigen Waffenarsenal.
Das Spiel bietet acht verschiedene Waffentypen und schanzt euch gleich zu Beginn den mächtigen M202 Flash-Raketenwerfer zu (bekannt aus Schwarzeneggers Phantom-Kommando). Weiter geht es mit Maschinengewehr, Revolver und Handgranaten. Schusswaffen unterliegen freilich einer Munitionsbegrenzung. Zu den eher bodenständigen Waffen gehören Wurfmesser, Eisenstange, Schwert und Peitsche (Indi lässt schön grüßen). Die Waffen sind effektiv, wurden zahlreich in den Stages platziert und liegen eine großzügig lange Zeit am Boden herum, ehe sie wegblinken. Kurz gesagt: Growl will, dass ihr die Waffen benutzt. Sie sind kein optionales Gimmick wie in anderen Brawlern, sondern ein zentrales, und vor allem spaßiges Spielelement! Sollten die acht Waffen nicht ausreichen, könnt ich auch Dinge wie Felsbrocken oder Kisten aufheben und als Wurfwaffen zweckentfremden. Man kann sogar Stühle durch die Gegend kicken.
Sollte aber mal nichts zur Hand sein, kann man freilich auch mit Faustschlägen und Sprungkicks vorgehen. Der Faustkampf ist turboschnell und fühlt sich angenehm effektiv an. Die Sprungkicks hingegen wirken reichlich nutzlos. Es gibt auch den aus Double Dragon II bekannten Cyclone-Kick. Für diesen muss man die Schlag- und Sprungtaste gleichzeitig betätigen, was in der Praxis aber eher schlecht als recht funktioniert. Das ist insbesondere deswegen ärgerlich, da die zähen und sehr nervigen Bossgegner den Cyclone-Kick nahezu voraussetzen. Aber ich verstehe natürlich, dass bei Arcade-Games irgendwo Münzenfresser-Aspekte eingebaut sein müssen, damit sich die Sache für das Unternehmen rentiert. So überrascht es auch nicht, dass es eine Stage im Spiel gibt, welche ausschließlich auf Platforming ausgelegt ist. Zumindest ist die Platforming-Stage nicht so unfair wie die Fallen-Passage aus Double Dragon.
Glücklicherweise fügen die Münzenfresser-Tricks dem fetzigen Spieldurchlauf keinen ernsthaften Schaden zu. Besonders cool ist die gescriptete Unterstützung der geretteten Tiere. Da wird auch mal eine Gegnerhorde von einem Raubvogelschwarm beharkt, oder ein Elefant legt sich mit einem Panzer an. Solche Szenen brennen sich ins Gedächtnis und machen Growl zu einem Geheimtipp! Leider ist das Spiel ein ziemlich kurzes Vergnügen und sollte nach ca. einer halben Stunde durchgezockt sein. Aber lieber kurz, durchgeknallt und spaßig, als langwierig, uninspiriert und langweilig.
Grafik und Sound
In grafischer Hinsicht ist Growl gut, aber nicht überragend. Die Charaktersprites haben eine ordentliche Größe und ein ansprechendes Design. Die Animationen sind hingegen ziemlich steif, aber dafür haben die Charaktere einige coole Moves drauf. Das Setting in Form von Afrika des frühen 20ten Jahrhundert ist kreativ und leicht exotisch. Hier gibt es Dampflokomotiven und -boote, Hängebrücken und ein Dritte Welt-Städtchen. Das ist halt mal was anderes, als die abgenutzen, modernen Großstädte mit ihren Slums und Fabriken. Leider wird das Setting von den Entwicklern dazu genutzt die Farbpalette seeehr nüchtern zu halten. Die dominierende Farbe in Growl ist braun. Tatsächlich ist Growl der farblich eintönigste Brawler, den ich bis dato gespielt habe (Game Boy-Spiele mal ausgenommen).
Dafür beeindruckt der Titel mit eindrucksvollen Gegnerhorden auf dem Screen. Besagte Horden werden dann auch gerne mal von Tierschwärmen durcheinandergewirbelt, was eine wunderbare Action-Atmosphäre vermittelt. Und es ist schon verdammt cool zu sehen, wie ein Elefant gegen einen Panzer vorgeht. Lobenswert sind auch die aus Double Dragon bekannten fließenden Übergänge zwischen den Stages. Eine neue Stage kündigt sich nur durch einen entsprechenden Schriftzug inklusive Bonuspunkte an. Auf Schwarzblenden oder Ladescreens wurde verzichtet.
Auch der Soundtrack ist gelungen. Er vermittelt tatsächlich das Gefühl, dass man auf einer wichtigen Mission zur Rettung unschuldiger Tiere ist. Einige Stücke bieten ernsthaftes Ohrwurmpotential. Vor allem der Track „Rune & Ark“ wird sich wohltuend im Gedächtnis festsetzen. Darüber hinaus bietet das Spiel herrlich-kitschige englische Sprachsamples. Die sind so schlecht, dass sie schon wieder gut sind, und stellen definitiv eine Bereicherung für das abgedrehte Gesamtpaket dar. Natürlich bietet Growl als Brawler auch tolle Soundeffekte für die Kicks, Punches, Explosionen, randalierende Tiere und sonstige Kampflaute. Akustisch kommt man hier definitiv auf seine Kosten.
Pro & Kontra
- schnell, unkompliziert, actionreich und spaßig
- es ist so wunderbar bescheuert, dass es schon wieder genial ist!
- auch die Fokussierung auf Waffen verhilft dem Spiel zu eigener Identität
- Koop für bis zu vier Spieler
- unverbrauchtes Setting und cooler Ohrwurm-OST
- die Bossgegner sind recht nerviger Münzenfresser-Bullshit
- besonders der Endgegner ist in vielerlei Hinsicht völlig misslungen
- ist ein sehr fabarmes Spiel, die dominierende Farbe ist Braun
- ein sehr kurzes Vergnügen (ca. eine halbe Stunde)