Gothic 3 REVIEW
Nachdem die ersten beiden Gothic-Teile eine große Fanbase und einen hohen Kultfaktor aufbauen konnten, war man gespannt was das deutsche Entwicklerstudio Piranha Bytes mit dem dritten Teil auf den Bildschirm zaubern würden. Für Gothic 3 wurde im Vorfeld ordentlich die Werbetrommel gerührt, ehe das PC-Action-Rollenspiel letztendlich am 13. Oktober 2006 veröffentlicht wurde. Dies war ein hervorragender Veröffentlichungszeitpunkt, denn Bethesda hatte ca. ein halbes Jahr zuvor mit ihrem Genrevertreter „Oblivion“ die Spielerschaft für derartige Titel auf den Geschmack gebracht. Außerdem stand ja bald das profitable Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Dummerweise zahlte man einen hohen Preis für diesen passgenauen Veröffentlichungszeitpunkt, denn Gothic 3 war schlicht und einfach unvollständig und obendrein mit zahlreichen Bugs verseucht. Man kann nun prima darüber streiten, wer die Schuld hieran trägt: Der gierige Publisher JoWood, welcher das Spiel mit Gewalt rausgehauen hat, ehe es vernünftig fertig programmiert werden konnte, oder der Entwickler Piranha Bytes, der sich mit einem derartig umfangreichen Open World Action-Rolli schlicht und einfach übernommen hatte. Ich persönlich habe jetzt keine Lust auf diese Frage einzugehen, zumal die Wahrheit, wie so oft, wohl irgendwo dazwischen liegen dürfte.
Was jedoch erwähnt werden muss, ist, dass es einige Zeit nach der Veröffentlichung von Gothic 3 zum Zerwürfnis zwischen Piranha Bytes und JoWood kam, was dazu führte, dass Gothic 3 nie einen zufriedenstellenden, offiziellen Patch-Support vorweisen konnte. Da die Fanbase von Gothic jedoch extrem stark ist, wurde der Patch-Support von eben dieser in die Hand genommen. Inzwischen ist man schon bei Patch-Version „v1.75.14“ angelangt, welche auch von mir genutzt wurde (der Patch steht übrigens kostenlos im Internet bereit, man muss hierfür also keine „Gold Edition“ von Nordic Games kaufen oder so). Und nachdem ich Gothic 3 durchgespielt habe, kann ich bestätigen, dass die Fan-Patches das Spiel nahezu Bugfrei halten. Ich kann meine Bugerlebnisse jedenfalls an einer Hand abzählen, was für solch ein massives und ursprünglich ziemlich kaputtes Open World-Spiel echt nicht viel ist. Allerdings leidet Gothic 3 unter viel mehr Problemen als Bugs (welche wie gesagt kein großes Problem mehr darstellen). Probleme, die mich darüber wundern lassen, dass ein Arcania derart angefeindet wird. Schließlich wurde die Serie bereits mit Teil 3 ruiniert. Der Spielspaß und Charme der Vorgänger ist hier jedenfalls kaum noch vorhanden, so viel sei an dieser Stelle bereits gesagt. Alles weitere erfahrt ihr im folgenden Test.
Das Festland wartet auf den „Entscheider“
Die Handlung setzt mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate nach dem Ende des zweiten Teils an. Der namenlose Held und seine selbsterstellte Schiffscrew (Diego, Gorn, Milten, Lester, Lares, Lee, Vatras und Angar) haben endlich das Festland erreicht. Zusammen mit Diego, Gorn, Milten und Lester begibt er sich nach der Schiffslandung zum Städtchen Ardea dort staunt das schlagkräftige Quintett nicht schlecht, als sie feststellen müssen, dass Ardea von den Orks eingenommen wurde, welche gerade dabei sind ihre Menschen-Sklaven herumzuschubsen. Außer sich vor Wut nehmen sie den Kampf gegen die Grünhäute auf. Der Sieg wird relativ mühelos erkämpft, allerdings zahlte man hierfür auch einen Preis, denn fiese Piraten haben die Situation ausgenutzt, um das Schiff der Truppe, samt der gehorteten Ausrüstung, Goldschätze und Crewmitglieder zu entführen.
Nun ist man also in der Küstenregion von Myrtana gestrandet und muss gucken wo man bleibt. Es stellt sich heraus, dass Xardas die Runenmagie „deaktiviert“ hat, was zur Folge hatte, dass die Myrtaner den einfallenden Orkhorden nichts mehr entgegenzusetzen hatten und den Krieg verloren. König Rhobar II hält sich zwar immer noch in seinem Schloss verschanzt, welches er von einer magischen Kuppel hat einschließen lassen, aber die wahren Herrscher von Myrtana sind nun eindeutig die Orks. Es gibt aber noch einige Rebellen und Druiden, die den Invasoren Widerstand leisten.
Und dann sind da ja noch die Nachbarreiche Varant und Nordmar. In Varant herrschen neuerdings die Assassinen, welche sich, zwecks Sklavenhandels, mit den Orks verbündeten, sich damit befassen die Nomaden und Wassermagier von Varant auszuradieren und ihrer finsteren Gottheit Beliar huldigen. Die Barbarenstämme von Nordmar führen hingegen einen erbitterten Krieg gegen die Orks, welche sich, unter anderem, in der magischen Erzmine eingenistet haben. Der namenlose Held wird nun vor die Wahl gestellt, wie und ob er diese Konfliktherde anpacken möchte. Drei verschiedene Wege stehen ihm zur Auswahl: Entweder stellt er sich auf die Seite von Innos, um die Menschheit von den Orks zu befreien. Er folgt Beliar, was bedeutet dass er sich den Assassinen anbiedern muss, oder er ignoriert diesen Käse und folgt seinem Mentor Xardas, der den Göttern abgeschworen hat, und einen eigenen Plan verfolgt.
Das Storykonstrukt scheint nur darauf abzuzielen, dem Spieler bei der Erkundung der Open World freie Hand zu lassen. Jedermann in Gothic 3 (Frauen gehören hier nur noch zu den 08/15-NPCs ohne Persönlichkeit) scheint zur Passivität verdammt zu sein, schließlich dreht sich hier alles um die Entscheidungen des „Entscheiders“ (der neue Spitzname des namenlosen Helden). Soll heißen, dass man sich von spannenden Storyentwicklungen wie der zwischenzeitlichen Eroberung eines rivalisierenden Lagers, oder dem plötzlichen Mord an einem wichtigen NPC besser verabschieden sollte. Hier zählt nur noch das, was der „Entscheider“ tut. Die ganzen NPCs der Spielwelt werden hierfür in eine reine Statistenrolle gezwängt. Das so etwas jedoch schrecklich langweilig sein kann, scheinen die Piranhas vergessen zu haben. Erwartet also bitte keinen Gomez, der sein eigenes Süppchen kocht und mal nebenbei die aktuelle Ordnung der Spielwelt komplett umkrempelt. So jemand existiert in Gothic 3 nicht mehr.
Die Spielwelt mag jetzt zwar riesig sein, wirkt inhaltlich aber dennoch kleiner und oberflächlicher als von der Serie gewohnt. NPC-Dialoge sind nicht mehr so umfangreich und gewitzt wie in Teil 1 oder 2, die Charaktere mit denen man es zu tun hat wirken häufig völlig austauschbar, und die Quests sind spürbar generischer als in den Vorgängern. Sogar die drei Endings enttäuschen, da sie lediglich einen Blackscreen mit etwas Dialog beinhalten, welcher in einige unscharf geknipste Epilog-Ingame-Screenshots übergeht. Diese klären immerhin über das Schicksal wichtiger Nebencharaktere und Fraktionen auf, was zumindest ansatzweise befriedigt.
Am meisten erschreckt die Handlung jedoch mit ihrer lahmen Präsentation. Epische Taten wie die Befreiung einer Stadt sorgen meistens dafür, dass die befreite Stadt nun von gesichtslosen 08/15-NPCs bevölkert wird, was die jeweilige Stadt sogar noch langweiliger und lebloser dastehen lässt, als zuvor. Die Spielwelten von Gothic I, II und DNdR waren lebendig, die Welt von Gothic 3 wirkt im Vergleich nur noch wie eine seelenlose Hülle. Größer bedeutet halt nicht immer gleich besser.
Im Stunlock gefangen
Abgesehen von Bugfixes hat die Enhanced Gold Edition auch etwas Modding-Content zu bieten. Man hat die Auswahl aus „Neuem“ und „Alten Balancing.“ Das neue Balancing hat in erster Linie an den Lernpunktkosten herumgeschraubt und einen neuen Skilltree eingerichtet. Diese Maßnahmen verfolgen den Zweck das Spiel schwerer zu machen und zu verhindern, dass sich fleißige, gründliche Spieler einen Alleskönner heranzüchten können, was im originalem Balancing von Piranha Bytes durchaus möglich ist. Auch für die K.I. der Companion-Charaktere gibt es eine alternative Variante. Was die taugt, kann ich jedoch nicht sagen, da ich auf den Mod-Content verzichtet habe, um Gothic 3 möglichst in der Form zu erleben, wie es vom Entwickler gedacht war. Die Enhanced Edition hat mich ausschließlich wegen der Bugfixes gereizt.
Abgesehen davon werden erstmals Schwierigkeitsgrade angeboten. Zur Auswahl stehen Leicht, Normal und Schwer. Ich selbst wählte Normal, da ich auf Schwer bereits im Tutorial-Abschnitt mehrfach abgekratzt bin, und das Kampfsystem von Gothic 3 viel zu madig ist, als dass es wert wäre, das Spiel auf Schwer zu spielen. Apropos Tutorial: Gothic 3 schmeißt euch gleich zu Beginn in eine Menschen gegen Orks-Massenkeilerei. Während man sich in solch einer ungünstigen Situation versucht mit der Steuerung vertraut zu machen, wird man also auch noch mit Tutorial-Textboxen berieselt, während im Hintergrund der Kampf in Echtzeit weiterläuft. Zwar ist dieses Gefecht derart konzipiert, dass man in Ruhe gelassen wird, solange man nicht eingreift, dennoch ist dies so ziemlich die bescheuertste Situation, in der man ein Textbox-Tutorial abwickeln kann. Was haben die Entwickler sich nur dabei gedacht!?
Ferner wird man bereits vom Start weg mit dem miesen Kampfsystem konfrontiert. Die Gegner kann man dabei in zwei Kategorien untergliedern. Humanoide und Monster. Humanoide Gegner wie z.B. Menschen und Orks, lassen sich häufig mit primitivsten Buttonmashing bezwingen. Hat man den Gegner nämlich erst mal getroffen, ist dieser oftmals in einem „Stunlock“ gefangen. Das bedeutet, dass er nicht mehr agieren kann, während wir munter weiter auf ihn eindreschen. Theoretisch sollte so etwas vermieden werden, indem der Gegner einfach auch mal abblockt, oder die Kondition der eigenen Spielfigur zur Neige geht. Beides funktioniert in Gothic 3 jedoch eher schlecht als recht. Die Gegner blocken nur höchst unbeholfen, wenn sie es denn überhaupt mal tun und der eigene Konditionsbalken verbraucht sich zwar bei Angriffen, unterbindet jedoch nicht, dass man einen Gegner mit einer endlosen Angriffskette im Stunlock halten kann. Somit kann man selbst harte Brocken quasi vom Start weg leicht bezwingen. Selbst einige Monster wie die mächtigen Trolle, kann man via Stunlock niederringen. In der Regel sind Monster jedoch wesentlich schwerer zu bekämpfen, da sie gut ausweichen, kontern und ihrerseits den Spieler mit ner Stunlock-Kombo niedermähen. Somit gehört ein simpler Wolf zu den tödlichsten Gegnern im Spiel, da er geschickt ausweicht und mit nem Stunlock kämpft, während mächtige Orkkrieger oder Trolle keine allzu große Bedrohung darstellen.
Das Nahkampfsystem von Gothic 3 kann man also ruhigen Gewissens als kaputt bezeichnen. Es stehen übrigens Schwert und Schild, Doppelklingen oder schwere Zweihandwaffe zur Auswahl, wobei der Stunlock mit schnellen Waffen am besten funktioniert. Lobenswert ist hingegen die neue Steuerung und Menüführung, welche nun wesentlich komfortabler funktionieren, als bislang gewohnt. Vor allem die Ausrüstung wird nun fein säuberlich in unterschiedlichen Kategorien gelistet, was bei hunderten von verschiedenen Gegenständen auch sehr stark bei der Übersicht hilft.
Ist der Ruf erst ruiniert, äähm kommt man nicht mehr an die fette Rüstung ran
Etwas ausgeglichener funktioniert der Fernkampf, den man mit Bogen oder Armbrust bestreiten kann. Pfeil und Bogen muss man anspannen, um die Flugweite des Pfeils zu vergrößern, die Armbrust benötigt hingegen recht lange zum Nachladen. Leider richten die Fernkampfwaffen selbst bei hoher Skillung und guter Waffe eher unbefriedigenden Schaden an. Aufgrund dessen sollte man immer einen Felsen oder Vorsprung besteigen, bevor man die Viecher aufs Korn nimmt. Hierbei kann sich aber einer der wenigen verbliebenen Bugs einschleichen. Wölfe haben z.B. die lästige Angewohnheit in Felsen hineinzuglitschen und den Entscheider von unten totzubeißen. Ich will gar nicht wissen, wie viele ungerechtfertigte Tode ich durch diesen Glitch gestorben bin. Na immerhin gibt es verschiedene Pfeil- und Bolzentypen, mit denen man größeren Schaden verursachen kann, als mit den billigen Standardpfeilen/-bolzen, die häufig nur Fitzelschaden verursachen.
Und dann haben wir noch die Magie. Man hat die Auswahl aus den Zaubern von Innos, Beliar und Adanos. Und es stehen auch ne Menge Zauber zur Auswahl. Über Angriffs-, Heilungs- und Beschwörungsmagie ist alles dabei. Sogar speziellere Sprüche wie die Beeinflussung des Tag- und Nachtzyklus stehen zur Verfügung. Allerdings sollte man sich überlegen, welche der drei Zauberklassen man bevorzugt, denn die hochstufigen Zauber werden geschlossen, sobald man zwei- oder dreigleisig fährt. Und das ist ein Problem, denn so richtig viel Schaden kann man nur mit den hochstufigen Zaubern anrichten. Selbst der mächtige Feuerregen ist nicht mehr ganz so vernichtend, wie bislang gewohnt (nützlich ist er aber immer noch). Da die Runenmagie nicht mehr existiert (mit Ausnahme von Teleportations-Runen), erlernt man die Zauber nun von Innos- oder Beliar-Altären, oder von Druiden und Wassermagiern (für die Adanos-Zauber). Bestimmte Zauber darf man aber erst lernen, wenn das Talent „Altes Wissen“ hoch genug ist.
Die Charakterverbesserung funktioniert wie gehabt. Durch das Töten von Monstern und lösen von Quests kassiert man Erfahrungspunkte mit denen man auflevelt. Eine höhere Levelstufe wird mit 10 Lernpunkten belohnt, die man nun in diverse Fähigkeiten und Attributspunkte investieren darf (dazu gehören neuerdings auch die Lebenspunkte). Hierfür benötigt man jedoch einen Lehrmeister oder Altar, welche obendrein relativ hohe Goldsummen für ihre Dienstleistung verlangen. Einige Fähigkeiten darf man auch erst erlernen, wenn man die vorhergehende Fähigkeit erlernt hat, oder der Attributswert hoch genug ist. Der Attributswert ist auch an die Waffen gekoppelt. Die guten Waffen darf man erst verwenden, wenn der jeweilige Attributswert hoch genug ist und/oder die notwendige Fähigkeit erlernt wurde.
Dank der schieren Größe der Welt und auch dank haufenweiser, oftmals belanglos wirkender Quests, ist es glücklicherweise nicht allzu schwer sich ein dickes Polster von Erfahrungspunkten, Gold und Ausrüstung zusammenzukratzen. Fleißige Spieler werden ihren jeweiligen Charakterentwicklungsplan also recht problemlos umsetzen können. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Gothic 3 wurde derart konzipiert, dass man quasi vom Start weg überall hin reisen kann. Vor den meisten Gegnern kann man auch prima wegrennen, lediglich Monster, welche schneller zu Fuß sind, oder die Orc-Camps in Nordmar, stehen einem bei der Erkundung der Welt ernsthaft im Wege.
Eine weitere ernstzunehmende Einschränkung ist jedoch der Ruf in den Siedlungen. Bevor man sich in die wichtigen Gebiete der jeweiligen Siedlung vorwagen darf, ist es oftmals von Nöten den Ruf zu verbessern, was dadurch geschieht, dass man Quests für die Einwohner abwickelt. Ist der Ruf bei 75 %, darf man die Siedlung frei erkunden. Manche Quests steigern auch den Ruf bei den insgesamt sechs Fraktionen. Der Fraktionsruf fungiert in erster Linie als Sperre für stärkere Rüstungen. Wer die besten Rüstungen der jeweiligen Fraktion kaufen will, muss sich erst mal einen Ruf von 50 % erarbeiten. Interessanterweise ist es nicht möglich Fraktionspunkte zu verlieren, die Relevanz der Fraktionen wurde im dritten Teil sehr stark zurückgefahren. Im Grunde genommen muss man sich erst entscheiden, wenn man keinen Bock mehr aufs Spiel hat und die Haupthandlung endlich abschließen möchte.
Eine nette Neuerung, die ich noch ansprechen möchte, sind die Einschränkungen beim Diebstahl. Hat man erst mal eine bestimmte Menge aus einer Siedlung gemopst, werden die Wachen misstrauisch und verdächtigen einen. Stiehlt man weiter, wird man letztendlich als Dieb enttarnt und muss entweder Schweigegeld abdrücken oder wird angegriffen. Auch für Mord gibt es ein vergleichbares System. Was derlei Dinge anbelangt, sollte man in Teil 3 also besser den Ball flach halten.
Grafik und Sound
Die Grafik von Gothic 3 ist ein zweischneidiges Schwert. Zunächst aber erstmal ein ganz dickes Lob für die tollen Landschaften, welche nicht nur in drei verschiedenen Settings daherkommen (Wald und Wiesengebiete, Wüste und Gebirgs-Tundra), sondern auch noch sehr liebevoll und detailliert gestaltet wurden. Dieses starke Augenmerk auf eine attraktive Landschaft ist ja bis heute das große Markenzeichen von Piranha Bytes. Und ganz besonders die Unterteilung in drei grundverschiedene Settings sorgt dafür, dass die Erkundung der Spielwelt lange frisch bleibt. Hat man keinen Bock mehr auf Wald- und Wiesen, geht man eben die Wüste erkunden. Hängt einem die Wüste zum Hals raus, gehts ab in die Tundra. Hierdurch wurde mir das Spiel nur selten langweilig.
Leider hat die Entwicklungszeit nicht mehr gereicht, um ansehnliche Charaktermodelle zu kreieren. Der Held sowie seine engsten Freunde sind zwar immer noch recht ordentlich modelliert, aber das wars dann auch. Die restlichen NPCs sehen größtenteils scheußlich aus! Die Kerle sehen sich alle unangenehm ähnlich und latschen meistens mit ner ungepflegten Stoppelglatze rum. Da bekommt man den Eindruck, die Bevölkerung der Spielwelt würde unter chronischem Haarausfall leiden. Der Knaller ist jedoch die wirklich grobe Schlamperei bei einigen Charaktermodellen alter Gefährten. Lares und Vatras sehen nun überhaupt nicht mehr so aus wie in den vorherigen Spielen. Vatras war in Gothic 2 ein älterer dunkelhäutiger Araber. In Gothic 3 hat man ihm aber eines der oben beschriebenen Standard-Charaktermodelle verpasst. Er ist jetzt also auch nur noch ein weißer mit kahlem Schädel.
Dies ist für mich der Beweis, dass ca. 90 % der Charaktermodelle eine Konsequenz aus der überhasteten Veröffentlichung des Spiels sind. Die Piranhas hatten offensichtlich keine Zeit gescheite Charaktermodelle zu erstellen, und das, was wir hier vor uns haben, sind lediglich Platzhaltermodelle die leider einen unangenehmen Uncanny Valley-Effekt erzeugen – dumm gelaufen.
Der Uncanny Valley-Effekt entsteht übrigens auch dadurch, dass die Körper der Charaktere neuerdings aus Gummi zu bestehen scheinen. Betrachtet man die Ragdoll-Animationen getöteter Monster, oder wenn sich ein NPC wortwörtlich den Hals verrenkt, um sich im Dialog zu uns umzudrehen, erwecken die Modelle manchmal den Eindruck, als wollten sie Mister Fantastic Konkurrenz machen.
Apropos Monster: Von denen sehen jetzt einige ganz anders aus als in den Vorgängern. Minecrawler und Zombies sind kaum noch wiederzuerkennen. Die Zombies sehen jetzt aus wie mannsgroße gehäutete Goblins und fahren auch ein entsprechendes K.I.-Muster. Ein Muster welches übrigens auch nicht mehr mit jenem der Vorgänger einhergeht. Von dem quirlig-ikonischen Herumgehüpfe der Gobs muss man sich also verabschieden. Besonders lächerlich sind jedoch Totalausfälle wie die Mumien. Diese kämpfen, als ob sie für einen Boxkampf gegen Klitschko trainieren würden. Wer also immer mal eine boxende Mumie erleben wollte, bekommt hier seine Chance.
Aber kommen wir jetzt zu etwas erfreulichem, nämlich dem tollen Soundtrack von Kai Rosenkranz. Dieser ist wunderschön gelungen und harmoniert vor allem sehr gut mit der Erkundung der offenen Spielwelt, was ja offensichtlich das Herzstück des Spiels darstellt. Die Melodien sind ein erstklassiger Wegbegleiter und geben Gothic 3 wesentlich mehr Herz und Seele mit auf dem Weg, als es das Spiel eigentlich verdient hätte. Es ist schade, dass Story und Dialoge nicht mit dem OST mithalten können.
Die Sprachausgabe ist gewohnter Gothic-Standard. Es wurden die altbekannten Sprecher der Vorgänger verpflichtet und immerhin gibt es hier und da auch wieder witzige Sprüche mit Ruhrpott-Charme zu hören. Zumindest in akustischer Hinsicht wurde also alles richtig gemacht.
Pro & Kontra
- wunderschön gestaltete, umfangreiche und offene Spielwelt
- es macht Spaß den Entscheider immer weiter aufzupowern
- schöner Soundtrack von Kai Rosenkranz und altbewährte Sprachausgabe mit den bekannten Sprechern
- die Steuerung und Menüführung ist nun wesentlich komfortabler als in den Vorgängern
- kaputtes Nahkampfsystem…
- …hierdurch erzeugtes kaputtes Balancing
- oberflächliche Story, Charaktere, Quests, Städte, Endings, …
- statische Spielwelt
- teils sehr hässliche Charaktermodelle mit Uncanny Valley-Effekt
- Wölfe glitchen durch Felsbrocken