Resident Evil Village REVIEW

Mit Resident Evil 7: Biohazard hat Capcom geschafft, was nur wenigen Studios solch lang laufender Spielereihen gelingt. Zum einen haben sie nach den stark Action betonten Teilen 5 und 6 die Pfeiler der Anfänge (Survival und Horror) zurückgeholt und gleichzeitig die Serie durch einen eigentlich banalen Kniff, nämlich den Wechsel von der Third-Person in die Ego-Perspektive, quasi neu erfunden. Mit Resident Evil Village wird die Hauptreihe nun fortgesetzt und erzählt die Geschichte von Protagonist Ethan Winters fort. Doch diesmal will so manches nicht recht zusammenpassen.

Familiendrama

Die Handlung spielt rund drei Jahre nach den Ereignissen von Teil 7. Ethan Winters und seine Frau Mia haben mittlerweile eine Tochter bekommen und leben in einer Art Zeugenschutzprogramm in Europa. Eigentlich sollte für das Paar nach dem Schrecken von vor drei Jahren alles gut sein, doch die Harmonie trügt. Zwar versuchen Ethan und Mia nicht zuletzt wegen Töchterchen Rose, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, doch Ethan kann die Geschehnisse in Louisiana einfach nicht vergessen. Mia hingegen will vergessen und sich in der neuen Heimat einleben, kann beides aber nicht. Dadurch kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen dem Paar.

Der ruhige, für die Reihe ziemlich ungewöhnliche Einstieg im Familienhaus der Winters wird jäh durch einen Überfall inmitten der Nacht unterbrochen. Ein alter Bekannter erschießt Mia und entführt Rose und Ethan. Letzterer wacht schließlich auf einer verschneiten Straße auf, von Rose und ihren Entführern keine Spur. Die Ereignisse überschlagen sich und Ethan findet sich alsbald in einem heruntergekommenen Dorf wieder, in welchem er schon bald auf die ziemlich monströsen Bewohner trifft…

Grandioser Auftakt

Die ersten 60-90 Minuten von Resident Evil Village haben es in sich und schmeißen nicht nur mit Wendungen um sich, sondern machen auch früh mit den Antagonisten bekannt. Die Betonung liegt hier auf die Mehrzahl, dann erneut gibt es einen ziemlich illustren Cast an Gegenspielern. Da ist natürlich die bereits im Vorfeld zum Meme und Fanliebling gewordene Lady Dimitrescu, eine über 2 Meter große Vampirin, die tatsächlich eine der interessantesten Figuren und Gegenspielerin ist, die es jemals in der Reihe gab. Nicht weniger imposant ist Heisenberg, ein mysteriöser, an Johnny Depp erinnernder Hühne mit Schlapphut. Mutter Miranda, die eigentliche Anführerin der Riege an Bösewichten, bleibt zunächst mysteriös und agiert aus dem Hintergrund heraus. Oben drauf kommen noch Hexen, Werwölfe und verängstigte Dorfbewohner, deren Bekanntschaft nicht lange währt. Schon in den ersten Minuten wird viel Potenzial gezündet, eingelöst wird davon am Ende wenig. Und das ist allgemein ein großes Problem. Die Storyschreiber machen mindestens zwei Fässer zu viel auf, was gerade ab der zweiten Hälfte immer deutlicher wird. Am Ende schließlich wirkt Village wie ein Spiel, welches aus zwei Hälften besteht, die nicht zusammenpassen.

Ein Spiel mit zwei sehr unterschiedliche Hälften

Nach dem gelungenen Einstieg gerät die Narration eine ganze Weile stocken. Warum man im Dorf das Umbrella-Logo findet, was es mit dem Verbleib von Rose auf sich hat, die sich mittlerweile wohl in den Fängen von Mutter Miranda und ihrem Kult befindet, und so manch andere Fragen werden nur nebensächlich aufgegriffen. Am Ende führt man zwar die Storystränge mehr oder minder zusammen. Heraus kommt dabei jedoch die Sorte von Quatsch, die sehr nach Resident Evil 6 schreit und weniger der Unsinn, den man als B-Movie-Charme abtun kann. Hinzu kommt noch eine Regie, die sich einfach nicht entscheiden kann, was sie eigentlich aussagen will. Mal wird der harte Horror realistisch wie in Teil 7 inszeniert, dann wiederum wird eine Erklärung unterbreitet, bei der man sich denkt „Was zu Hölle habt ihr euch dabei gedacht?“, dann wiederum blickt man nur ungläubig auf den Bildschirm und schüttelt nicht nur innerlich den Kopf aufgrund dessen, was da gerade abgeht.

Leveldesign par excellence

Wie gesagt, Resident Evil Village ist ein Spiel mit zwei Hälften, die nicht zusammenpassen und die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ich bleibe mal beim positiven, den Anfang. Das titelgebende und wie ein Labyrinth aufgebaute Dorf ist grandios, sowohl in der visuellen Gestaltung als auch in Hinblick auf das Leveldesign. Nachdem sich die anfängliche Hektik gelegt und ich mich in Ruhe umsehen konnte, habe ich dies auch erst einmal gemacht. Es macht einen enormen Spaß sich in dem Dorf umzusehen, welches einem Märchen entstammen zu sein scheint und eine wohlig gruselige Stimmung verströmt.

Nicht minder grandios ist das Schloss von Lady Dimitrescu, in welches man sich recht früh begibt. Insgesamt bietet das Spiel abseits des zentral gelegenen Dorfes, welches als Hub dient, vier Gebiete, von welchen das barocke Schloss aber das definitive Highlight darstellt. Nicht minder stimmungsvoll ist ein heruntergekommenes Haus voller Puppen, in welchem Village den Shooter-Part ablegt und zum psychologischen Horror a la Silent Hill und P.T. umschwenkt. Gleichzeitig zeigt Capcom in den ersten Stunden viel Willen zur Abwechslung. Im Schloss der Lady Dimitrescu löse ich Serien-typische Rätsel, kämpfe im Weinkeller, der eigentlich ein Blutkeller ist, gegen Hexen-ähnliche Gestalten, setze mich im Schloss den Töchtern Dimitrescus zur Wehr und erfreue mich am visuell eindrucksvoll in Szene gesetzten Interieur. Im Puppenhaus hingegen wird mit der Wahrnehmung gespielt und verstärkt auf Rätsel und schließlich Terror gesetzt. Dank der hauseigenen RE Engine ist das Ganze betörend schön in Szene gesetzt und auch akustisch stimmt hier von den Sprechern, der musikalischen Untermalung bis hin zum Sounddesign nahezu alles.

Zu viel des guten?

Der eintretende Zerfall des eigentlich so stabil wirkenden Gerüsts beginnt langsam, kommt aber umso schmerzhafter. Das dritte Gebiet, ein Sumpf inklusive einen Gegenspieler, bei welchen nicht nur der Name eine Anspielung auf Die Insel des Dr. Moreau von Schriftstellers H. G. Wells ist, ist schon nicht mehr ganz so großartig, aber immerhin noch gut, ehe der große Absturz mit dem vierten großen Gebiet einsetzt. In diesem durchstreift Ethan eine Fabrik, in der Dinge abgehen, die selbst alle Skripts der Resident Evil Verfilmungen von Paul W. S. Anderson wie Hochliteratur wirken lassen. Die Talfahrt gipfelt schließlich in einem Bosskampf, der schlicht albern ist, gefolgt von einer absolut doofen Ballerorgie, gefolgt von einem Ende, bei dem nahezu der gesamte Goodwill der ersten fünf Stunden in den Keller verfrachtet wurde. Village fehlt auf lange Sicht schlichtweg eine klare Linie, sowohl hinsichtlich der Geschichte, der Spielwelt und teilweise auch dem Gameplay.

Bis zu diesem Punkt hat es das Spiel übrigens niemals geschafft, mich mit Ethan und seinem Schicksal mitfühlen zu lassen. Zwar ist Ethan als Figur nun deutlicher ausgearbeiteter und präsenter in die Geschichte integriert als noch in Teil 7. Dennoch bleibt der Protagonist erneut erstaunlich flach, ebenso wie ein Großteil der anderen Figuren. Einzig Lady Dimitrescu und mit Abstrichen noch Heisenberg bleiben im Gedächtnis.

Mehr Action, kaum Survival-Horror

Rein spielerisch macht Village bis zum Ende durchaus Laune. Der stetig steigende Fokus auf mehr Action wäre okay, würde das Skript nicht so löchrig sein wie die erschossenen Werwölfe, die Ethan links und rechts liegen lässt. Ich mag nach wie vor, wie sich Ethan spielt. Zwar hat der Protagonist laut Geschichte mittlerweile eine militärische Ausbildung genossen, spielt sich aber nach wie vor eher behäbig und so, wie man es von jemanden erwarten würde, der sein tägliches Brot nicht mit dem Töten von lebenden Biowaffen verdient. Auch ist der gesteigerte Fokus auf mehr Action nicht prinzipiell verwerflich, im Gegenteil. Die Kämpfe machen Spaß, vor allem wenn man im Laufe des Spieles durchschlagskräftige Waffen erhält und ganze Gegnergruppen mit Rohrbomben und Minen aus dem Spiel nimmt. Und auch die Kämpfe gegen Bereichs- und Endbosse sind angenehm abwechslungsreich und imposant gestaltet.

Es sind nichtsdestotrotz die Pausen zwischen den Kämpfen die zu den besten Momenten in Village gehören, insbesondere wenn man Gelegenheit hat die Spielwelt zu erkunden oder damit beschäftigt ist Rätsel zu lösen. Natürlich ist es albern, dass mal wieder im ganzen Dorf nur eine Kurbel für die Brunnen und eine Kurbel für Türen existiert und jede zweite Tür sich nur öffnen lässt, indem man schwere Steinornamente einsetzt. Und warum sich ein Pumpwerk nur mit einem gewollt schwierigen Farbenspielchen bedienen lässt, wissen auch nur die Konstrukteure. Aber hey, mir machen diese kleinen Logikaufgaben auch nach über zwanzig Jahren Resident Evil immer noch Spaß, ebenso wie das Lesen von Dokumenten, bei denen man sich auch manchmal fragt, warum die Verfasserinnen und Verfasser, die seltsame Dinge in ihrer Umgebung wahrnehmen, dieses lieber im Detail aufschreiben, anstatt das Weite zu suchen.

Was jedoch vollkommen abhanden kommt, ist der Survival-Horror. Diesen hat Capcom mit Teil 7 so stimmig und eindrucksvoll zurückgebracht. Plötzlich war Munition wieder knapp, jeder Schuss zählte und musste gut gesetzt sein und auch die Möglichkeit zum Heilen war begrenzt. Nun wurde der Spieß nahezu komplett wieder umgedreht. Ich habe Village auf Veteran, den höchsten der drei anfänglich verfügbaren Schwierigkeitsgrade, gespielt und hatte bis zum Ende nie einen Mangel an Heilgegenständen, Munition und Crafting-Ressourcen. Mit letzterem kann man übrigens nahezu alle Munitionstypen und auch Heilmittel herstellen. Eine ziemlich feinmaschige Autosave-Funktion sowie die ohnehin recht prominent verteilten Schreibmaschinen, die man wie gehabt ohne Limit zum abspeichern benutzen kann, sorgen ebenfalls für viel zu viel Sicherheit. Ich verstehe ja den Wunsch des Herstellers eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen, hätte mir für meinen Spielertypen aber zumindest die optionale Möglichkeit auf mehr Herausforderung gewünscht.

„What’re ya buyin?“

Als langjähriger Spieler der Reihe habe ich mich auch über die Rückkehr des allgegenwärtigen Händlers aus Resident Evil 4 gefreut. Dieser ist zwar diesmal ein anderer, aber nicht minder praktisch. Ich bin zwar mir nicht so sicher, was mir Capcom mit dem extrem fülligen und furzenden Duke eigentlich sagen will, nehme das aber einfach mal als kruden Humor hin und freue mich über das reichhaltige Angebot des Händlers, der mich mit neuen Waffen, Items und Upgrades versorgt. Die meisten Gegner lassen die Ingame-Währung fallen, ansonsten verkauft man noch Schätze und andere wertvolle Gegenstände. Neu ist eine Art Auflevel-System. So kann man sich diesmal auf die Jagd nach Wild, Hühnern, Fischen und anderen Tieren begeben, das Fleisch beim Duke abgeben und sich von diesem eine Mahlzeit zubereiten lassen, die permanente Boni wie mehr Lebensenergie oder minimierten Schaden beim Blocken bewirkt. Das Blocken ist übrigens eine enorm starke und nicht zu unterschätzende Mechanik, lassen Ethan´s Arme und Hände, über deren Widerstandsfähigkeit man eine Doktorarbeit verfassen könnte, doch sogar von den ganz schweren Brocken kaum Schaden durch.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pro
  • audiovisuell betörend stimmiges Erlebnis mit Next-Gen-Feeling
  • tolle Vermischung aus Shooter, Rätseln und Erkunden
  • teilweise grandioses Leveldesign
  • atmosphärische Settings, insbesondere das Dorf und das Schloss
  • der Händler ist zurück und praktisch wie eh und je

thumbs-up-icon

Contra
  • konfuse Entwicklung der Story
  • Protagonist Ethan bleibt nach wie vor blass
  • abstruses Finale und ebenso abstruser Weg dorthin
  • kein Survival-Horror mehr da Überfluss an Ressourcen und Munition

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Spiel Bewertung
Singleplayer
79
79
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Ach herrje, Capcom, ihr tut es mir diesmal wirklich nicht leicht. Die erste Hälfte von Resident Evil Village ist so grandios, abwechslungsreich, angereichert mit tollen Szenen und Momenten, einem guten Übergang von Action zu Rätsel zu Grusel, eingebettet in einem audiovisuell höchst ansehnlichen und hörenswerten Gewand, dass ich aus dem Staunen und Spaß haben kaum rausgekommen bin. Und dann reißt ihr aber der zweiten Hälfte alles mehr und mehr ein, macht mich fassungslos angesichts eines selbst im Kontext der Reihe vollkommen albernen Bosskampfes, lasst mich eine stumpfe Ballerorgie ohne Anspruch und Spaß absolvieren und könnt euch nicht partout entschieden, ob ihr jetzt eine ernsthafte Geschichte erzählen wollt, bei der mich das Schicksal der Figuren mitnimmt, oder ob ihr einfach nur ein trashiges Vehikel los lasst, welches keinerlei Sinn hat. Das es innerhalb der Reihe nicht viel Logik und gut geschriebene Geschichten gibt, ist geschenkt. Aber wo sind die coolen Figuren? Wo der charmante B-Movie-Überzug? Warum ist das Spiel in der ersten Hälfte stimmungsvoller Folklore-Horror und in der zweiten ein Gewusel zwischen Tetsuo: The Iron Man als Motiv Call of Duty als Inspiration für das Spieldesign? Und warum lasst ihr den Survival-Horror jetzt wieder komplett fallen? Wo man mit dem definitiv nicht perfekten Resident Evil 7: Biohazard einen großen Sprung nach vorne gemacht hat und der Reihe mit wenigen Änderungen eine komplett neue Ausrichtung gegeben hat, geht man mit Village wieder einen Schritt zurück.

- Von  Adrian

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