Resident Evil: Revelations 2 REVIEW
Bedächtig bewege ich mich durch verfallene Gänge. Rostige Rohre, eingebrochene Betonwände und so gut wie kein natürlicher Lichteinfall säumen meine ersten Schritte durch die totenstille Anlage, die in besseren Zeiten wohl einmal ein Gefängnis gewesen ist. Totenstill? Nein nicht ganz, denn von irgendwoher ertönen schmerzerfüllte Schreie. Außerdem spricht eine weibliche Stimme aus dem Armband, welches sich an meinem Handgelenk befindet, zu mir. Die mysteriöse Frau, die sich selbst die „Aufseherin“ bezeichnet, verspricht mir einen Höllentrip und den baldigen Tod. Wer ist sie, warum trage ich das Armband. Und vor allem: wo bin ich?
Déjà -vu hinter Schloss und Riegel
Diese Gedanken dürften im Kopf von Claire Redfield umhertreiben, als sie in einer heruntergekommenen Gefängniszelle wieder zu sich kommt. Und auch das mulmige, aber doch vertraute Gefühl des Déjà -vu dürfte ihr kommen, denn das Szenario des ausgestorbenen, aber eben nicht verlassenen Gefängnisses ist der toughen Amazone natürlich sehr vertraut. Denn schon in Resident Evil: Code Veronica kämpfte sie sich durch eine Gefängnisanlage und musste sich Zombies und anderen Monstern zur Wehr setzen. Diese Erlebnisse liegen mittlerweile eine ganze Weile in der Vergangenheit, doch den Einstieg in Resident Evil: Reveletaions 2 dürfte Entwickler Capcom sehr bewusst gewählt haben.
Nicht nur der Einstieg in das aktuelle Spin-Off der nach wie vor immens populären Horror-Reihe schreit aus allen Poren in die Richtung der Fans: „Wir wissen noch immer, was ihr wollt“. Da werden munter alte Zitate ausgegraben und mit einer erstaunlichen Treffsicherheit für das richtige Timing neu verwertet, deutlich an die alten Teile angelehnte Settings verwendet und mit Claire Redfield und Barry Burton zwei der beliebtesten Helden der Serie als spielbare Figuren zurückgeholt. Bei allem, was Capcom aus Fan-Sicht in den letzten Jahren mit dem Franchise falsch gemacht hat, muss man Revelations 2 eingestehen, das bei Capcom durchaus noch das Gespür für die richtigen Töne da ist.
Doch noch einmal zur Ausgangslage, denn auch wenn die Handlung teilweise sehr hanebüchen ausfällt, fällt sie nicht ganz so wirr aus, wie man es von der Serie gewohnt ist, und überrascht immer wieder mit stimmungsvollen Momenten und Wendungen. Wie gesagt wacht der Spieler zunächst als Claire Redfield in einem alten Gefängnis-Komplex auf. Ganz allein ist sie aber nicht, denn in einer anderen Zelle findet sie die ebenfalls entführte Moira Burton, Tochter von Fan-Liebling Barry. Diese hat just einen Job bei der gleichen Menschenrechtsorganisation angefangen, bei der auch Claire arbeitet, als sie zusammen mit dieser und anderen Mitarbeitern entführt wurde. Warum, wieso, weshalb? Das gilt es herauszufinden, denn natürlich steckt erneut ein ziemlich durchgeknallter Antagonist hinter der ganzen Sache und verfolgt ein bestimmtes Ziel.
Schnitt. 6 Monate nach den Erlebnissen von Claire und Moira beginnt der zweite Handlungsstrang. Revelations 2 teilt seine Kampagne nämlich in zwei Erzählungen auf, die natürlich aufeinander aufbauen und am Ende zusammengeführt werden. In der zweiten Storyline tritt Barry Burton als Protagonist auf, welcher auf eine entlegene Insel reist, um dort nach seiner nach wie vor verschollenen Tochter zu suchen. Sehr schnell trifft er auf ein kleines Mädchen namens Natalia, die ebenfalls auf die verlassene Insel entführt wurde. Dies alles geschieht in der ersten Episode von Revelations 2, weitere Details zur Handlung sollen an dieser Stelle nicht erwähnt werden.
Und nächste Woche bei Revelations 2…
Moment mal, erste Episode? Ja richtig gelesen, Revelations 2 ist ein Episoden-Spiel, das sich ähnlich wie Telltales „The Walking Dead“ in kleinen Häppchen präsentiert. Innerhalb eines Monats hat Capcom insgesamt vier Episoden via digitaler Distribution veröffentlicht, wobei alle Teile zusammengerechnet eine rund 8-9 Stunden dauernde Kampagne bilden. Diese Veröffentlichungspolitik ist durchaus diskutabel und sicherlich nicht für jeden Spieler-Typ das richtige Konzept. Glücklicherweise hat Capcom aber nach Veröffentlichung der letzten Episode noch einmal ein Gesamtpaket rausgebracht, welches es entweder digital über die bekannten Download-Plattformen für Konsolen und PC zu beziehen gibt und als Retail-Fassung im Laden steht. Diese bietet neben den vier Hauptepisoden noch zwei kleine Nebengeschichten, in denen je Moira und Natialia im Mittelpunkt stehen.
Die zusätzlichen Episoden runden das Gesamtbild noch einmal ab und klären einige offenen Fragen. Benötigt hätte man sie aber nicht unbedingt, denn so, wie sich Revelations 2 gibt ist es eigentlich schon sehr in sich stimmig. Leider wird das komplette Potential der Handlung aber zu selten genutzt. So werden beispielsweise immer wieder Zitate von Kafka und Motive aus dem Werk des Schriftstellers aufgegriffen und mit der Handlung verwoben. Das funktioniert in manchen Fällen ganz gut, wirkt oft aber auch sehr aufgesetzt. Auch die Geschichte rund um die auf der Insel stattfindenden Experimente mit der Angst der Menschen hätte gerne etwas intensiver ausgearbeitet werden können.
In zweierlei Hinsicht überrascht die Narration von Revelations 2 aber sehr positiv. Zum einen wirkt die gesamte Handlung für Resident Evil Verhältnisse einigermaßen geerdet und geht einen spürbaren Schritt von der bekloppten Überdrehtheit manch anderer Ableger zurück. Zum anderen habe ich noch keinen Serienteil gespielt, in welchen die Figuren so gut ausgearbeitet wurden und tatsächlich, wie nachvollziehbare Charaktere wirken. Insbesondere Moira und Barry Burton sowie das schwierige Verhältnis zwischen beiden bekommt eine angenehme Prise Tiefe verliehen. Inwiefern dieser Ansatz innerhalb der Reihe demnächst weiterverfolgt wird, bleibt abzuwarten. Aus meiner Sicht steht etwas weniger over the top Inszenierung und etwas mehr durchdachte Ausarbeitung von Erzählung und Figuren dem Franchise sehr gut.
Niemals alleine
Auch in Sachen Atmosphäre wandelt Capcom aktuell wieder auf den richtigen Pfaden, denn in Revelations 2 bekommt man endlich wieder das Gefühl von Horror und Grusel zu spüren. Statt plumper Jump-Scares und anderen Tricks aus der Horror-Mottenkiste, wird sich auf die ruhige Inszenierung früherer Teile zurückbesonnen. Zwar sind die Zeiten, in denen „Resident Evil“ und Co. für nasse Unterwäsche gesorgt haben für mich wohl endgültig vorbei, doch die düstere Stimmung mit ihrer gekonnten Akzentsetzung hat mir trotzdem das ein oder andere Mal ein mulmiges Gefühl beschert.
Vielleicht würde die Atmosphäre noch besser wirken, wäre man nicht stets im Zweiverbund unterwegs. Aus rein spielerischer Sicht funktioniert das Koop-Gameplay aber sehr gut. Warum? Weil es nun von Anfang bis Ende durchdacht ist. Denn anders, als etwa in Resident Evil 6, hat man nun nur einen Charakter, welcher mit Waffen umgehen kann, während die zweite Spielfigur auf den Einsatz von Ballermännern verzichten muss. Während Claire und Barry in brenzligen Situationen zur 9mm Pistole und zum Maschinengewehr greifen dürfen, verzichtet Moira aus persönlichen Gründen keine Schusswaffen, während sich die Abstinenz zur Flinte bei Natalia aufgrund ihres jungen Alters von selbst erklärt. Statt klassischer Waffen hat Moira lediglich eine Brechstange und Taschenlampe zur Hand. Mit letzterer kann sie nicht nur versteckte Items finden, sondern auch Gegner blenden um diese mit der ebenfalls zum aufbrechen von speziellen Kisten benötigten Brechstange zu malträtieren. Natalia hingegen kann aufgrund ihrer übersinnlichen Kräfte Gegner durch Wände sehen und besondere Schwachstellen erkennen.
Dadurch, dass sich beide Menschenpaare aus zwei komplett verschiedenen Charakteren mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammensetzen, bekommt der Spielfluss eine sehr abwechslungsreiche Note. Zugegeben: im Singleplayer-Modus erweist sich das ständige hin- und hergeschalte zwischen zwei Figuren als etwas umständlich. Doch hat man einen Mitspieler zur Seite und spielt im Splittscreen-Modus an einem Gerät, so erweist sich Revelations 2 als eines der spaßigsten Koop-Spiele, die ich jemals angepackt habe.
Beim restlichen Spieldesign ist merklich der Einfluss der letzten Jahre spürbar, denn die aus den Hauptteilen seit Resident Evil 4 bekannten Grundmechaniken werden beispielsweise mit offensichtlichen Anlehnungen aus The Last of Us und anderen Titeln der jüngeren Zeit vermengt. Das wilde Geballer wurde sehr stark zurückgeschraubt, ebenso wie das Waffen-Arsenal. Damit geht einher, dass es auch einigermaßen knappe Munitions- und Heil-Ressourcen gibt, wodurch es sich immer wieder anbietet, nicht mit dem gezogenen Metall auf die Gegner loszustürmen, sondern stattdessen in den Schleichmodus überzuwechseln, um Gegner von hinten mit einer Messerattacke um die Ecke zu bringen. Diese für die Reihe neuen Ansätze gefallen in ihrer Umsetzung sehr gut und erzeugen ein ansprechendes und forderndes Gameplay. Allerdings vermisse ich noch den eigenen Stempel, welchen die Serie in ihrer Anfangszeit auf bekannte Spielmuster zu setzen wusste.
Abseits der Kampagne gibt es übrigens dank dem Raid-Modus noch jede Menge mehr zu tun. So gibt es mehrere Dutzend Missionen, in denen man sich mit allen möglichen Waffen durch unzählige Gruppen aus Zombies, Monstern und Mutanten schießt und dabei versucht den Highscore möglichst weit nach oben zu treiben. Denn je mehr Punkte für das absolvieren der Aufträge eingenommen werden, desto mehr kann in stärkere Waffen Upgrades und Fähigkeiten investiert werden. Hinzu zu den festen Missionen, gibt es jeden Tag noch wechselnde Tages-Events, in denen der Schwierigkeitsgrad in der Regel noch einmal merklich nach oben gesteigert ist, dafür aber spezielle Items erspielt werden können.
Zweischneidiger Eindruck
Das Revelations 2 nicht mit dem hohen Budget eines Ablegers der Hauptreihe eines Ablegers produziert worden ist, merkt man dem Titel vor allem in technischer Hinsicht an. Vor allem die Qualität von Texturen und die oftmals geringe Detaildichte innerhalb mancher Areale hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zumindest das Art- und Figuren-Design kann überzeugen, wobei ich hier vor allem die sehr unterschiedlichen und stets sehr stimmungsvoll inszenierten Umgebungen hervorheben möchte. Auch der Look der Monster gefällt. Lediglich an das neue Design von Claire Redfield musste ich mich einige Zeit gewöhnen, sieht die Protagonistin doch so aus, als hätte sie in den letzten Jahren das ein oder andere Mal den Gang zum Schönheits-Chirugen dem Kampf gegen Ungeheuer vorgezogen.
Das Sounddesign und die Musik tragen ebenfalls gut zur Stimmung bei. Sehr lobenswert ist die Tatsache, das Capcom so ziemlich jede europäische Sprache plus Japanisch auf den Silberling gepresst hat. Leider fällt die deutsche Sprachausgabe ziemlich durch und wirkt zu sehr bemüht, weshalb die Wahl zur englischen Tonspur empfohlen ist.

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