Need for Speed: Unbound REVIEW
Ich bin weder im realen Leben noch bei Games der allergrößte Fans von Autos, hin und wieder packt mich dann aber doch die Lust meine Freizeit in ein Rennspiel zu stecken. So aktuell auch mit Need for Speed: Unbound geschehen, für welches Publisher EA nach drei eher mittelprächtigen Ausflügen von Entwickler Ghost Games wieder Criterion Games ans Lenkrad gesetzt hat. Eine in vielerlei richtige Entscheidung, wie ich in meinem Test feststellen konnte.
„Yoooooo broooo“
Das Herzstück ist der mit gut 15. Stunden recht umfangreiche Story-Modus, in dem eine simple Rachestory erzählt wird. Der Protagonist bzw. die Protagonistin, die man vor Spielstart im Editor selbst gestalten kann, arbeitet gemeinsam mit Jugendfreundin Yaz einer Autowerkstatt. Gemeinsam verbringt das Duo den Sommer damit, ein Wrack aufzumotzen und damit schließlich an einigen ersten Rennen in der fiktiven Metropole Lakeshore teilzunehmen. Allerdings hat es Yaz offenbar auf das ganz große und vor allem ganz schnelle Geld abgesehen, verrät uns und klaut mit einer anderen Crew nicht nur unser eigenes Auto, sondern auch sämtliche Karren von Rydell, dem Besitzer der Werkstatt. Zwei Jahre später taucht die Erzfeindin wieder auf und veranstaltet in der Stadt Rennen mit hohen Gewinnen, was wiederum uns auf den Plan ruft.
Wie für fast alle Rennspiele der letzten knapp 20 Jahre üblich, so orientiert sich auch der neueste Teil von EA´s langlebiger Rennspiel-Reihe an der Formel der Fast and the Furious, allerdings eher an die ersten drei Filme und nicht an den überbordenden Quatsch, den die Franchise mittlerweile alle paar Jahre auf der Leinwand inszeniert. Zum Leidwesen meiner Nerven waren die Entwickler der Meinung, den kompletten Cast als aufgesetzte Street-Hypster mit ADHS-Syndrom anzulegen, entsprechend anstrengend sind die von „Bro“, „Man“ und „Yo“ geschwängerten Dialoge. Bei mir weckt so was ja gleich immer Erinnerungen an die Steve Buscemi „How Do You Do, Fellow Kids?“ Meme.
Die Zwischensequenzen lassen sich immerhin überspringen, und praktisch: man erhält stets eine knappe Zusammenfassung der gezeigten Ereignisse. Sofern einen das überhaupt interessiert, denn die Story ist, sind wir einmal ehrlich, nicht mehr als ein Rahmen für die Rennaction. Bleibt noch das Gelaber, während man auf den Straßen von Lakeshore unterwegs ist, aber auch das kann man in den Menüs zum Glück komplett ausschalten.
Arcade-Racer par excellence
So sehr mir Need for Speed: Unbound mit seiner Geschichte und Inszenierung der Figuren auf die Nerven ging, so schnell hat mich das Core-Gameplay abgeholt. Hier machen Criterion Games, die in den letzten Jahren vor allem als Support-Studio im EA-Konglomerat ausgeholfen haben, keine halben Sachen und liefern schnörkellose Arcade-Action ohne Anspruch auf Realismus ab. Mit über 300 Sachen durch über den Asphalt rasen, sich absurde Verfolgungsjagden mit den Gesetzeshütern liefern und selbst nach einem Vollcrash unbeschadet weiterfahren können? Das alles ist möglich. Mit Realismus und Simulation hat das alles nichts zu tun. Und das ist auch gut so.
Gefühlt haben sich die Entwickler vor allem an Serienteilen wie Heat und Underground orientiert. Das Gameplay ist griffig und schnell erklärt. Gas geben, Bremsen, driften, Boost aktivieren – mehr braucht man eigentlich nicht wissen. Laut Entwickler besitzt das Spiel zum Launch über 140 unterschiedliche Autos von lizenzierten Marken. Bugatti, Nissan, Mazda, BMW, Alfa Romeo und, und, und. Im Fabrikzustand machen die Autos natürlich wenig für die illegalen Straßenrennen her, entsprechend lassen sich viele Bestandteile für die Leistung und das Aussehen verbessern, austauschen und aufwerten. Das geht zwar nie so sehr in die Tiefe wie die Konkurrenz mit Simulationsanspruch, aber dennoch kann man sich den eigenen Fuhrpark so gestalten, wie man ihn haben möchte.
Rennen, driften, protzen
Am Anfang fehlt natürlich vor allem das Geld. Und das nicht nur für Verbesserungen, sondern auch, um an Rennen mit hohen Preisgeldern teilzunehmen. Denn wo viel auf dem Spiel steht, da ist natürlich auch viel zu holen. Also absolviert man erste Rennen zunächst mit freien Eintritt oder kleinen Einsätzen. Der Anspruch ist, je nachdem, welchen Schwierigkeitsgrad man wählt, okay. Die KI ist selbst auf dem niedrigsten Grad nicht vollkommen doof und erlaubt sich auch auf den höheren Graden Fehler, sodass man eine Chance auf den Gewinn hat. Neben klassischen Rundkursrennen oder Rennen von A nach B gibt es auch Events in denen es aufs Driften ankommt oder in denen man möglichst viele Punkte durch das Aneinanderreihen von coolen Aktionen verdient.
Zusätzlich gibt es noch diverse Jobs, die man annehmen kann. Mal muss man einen anderen Fahrer/Fahrerin abholen und zu einem bestimmten Punkt bringen, wodurch man etwa neue Verstecke in Lakeshore freischaltet. Auch gibt es Jobs bei denen man Autos abholen und abliefern muss, wobei einem nicht nur Cops im Nacken sitzen, sondern man auch darauf achten sollte, dass das wertvolle Gut heil am Zielort ankommt und möglichst wenig Kratzer aufweist. Und dann gibt es auch noch diverse Sammelaufgaben in der Open World, die aber weder sonderlich viel Spaß machen noch sonderlich viel Geld bringen. Wenn sie auf dem Weg liegen, okay, kann man mitnehmen. Ansonsten ist weder das Einsammeln von Streetart noch das Zerschmettern von Warnhinweisen der Gesetzeshüter die Mühe wert.
Open World ohne Sinn und Verstand
Ach ja, der unnötige Zwang zur Open World und seine Folgen. Kann mir bitte mal jemand erklären, warum sich dieser Trend jemals in Rennspielen durchgesetzt hat? Ich verstehe es bis heute nicht und bin der Meinung, die offene Spielwelt tut auch Need for Speed: Unbound nicht gut. Das Spiel brilliert, sobald ich mir Rennen liefere. Aber es nervt mich einfach, wenn ich nach jedem rennen wieder zurück auf die Map gehe und gucke, zu welchem Event ich als nächstes fahre. Zwischen den Rennen herrscht absolute Langeweile, nicht zuletzt, da Lakeshore eine erschreckend öde Stadt ist. Die leicht an Chicago angelehnte Stadt mit ein bisschen Umland besteht vor allem aus Beton, Beton und Beton. Wenn Open World in Rennspielen, dann übertreibt es doch wenigstens wie Forza Horizon 5 mit seinem überstilisierten Postkarten-Mexiko, aber gebt mir doch keinen Downtown-Part als Spielwiese. Das ich aufgrund des Fehlens einer Schnellreiseoption tatsächlich gezwungen werde von Ort zu Ort zu fahren, macht es nur noch schlimmer.
Das ausgerechnet bei der Spielwelt wenig raus geholt wird, ist umso bedauerlicher, da das technische Fundament dank Frostbite Engine ordentlich ist und per se hübsche Bilder auf den Fernseher zaubert. Der realistische Look der Spielwelt und der Autos wird mit einem Cel-Shading-Look bei den Figuren und Effekten, etwa von Auspuffgas, konterkariert, was für einen interessanten Kontrast sorgt. Das mag nicht jeden Geschmack treffen, abgesehen von den hölzern wirkenden Spielfiguren gefällt mir der an Graffitis erinnernde Look der grafischen Effekte aber sehr gut. Das Gleiche gilt auch für die Musik, die sich thematisch entsprechend ebenfalls vor allem aus Hip-Hop, RnB und Pop speist.
Vermisst habe ich hingegen das Fehlen eines lokalen Multiplayers. Es gibt zwar eine Online-Variante, aber diese orientiert sich im Grunde am Aufbau der Kampagne. Man fährt durch Lakeshore, nimmt an Rennen und Events teil, verdient Geld, kauft neue Autos und motzt diese auf, mit dem Unterschied, dass man nicht gegen die KI, sondern andere Spielerinnen und Spieler fährt. Ist okay, kann man machen.
Pro & Kontra
- tolle Mischung aus realistischer Grafik und Cel-Shading-Effekten
- abwechslungsreicher Soundtrack
- über 140 Autos mit jeder Menge Aufrüstungsmöglichkeiten
- kompetent umgesetztes und spaßiges Core-Gameplay
- Story und Figuren können ganz schön nervig sein
- sinnlose Open World
- kein lokaler Multiplayer-Modus