Hard West REVIEW

Das Wild West-Genre ist heute schon nahezu ausgestorben. Seit Red Dead Redemption und einigen Call of Juarez-Ablegern, ist es in diesem Gebiet so ruhig wie auf einem verlassenen Friedhof geworden. Das dachte sich wohl auch ein Entwicklerteam von CreativeForge Games, und so startete das polnische Studio im August 2014 eine Kickstarter-Kampagne, um Hard West zu finanzieren. Mit knapp 94.000 Dollar wurde der Zielbetrag von 70.000 Dollar klar überboten. Über ein Jahr ist seit der erfolgreichen Finanzierung vergangen und Hard West ist endlich fertig. Wir zeigen euch in diesem Test, ob sich die lange Wartezeit wirklich gelohnt hat.

Wild ist der Westen

Hard West Screenshot1

Inspiriert von Filmklassikern wie No Country for Old Men erzählt Hard West eine klassische Wild West-Story über einen einfachen Farmer, der alles unternimmt, um seine Familie zu rächen. Als Spieler übernehmt ihr die Rolle des jungen Warren, geboren in einem ruhigen Dorf, irgendwo im Westen. Die Geschichte beginnt bereits in seiner Kindheit, als Banditen seine Mutter entführen und köpfen. Zusammen mit seinem Vater schwört Warren Rache zu nehmen an ihren Mördern. Warrens Vater gelingt es einen Teil der Bande um die Ecke zu bringen, doch einigen Männern gelingt die Flucht.

Die Jahre vergehen, der kleine Warren ist inzwischen zu einem jungen Mann herangewachsen und so beschließen Vater und Sohn, dem Wunsch der ermordeten Mutter nachzugehen und gemeinsam nach Oregon zu ziehen. Zu diesem Zweck benötigen sie jedoch ein gewisses Startkapital, also versuchen sich die Zwei als Goldgräber. Die Suche nach Gold verläuft leider sehr schleppend, doch glücklicherweise taucht eines Tages ein seltsamer Mann auf, der dem Vater einen Deal anbietet. Er würde mit großer Macht und einer Menge Glück gesegnet sein und alles, was er dafür geben muss, ist ein Stück von sich selbst. Der Vater willigt ein und begeht damit wohl den größten Fehler seines Lebens.

Die gesamte Geschichte ist in einzelne Kapitel unterteilt, die allesamt von einem Erzähler, dem Tod, spannend begleitet werden. Durch die große Entscheidungsfreiheit, die euch in diesem Abenteuer geboten wird, erlebt jeder die Geschichte etwas anders. Bereits eine Entscheidung kann den Verlauf der Dinge verändern. So habt ihr nach dem ersten Szenario die Möglichkeit, nicht dem Haupthandlungsstrang als Warren zu folgen, sondern einen Umweg über eine Nebengeschichte zu nehmen. Die Auswahl zwischen den einzelnen Handlungssträngen und die große Entscheidungsfreiheit erhöhen den Wiederspielwert enorm.

Von Kapitel zu Kapitel wird die Geschichte abgedrehter. Das klassische Westernabenteuer schlägt recht bald eine okkulte Richtung ein, der Ghost Rider lässt grüßen. Verrückte Ereignisse treiben die Handlung Stück für Stück voran, bis der Rachefeldzug nach etwa 10 bis 15 Stunden endlich beendet ist.

XCOM meets Wild West

Hard West Screenshot3

Nach einem äußerst dramatischen Einstieg findet ihr euch auch schon im Tutorial wieder. Neulinge erlernen hier alle Grundlagen der Steuerung, erfahrene Taktiker fühlen sich hingegen sofort wie zu Hause. Hard West setzt auf dasselbe Kampfsystem wie das großartige XCOM: Enemy Unknown. CreativeForge Games versprach bereits zu Beginn der Kickstarter-Kampagne ein Taktik-Erlebnis, ähnlich der XCOM-Reihe zu kreieren und das ist den Entwicklern bestens gelungen. In taktisch sehr fordernden Szenarien begebt ihr euch in der Haut des jungen Warren auf einen Rachefeldzug sondergleichen. Wer auch immer seine Familie auf dem Gewissen hat, wird dafür mit seinem Leben büßen müssen.

Doch auch mit dem Segen des seltsamen Mannes ausgestattet, benötigt er trotzdem erstklassige Ausrüstung um seine Widersacher zur Strecke zu bringen. Der schnellste Weg um im Wilden Westen an etwas Asche zu kommen, ist Goldschürfen. Also ist Warren nicht nur Kopfgeldjäger des Todes, sondern nebenberuflich auch noch Goldgräber. Über eine Übersichtskarte, die im Entferntesten an Heroes of Might & Magic erinnert, bewegt ihr euch auf der Suche nach Goldminen durch staubige Einöden. Die Navigation gestaltet sich sehr intuitiv und erklärt sich von selbst.

Ist ausreichend Gold gesammelt und brandneue Ausrüstung im Gepäck, kann der Kampf auch schon beginnen. Je nach Szenario zieht ihr entweder alleine oder zusammen mit bis zu zwei anderen Charakteren in spannende Gefechte gegen böse Banditen. Auf dem Schlachtfeld selbst seht ihr euch oftmals einer Überzahl an Feinden gegenüber, zehn oder mehr Widersacher sind da keine Seltenheit. Mit etwas Taktik sollte aber selbst eine so große Überzahl an Feinden kein Problem sein.

Klassisches Gameplay mit einigen frischen Elementen

Hard West Screenshot4

Die Gefechte sehen XCOM zum Verwechseln ähnlich: Das Spielfeld ist in Kacheln unterteilt, in regelmäßigen Abständen wurden Gebäude und Hindernisse verteilt, hinter denen Warren und seine Begleiter Deckung suchen können. Das rundenbasierte Kampfsystem präsentiert sich wie erwartet sehr klassisch. Bewegungsmanöver sowie Angriffe verbrauchen wertvolle Aktionspunkte. Sind alle dieser Punkte verbraucht, ist euer Zug zu Ende und die Feinde sind an der Reihe.

Ein neues Gameplay-Element stellt Glück dar, das darüber entscheidet, ob euer Charakter von Feinden getroffen wird oder anders herum. Weiters ermöglicht euch ein gewisses Glück, mächtige Spezialangriffe wie den „Goldenen Schuss“, der alle Hindernisse zum Ziel ignoriert und zu 100% trifft. Werden Warren oder sein Team hingegen vom Feindfeuer getroffen, werden euch wieder gewisse Glückspunkte gutgesprochen. Das bringt neuen Wind ins Spielgeschehen.

Nach jedem Kampf erhält Warren wertvolle Ausrüstung, oder zumindest sogenannte Spielkarten. Diese statten das Team mit mächtigen Spezialfähigkeiten aus, wie etwa der erwähnte „Goldene Schuss“ oder Unsichtbarkeit bei Schatten. Insgesamt lassen sich über 40 der einzigartigen Karten sammeln und fünf pro Charakter ausrüsten. Wie beim Poker lassen sich auch hier Paare oder eine Straße bilden, was wiederum zusätzliche Statusaufwertungen mit sich bringt.

Bereits kurz nach Spielstart zieht der Schwierigkeitsgrad sehr stark an, von Kapitel zu Kapitel wird das Abenteuer merklich schwieriger. Schon zwei Treffer können das Ende bedeuten. Darum ist es wichtig Deckung intelligent zu nutzen und Feinde möglichst zu umgehen, um den Überraschungsmoment auszunutzen. Zudem ist ein passiver Spielstil sehr ratsam, da die Gegner-KI nicht gerade erste Sahne ist und euch die Banditen so oftmals direkt vor die Flinte laufen.

Technik

Hard West Screenshot2

Hard West wirkt stimmig und rundum gelungen, zumindest fast. Denn für ein Indie-Spiel ist der Titel überraschend Hardware-hungrig. Im Vergleich zur Referenz XCOM: Enemy Unknown sieht das Westernabenteuer nur minimal besser aus, fordert eure Hardware aber wesentlich stärker. Was nicht bedeutet, dass Hard West schlecht oder billig aussieht, doch bei einer Art Cell-Shading Look erwartet man eine bessere Performance. Hoffentlich bessert CreativeForge Games hier noch nach. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass der Titel flüssig läuft, solltet also über relativ aktuelle Gaming-Hardware verfügen. Glücklicherweise lassen sich alle Grafikoptionen vielseitig anpassen und somit gezielt auf die verwendete Hardware abstimmen.

Trotz der mäßigen Performance ist die Grafikkulisse in unseren Augen gut gelungen und fängt den typischen Charme eines Westernabenteuers gut ein. Der bereits erwähnte Cell-Shading Look passt gut zum Gesamtpaket, die Texturen wurden ansprechend gestaltet, wirken an manchen Stellen jedoch etwas matschig. Im Gegensatz dazu wurden Kantenglättung und Schattendarstellung wirklich gelungen umgesetzt. Um die Wild West-Stimmung noch etwas anzuheben wurde der Kontrast leicht angehoben, was die Spielumgebung bei Tag geradezu erstrahlen lässt.

Auch wenn Grafik und Performance nicht in der oberen Liga mitspielen, fällt die Soundkulisse hingegen ausgesprochen positiv auf. Der Soundtrack präsentiert sich sehr actiongeladen und Soundeffekte klingen kraftvoll. Als wahre Perle stellt sich der Sprecher heraus, der das Abenteuer auf Schritt und Tritt begleitet. Den Entwicklern ist hier ein regelrechter Glücksgriff gelungen, auch wenn die Vertonung lediglich in englischer Sprache verfügbar ist. Als Ergänzung zur fehlenden deutschen Vertonung gibt es Untertitel in diversen Sprachen, die in unserer Testversion leider noch einige Übersetzungsfehler aufwiesen.

Während unseres Tests lief Hard West, abgesehen von den leichten Performance-Problemen sehr stabil. Zu störenden Abstürzen oder schwerwiegenden Bugs kam es nicht, lediglich während der ersten Ladesequenz vor dem Titelbildschirm reagierte Hard West sehr schlecht auf diverse Tasteneingaben und stürzte schlussendlich ab. Dieser Fehler war mit unserer Testversion reproduzierbar.

Die Steuerung der Charaktere geht wirklich gut von der Hand und ist äußerst leicht zu erlernen. Bereits wenigen Minuten nach Spielbeginn hat man die Mechaniken verstanden und kann sich vollkommen dem Spielerlebnis hingeben. Alle Konsoleros unter euch dürfen außerdem zum Controller greifen, auch wenn wir davon abraten, da die Steuerung mittels Maus und Tastatur einfach wesentlich flüssiger von der Hand geht.

Multiplayer & Achievements

Hard West verfügt über keinerlei Multiplayer-Modi, ein „Hot Seat“-Modus war während der Kickstarter-Kampagne geplant, das nötige Strechgoal wurde jedoch nicht erreicht. Somit lebt der Western Titel alleine vom Einzelspielererlebnis. Für alle leidenschaftlichen Sammler gibt es dennoch einen kleinen Wermutstropfen, denn wie nahezu jeder aktuelle Titel, der über Steam vermarktet wird, gibt es auch in Hard West an die 30 Errungenschaften und Steam-Sammelkarten.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
78
78
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Hard West ist ein rundum gelungenes Westernabenteuer, mit einer spannenden Story über einen einfachen Mann, der sich an den Mördern seiner Familie rechen will und dabei sogar einen Deal mit dem Teufel eingeht. In taktisch anspruchsvollen Gefechten fühlt man sich als Spieler etwas wie Nikolas Cage in Ghost Rider, nur das euch hier eine wesentlich bessere Storyline erwartet. Das Spielgefühl kommt dem Vorbild XCOM: Enemy Unknown tatsächlich sehr nahe und bietet sowohl Neulingen als auch erfahrenen Strategen großen Spielspaß. Die abwechslungsreichen Szenarien trumpfen reichlich Deckungsmöglichkeiten und genügend Freiraum für taktische Manöver auf. Leider agiert die künstliche Intelligenz an vielen Stellen etwas stumpfsinnig und setzt lieber auf Masse statt auf Klasse Wir hätten uns noch einen Multiplayer-Modus gewünscht, aber das Kickstarter-Strechgoal scheiterte leider. Doch Hard West an sich ist ein großer Erfolg und wohl auch in den kommenden Jahren ein absoluter Geheimtipp für alle Hobby-Strategen.

- Von  Fabian

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