Clock Tower Rewind REVIEW

Die Geschichte des Horrors in Videospielen beginnt mit dem Erscheinen von Resident Evil im Jahr 1996das zumindest dürfte die einhellige Meinung vieler Spielerinnen und Spieler sein. Die Wahrheit ist natürlich eine andere, denn auch Jahre bevor Capcom mit dem ersten Teil seiner bis heute populären Reihe das Genre in den Mainstream rücken sollte, gab es unzählige Horror- und Grusel-Spiele. En masse sogar. Zur Wahrheit gehört aber eben auch: viele dieser Spiele sind in Vergessenheit geraten. Sweet Home (Capcom, 1989 für das japanische NES) könnte man schon einmal gehört haben, Alone in the Dark (Infogrames, 1992 für den PC) sicherlich auch. Wie aber steht es mit Dead of the Brain (FairyTale, 1992 für das PC-98)? Oder mit Uninvited (Kemco, 1991 für das NES)? Oder Cosmology of Kyoto (Softedge, 1993 für den PC)?

Diese vornehmlich japanischen Spiele wurden niemals für westliche Märkte lokalisiert. Glücklicherweise hat sich mit dem Aufkommen von Emulatoren und Roms eine Fangemeinde etabliert, die es sich zur Aufgabe gemacht hat eigene Übersetzungen für von der Geschichte vergessene Spiele anzufertigen. So auch von Clock Tower (Human Entertainment, 1994 für das japanische Super Nintendo).

Späte Würdigung


Ich habe mal nachgeschaut, wann die erste inoffizielle Übersetzung von Clock Tower veröffentlicht wurde und bin auf das Jahr 2001 gestoßen. Das könnte hinkommen, denn es muss um 2004 gewesen sein, dass ich das erste Mal von dem Spiel gehört und es gespielt habe. Das Spiel und seine Übersetzung fielen in eine Zeit, in der ich nach Horror-Filmen und Horror-Spielen lechzte und mich mehr und mehr auch mit unbekannten Titeln auseinandersetzte. Seinerzeit hat mich dieses auf den ersten Blick recht unscheinbar aussehende Adventure ungemein beeindruckt und auch geprägt. Der Sound, die Musik, die für die 16-Bit Spiel geradezu verstörenden Bilder, all das hat mächtig Eindruck auf mich gemacht. Etwas, was die allesamt im Westen veröffentlichten Fortsetzungen nie mehr geschafft haben, obwohl ich für diese durchaus einen weichen Punkt in meinem Herzen habe. Aber das ist eine andere Geschichte. Und ohnehin verliere ich vielleicht etwas zu viele Worte, um zum eigentlichen Thema dieser Besprechung zu kommen. Denn pünktlich zu Halloween 2024 und damit fast 30 Jahre nach der originalen Veröffentlichung ist dieser verschollene Klassiker endlich, endlich, endlich offiziell für alle Interessierten verfügbar. Vorhang auf für Clock Tower Rewind!

Verantwortlich für das sicherlich nicht leichte Unterfangen, dem Spiel endlich die Würdigung zukommen zu lassen, die es verdient, ist WayForward. Die Amerikaner haben offenbar alle Hebel in Bewegung gesetzt und nicht nur die meines Wissens nach nicht ganz einfache rechtliche Lage der Lizenz geklärt, sondern das originale Spiel remastered, in zig Sprachen lokalisiert (u.a. Deutsch, Englisch, Französisch, Koreanisch und Chinesisch) und eine richtig schöne Version samt Video-Interviews mit dem Chefentwickler Hifumi Kono und anderen Goodies angefertigt.

Als hätte Dario Argento ein Spiel gemacht


In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren war Human Entertainment vor allem für Sport- und Wrestling-Spiele bekannt. Auch Hifumi Kono arbeitete an einigen dieser Titel, ehe er mit Clock Tower endlich seine eigene Vision umsetzen und seiner eigenen Liebe zu Horrorfilmen Ausdruck verleihen konnte. De facto ist sein Erstlingswerk als Director eine spielbare Hommage an die Horrorfilme von Dario Argento. Insbesondere die Einflüsse von Phenomena und Suspiria sind kaum von der Hand zu weisen und Kono hat auch nie einen großen Hehl darum gemacht, woher er seine Inspirationen gezogen hat.

Die Hauptfigur ist die junge Weise Jennifer, die gemeinsam mit drei anderen Mädchen aus ihrem Heim von der wohlhabenden Familie Barrows adoptiert werden soll. Doch schon bei der abendlichen Ankunft in der abgelegenen Villa der Familie, beschleicht Jennifer ein seltsames Gefühl. Wie recht sie hat, erfährt sie spätestens als die Lichter ausgehen, Schreie erklingen und ein deformierter kleiner Mann mit übergroßer Schere Jagd auf sie macht. Fortan versucht Jennifer aus dem Anwesen zu fliehen…

Ein mittelmäßiges Adventure, aber eines, das in Erinnerung bleibt


Hier ist das Ding: Clock Tower ist mitnichten ein gutes Spiel, vor allem ist es kein sonderlich gutes Adventure. Warum ich es dennoch sehr hoch halte und über die Jahre immer wieder gespielt habe? Weil es ein paar interessante Dinge macht, eine bis heute für mich funktionierende Atmosphäre aufweist und audiovisuell schlicht grandiose Momente hat. Ich vergesse bis heute nicht meine erste Begegnung mit dem Scherenmann. Man kann ihm an zwei unterschiedlichen Orten zum ersten Mal begegnen, die eindrucksvollste Variante ist gewiss im Dunst verhangenen Badezimmer. Nachdem man die in der Badewange drappierte Leiche eines der anderen Mädchens gefunden hat, springt der Scherenmann hervor – begleitet von diesem absolut ikonischen Loop.

Als ich Clock Tower vor über 20 Jahren zum ersten Mal spielte, hat diese Szene mich ganz schön umgehauen. Heute ist sie – natürlich auch mit dem Wissen, was wann wo passiert – nicht mehr so einnehmend. Und überhaupt ist der Jennifer durch das Haus stalkende Verfolger mittlerweile etwas…nun ja, albern. Aber hier muss man eben ein bisschen die Transferleistung machen und sich vergewissern, dass es 1994 nicht viele Spiele gab, die Horror so inszenierten.

Die grundlegende Spielmechanik von Clock Tower ist das Klicken im jeweiligen Bildabschnitt. Das Spiel funktioniert wie nahezu jedes andere Point & Click Adventure. Man klickt eine Tür an, Jennifer geht durch diese. Man klickt eine Schublade an, Jennifer untersucht diese. Klickt man zweimal auf eine Stelle, beginnt Jennifer dort hin zu laufen. In der Rewind Version funktioniert die Steuerung mittlerweile etwas besser als noch mit dem originalen SNES-Controller. Mittlerweile kann man auch mit den Schultertasten direkt los laufen oder Angriffe mit schnellen Knopfdruck abwehren.

Und so klickt und sucht man sich durch die bemerkenswert große Villa auf der Suche nach einem Fluchtweg. Und natürlich will man auch herausfinden, was es eigentlich mit dem Scherenmann, der Familie Barrows und dem Verbleib der anderen Mädchen auf sich hat. Es gibt zwar ein kanonsiches Ende, insgesamt gibt es aber ganze neun Enden zu erspielen. Teilweise sind diese sehr schnell erreicht, vor allem wenn man weiß, was zu tun ist (20 bis 30 Minuten). Manche Enden dauern etwas länger (2 bis 3 Stunden). Nicht jedes Ende ist wirklich befriedigend, teilweise sind die jeweiligen Voraussetzungen auch etwas nervig. Spannend ist aber, dass jeder Spieldurchlauf einem gewissen Zufallsprinzip unterliegt. Dies verändert mitunter die Anordnung von Räumen und auch die Orte, an denen man wichtige Items findet. Für Speedrunner und all jene, die gezielt ein gewisses Ende erspielen wollen, ist das sicherlich ein Alptraum. Für mich hat dieser Zufallsfaktor aber einen bis heute anhaltenden Wiederspielwert etabliert.

Gelungene Neuauflage mit Schönheitsfehlern


Anders als bei vorherigen Neuauflagen, etwa der Kunio-kun Reihe in Form von River City Girls, hat WayForward für Clock Tower Rewind das originale Spiel vom SNES portiert und originalgetreu belassen. Man hat an der Auflösung etwas gedreht und die Steuerung angepasst, aber das war es (zumindest soweit ich das beurteilen kann). Kann man machen, ist okay. Und eigentlich bin ich froh, dass man keinen Weichzeichner oder die KI über die Grafiken hat laufen lassen. Denn ob man den Stil der Vorlage gerecht geworden wäre, hätte man einen eigenen Grafikstil etabliert, weiß ich nicht. Zu den Neuerungen zählt nämlich unter anderem ein neues Intro, welches man im Comic-Stil angefertigt hat. Dieser unterscheidet sich schon stark von originalen Artworks und wirkt etwas, hmmm, kindlicher? Schaut man sich Artworks des Originals an, sieht man wie groß der Unterschied ist. Einen regelrechten Fauxpas hat man sich mit dem Freischaltungs-System geleistet. Bestimmte Räume schalten bestimmte neue Secrets frei. Das Problem: passiert dies, dann wird dies groß auf dem Bildschirm angezeigt – ein absoluter Stimmungskiller. Und ein echtes Problem, wenn in besagten Raum und Moment dann auf einmal auch noch der Scherenmann um die Ecke kommt und man erst einmal die Einblendung wegklicken muss. Das neue Rewind, also Rückspul-Feature, ist okay, aber in der hier verwendeten Form auch irgendwie unnötig, da man nur einige Sekunden zurückspulen kann.

Richtig schön finde ich die bereits erwähnte Interview-Strecke mit dem ehemaligen Chefentwickler. Dieser hat wirklich ein paar interessante Dinge zu sagen und klärt ein paar Fragen und Hintergründige auf.

Pro & Kontra

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Pros
  • ein wichtiger Wegbereiter des Genres wurde endlich lokalisiert und für moderne Systeme portiert (und das gu!t)
  • tolle Sound- und Musikkulisse
  • nach wie vor schöner Grafikstil
  • schöne Extras in der Neuauflage, wie etwa eine Video-Interview-Reihe mit dem Game Director

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Cons
  • Freischaltung von Extras wird als Bildschirmfüllende Einblendung in oft ungünstigen Momenten angezeigt

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Spiel Bewertung
Singleplayer
80
80
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Ich bin sicherlich emotional etwas zu sehr investiert, um eine objektive Einschätzung zu Clock Tower Rewind abgeben zu können. Ich liebe das Original trotz seiner Makel und hatte auch mit der sicherlich nicht perfekten Neuauflage eine richtig gute Zeit. Die neuen Features sind teilweise nett, hätten es aber nicht gebraucht. Mir reicht die angepasste Steuerung und die Möglichkeit, dass Spiel endlich in einer offiziellen Übersetzung auf modernen Plattformen spielen zu können. Und vor allem freut es mich, das Clock Tower endlich etwas mehr Wertschätzung erfährt und fortan hoffentlich öfters in Diskussionen um die Ursprünge des Horrors in Videospielen genannt wird. Denn für das Genre und das Medium ist der Titel ein wichtiges Kapitel.

- Von  Adrian

Einer der Wegbereiter des Horror im Medium Game ist endlich lokalisiert und für moderne Systeme portiert worden. Ein Blick lohnt sich!
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