River City Girls REVIEW

Wenn ihr klassische Beat’em Ups bzw. Brawler mögt, dann sollte es eigentlich Ehrensache sein, dass euch die Nekketsu- bzw. Kunio-kun-Reihe ein Begriff ist. Schließlich war es diese Reihe, welche die Formel dieses Spielgenres etablierte. Ferner war es auch diese Reihe, welche das Brawler-Konzept wenig später mit Rollenspiel-Elementen anreicherte und somit ein neues Subgenre schuf. Da Nekketsu/Kunio-kun jedoch sehr stark auf den japanischen Markt zugeschnitten ist, wurden die Spiele seinerzeit stark lokalisiert, um sie an den westlichen Markt anzupassen. So wurden z.B. die Yankiis Kunio und Riki in Alex und Ryan umgepfriemelt und was die Spielenamen der Reihe anbelangt, haben wir in westlichen Gefilden ein konfuses Sammelsurium aus Titeln wie „Renegade,“ „Street Gangs,“ „River City Ransom,“ „Nintendo World Cup“ oder „Super Dodge Ball.“ Da war natürlich nicht mehr zu erkennen, dass es sich um eine zusammenhängende Reihe handelt.
Auch der US-Amerikanische Entwickler WayForward verschwendet keinen Gedanken daran dieses Chaos zu entwirren. So trägt deren Serienableger zwar den Namen River City Girls, was suggeriert, dass man sich an der westlichen Variante orientiert, jedoch nutzt das Spiel die Charakternamen des japanischen Nekketsu/Kunio-kun-Originals. Aber wie dem auch sei. River City Girls wurde am 05. September 2019 auf allen großen Platformen veröffentlicht, und gehört zur Subkategorie der RPG-Brawler. Was das Game im Detail zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Review.

Umgedrehtes Klischee

Misako und Kyoko, die Freundinnen von Kunio und Riki, sind beim Nachsitzen. Naja, eigentlich ist ja nur Misako beim Nachsitzen, da Kyoko ja auf eine andere Schule geht und lediglich mit Misako abhängt, aber egal. Der Ärger kommt in Form einer SMS auf Kyokos Smartphone. Ein anonymer Absender teilt mit, dass Kunio und Riki entführt wurden. Selbstverständlich können die beiden Mädels diese Hiobsbotschaft nicht ignorieren, und machen sich sofort auf zur unvermeidlichen Rettungsaktion.

Dummerweise gibt es da zwei kleine Probleme. Erstes Problem: Der Schuldirekter findet es gar nicht witzig, dass sich die Girls unerlaubt von der Strafstunde absetzen wollen, und hetzt seine Schüler auf die beiden Mädels, um diese gefügig kloppen zu lassen. Zweites Problem: Die Girls haben keinen Plan wohin ihre Boys verschleppt wurden, also ist erst einmal lästige Informationssuche angesagt. Und so prügeln sich Misako und Kyoko fortan durch die unterschiedlichen Stadtteile von River City, um ihre Liebsten zu retten.

Die Handlung ist dünn und dient nur als Parodie auf das Maid in Not-Klischee. Hier wird der Spieß halt umgedreht, weswegen nun die Mädels die Jungs retten müssen. Während ihr der Schnipseljagd-Handlung folgt, bekommt ihr jede Menge Cameos von Charakteren der Kuni-kun- als auch der Double Dragon-Reihe spendiert (Double Dragon ist quasi eine Schwester-Serie von Kunio-kun). Und wenn euch das Standard-Ending missfällt, könnt ihr auch noch ein geheimes Good-Ending freispielen.
River City Girls ist übrigens kein Spiel, welches sich auch nur ansatzweise ernst nimmt. Trotzdem überzeugt die Handlung mit einer angenehm liebevollen Präsentation. Ein schönes Anime-Intro, Zwischensequenzen im Manga-Stil und eine gelungene Sprachausgabe machen mehr Lust auf die Story, als diese eigentlich verdient hätte.

Zum Schluss aber noch ein Wort der Warnung: Lasst euch nicht vom hübschen äußeren der beiden Girls täuschen. Kyoko und Misako sind noch am ehesten mit Beavis und Butt-Head zu vergleichen. Eure Waifus sucht ihr also besser woanders.^^

Lieber Prügelstrafe als Nachsitzen

Zu Beginn des Spiels gilt es erst einmal einige Optionen festzulegen. River City Girls bietet 2-Spieler-Koop, der jedoch nur lokal funktioniert. Online-Koop wird leider nicht geboten. Solltet ihr im Multiplayer spielen, könnt ihr weiterhin entscheiden, ob ihr Friendly Fire aktivieren wollt, oder nicht. Aktives Friendly Fire bedeutet, dass sich die Girls gegenseitig verletzen können, was dann natürlich auch ein koordinierteres Vorgehen der Koop-Spieler erfordert.

Ferner könnt ihr zwischen den zwei Schwierigkeitsgraden Normal und Schwer, sowie den Spielfiguren Kyoko und Misako entscheiden. Meine Empfehlung geht an Kyoko, da ihre Spezialangriffe wesentlich effektiver sind, als jene von Misako. Und ja, die Spielfiguren verfügen über individuelle Kampfmanöver. Es lohnt sich also beide mal auszuprobieren. Die verfügbaren Kampfmoves werden in einer Tabelle des Spielmenüs gelistet, und sind relativ gut umzusetzen.

Habt ihr das Spiel geknackt, gibt es zur Belohnung sogar noch zwei weitere Spielfiguren, sowie eine Open End-Funktion (wird hier „Bummeln“ genannt). Sogar ein „Neues Spiel +“ steht dann zur Verfügung. Letzterer Modus steigert den Schwierigkeitsgrad und bietet eine neue Sidequest. Freilich könnt ihr eure Charakterstufen, -Upgrades und Geld ins Game + mitnehmen.

Ich denke mal der Spielablauf eines Brawlers ist bekannt. Ihr manövriert eure Spielfigur mit einer bewusst simplen und einfach zu handhabenden Steuerung durch Sidescroll-Belt-Stages und verdrescht feindliche Subjekte, um voranzukommen. Bei River City Girls kommt aber noch der RPG-Aspekt hinzu. Die insgesamt sechs Stadtareale sind keineswegs strunzlinear, sondern bieten auch mal optionale Räume und Abzweigungen. Ehrensache, dass auch ein paar Sidequests zu entdecken sind.

Im Spielmenü findet ihr jedoch eine Übersichtskarte samt Questmarkern und Piktogrammen für Shops und Dojos. Über Orientierungsprobleme wie im Quasi-Vorgänger River City Underground, braucht ihr euch also keine Sorgen zu machen – sehr gut. Darüber hinaus ist River City Girls ohnehin recht linear aufgebaut. Viele Räume/Bereiche bleiben geschlossen, ehe der Handlungsfortschritt einen Besuch gestattet. Und in ein neues Stadtviertel dürft ihr erst gehen, wenn der Boss des aktuellen Areals geschlagen wurde.

Der RPG-Aspekt sorgt natürlich auch dafür, dass erledigte Gegner Erfahrungspunkte für Level-Ups bzw. Statusverbesserungen (der Level-Cap liegt bei Stufe 30), sowie Geld für Shops einbringen. Denkt jedoch daran, dass das Geld erst noch eingesammelt werden muss. Mit der Kohle könnt ihr dann Konsumgüter (Nahrung, Comics, Videospiele), Zubehör oder neue Kampftechniken erwerben. Konsumgüter sind die Heilgegenstände, welche beim ersten Einsatz obendrein meistens eine permanente Statusverbesserung einbringen. Man darf auch eine bestimmte Menge an Konsumgütern im Inventar bunkern, was vor allem bei Bossgegnern überaus hilfreich ist. Vor einer Niederlage braucht ihr euch aber auch nicht übermäßig fürchten, denn als Strafe bekommt ihr lediglich einen Prozentsatz eures Geldes abgeknöpft. Mehr passiert da nicht.

Ihr dürft zwei Zubehörgegenstände ausrüsten. Diese bringen passive Boni wie etwa 5 % mehr Schaden gegen weibliche Gegner, höhere Haltbarkeit bestimmter Waffentypen oder eine geringe Chance für höhere Geld-Drops usw. Und ja, es liegen viele Waffen zum aufsammeln auf dem Boden. Neben Klassikern wie Baseballschlägern und Eisenkette dürft ihr hier auch mit Laserschwertern, Magical Girl-Stäben oder riesigen Fischen draufdreschen. Jedoch geht jede Waffe nach einiger Zeit zu Bruch. Außerdem ist der Kampf mit Waffe auf Dauer eintönig. Die Waffenlose Kampfkunst bereitet da mehr Laune.

Falls euch die anfänglichen Moves nicht ausreichen, könnt ihr weitere in den Dojos der Lee-Brüder freikaufen. Zumindest solltet ihr in einen Spezialangriff investieren. Diese Angriffe hauen ordentlich rein, verbrauchen jedoch als einzige den grünen Konditionsbalken. Dieser lädt sich jedoch wieder durch reguläre Angriffe auf.

Falls das alles nicht schon genug für euch ist, bietet River City Girl auch eine Art Rekrutierungsmechanik. Manche Gegner winseln um Gnade, wenn ihre (leider unsichtbaren) Hitpoints in den roten Bereich rutschen. Sollte dies geschehen, könnt ihr besagten Gegner am Kragen packen und via Knopfdruck rekrutieren. Dieser Gegnertyp kann dann per Knopfdruck im Kampf „beschworen“ werden, damit er seinen Spezialangrff einsetzt und wieder verschwindet. Diese „Beschwörungen“ sind jedoch an einen Cooldown gekoppelt, außerdem kann der Handlanger von den Gegnern weggekloppt werden, ehe er seinen Angriff einsetzt. Geschieht letzteres zu oft, geht der Helfer verloren. Ehrlich gesagt finde ich diese Helfersystem als etwas überflüssig und wenig hilfreich. Komplettierer finden jedoch einen Menüunterpunkt, wo jeder rekrutierte Gegnertyp aufgelistet wird – Schnapp sie dir alle!

Einige unnötige Patzer im Gamedesign

Soweit klingt River City Girls doch sehr spaßig! Dummerweise haben WayForward einige ärgerliche Designmängel einfließen lassen. So ist der allererste Spielabschnitt wahrscheinlich der härteste im Spiel, da ihr hier keine Shops zur Verfügung gestellt bekommt. Dies bedeutet, dass ihr hier ohne Hilfen in Form von Konsumgütern, Zubehör oder zusätzlichen Kampftechniken auskommen müsst. Somit kann man noch nicht mal eine Spezialtechnik freischalten, welche beim ersten Boss bestimmt geholfen hätte. Im Endeffekt musste ich viel Level-Up-Grinding betreiben, ehe ich stark genug war, um den ersten Boss Misuzu umzuhauen. Sobald man dann jedoch die Möglichkeit erhält Konsumgüter zu bunkern, sinkt der Schwierigkeitsgrad logischerweise rapide ab. Mit Balancing ist hier also nicht viel.

Und apropos Grinding. Das Spiel ist eine sehr lange Zeit verdammt knausrig mit Geld-Drops. Wer also genug Moneten auftreiben will, um sich die coole neue Kampftechnik zu leisten, sollte sich besser in Geduld üben. Das gute Zeug bzw. die guten Moves sind nämlich recht teuer. Das alles erweckt den Eindruck der Spielzeitstreckung. Vermutlich hat WayForward krampfhaft versucht die Spielzeit gegen 10 Stunden zu drücken, oder so.

Einen weitern groben Patzer muss ich aber noch nennen. Boss Nr. 3 spielt sich eher, als ob sie in einen Platformer wie Shantae reingehören würde, und passt nicht zu einem Brawler. Im generellen sind die Bosse von River City Girls ein wenig zu Gimmick-Lastig ausgefallen, aber bei Boss Nr. 3 ist man dann wirklich über die Stränge geschlagen. Durch all diese Macken büßt River City Girls mehr Spielspaß ein, als gedacht. Ich habe das Gefühl, dass WayForward durch diese Patzer einen Hit in den Sand gesetzt haben.

Grafik und Sound

Grafisch ist das Spiel sehr hübsch gelungen. Die Ingame-Grafik setzt auf Pixelgrafik, welche jedoch nicht auf einem 16-bit-Stil basiert oder versucht den Look der vorherigen Nekketsu-Spiele zu emulieren. Stattdessen kann man die Grafik am ehesten mit jener von Retro-Point & Click-Adventures vergleichen – nur mit dem Unterschied, dass River City Girls auf Anime-Ästhetik setzt. Dementsprechend startet das Spiel auch mit einer gelungenen Anime-Sequenz und streut Zwischensequenzen im Manga-Stil ein. Erwähnenswert ist auch die kunterbunte Farbpalette, welche ihresgleichen sucht, sowie die liebevollen und verspielten Animationen der Sprites.
Das Gesamtpaket wirkt zwar etwas ungewohnt für das Prügelgenre, kann sich aber wirklich sehen lassen und versprüht sehr viel Charme. Letzteres ist natürlich auch den gewohnt hochwertigen Artdesign von WayForward zu verdanken, an dem man sich einfach nicht sattsehen kann!

Der Soundtrack ist sogar noch gefälliger. Die Tracks sind treibend und rangieren von rockig, funky oder synth. Es werden sogar viele launige Vocal-Songs geboten, die von Megan McDuffee performt werden. Und nachdem sich WayForward bei den Shantae-Games lange davor gedrückt haben, ist es eine positive Überraschung, dass sie endlich mal eine umfangreiche englische Sprachausgabe anbieten, welche auch qualitativ mühelos überzeugen kann.

Ehrensache, dass auch die Soundeffekte gut fetzen und zur Prügellaune beitragen. In akustischer Hinsicht haben die Entwickler jedenfalls ganze Arbeit geleistet!
An der deutschen Textübersetzung gibt es auch nichts auszusetzen.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • hervorragende audiovisuelle Präsentation mit dem gewohnt hohen WayForward-Charme
  • WayForward liefern endlich mal eine umfangreiche Sprachausgabe ab!
  • großer Umfang für einen Brawler
  • gute, unkomlizierte Stuerung mit vielen Kampfmoves

thumbs-up-icon

Cons
  • erfordert zu viel Grinding-Arbeit (Spielzeitstreckung)
  • der Spielablauf wird auf Dauer monoton
  • der erste Boss ist zu hart, da das Spiel zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang zu allen RPG-Mechnaiken gewährt
  • der dritte Bosskampf passt nicht zu einem Brawler und wirkt wie ein Fremdkörper

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Spiel Bewertung
Singleplayer
75
75
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

River City Girls ist ein guter Ableger der ikonischen Brawler-Saga rund um japanische Yankee-Raufbolde. WayForwards Talent für charmantes Artdesign wirkt wie eine Frischzellenkur auf die Serie. Obendrein ist der US-Amerikanische Entwickler diesbezüglich nochmals über sich selbst hinausgewachsen und bietet endlich eine volle Sprachausgabe, welche man bei den letzten paar Shantae-Spielen schmerzlich vermisst hat. Auch das Brawler-Geprügel wurde soweit gut umgesetzt. Die Steuerung arbeitet sauber und bietet viele Kampfmoves, welche gut umzusetzen sind. Leider gibt es einige grobe, und vor allem unnötige Mängel im Gamedesign, welche dem Spielspaß viele Punkte kosten. Das verweigern der Shopmechaniken im ersten der sechs Spielabschnitte sorgt dafür, dass der erste Boss so ziemlich der schwerste im ganzen Spiel ist, da man sich einfach nicht vernünftig vorbereiten darf. Warum konnte man es sich nicht verkneifen den dritten Boss nach Machart eines Platformers zu gestalten? Das hier ist doch ein Brawler! Und das Geknausere bei den Moneydrops sorgt für ärgerliche Grinding-Arbeit, was wohl dazu diente die Spielzeit in Richtung 10 Stunden zu drücken. River City Girls bleibt trotz dieser Macken zwar immer noch ein gutes Spiel, jedoch hat WayForward hier einen potentiellen Hitkandidaten durch ärgerliche Patzer in den Sand gesetzt – schade.

- Von  Volker

WayForward macht auch im Brawler-Genre eine gute Figur. Einige derbe Patzer verhindern jedoch höhere Wertungsregionen.
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