Melting Hearts: Our Love Will Grow 2 REVIEW
Nachdem der auf RPG-Maker-Titel spezialisierte Indie-Entwickler John Wizard Anfang 2015 mit seinem Harvest Moon-Klon „Our Love Will Grow“ eine kleine Lücke füllte, war es wohl nur eine Frage der Zeit, ehe die obligatorische Fortsetzung folgen sollte. Besagte Fortsetzung trägt den Namen Melting Hearts: Our Love Will Grow 2, und wurde am 30.04.2016 auf Steam veröffentlicht. Und genau in diesem Datum liegt auch der große Schwachpunkt des Spiels verborgen. Zu diesem Zeitpunkt, waren nämlich bereits einige Konkurrenzprodukte in Form von „World’s Dawn“ oder dem übermächtigen „Stardew Valley“ mehrere Monate auf Steam erhältlich. Der erste OLWG-Teil hatte noch den Vorteil ohne Konkurrenz dazustehen. Dieser Vorteil entfällt freilich für Melting Hearts. Das ist eine Tatsache, die mich persönlich jedoch eher kalt lässt, da ich mehr Spaß mit OLWG hatte, als mit der oben genannten Konkurrenz, welche die Neigung hat über ihre eigenen Ambitionen und Komplexitäten zu stolpern. Etwas simpleres im Stil des originalen SNES-Harvest Moons, ist mir da einfach lieber. Die Frage lautet nun natürlich, was sich seit dem ersten Teil getan hat, und ob es sich bei Melting Hearts um eine sinnvolle Verbessung bzw. Fortsetzung handelt, oder nicht.
Ewiger Winter
Anders als im ersten Teil darf man dieses mal sein Geschlecht auswählen. Allerdings stellt sich gegen Ende hin heraus, dass es sich hierbei um einen schlampig integrierten Nachtrag handelt, denn es wird überdeutlich, dass Melting Hearts auf die weibliche Spielfigur zugeschnitten wurde, aber ich greife vor.
Unsere gewohnt namenlose und stumme Spielfigur hat zusammen mit dem versnobten Bruder Bennemier den Bauernhof der verstorbenen Eltern geerbt. Bennemier ist wenig begeistert über den Gedanken den Designeranzug gegen eine Latzhose einzutauschen und lässt sein Geschwisterchen alleine mit dem Hof zurück. Anders als das schleimig-mondäne Brüderchen nehmen wir den letzten Wunsch der verstorbenen Eltern jedoch sehr ernst, und setzen fortan alles daran den Hof wieder auf Vordermann zu bringen. Dies ist jedoch ein Kampf gegen Windmühlen, denn es herrscht eine auf unbestimmte Zeit andauernde Wintersaison (fragt bitte nicht warum, eine Erklärung hierfür gibt es nämlich nicht), und im Winter ist nichts mit Gemüseanbau und so.
Zu allem übel sind auch noch fiese Spekulanten aufgekreuzt, die das verschneite Nachbardorf aufkaufen wollen, um eben dieses gegen ein seelenloses Einkaufszentrum „auszutauschen.“ Um dieses Szenario zu verhindern, muss jede Menge Kohle herangeschafft werden, damit das verschuldete Kaff endlich wieder grüne Zahlen schreibt und die schmierigen Anzugträger mit leeren Händen abdampfen müssen.
Um dieses Ziel zu erreichen, vertraut uns der Bürgermeister ein weiteres Erbstück unserer Eltern an: Ein Schlüssel in das Höhlensystem hinter dem Bauernhof. Besagtes Höhlensystem ist ein magischer Ort, dessen Boden und Klima nicht nur Pflanzen zum Wachsen bringt, sondern auch noch Lebensraum und Nahrung für ein paar Tiere spendet. Dank dieser Höhle haben wir endlich die Möglichkeit wirtschaftliche Relevanz aufzubauen und unsere Dorfkommune tatkräftig zu unterstützen. Doch ganz so einfach wird es dann doch nicht, denn die Einkaufscenter-Fuzzies sind hartnäckig, und schwelende Konflikte innerhalb der Dorfgemeinschaft könnten das große Rettungs-Projekt zunichte machen.
Schlampige Umsetzung
So weit so gut. Die Ausgangslage der Handlung mag zwar sehr Klischee-behaftet sein, motiviert aber gut genug das Rettungs-Projekt des Bürgermeisters in Angriff zu nehmen. Dummerweise verfängt sich die Handlung gegen Ende hin in absurden Wendungen und auch der krude Humor von John Wizard hat seinen Weg ins Spiel gefunden. So passiert es, dass man gegen Ende des Spiels von jemanden verraten wird, von dem man es am wenigsten erwartet hätte (wenig glaubhaft), der Yeti-Mythos wird angerissen (allerdings wird hieraus nichts ernsthaftes gemacht, womit diese Nebenhandlung vollkommen für den Popo ist), man muss hochwertige Mahlzeiten kochen, um ein paar Wildtiere zu beglücken (Schwachsinn der keinen Sinn ergibt) und weitere Absurditäten (Säuglinge, die sich wie Erwachsene aufführen). Ich konnte mit John Wizards Seltsamkeiten noch nie viel anfangen. In Melting Hearts ist es aber besonders störend, da der Vorgänger „Our Love Will Grow“ ohne diesen Krempel auskam. Da nervt es natürlich doppelt, wenn die Fortsetzung mit solchem Schwachsinn vollgemüllt wird.
Der größte Mangel ist jedoch die ungenügende Qualitätskontrolle. Wie ich oben bereits angedeutet habe, ist es besser das Spiel als weiblichen Charakter zu spielen. Dies liegt ganz einfach daran, dass einige Dialoge und Storyentwicklungen spezifisch auf einen weiblichen Hauptcharakter ausgelegt sind. So hat der Bürgermeister zwei Kinder. Einen Sohn und eine Tochter. Der Bürgermeister hält nichts davon einer Frau seine Position zu überlassen, weswegen er das Amt seinen Sohn übertragen will und seine Tochter klein hält. Dummerweise hat der Sohn gar kein Bock Bürgermeister zu werden, während die Tochter hierfür gut geeignet scheint und auch den Willen mitbringt. Dieser Konflikt ist ein zentrales Storyelement im späteren Verlauf des Spiels, vor allem dann, wenn man den Sohn als potentiellen Ehemann gewinnen will.
Dieses Story-Kartenhaus fällt jedoch komplett zusammen, sobald man sich für die männliche Spielfigur entscheidet. Dann hat der Bürgermeister nämlich auf einmal zwei Töchter und der oben genannte Konflikt ergibt keinen Sinn mehr. Ja, richtig gelesen: John Wizard hat es verpennt gewisse Dialoge und die allgemeine Logik dieser Situation auf einen männlichen Hauptcharakter anzupassen, wodurch ein unglaublich schlechter Eindruck entsteht. Hätte man vermeiden können, wenn man einfach auf die Auswahl einer männlichen Spielfigur verzichtet hätte.
Sogar noch schlimmer als eben beschriebener Ausfall sind die verbuggten Romanzen-Optionen. Melting Hearts bietet drei potentielle Partner zur Auswahl – zumindest hat dies den Anschein. Tatsächlich schalten die Endsequenzen jedoch grundsätzlich auf den Sohn bzw. die Tochter des Bürgermeisters um, selbst dann, wenn man mit diesem/dieser keine Bindung aufgebaut hat. Im Endeffekt gibt es also keine variablen Endsequenzen für die anderen beiden Liebespartner-Optionen. Ich selbst hatte dieses Problem übrigens nicht, da ich mich direkt für die Bürgermeister-Tochter entschieden habe. Aber es gibt viele Spieler im Steam-Forum, die sich über diesen Bug beschweren. Im übrigen ist John Wizard bereits seit einigen Jahren von der Bildfläche verschwunden. Mit einem Patch für die genannten Probleme und Bugs sollte man also nicht rechnen.
Quests hui, Grinding pfui
Die Überschrift scheint jedenfalls das Motto dieser Fortsetzung zu lauten. Wo im ersten Teil noch harte und vor allem monotone Grinding-Arbeiten zu verrichten waren, steuert Melting Hearts dagegen, indem der Spielfokus dieses mal auf der Verrichtung von Quests aufgebaut ist. Freilich muss man auch hier Farmarbeiten durchführen. Die Höhle verfügt über 21 Acker-Tiles, von denen aber zunächst nur 3 zur Verfügung stehen. Die anderen muss man erst einmal mithilfe von Schlüsseln freischalten. Besagte Schlüssel bekommt man unter anderem als Belohnung für absolvierte Aufgaben. Auch hier gibt es eine ordentliche Palette unterschiedlicher Gemüse- und Fruchtsorten zum Anbauen. Diese gilt es erst einmal käuflich zu erwerben, einzupflanzen, täglich zu wässern und schlussendlich zu ernten, damit man sie verkaufen, verarbeiten oder als Kochzutat verwenden kann. Gerade das Kochen nimmt in Melting Hearts einen wesentlich größeren Stellenwert ein, als im Vorgänger. Denn viele Quest laufen darauf hinaus, dass man ein bestimmtes Gericht zubereiten soll. Hierfür muss man freilich sowohl an das Kochrezept als auch die entsprechenden Zutaten herankommen. Rezepte kann man kaufen, oder muss sie in Holzkisten finden, die hier und da in der überschaubaren Spielwelt auftauchen. Die Zutaten muss man in der Regel selber anbauen oder anderswo in der Spielwelt auftreiben.
Tiere dürfen freilich auch nicht fehlen, allerdings funktionieren sie dieses mal anders als gewohnt. Sie nehmen nicht mehr nur die Rolle von Nutztieren ein, sondern viel mehr die von Haustieren, mit denen man sich gutstellen muss, damit sie bei maximaler Zuneigungsleiste (wird in Herzen visualisiert) einen wichtigen Schlüsselgegenstand springen lassen. Hierfür muss man meistens diverse Nahrungsmittel als Geschenk an sie abtreten. Allerdings sind die Viecher wählerisch und verlangen fast immer nach einem bestimmten Geschenk. Somit ist es fast schon komplizierter die Tiere „rumzukriegen,“ als den potentiellen Liebhaber, welche/r bei der Annahme von Geschenken wesentlich flexibler ist (obwohl auch hier die entsprechenden Vorlieben berücksichtigt werden sollten).
Dafür ist es jedoch auch nicht mehr notwendig die Tiere zu füttern. Jedes Tier ist in Melting Hearts ein Selbstversorger. Darüber hinaus produzieren einige Tiere weiterhin gewinnbringende Produkte.
Abseits der Farmarbeit kann man sich freilich auch in der Umgebung umschauen, um Holzlatten und Abfälle aus Schneehaufen auszubuddeln. Die Holzlatten werden später benötigt, um die Gebäude des Bauernhofs in Herbergen umzubauen, während der Abfall gewinnbringend verscherbelt werden kann. Später bekommt man auch eine Angelrute zum fischen, wobei dieses mal keine Köder mehr benötigt werden. Allerdings kostet jegliche körperliche Arbeit Kondition. Ist diese aufgebraucht kann man sich eigentlich gleich wieder schlafen legen, um den nächsten Ingame-Tag einzuläuten. Man darf sich jedoch so viel Zeit lassen wie man braucht, also nur keine Hetze. Freilich gibt es auch hier wieder Möglichkeiten, um den Konditionsbalken zu verbessern.
Die Ingame-Zeit verstreicht in Melting Hearts übrigens etwas schneller als im Vorgänger. Man startet um 06:00 Uhr morgens und erlebt den Tag bis 22:00 Uhr abends. Wirklich relevant ist dies aber nur wegen der NPCs, die je nach Uhrzeit andere Standorte in der Spielwelt einnehmen. Auch die Händler und Shops sind nur zu bestimmten Uhrzeiten verfügbar bzw. geöffnet.
Wie schon im Vorgänger, findet alle sieben Tage ein Festival statt, welches in erster Linie dazu genutzt werden kann, um die Beziehung zu einer der drei potentiellen Liebhaber ausfzubauen. Die Anzahl der Festivals ist jedoch auch hier begrenzt, weswegen man ab ca. 100 Ingame-Tagen kein weiteres Festival mehr erwarten sollte. Eine interessante Neuerung zum Vorgänger ist der Heißluftballon samt Pilotin. Es gibt diverse Tickets in der Spielwelt zu entdecken, mit denen man dann per Ballon verreisen kann, um andernorts tätig zu werden. Aber auch innerhalb des Heimatortes werden einige Ortschaften erst nach und nach zugänglich gemacht (z.B. durch das Erlangen neuer Werkzeuge). Hierdurch gibt es im späteren Spielverlauf immer wieder ein paar neue Orte zu erforschen, wodurch das Spiel nicht mehr so schnell eintönig wird wie der Vorgänger.
Wie gesagt baut Melting Hearts auf Quests auf. Dies ist eine positive Entwicklung, da man hierdurch immer ein ganz konkretes Ziel vor Augen hat. Glücklicherweise sind die Quests auch nie wirklich auf stupide Grinding-Arbeiten strukturiert – eine sehr gute Verbesserung im Vergleich zum Vorgänger! Allerdings gibt es auch einige Punktabzüge in der B-Note für dieses System. Zunächst einmal hat man versäumt ein Questlog einzubauen, was für ein Spiel, welches auf der Erfüllung von Quests basiert, schon ein größeres Problem darstellt. Bedenkt man, dass John Wizard in vorherigen Spielen kein Problem hatte ein Questlog bereitzustellen, so wirkt dieser Mangel gleich doppelt ärgerlich.
Außerdem besteht nun die Gefahr, dass man in einer (vermeindlichen) Sackgasse landen könnte. Um Melting Hearts durchzuspielen, muss man schon so ziemlich alle Aufgaben erfüllen, die einem aufgetragen werden – auch scheinbar optionale Nebenquests werden oftmals in die jeweilige Hauptaufgabe eingeflochten. Übersieht oder vergisst man etwas, kommt man also langfristig nicht mehr weiter und muss nach einer Lösung im Internet gucken. Auch ich musste an einer Stelle im Steam-Forum recherchieren. Die neue Fokussierung auf Quests bringt also nicht nur Vorzüge mit sich.
Leider hat man es abermals versäumt Achievements zu integrieren. Die Spieldauer ist mit ca. 15 Stunden kürzer als beim Vorgänger, was aber am Verzicht auf andauerndes Grinding begründet liegt. Die Steuerung arbeitet gewohnt bequem und unkompliziert.
Grafik und Sound
In audiovisueller Hinsicht, hat sich seit dem ersten Teil rein gar nichts getan. Es ist eben wieder einmal ein RPG-Maker XP-Spiel von John Wizard (das scheint die einzige Maker-Version zu sein, mit der John arbeiten möchte). Es wurden wohl nur Grafiken aus dem vorgefertigten Maker-Bausatz verwendet, was dieser Tage halt einfach nicht mehr ausreicht. Auch das Setting lässt es an Abwechslung mangeln, da es leider schon wieder keine wechselnden Jahreszeiten gibt. Die Winterlandschaft wirkt zwar anfangs recht unverbraucht, aber auf Dauer hat man sich daran eben auch satt gesehen. Die Ortschaften, welche man mit dem Heißluftballon bereisen kann, bilden da auch nur einen kleinen Ausgleich. Besonders ärgerlich ist, dass man erneut auf Artwork-Zeichnungen für die Charakterportraits verzichtet hat. Auch hier wird lediglich ein vergrößertes Charaktersprite als Platzhalter verwendet. Aber immerhin gibt es wieder einen Tag- und Nachtwechsel.
Der Soundtrack ist wieder passend gewählt, bietet jedoch nichts fürs Langzeitgedächtnis. Ein Komplettlösung-DLC wird dieses mal übrigens nicht angeboten. Das ist schade, denn dann hätte man vielleicht nachlesen können, wie die verbuggten Romanzen-Optionen hätten ausfallen sollen.