Pillars of Eternity REVIEW
Das Computer-Rollenspiel Baldur’s Gate gehört zu den größten Klassikern seines Genres und hat Ende der 90er einen Boom ausgelöst, der dann auch einige Jahre anhielt. Insgesamt kamen zwischen Dezember 1998 und November 2002 fünf volle Spiele, drei Add-ons und sogar ein kostenloser DLC auf Basis der zugrundeliegenden Grafikengine „Infinity“ heraus. Und freilich gab es neben oder auch erst nach den Infinity-Engine-Spielen auch noch diverse Nachahmer, die ihren Teil vom damaligen CRPG-Boom abhaben wollten. Leider waren diese Nachahmer in Form von Titeln wie Gorasul, Lionheart oder The Banished alles andere als gelungen. Vielleicht war das ja der Grund dafür, dass der Boom auf diese spezielle Form des CRPGs wieder abebbte. Gemeint sind Computer-Rollenspiele mit RTwP-Kampfsystem, welche vor schicken isometrisch gezeichneten Renderbild-Hintergründen ablaufen. Freilich gab es später weitere Spiele mit ähnlichen Spielprinzipien (Neverwinter Nights, Dragon Age:Origins), doch drifteten diese in den 3D-Bereich ab, was diverse Probleme nach sich zog, die man in den guten alten Renderbildern nicht zu beklagen hatte (z.B. Kamerajustierungen). Irgendwann starben aber sogar die 3D-Varianten aus und das Genre schien in Vergessenheit zu geraten.
Das änderte sich aber schlagartig, als Genre-Veteran Obsidian-Entertainment (Neverwinter Nights 2, Fallout: New Vegas) die Spendenplattform Kickstarter für sich entdeckte und dort ihr neuestes Spiel präsentierten. Die Rede ist natürlich von Pillars of Eternity, welches ein Comeback der alten Klassiker im Stil der Infinity-Engine darstellte (insbesondere von Baldur’s Gate) und überraschend hohen Zuspruch auf Kickstarter erlangen konnte. „Project Eternity,“ wie das Spiel damals genannt wurde, bat um bescheidene 1.100.000 $. Ein Betrag, der mit insgesamt 3.986.929 $ von fast 74000 Unterstützern sogar noch vervielfältigt werden konnte! Damit war das Spiel freilich in trockenen Tüchern, und wichtiger noch: Es wurde eine klare Ansage gemacht, eine Ansage die letztendlich Nachahmer in Form von Wasteland 2, Shadowrun: Returns, Torment: Tides of Numenera und weiteren CRPGs nach sich ziehen konnte. Die Publisher hatten endlich begriffen, dass CRPGs bei den Kunden immer noch erwünscht waren. Mittlerweile kann man sagen, dass das Genre der CRPGs erfolgreich wiederbelebt wurde – und alles dank Pillars of Eternity! Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob dieses Ende März 2015 veröffentlichte Computer-Rollenspiel tatsächlich so gut gelungen ist, dass es diesen großen Rummel rechtfertigt, oder nicht? Zeit dies herauszufinden!
Wenn Seelen recycelt werden
In Pillars of Eternity finden wir uns auf der Welt Eora wieder. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine typische Mittelalter-Fantasy-Welt, aber auf den zweiten Blick gibt es doch einige klare Unterschiede zu vergleichbaren Settings. So ist der Entwicklungsstand von Eora doch schon eins, zwei Schritte weiter als man zunächst denken mag. Waffen wie Kanonen, Pistolen und Donnerbüchsen sind etwa nichts besonderes mehr und in letzter Zeit hat die Wissenschaft ein besonderes Augenmerk auf die Erforschung der Seele gelegt. Letzteres sollte jedoch nicht überraschen, denn auf Eora ist das Konzept der Reinkarnation, also von wiedergeborenen Seelen, schon längst wissenschaftlich bewiesen und gehört somit zum absoluten Alltag eines jeden Individuums. Die Wiedergeburt bringt aber nicht nur Hoffnung, sondern auch große Qualen mit sich. So kann es zum Beispiel passieren, dass eine vorherige Identität in der eigenen Seele wiedererweckt wird, was bedeutet, dass man sein aktuelles Dasein mit einer zweiten Person teilen muss, einer Person, deren Persönlichkeit das genaue Gegenteil von einem Selbst darstellen kann – da ist Frust und Ärger freilich vorprogrammiert, um es mal harmlos auszudrücken. Und was ist mit Denjenigen die keine Lust mehr haben wiedergeboren zu werden, weil ihre Seele schon durch unzählige Leben ausgelaugt ist? Es sind solche Fragen, mit denen man sich in Pillars of Eternity konfrontiert sieht. Friede-Freue-Eierkuchen-Esoteriker sollten dieses Spiel also eventuell meiden, denn es betrachtet das Konzept der Reinkarnation aus einem sehr kritischen Blickwinkel.
Doch das ist nicht die einzige Kontroverse die in Pillars of Eternity thematisiert wird. Ein immens wichtiger Part in der Handlung ist das Pantheon von Eora. Dieses umfasst 11 Götter, die verschiedenste Aspekte des Lebens und der menschlichen Existenz symbolisieren. Das bedeutet, dass es keinen einzigen Gott in Pillars gibt, der durch und durch bösartig oder gutherzig ist – sehr erfrischend wie ich finde. Freilich intrigiert das Pantheon untereinander und hütet dunkle Geheimnisse. Das ging sogar soweit, dass Eothas, der Gott der Wiedergeburt, der Erlösung, des Frühlings und des Lichts, vor 15 Jahren einen Avatar nahm und einen Feldzug gegen die Dyrwald-Region anzettelte. Ein Feldzug der ihm das Leben kostete, als er von einer magischen Bombe, dem sogenannten Götterhammer, in die Luft gesprengt wurde. Moment mal!? Götter die durch ne blöde Bombe getötet werden können? Hmm, komisch nicht wahr? Es gibt also so einige Ungereimtheiten auf Eora, aber bis wir diesen Dingen auf den Grund gehen, gilt es freilich erst mal kleinere Brötchen zu backen. Denn dummerweise löste Eothas Ableben einen Fluch aus, der dafür sorgt, dass fast jedes Neugeborene in der Dyrwald-Region ohne Seele geboren wird. Diese Kinder sind also nur leere Hüllen ohne eigenen Willen und Verstand. Ein Umstand, der über kurz oder lang den Untergang der Region bedeuten könnte, wenn keine Lösung gefunden wird.
Immer diese unhöflichen alten Leute
Doch von all dem weiß unser selbsterstellter Charakter zunächst rein gar nichts, denn er (oder sie) ist ein Ausländer, welcher als Kolonist in die Dyrwald-Region zieht, um dort im kleinen Dörfchen Goldtal ein neues Leben aufzubauen. Lord Raedric, der Herrscher über Goldtal, lockte die Kolonisten mit großen Versprechungen in sein Land. Doch bereits auf der Reise nach Goldtal geht alles schief: Zuerst fängt sich unser Protagonist eine lästige Krankheit ein, während der Suche nach Heilkräutern wird unser Treck von Barbaren abgeschlachtet und kurz darauf werden wir von einem Bîaŵac heimgesucht, einem magischen Sturm, der seinen Opfern die Seele herausreißt. Glücklicherweise gelingt uns trotz all dieser Widrigkeiten die Flucht mit zwei Leidensgenossen. Doch das Glück hält nur kurze Zeit an, denn kurz darauf finden wir heraus, dass die gefürchteten Bîaŵacs keine Natur-Phänomene sind, sondern von einem zwielichtigen alten Priester mithilfe einer antiken Apparatur erzeugt werden.
Als der alte Knochen einen weiteren Bîaŵac beschwört, verlieren unsere beiden Begleiter ihr Leben. Der Protagonist hingegen überlebt, wird durch die Tortur jedoch in einen sogenannten „Wächter“ verwandelt. Eine Person, dessen Seele sich an ein vorheriges Leben erinnert und ihren Träger durch grausige Visionen der Vergangenheit langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt. Wenigsten beherrschen die Wächter die Fähigkeit die Seelen von Lebenden zu lesen, mit Toten zu kommunizieren und diese Seelen sogar zu manipulieren, um diese entweder zu heilen oder zu zerstören. Das sind zwar sehr mächtige und nützliche Fähigkeiten, jedoch ist der Preis des drohenden Wahnsinns dann doch zu hoch. Also gilt es den alten Priester aufzuspüren, um den Vorgang rückgängig zu machen oder zumindest Rache zu üben. Und auch Lord Raedric hat Strafe verdient, denn seine großen Versprechungen entpuppen sich als Luftschlösser und Raedric selbst als übler Tyrann, der den Verstand verloren hat. Somit bleibt uns nun wirklich nichts anderes mehr übrig, als als heimatloser Abenteurer in die Welt hinauszuziehen, um einige offene Rechnungen zu begleichen und den ein oder anderen Fluch zu brechen, um schlussendlich das große Geheimnis der Götter zu lüften.
Etwas was man sich bewusst machen sollte, ehe man tiefer in die Handlung eintaucht, ist, dass man es hier keineswegs mit einer typischen Gut gegen Böse-Handlung zu tun bekommt. Die Story in Pillars of Eternity ist wesentlich abstrakter und philosophischer, als in vielen vergleichbaren Spielen. Gleichzeitig wirkt sie aber auch sehr bodenständig und versucht ohne Heldenpathos und dergleichen auszukommen. Das ist natürlich eine Mischung, die nicht jedem gefallen dürfte. Vor allem jüngere Spieler werden wohl nicht allzu viel damit anfangen können und sich fragen, was das ganze soll. Dieser Umstand spiegelt sich z.B auch in den Gefährten wieder, die sich einem im Verlauf des Spiels anschließen können. Statt eines coolen Dunkelelfen oder einer heißen Hexe, bekommt man in diesem Spiel eine Hebamme oder einen chronisch gut-gelaunten Gelehrten in die Gruppe. Und deren Persönlichkeiten, Dialogzeilen und Charakterquests basieren freilich auf deren jeweiligen sozialen Hintergründen. Epische Ausschweifungen und Comedy-Zwischensequenzen sollte man also besser nicht erwarten. Auch die obligatorischen Romanzen sind nicht vorhanden und der Oberschurke ist keineswegs abgrundtief böse oder sonst irgendwie überzeichnet, sondern tut auch nur das, was er für richtig hält.
Was ich sagen will, ist, dass Pillars of Eternity ein wahrhaft erwachsenes Spiel ist. Viele Titel wie etwa Dragon Age tun so als ob sie erwachsen wären, bieten im Endeffekt aber bloß halbarschige Sexszenen und peinliche Blutfontainen, um die Kiddies anzulocken. Pillars hingegen verkneift sich solchen Kram und spricht hingegen den Intellekt eines Erwachsenen an, statt deren niedere Instinkte. Dementsprechend werden Kids und Lulz-Fanatiker nicht viel Freude mit der Handlung und den Charakteren dieses Spiels haben. Wer hingegen eine wirklich erwachsene Geschichte erleben möchte, liegt hier dafür umso besser.
Schwierigkeitsgrade – die stets wiederkehrende Qual der Wahl
Wie in jedem gescheiten CRPG steht auch hier erst mal die Wahl aus mehreren Schwierigkeitsgraden an. Die Erklärung des Spiels, was diese Grade genau beeinflussen ist leider äußerst schwammig ausgefallen. Unterm Strich sollen euch höhere Grade mit zahlreicheren und besseren Feindeinheiten peinigen. Lediglich im höchsten Grad sollen die Feinde dann auch tatsächlich einen Status-Boost erhalten. Niedrigere Grade erlauben euch hingegen mehr Camping-Sets zum Rasten mitzuschleppen und gönnen euch obendrein ein besseres Würfelglück (freilich werden auch in diesem Spiel Trefferquoten, Schadensquoten und dergleichen im Hintergrund ausgewürfelt).
Zur Auswahl stehen insgesamt fünf Grade die von „Storymodus“ bis hin zum „Pfad der Verdammten“ rangieren. Ich persönlich wählte die goldene Mitte „Normal“ und war damit weitestgehend zufrieden. Allerdings kommt es hier im späteren Spielverlauf zu vielen Kämpfen, die etwas arg trivial wirken. Das passiert freilich nur, wenn man fleißig Nebenquests absolviert und somit vorzeitig den maximalen Level-Cap von 12 erlangt. Wer sich die beiden DLCs zulegt, kann den Cap sogar auf Stufe 14 bzw. 16 anheben, wodurch es freilich nochmals leichter wird. Allerdings sollte man die leichten Kämpfe im Zweifelsfall ohnehin eher als Belohnung für fleißige Spieler ansehen, denn genau hierfür erkundet man schließlich jeden Winkel und absolviert jede noch so kleine Nebenbeschäftigung. Alternativ gibt einem das Spiel an einigen Schlüsselstellen jedoch auch die Option ein Level-Scaling zu aktivieren, wodurch kommende Monster und Feinde auf die eigene Levelstufe hochgestuft werden. Ich selbst bin gegen jede Form des Level-Scalings und habe davon schon aus Prinzip keinen Gebrauch gemacht – aber hey, wer es mag bekommt zumindest die Möglichkeit hierfür! Ich persönlich empfehle aber stattdessen einfach die höheren Schwierigkeitsgrade anzuwählen. Aber Vorsicht: Wer den Pfad der Verdammten anwählt, bekommt keine Möglichkeit auf einen anderen Grad umzuschalten, etwas, was bei den anderen Graden problemlos möglich ist.
Unabhängig von den Schwierigkeitsgraden kann man sich noch zwei Zusatzoptionen hinzuschalten. Da wäre zum einen der „Expertenmodus,“ welcher sämtliche Hilfe- und Komfort-Optionen des Spiels deaktiviert. Pillars of Eternity bietet nämlich diverse Hilfen, von denen man zu seliger Baldur’s Gate-Zeit nur träumen konnte. So kann man sich unter anderen sämtliche Feindstatistiken samt Stärken und Schwächen anzeigen lassen, erhält uneingeschränkten Zugriff auf ein Lager, wo man jeden noch so belanglosen Krempel hineinpacken kann, um ihn später zu verkaufen oder kann sogar den berüchtigten Perma-Death deaktivieren. Puristen können also den Expertenmodus wählen, um das erbarmungslose Baldurs Gate-Flair aufrecht zu erhalten. Alle anderen haben hingegen die Möglichkeit jede Sonderhilfe nach eigenem Gusto zu aktivieren bzw. zu deaktivieren.;) Und dann wäre da noch das „Eisenurteil.“ Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Iron Man-Modus, also ein Modus, wo man nur einen einzigen Speicherstand erhält, der automatisch gelöscht wird, wenn die Heldengruppe abnibbelt – fiese Sache.
Mein Charakter ist besser als deiner!
Sind die oben erläuterten Entscheidungen getroffen, geht es freilich mit der Charaktererstellung weiter. Pillars bietet sechs Rassen. Neben den altbekannten Menschen, Zwergen und Elfen gibt es noch die Aumaua, die Orlaner und die Gottähnlichen. Die Aumaua sind so etwas wie Fischmenschen mit schicken Haifisch-Zähnen und hübschen Hautfarben wie Blau, Gelb oder Grün. Die Orlaner sind ne Mischung aus Hobbits und Furries und die Gottähnlichen tragen den Funken eines Gottes in sich, was sich oftmals in tierischen oder elementaren Körpermerkmalen äußert. Natürlich bietet jede Rasse ihre individuellen Vor- und Nachteile. So können die Gottähnlichen zum Beispiel keine Helme nutzen, da sie bereits Hörner, Feuer oder andere Dinge auf dem Kopf tragen. Und freilich gibt es noch diverse Sub-Rassen, aber das sind alles Dinge, die ihr selbst entdecken könnt.
Neben der Rasse und dem Geschlecht gibt es freilich noch die Charakterklassen. Pillars bietet 11 Klassen. Die meisten davon sind altbekannte Dungeons &Dragons-Klassen (nein, Pillars ist kein D&D-Spiel). Da hätten wir Kämpfer, Barbar, Paladin, Waldläufer, Schurke, Zauberer, Priester, Mönch, Druide und den Sänger (die hiesige Barden-Klasse). Wirklich neu ist eigentlich nur die „Medium“-Klasse. Also Leute die mit mentalen Fähigkeiten kämpfen (was aber auch nur eine andere Form einer Magier-Klasse darstellt). Allerdings gibt es einige neue Mechaniken, welche die Klassen interessanter gestalten. Mönche z.B. sind Masochisten, die ihre besten Kampfkünste erst lostreten können, wenn sie einige schmerzhafte Wunden eingesteckt haben. Ein Medium hingegen muss sich seine Energiepunkte zur Wirkung von Zaubern erst einmal im Verlauf des Kampfes verdienen, indem es auf reguläre Weise Schaden austeilt. Ich selbst bin kein Freund dieser neuartigen Sondermechaniken einiger Klassen, und habe daher dankend auf gewisse Klassen verzichtet. Andererseits lohnt es sich jedoch auch sich in die abgewandelten Mechaniken einzuarbeiten, so entpuppten sich etwa die Buffs und Beschwörungszauber des Sängers als verdammt nützliche Fähigkeiten. Aber wie gesagt: Manche Dinge sollte man selber entdecken und ausloten. Das gehört schließlich auch zum Spielerlebnis dazu.:) Im übrigen erlaubt euch das Spiel mehrere Charaktere für eure Gruppe zu kreieren. Man benötigt hierfür nur das notwendige (virtuelle) Kleingeld und einen Tavernenwirt. Und keine bange, die Goldpreise hierfür sind sehr fair gehalten.
Im Übrigen sind viele Fähigkeiten nicht mehr an bestimmte Klassen gebunden. Dinge wie Schleichen, Mechanik (Fallen stellen und Schlösser knacken), Wissen (zum Wirken hochstufiger Schriftrollen) oder Überleben (schaltet bestimmte Buffs nach einer Rast frei) werden allein vom Spieler festgelegt. Pro Stufenaufstieg erhält man ein paar Punkte, die man eigenständig auf solche Fähigkeiten verteilen kann. Ein Krieger mit typischen Schurken-Skills ist also genauso möglich wie ein Zauberer, der ein athletischer Naturbursche ist. Sicherlich bekommen bestimmte Klassen von Start weg Bonuspunkte auf passende Fähigkeiten, aber alles Weitere liegt in eurer Hand.
Klassisches Iso-CRPG-Gameplay … mit Kickstarter-Müll angereichert
Die zentralen Spielmechaniken sollten Genrefans freilich geläufig sein. Ihr steuert eine Party aus bis zu sechs Mitgliedern über zahlreiche isometrische Maps die zunächst in Kriegsnebel verhüllt sind, kommuniziert mit NPCs um (Side)quests zu erhalten und einige Multiple-Choice-Entscheidungen zu treffen, bekämpft Feinde und Monster in einem RTwP-Kampfsystem (also Echtzeitkämpfe, die nach eigenem Gusto pausiert werden können, um seinen Charakteren neue Befehle zu erteilen), welches nahezu 1 zu 1 aus den Infinity-Engine-Spielen übernommen wurde, erbeutet neue Ausrüstungsstücke, Goldeinheiten und Tränke und kassiert dabei Erfahrungspunkte für Level-Ups. Die Steuerung funktioniert dabei problemlos, da man alles mit der Maus abwickeln kann und die unterschiedlichen Menüs alternativ per Hotkey aufgerufen werden können. Am besten ich versuche mich auf die Besonderheiten zu beschränken:
Das fängt schon bei Kleinigkeiten an, so kann man neuerdings die Laufgeschwindigkeit der eigenen Truppe in drei Stufen regulieren und man muss sich beim Rasten nicht mehr fürchten überfallen zu werden, wie noch in den alten Infinity-Engine-Spielen. Außerdem gibt es jetzt zweierlei Arten von Heilbalken. Die eigentliche Lebensenergie und die Ausdauer. Die Lebensenergie sollte sich von selbst erklären, sinkt diese auf null, stirbt der Charakter. Um die Lebensenergie zu heilen gibt es eigentlich nur die Möglichkeit eine Rast einzulegen, da die meisten Heilzauber und Tränke lediglich die Ausdauer regenerieren. Sinkt die Ausdauer auf null, fällt der Charakter für den Rest des Kampfes in Ohnmacht und erhält eine Verletzung, welche die Statistikwerte negativ beeinflusst. Nach einem Kampf lädt sich die Ausdauer jedoch oftmals wieder komplett auf, was bedeutet, dass man nicht nach jedem einzelnen Kampf gleich wieder rasten muss. Letzteres empfiehlt sich ohnehin nicht, da man nur begrenzte Camping-Sets mitschleppen darf. Diese Systeme dienen freilich dazu, diverse Rast-Orgien zu unterbinden und den Spieler dazu zu motivieren nur dann eine Rast einzulegen, wenn sie wirklich notwendig ist. Dieses System ist meiner Meinung nach jedoch eher suboptimal, da man z.B. immer noch Rasten muss, wenn man die Zauber der Magier regenerieren möchte.
Eine gelungene Dreingabe sind hingegen die kleineren „Choose your own Adventure“-Segmente. Viele Problemstellungen werden in Textform nebst Risszeichnungen präsentiert. Man bekommt diverse Möglichkeiten vorgesetzt um mit dem Problem umzugehen und hofft eben die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Erfolg hängt dabei oftmals von den Skills, den Fähigkeiten und den mitgeführten Werkzeugen ab. Letztere Umfassen Greifhaken, Fackeln, Brecheisen und Werkzeuge. Man sollte also immer ein paar von diesen Gegenständen mit sich führen. Es wird auch ein gutes Maß an Choices & Consequences geboten, die dann auch oftmals im Epilog angesprochen werden. Vor allem bei den Charakterquests kann man echten Einfluss auf die Zukunft seiner insgesamt acht Gefährten nehmen (elf Gefährten, wenn man die beiden DLCs installiert hat). Man kann im Verlauf des Spiels durch seine Taten auch seinen Ruf in den Städten, Siedlungen und bei diversen Gruppierungen verbessern oder verschlechtern, was allerdings eher begrenzten Einfluss aufs Spiel hat.
Interessanter ist da schon das Crafting-System. Mit diversen Rohstoffen, die man hier und da aufklaubt (Pflanzen, Edelsteine und organische Überreste), kann man nämlich eigene Tränke und Schriftrollen herstellen, was auch weniger Geld kostet, als wenn man diese Dinge bei Händlern erwirbt. Mit Nahrungsmitteln kann man sogar eigene Mahlzeiten zubereiten, welche temporäre Statusboosts gewähren. Darüber hinaus darf man auch Waffen und Rüstungen verzaubern, um deren Werte zu verbessern oder neue Eigenschaften freizuschalten.
Relativ früh im Spiel erhält man übrigens Zugriff auf seine eigene Festung namens Caed Nua. Diese liegt zunächst in Trümmern, kann jedoch wieder auf Vordermann gebracht werden, wenn man genügend Goldeinheiten investiert. Leider funktioniert der Aufbau der Festung und die Abwicklung vieler Festungs-Nebenquests in primitivster Browsergame-Manier. Es gibt hier aber auch interessante Funktionen und Möglichkeiten, so kann man eine Försterhütte bauen lassen, was einem Zugriff auf Kopfgeldjagd-Nebenquests gewährt oder Bittsteller empfangen. Wer jedoch ein richtig geiles Festungs-System mit eigenständiger Rekrutierung und echten Verwaltungsaufgaben erwartet, wird enttäuscht. Da haben die Entwickler mit Neverwinter Nights 2 gezeigt, dass sie so etwas eigentlich viel besser umsetzen können. Caed Nua wirkt im Vergleich dazu eher wie eine kleine Dreingabe, weil es eben ein Stretchgoal via Kickstarter war.
Wesentlich eindrucksvoller ist da schon der optionale Mega-Dungeon unterhalb von Caed Nua. Dieser umfasst 15 Stockwerke und weckt Erinnerungen an die Mega-Dungeons der beiden Baldur’s Gate-Vorläufer. Das schöne in Pillars ist jedoch, dass der Mega-Dungeon hier zum Hauptspiel gehört und nicht per Add-on hinzugekauft werden muss, wie es seinerzeit in den Baldur’s Gate-Spielen gehandhabt wurde – tolle Sache! Ein weiteres Lob gibt es für das umfangreiche Questlog, welches sämtliche Aufgaben in drei Kategorien listet. Darüber hinaus gibt es auch ein Tagebuch das vom Protagonisten aktualisiert wird, einen Notizblock für eigene Notizen, einen kleinen Codex und ein umfangreiches Bestiarium mit Risszeichnungen und Feind-Statistiken. Diese Liebe zum Detail ist schon weitaus mehr als nur vorbildlich und sollte zum Standard im Genre gehören.
Allerdings gibt es auch einige Negative Eigenheiten und Macken zu vermelden. Die Wegfindungsroutine ist z.B. echt schlecht ausgefallen. Vor allem in Kämpfen stehen sich die eigenen Charaktere ständig im Weg und kommen nicht zum Zug, wenn man sie nicht eigenständig zum Feind lotst. Und das passiert sogar, wenn man in offenen Gebieten mit viel Bewegungsspielraum agiert.
Auch die Einbindung von Kickstarter zeigt hier deutliche Nachteile. So gibt es ein Achievement, welches man nur bekommt, wenn man Backer von Pillars of Eternity war. Das bedeutet, dass Nicht-Backer keine Chance haben das Spiel mit 100 %-Achievements abzuschließen. Schlimmer noch sind die „Goldenen NPCs.“ In den Siedlungen befinden sich viele NPCs, deren Namensschilder golden markiert sind. Diese NPCs wurden von Kickstarter-Backern kreiert und bieten allesamt ihre eigene individuelle Kurzgeschichte, die vom Protagonisten mittels Gedankenlesen gelesen werden kann. Hierbei handelt es sich jedoch ausschließlich um nicht kanonische Fan-Fictions, deren Qualität in den meisten Fällen arg zu wünschen übrig lässt – eben genau das, was man von den meisten Fan-Fictions zu erwarten hat. Sorry, aber so etwas hat in einem kommerziellen Spiel einfach nichts verloren und irritiert nur. Die Grabstein-Markierungen, welche zahlreiche Sprüchlein der Backer enthalten kann man hingegen durchgehen lassen, da sich Grabstein-Easter-Eggs ja schon irgendwie etabliert haben. Unterm Strich ist all dieser Kickstarter-Krempel aber enorm nervig und irritierend. Vor allem dann, wenn man unbedarft ins Spiel hineingeht und sich der Kickstarter-Hintergründe nicht bewusst ist.
Einen echten CRPG-Fan sollte dieses Ärgernis jedoch nicht abschrecken. Pillars of Eternity bietet langanhaltenden Spielspaß. Die Spieldauer ist enorm und kann bis in den dreistelligen Stundenbereich rutschen (zumindest dann, wenn man sich die DLCs gönnt). Wer mit dem Genre jedoch nichts anfangen kann, wird auch von Pillars of Eternity nicht bekehrt werden. Denn viele Schwachpunkte(?) wie ein stark schwankender Schwierigkeitsgrad, generelle Textlastigkeit und die Notwendigkeit sich auch mal in ein paar Spielmechaniken einzuarbeiten, sind einfach Dinge mit denen man sich anfreunden muss, um mit diesem Spiel seinen Spaß haben zu können.
Grafik, Sound und sonstiges
Selbstverständlich orientiert sich das Spiel in grafischer Hinsicht an den alten Infinity-Engine CRPGs. Das bedeutet, dass die Levelkarten in Renderbildern aus isometrischer Perspektive dargestellt werden. Die Spielfiguren sind hingegen in 3D-Grafik gehalten. Während die 2D-Maps wunderschön gezeichnet wurden, wirken die 3D-Charaktermodelle etwas grob und kantig, was aber ohnehin nicht so schlimm ist, da man das Geschehen ja aus der Entfernung betrachtet. Man kann jedoch auf Wunsch hinein- und hinaus-zoomen, damit man mehr von der Kampfaction mitbekommt. Und da gibt es durchaus einiges zu sehen. Die Zaubereffekte sind nett anzuschauen und getötete Gegner können auch mal in Fetzen gerissen werden. Die daraus resultierenden Blut- und Gore-Effekte drängen sich jedoch nie in den Vordergrund und wirken eher wie kleine Gimmicks. Nett ist weiterhin, dass ausgerüstete Waffen und Ausrüstungsstücke auch optisch wiedergegeben werden. Die Locations orientieren sich leider etwas zu sehr an klassischen Wald- und Wiesen-Szenarien, was auf Dauer etwas öde anmuten mag. Und die beiden im Spiel enthaltenen Städte können nicht so recht mit einem Baldur’s Tor oder Atkatla mithalten. Das liegt vielleicht auch daran, weil die meisten NPCs nur dumm in der Gegend herumstehen, statt aktiv durch die Straßen zu wandeln. Dadurch wirken die Siedlungen etwas arg leblos.
Das wirkliche Problem ist jedoch die wacklige Technik der zugrunde liegenden Grafikengine. Pillars of Eternity nutzt eine ältere Version der Unity-Engine, eine Engine die ja nicht unbedingt für opulente Grafikbomben bekannt ist. Aber das macht ja nichts, schließlich orientiert sich Pillars ja in optischer Hinsicht an alten CRPG-Klassikern der spät 90er und Anfang 2000er Jahre. Dummerweise scheint die Unity-Engine aber selbst mit einem derartigen Grafikstil überfordert zu sein, denn das Spiel leidet einerseits an absurd hohen Hardware-Anforderungen, die schlicht und einfach ungerechtfertigt sind, und andererseits an noch absurderen Ladezeiten, die gerne mal 1-2 Minuten pro Mapscreen beanspruchen können. Vor allem letzterer Aspekt beansprucht sehr viele Nerven und zieht einiges vom Spielspaß ab, was sich auch negativ in der Endbewertung äußert. Und nochmals: Hardware-Anforderungen und Ladezeiten sind in grafischer Hinsicht bei weitem nicht nachzuvollziehen. Zur Krönung entpuppt sich Pillars auch noch als eines jener Spiele, die gerne mal den eigenen PC überstrapazieren. Bei mir ist das Spiel während der Ladezeiten auch mal hängengeblieben und hat nach einer längeren Spielsession die Performance meines Rechners dermaßen beeinträchtigt, dass ich einen Neustart einleiten musste. Und bevor irgendwer was sagt: Ich habe schon viele Spiele gespielt, die grafisch wesentlich eindrucksvoller sind und weitaus weniger zicken auf meinem Rechner machten. An dieser Stelle muss ich leider ein großes Pfui an die Entwickler und die Unity-Grafikengine austeilen.
Ein Lob hat sich hingegen der Komponist Justin Bell verdient, der einen schönen Soundtrack beisteuerte, welcher eine angenehm mysteriöse und melancholische Stimmung aufbaut. Der OST bietet zwar keinen echten Ohrwurm, aber die Melodien sind einfach nur schön und fließen angenehm ins Gehör. Der Soundtrack platzt dabei auch nie in den Vordergrund um vom Spielablauf abzulenken. Es ist ein hochwertiger Soundtrack der gut zum Spiel passt und dieses somit gekonnt bereichert. Auch an der englischen Sprachausgabe gibt es nichts zu kritisieren. Die Sprecher sind durchgehend hochwertig und hauchen ihren Charakteren viel Leben ein. Ausrutscher gibt es hier nicht zu melden, aber freilich ist die Sprachausgabe nicht durchgängig. Es wurde also nicht jeder noch so unwichtige NPC vertont, aber wen kümmerts, wer etwas dagegen hat Bildschirmtexte zu lesen, hat sich ohnehin das falsche Spiel gekauft.;)
Und wer es noch nicht mitbekommen hat: Inzwischen wird schon an einem zweiten Teil mit dem Untertitel „Deadfire“ gewerkelt. Man darf sich darauf freuen – vorausgesetzt Obsidian bekommt die Ladezeiten in den Griff.