Veritus REVIEW

Nachdem mich der texanische Indie-Entwickler Colorgrave mit dem Top-Down Action-Adventure „Prodigal“ und dem Jump ’n‘ Run „Curse Crackers“ begeistern konnte, habe ich mir natürlich auch deren drittes Spiel zugelegt. Die Rede ist von Veritus, dem Sequel zu Prodigal, welches seit dem 22. Juli 2024 im Steam-Shop zum Verkauf steht. Veritus ist, wenig überraschend, ebenfalls ein Top-Down Action-Adventure, fokussiert sich jedoch auf Dungeon-Crawling. Ob diese Herangehensweise den Spielspaß beeinträchtigt oder nicht, erfahrt ihr im folgendem Review.

Eine Expedition, welche über das Schicksal der Welt entscheidet

Erneut übernimmt der Spieler die Rolle von Oran Graile. Es wird nicht erklärt wie viele Jahre seit den Ereignissen von „Prodigal“ vergangen sind, aber es dürften wohl um die 10 bis 15 Jahre verstrichen sein. Oran ist inzwischen Vater geworden und lässt seine kleine Tochter Myna nur ungern zurück, um einen wichtigen Auftrag für Crocodile zu erfüllen. Dieser hat sich inzwischen vom zwielichtigen Casino-Betreiber zur Führungsperson der nördlichen Frontier-Region gemausert. Dummerweise finden dieser Tage drastische politische Umwälzungen statt. Die fiese Sturmgöttin und Piraten-Königin Revulan lies vor kurzem den König von Ashford ermorden, um sich dessen Königreich unter den Nagel zu reißen. Crocodile befürchtet nun, dass auch sein Gebiet früher oder später von Revulan einkassiert werden wird.

Um sein Gebiet vor dem feindlichen Zugriff schützen zu können, will er ein mächtiges Artefakt des zerstückelten Schattengottes Veritus einsacken. Zu diesem Zweck stellt er ein Spezialistenteam zusammen, welches zur Ruine von Veritus‘ Schloss aufbrechen soll, um besagtes Artefakt zu erbeuten. Zu seinem Team gehört die Krieger-Priesterin Lacrima, seine treue Spionin Illy, sein Türsteher-Bodyguard Uros, die leicht durchgeknallte Handwerkerin und Liedmagierin Yoru, sowie der gutherzige Koch Sonny. Der sechste im Bunde soll Oran sein. Dieser befindet sich in Besitz zweier Körperteile Veritus, welche dem Helden übermenschliche Fähigkeiten verleihen und ihm ironischerweise eine Art morbiden Heimvorteil im Zielgebiet verschaffen.

Da Oran Crocodile einen Gefallen schuldet und ohnehin noch ein Hühnchen mit Revulan zu rupfen hat, willigt er ein an der lebensgefährlichen Expedition teilzunehmen. Tatsächlich bringt Oran noch ein siebtes Mitglied in die Gruppe, denn der Schwarzmarkthändler Zaegul ist in den letzten Jahren zum treuen Freund der Graile-Familie geworden, und will nun seinen Beitrag leisten, damit Oran sicher heimkehrt.

Natürlich gestaltet sich der Auftrag als genauso gefährlich wie erwartet, denn Veritus Schloss ist nicht nur einsturzgefährdet und monsterverseucht, sondern beherbergt auch noch ein tödliches Geheimnis von kosmischen Ausmaß, welches die gesamte Welt von Lyrian bedroht. Und die Tatsache, dass Revulan ihre treue Auftragskillerin hinterherschickt, macht die Sache auch nicht einfacher. Ob Oran und sein Team diesen vielfältigen Todesfallen gewappnet sind? Aber hey, immerhin hat Oran eine Symbiose mit zwei Körperteilen von Veritus. Hierdurch erlangt er das Wohlwollen von dessen schrulligen Butlern, welche sich auch noch im Schloss herumtreiben.

An und für sich ist die Handlung sehr spannend und baut auch konsequent auf dem Epilog-Ende von Prodigal auf. Der Haken hierbei ist jedoch, dass das Spiel entsprechende Vorkenntnisse voraussetzt. Von einem Quereinstieg kann ich hier nur dringend abraten. Neulinge werden kaum kapieren worum es hier eigentlich geht und sich schwer tun die ganzen Querverweise der Sagengut-Texte zuzuordnen. Und ja, Colorgrave haben abermals versäumt einen Codex einzubauen, obwohl dieser gerade in einer Fortsetzung wie Veritus enorm hilfreich wäre.
Erschwerend kommt hinzu, wie die Handlung präsentiert wird. Fast die gesamte Story wird im Stil von Rückblenden erzählt. Es gibt auch keinen lückenlosen Handlungsverlauf. Wenn man z.B. einen Boss erledigt hat, erlebt man direkt darauf eine Art Traumsequenz und erwacht danach am Schlafplatz im Hub-Areal. Man gewöhnt sich zwar an den merkwürdigen Erzählstil, allerdings bestätigt dieser, dass sich Veritus ausschließlich an Kenner der Serie richtet.

Eine finstere Schlossruine als Mega-Dungeon

Wer einmal ein klassisches Top-Down-Zelda gespielt habt, wird wissen was ihn hier erwartet. Man erkundet die Spielwelt aus der Vogelperspektive, verdrescht Monster in Echtzeit, umgeht Fallenmechanismen, hantiert mit Werkzeugen, um seinen Weg zu bahnen und löst Rätsel. Letztere bestehen auch hier wieder oftmals aus dem verschieben von Blöcken oder Fässern auf Schalter. Zusätzliche Abwechslung kommt in Form von Gimmicks wie dunklen Räumen oder versinkenden Platformen. Dieses mal gibt es sogar eine zweite Spielfigur. Da Oran nicht schwimmen kann, liegt es an Illy einige mit Fallen bestückte Tauchabschnitte zu absolvieren. Es fällt übrigens auf, dass reguläre Monster nun wesentlich aggressiver und gefährlicher agieren, als in Prodigal. Man sollte sich schon darauf einstellen, dass man einige male abkratzen wird.

An der Controller-Steuerung (Tastatur hab ich nicht genutzt) wird es jedoch nicht scheitern, denn diese arbeitet genauso simpel und zuverlässig wie im Vorgänger. Das D-Pad dient für die Bewegung der Spielfigur. In Kombination mit der Schultertaste kann man auch rennen (hierfür sind keine speziellen Gegenstände mehr nötig). Mit der Start-Taste ruft man das Inventar auf, wo sämtliche gefundene und ausgerüstete Gegenstände aufgelistet werden und wo man ein Optionsmenü vorfindet. Mit Letzteren kann man an einigen Grafik- und Soundoptionen herumschrauben. Wer speichern möchte, muss dieses mal Speicherpunkte in Form von Veritus‘ Butler Scroon aufsuchen. Dieser dient auch zur Regeneration von Lebensenergie und Heiliger Energie (diese gibt bei Aktivierung einen Stärke-Boost). Wie von den Entwicklern gewohnt, stehen drei separate Speicherslots zur Verfügung.

Dann wären da die Buttons. Mit dem unteren A-Button schwingt man die Spitzhacke, die als Hauptwaffe fungiert, und die anderen drei Buttons dienen für die Werkzeuge. Wie schon in Prodigal hat man Veritus‘ Dread Hand zur Verfügung, mit der man sich zum jeweiligen Eingang des Screens zurückteleportieren kann. Auch der Lariat-Greifhaken ist wieder dabei. Mit diesem kann man sich an bestimmten Objekten herüberziehen oder eben bestimmte Objekte und Gegner zu sich heranziehen. Der letzte Slot für die B-Taste ist dieses mal jedoch frei belegbar. Man kann im Verlauf des Spiels ein gutes Dutzend optionaler Werkzeuge erbeuten, welche für diesen Slot zur Verfügung stehen. Diese umfassen Heiltränke, Schwerter für Spezialangriffe oder Armreife, die dabei helfen können Bodenlücken zu überbrücken. Und gerade mit Letzteren kann so mancher Rätselraum ausgebootet werden.

Die Werkzeuge kann man jedoch nur in den Hub-Arealen bei Uros umrüsten. Fast jeder der sechs Kameraden bietet dort einen speziellen Service an. Sonny köchelt aus gefundenen Zutaten eine Speise zusammen, welche einen nützlichen Buff gewährt, wie etwa erhöhte Kampfkraft oder Schutz vor Fallschaden. Yoru kann aus entsprechenden Materialien stärkere Spitzhacken und neue Schuhe mit Sonderfähigkeiten schöpfen. Ferner kann sie einen Liedmagie-Buff aktivieren, sofern man die entsprechenden Liedtexte im Dungeon findet. Illy wiederum bietet ein Kartenspiel-Minigame, bei dem man Geld gewinnen oder auch verlieren kann. Und Zaegul dient als Händler, der im Verlauf des Spiels ein immer breiteres Sortiment an Crafting- und Gebrauchsgegenständen anbietet. Tipp: Wer Blindkäufe direkt aus Zaeguls Händlersack tätigt, kann auf diese Weise auch an seltene Crafting-Materialien herankommen.

Im zentralen Hub-Areal findet man auch eine Tür in eine Bildergalerie. Die Bilder dienen als Teleporter in bereits abgeschlossene Gebiete des Schlosses, damit man verpasste Geheimräume, Schatztruhen und Rätseltüren nachholen kann. Lediglich das Prequel-Areal, welches der Storyeinführung dient, darf man erst wieder bei einem Game+ betreten. Im Game+ kann man übrigens negative und positive Sonderzustände aktivieren, um den nächsten Spieldurchgang interessanter zu gestalten. Je mehr Achievements man freischaltet, desto mehr Sonderzustände stehen zur Verfügung.

Um ein Game+ für Veritus zu starten, muss man mit dem NPC sprechen, welcher nach Abschluss der Story in der Bildergalerie auftaucht. Obendrein findet man dort auch noch zwei weitere Räume, wo Yoru die guten Crafting-Erzeugnisse lagert und Scroon alternative Farbpaletten anbietet. Letztere muss man aber erst durch unbekannte Erfolge freischalten.

Im Gegensatz zum Vorgänger ist Veritus ein sehr lineares vergnügen. Das Schloss setzt sich aus sieben Bereichen und dem zentralen Hub-Areal zusammen. Hinzu kommt natürlich noch der Prequel-Dungeon. Jedes Areal wird fein säuberlich nach und nach abgearbeitet und endet selbstverständlich mit einem launigen Bosskampf. Abgesehen von Geheimräumen, welche nur durch sehr subtile Wandrisse visualisiert werden, sowie optionalen Challenges wie den Rätseltüren, bietet das Spiel wenig Raum für Erkundungen. Immerhin bietet jeder der sechs Begleiter eine eigene Sidequest-Aufgabe. Wer den wahren Endgegner sowie das gute Ende sehen will, sollte sich freilich die Zeit nehmen die optionalen Aufgaben in Angriff zu nehmen. Aber selbst dann ist die Spielzeit von Veritus wesentlich kürzer als bei den letzten Spielen der Entwickler. Ich selbst habe ca. 10 Stunden für meinen gründlichen Spieldurchlauf benötigt.

Grafik und Sound

Wenig überraschend ähnelt der Grafikstil jenem des Vorgängers. Die Top-Down-Grafiken sind im Stil der alten Zelda-Spiele für den Game Boy Color gehalten. Anders als in den letzten Spielen setzt der Entwickler dieses mal auf kräftigere Farben. Man hat quasi einen Mix aus recht authentischen GBC-Sprites und einer Farbpalette, welche eher an die Möglichkeiten des Game Boy Advance erinnert.

Das ist jetzt aber keinesfalls negativ gemeint, da Veritus sehr hübsch anzuschauen ist und das gewohnt hochwertige Artwork mitbringt, welches man schon von den letzten beiden Spielen des Entwicklers gewohnt ist. Auch hier gibt es schöne, leicht animierte Mugshots in den Textboxen, sowie gut gestaltete Zwischensequenzen mit Pixel-Artworks. Da man hier durch einen finsteren Schloss-Dungeon kriecht, sollte man aber keine Spielereien in Form von Wetterwechseln oder einem Tag- und Nachtzyklus erwarten, wie man sie von Prodigal kennt. Dafür läuft Veritus aber auch sauber. Die vereinzelten Slowdown-Probleme von Prodigal sind hier also nicht zu befürchten.

Da Setting und Story dieses mal wesentlich düsterer sind, als in den vorherigen Spielen „Prodigal und „Curse Crackers,“ wurde auch der Soundtrack entsprechend angepasst. Die Stücke unterstreichen die Gruselatmosphäre des baufälligen Schlosses und sorgen oftmals für eine bedrückende Stimmung. Die allgemeine Qualität des OST ist erneut sehr hochwertig, wobei mir die fröhlicheren Soundtracks der letzten beiden Spiele besser gefallen. Auch der neue Vocal-Song für den Endgegner rockt nicht mehr so gut wie gewohnt. Aber das ist alles Meckerei auf hohem Niveau.

Eine Neuerung ist die Implementation von kleineren Sprachsamples in den Dialogboxen. Die Charaktere geben neuerdings Laute wie „Huh“ und „Ah“ von sich. Eine nette Spielerei, deren Mehrwert ich aber nicht so recht erkennen kann. Wenn schon, dann lieber gleich eine vollständige Sprachausgabe einbauen. Auch hier werden lediglich englische Texte zur Verfügung gestellt. Entsprechende Sprachkenntnisse sind also von Vorteil.

Veritus

Pro & Kontra

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Pros
  • Fans des Entwicklers erwartet wieder viel spannendes Sagengut
  • gelungene Spielbarkeit nach bewährtem Zelda-Muster
  • schöne audiovisuelle Präsentation im Stil des Game Boy Color

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Cons
  • die Handlung ist nichts für Quereinsteiger und setzt Vorkenntnisse voraus
  • der Umfang ist deutlich geringer als bei den letzten beiden Spielen
  • ist eben ein Dungeon-Crawler und lässt somit gewisse Erkundungs-Elemente vermissen

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