Rosewater REVIEW
Das am 27. März 2025 veröffentlichte Western-Abenteuer Rosewater ist das neueste Spiel des auf Point & Click-Adventures spezialisierten Indie Entwicklers Francisco Gonzalez (Grundislav Games). Rosewater findet in der selben alternativen Realität statt, wie Gonzalez‘ letztes Adventure „Lamplight City.“ Und genau wie schon für Lamplight City, steht auch hier wieder das deutsche Unternehmen „Application Systems Heidelberg“ als Publisher parat. Letzteres bedeutet, dass für Rosewater eine deutsche Textübersetzung zur Verfügung steht, was im Indie-Bereich ja leider keine Selbstverständlichkeit ist. Ferner waren die Heidelberger freundlich genug uns einen Key für Testzwecke zur Verfügung zu stellen. Was das Adventure im Detail taugt, erfahrt ihr im folgendem Test.
Western-Abenteuer meets Steampunk
Rosewater versetzt uns in eine alternative Realität der Erde. Die Dampftechnologie hat in dieser Version der Erde weitaus höhere Wellen geschlagen als in unserer Realität. So werden hier sogar Auto-artige Vehikel oder Luftschiffe mit Dampfmaschinen betrieben. Und auch in politischer Hinsicht ist eine Menge anders verlaufen. Die USA und Mexiko wurden niemals gegründet. Stattdessen ist New Spain immer noch aktiv und Nordamerika setzt sich aus Ländern wie Piedmont, Rotterdam oder Western Vespuccia zusammen.
Wir schreiben das Jahr 1850. Die rastlose Ex-Boxerin Harley Leger strebt einen neuen Lebensabschnitt an. Es ist ihr gelungen eine Anstellung als Journalistin im Grenzkaff Rosewater zu ergattern. Das Western-Dorf befindet sich in West Vespuccia (wäre in unserer Welt die Region Kalifornien) und liegt nahe der Grenze zu New Spain. Harleys erster Arbeitsauftrag für die örtliche Zeitung „The Rosewater Post“ soll ein, möglichst positiver, Bericht über die Aufführung des Westernhelden „Gentleman Jake“ sein. Nach einem Interview mit Jake Ackerman und dessen treuen Gehilfen Danny Luo wird Harley in eine Schlägerei zwischen Jake und einigen seiner unzufriedenen Handlanger verwickelt. Harley ergreift schlagkräftige Partei für Ackerman und erlangt somit dessen Wohlwollen. Dieser bietet Harley nun seinerseits eine Anstellung an. Sie soll Jake und Danny als eine Art Sicherheitsexpertin auf eine Schatzjagd begleiten. Irgendwo in der Region um Rosewater hat der in Ungnade gefallene Wissenschaftler Dr. Bennett Clark ein Labor errichtet. Da Clark als verstorben gilt und vermögend gewesen sein soll, will Jake nun dessen Reichtümer abgreifen. Harley willigt ein an der Unternehmung teilzunehmen. Durch widrige Umstände stoßen mit dem Revoluzzer Phil Marquez und der angehenden Ärztin Nadine Redbird zwei weitere Gefährten hinzu.
Da die Spur in eine fremde Stadt führt, muss obendrein die Fahrerin Lola Johnson engagiert werden, welche fortan die Truppe mit ihrem robusten Dampfmaschinen-Bus durch die Pampa West Vespuccias kutschiert. Doch trotz Lolas Vehikel wird die Reise anstrengender und gefährlicher, als es sich die Glücksritter vorgestellt hatten. Was wird die sechsköpfige Gruppe am Ende ihrer Reise erwarten?
Am besten kann man die Handlung von Rosewater als charmanten Western-Roadtrip beschreiben. Natürlich hat man mit der Schatzjagd ein konkretes Ziel vor Augen, jedoch ist die Reise zum Zielort das eigentliche Herzstück des Adventures. Dementsprechend teilt sich die Handlung auch in drei Kapitel auf. Das erste Kapitel beschreibt, wie und wieso die sechs Hauptcharaktere zusammenfinden. Das zweite, und mit Abstand längste Kapitel ist der ereignisvolle Roadtrip zur Hafenstadt El Presidio. Und besagte Hafenstadt bildet dann die Endstation des Abenteuers.
Zum Ende gibt es noch einige spannende Wendungen und ein zufriedenstellendes Finale samt Epilog.
Die sechs Hauptcharaktere sind angenehm abwechslungsreich und weisen allesamt ihren eigenen individuellen Charme auf. Mit der Zeit schließt man sie immer mehr ins Herz, wobei es aber auch am Spieler liegt sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie näher kennenzulernen.
Der Spieler übernimmt ausschließlich die Rolle von Harley. Er hat die Möglichkeit das Verhalten der Journalistin zu bestimmen und wichtige Entscheidungen zu treffen. Ob sich Harley wie eine gutherzige Mary Sue oder ein hartherziges Miststück verhält, liegt also in eurer Entscheidungsgewalt. Durch die Entscheidungen in Krisensituationen sowie den allgemeinen Umgang mit ihren Gefährten kann Harley Freundschaften zu ihren fünf Gefährten aufbauen, welche wiederum Einfluss auf Storyentwicklungen im späteren Spielverlauf haben. Hierdurch wird freilich ein hoher Wiederspielwert aufgebaut. Ein einziger Spieldurchlauf reicht jedenfalls nicht aus, um alles zu Gesicht zu bekommen.
Variable Lösungsmöglichkeiten und Ereignisse
Im Kern bekommt man auch hier die altbewährten Bausteine des Genres geboten. Man klickt sich mittels wandelnden Mauscursor durch die Ortschaften, untersucht Hotspots und sammelt Gegenstände ein. Letztere wandern in ein Inventar und können gegebenenfalls untereinander kombiniert werden, damit sie an richtiger Stelle zur Problemlösung genutzt werden können. Allerdings ist Rosewater kein Adventure, bei dem man sich mit vollgestopften Inventar herumplagen muss. Die Anzahl der Inventarrätsel ist recht überschaubar und deren Lösung immer gut nachvollziehbar. Wer also ein Gameplay-intensives Adventure sucht, welches mit zahlreichen Rätseln und Mondlogik vollgestopft ist, wird es hier nicht finden. Ein absoluter Spaziergang ist Rosewater jedoch auch nicht. In seltenen Fällen gilt es schon einige trickreiche Coderätsel zu lösen, aber sie sind halt nicht der Fokus des Spiels. Ein durchschnittlicher Adventure-Spieler sollte Rosewater relativ bequem und ohne Komplettlösung durchspielen können.
Etwas ärgerlich ist, dass die Point & Click-Steuerung etwas sperriger geraten ist, als sie sein sollte. Die Interaktion mit Hotspots und Gegenständen ruft oftmals ein kleines Auswahlmenü für zwei Optionen auf, dies betrifft selbst die Gegenstände im Inventar! Sorry, aber derart verschachtelte Steuerungsschema sind einfach veraltet und unnötig.
Cool ist hingegen, dass manche Problemstellungen variable Lösungsmöglichkeiten bieten. Lenkt man die Wache ab, indem man ein Gebäude in die Luft jagt, oder versucht man sie mit einem schwer zugänglichen Artefakt zu besänftigen? Das Spiel bietet auch ein Geldsystem. Hier und da kann man sich ein wenig Geld hinzuverdienen oder muss es eben ausgeben, um voranzukommen. Das Spiel ist jedoch derart strukturiert, dass man nie in einer Sackgasse landet. Man muss sich also keine allzu großen Gedanken um seine Barschaft machen. Das Geldsystem wirkt eher wie ein kleines Gimmick.
Weitere Abwechslung kommt in Form von Minigames. Da wir es mit einem Western-Spiel zu tun haben, sollte es nicht überraschen, dass wir eins, zwei Fadenkreuz-Ballereien absolvieren sollen, die durchaus etwas Geschick erfordern. Schlossknacken-Rätsel und ein Angeln-Minigame gibt es ebenfalls. Letzteres ist jedoch enttäuschend, da man hier nur Tabellen-Entscheidungen unter Zeitdruck trifft. Und keine Sorge, die seltenen Zeitdruck-Passagen im Spiel sind ziemlich einfach zu bewältigen und der Zeitbalken ist relativ großzügig bemessen.
Wie bereits im Storybereich angesprochen, ist das zweite Kapitel das Herzstück des Spiels. Die Reise durch Western Vespuccia wartet mit zahlreichen Ereignissen auf, welche sich in drei Kategorien aufsplitten lassen. Zunächst wären da die Storyevents, welche man so oder so zu Gesicht bekommt. Dann sind da noch die Zufallsbegegnungen. Das Spiel bietet sechs Zufallsbegegnungen, allerdings wird man nur vier in einem Spieldurchlauf zu Gesicht bekommen. Hat man das Spiel durchgeschafft, schaltet man einen Neues Spiel + Modus frei. In diesem darf man selbst bestimmen welche dieser Zufallsbegegnungen man spielen möchte.
Zu guter Letzt sind da noch die Gefährten-Ereignisse. Jeder von Harleys fünf Gefährten hat zwei verschiedene Ereignis-Events. Welches Event triggert, wird dadurch entschieden, ob Harley zu dem jeweiligen Charakter einen niedrigen oder hohen Freundschaftswert hat. Und hier liegt auch mein größter Kritikpunkt im Spiel begründet. Das Freundschaftssystem ist völlig unsichtbar. Man wird nie erfahren, welche Entscheidungen und Antworten die Freundschaft zu Charakter XYZ aufbaut oder mindert. Und nein, einfach nur lieb und nett zu sein, oder die sichersten Entscheidungen zu treffen, wird nicht unbedingt dazu beitragen jedermanns Gunst zu erringen. Laut der Achievements soll es möglich sein in einem Spieldurchlauf zu jedem Charakter eine hohe Freundschaft aufzubauen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wie man das ohne Komplettlösung bewerkstelligen soll. Für Perfektionisten und Achievement-Jäger beherbergt Rosewater also ein immenses Frustpotential.
Zumindest erlaubt das Spiel jedoch die freie Speicherung in eigens angelegten Speicherslots. Einen Slot für Autosaves gibt es ebenfalls. Und es ist Ehrensache, dass das Spiel die gängigen Komfortoptionen in Form von Hotspotanzeige, Doppelklick-Abkürzungen durch Ein- und Ausgänge sowie ein Story-Tagebuch bietet. Obendrein ist Rosewater ein recht langes Point & Click-Adventure. Wer sich ausgiebig mit dem Spiel beschäftigt und auch mal bei den Entscheidungen herumprobiert, kann gerne 15-20 Stunden Spielzeit einplanen.
Grafik und Sound
Im Gegensatz zu vielen anderen klassischen Point & Click-Adventures, welche auf Pixelgrafik, Renderbilder oder Zeichentrick-Stil setzen, erinnern die Landschaften von Rosewater am ehesten an Gemälde. Die Ortschaften sind recht hübsch anzuschauen und bieten jene Landschaften, welche man von einem Western-Setting erwartet. Stellenweise macht sich natürlich auch der Steampunk-Einfluss bemerkbar. Die Charaktersprites sind ordentlich gestaltet und wurden mit Rotoskopie-Technik animiert. Es gibt auch einige animierte Zwischensequenzen, um die Sache abzurunden. Diese gestalten sich aber als zu grob und abgehackt, um wirklich überzeugen zu können. Unterm Strich gewinnt die Grafik Pluspunkte für ihren unverbrauchten Stil. Allerdings gibt es auch Minuspunkte, weil die Grafik stellenweise recht amateurhaft wirkt und nicht jedermanns Geschmacksnerv treffen wird.
Der Soundtrack ist gelungen. Er passt gut zum Setting und unterstützt die spezielle Abenteuer-Atmosphäre, welche das Spiel aufbauen möchte. Im Gegensatz zu vielen anderen Western-Soundtracks, sind die Melodien in Rosewater eher ruhiger und melancholischer Natur, was überraschend gefällig ist. Das Highlight ist der Song „Flor Silvestre,“ welcher von Phil Marquez vorgetragen wird. Man kann es Jake jedenfalls nicht verübeln, dass er beim zuhören feuchte Augen bekommen hat.
Die englische Sprachausgabe ist hochwertig. Sämtliche Sprecher leisten einwandfrei Arbeit und bereichern das Spielerlebnis. Trotz des deutschen Publishers wird keine deutsche Synchro geboten, übersetzt wurden lediglich die Bildschirmtexte. Und an dieser Stelle wurde leider geschlampt. So wurde z.B. versäumt mehrere Seiten von Harleys Tagebuch ins Deutsche zu übersetzen. Obendrein kommt es immer wieder vor, dass Texte aus dem Bildschirm ausbrechen und somit nicht vernünftig gelesen werden können. Und hier und da fallen auch ein paar Rechtschreibfehler auf. All diese Macken summieren sich, und werfen ein negatives Licht auf Application Systems Heidelberg.
Ca. zwei Wochen nach dem Release des Spiels hat sich der Publisher mit uns in Verbindung gesetzt um uns zu versichern, dass diese Fehler inzwischen behoben werden konnten.
Obwohl die Systemvoraussetzungen des Spiels sehr niedrig sind, kann es auf älteren PCs zu Slowdowns kommen, wenn mal grafische Spielereien wie Raucheffekte auftreten. Man kann diesem Problem etwas entgegensteuern, indem man im Optionsmenü die dynamischen Schatten deaktiviert.
Pro & Kontra

- sehr cooles Setting (Alternative Realität mit Western und Steampunk)
- beinhaltet die gängigen Komfortoptionen wie Hotspotanzeige und Doppelklicks zum Abkürzen
- bietet alternative Lösungswege, Geld- und Freundschaftssystem sowie Minigames
- großer Umfang und hoher Wiederspielwert

- das Freundschaftssystem ist komplett unsichtbar und kann daher nicht gezielt genutzt werden
- einige Punkte im grafischen Bereich wirken zu amateurhaft
- schlampige deutsche Textübersetzung (soll mittlerweile gepatcht sein)
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