The Edge of Allegoria REVIEW

Das am 04. Dezember 2024 veröffentlichte The Edge of Allegoria ist der Debut-Titel des kanadischen Indie-Entwicklers Joe Picknell (Button Factory Games). Es handelt sich um ein JRPG in Game Boy-Asthetik, welches sich an erwachsene Spieler richtet. Nachdem Picknell bereits erfolgreich eine Kickstarter-Kampagne durchführte und dort über 25.000 kanadische Dollar kassierte, konnte er auch den deutschen Publisher CobraTekku Games von seinem Spiel überzeugen. Letztere steuerten erfreulicherweise eine deutsche Textübersetzung bei.
Die Verantwortlichen boten uns freundlicherweise einen Key für Testzwecke an. Ich als JRPG-Fan, der mit dem Game Boy aufgewachsen bin, habe den Key natürlich gerne entgegengenommen, schließlich gehöre ich ja zur primären Zielgruppe. Was ich so alles in Allegoria erlebt habe erfahrt ihr im folgendem Review.

Das Verlangen seinem Leben eine Bedeutung zu geben


Zu Beginn gewährt uns das Spiel einen kleinen Einblick in die Schöpfungsgeschichte der Welt Allegoria. Danach übernehmen wir die Rolle des Fischers Joe, der zusammen mit seinem treuen Hund Jude (man kann für die Beiden auch eigene Namen eingeben) im kleinen Dörfchen Primishire lebt. Dummerweise gibt es da zwei Probleme. Das erste Problem ist, dass Joes Handwerk in Primishire überflüssig ist, da der Teich neben seinem Haus keine Fische beherbergt. Das zweite, wesentlich größere Problem, ist jedoch die fiese Nachbarin Karen. Diese wird ihren Namen leider gerecht und hat nichts als Abneigung und Beschimpfungen für ihren Nachbarn übrig. Dummerweise begeht Joe den Fehler sich das Geschwätz der Alten zu Herzen zu nehmen. Folglich zieht er in die Welt hinaus, um sich einen Namen als heldenhafter Abenteurer zu machen. Im Nachbardorf Secunton bekommt er auch tatsächlich den ersten Auftrag. Secunton wird von Goblins bedroht, die sich im nahegelegenen Dungeon eingenistet haben. Tatsächlich gelingt es Joe den Goblin-König zu beseitigen. Dummerweise rächen sich die überlebenden Goblins, indem sie Joes Haus zerstören. Nun ist der Fischer tatsächlich gezwungen das Leben eines umherziehenden Abenteurer-Vagabunden zu führen. Während seiner Reise gerät er immer tiefer in den Konflikt rivalisierender Götter.

Wo die Reise letztendlich hinführt, müsst ihr freilich selber herausfinden. Da es sich um eine Game Boy-Hommage handelt, sollte man keine allzu komplexe Handlung oder tiefgängige Charaktere erwarten, aber das was geboten wird, ist für den angepeilten Retro-Standard sehr solide. Jedoch sollte man sich dessen bewusst sein, dass sich The Edge of Allegoria ausschließlich an erwachsene Spieler richtet, die mit Dingen wie Prostitution, Drogen, BDSM und Mord zurechtkommen, sowie keine Abneigung gegen derben Humor á la South Park und Drawn Together verspüren. Die derben Texte wurden übrigens überraschend akkurat ins Deutsche übersetzt. Hierfür ein großes Lob an CobraTekku Games. Andere hätten hier wahrscheinlich den Schwanz eingezogen. Zwar hat mich der schroffe Stil nicht wirklich gestört, jedoch wirken die andauernden Kraftausdrücke mit der Zeit recht aufgesetzt und gezwungen. Der Edgelord-Faktor ist also sehr hoch angesetzt und kann definitiv auf die Nerven gehen. Weniger wäre mehr gewesen.

Hier wird Ausrüstung und keine Monster gesammelt

Bei The Edge of Allegoria erwartet euch ein traditionelles JRPG. Mittels gewohnt unkomplizierter Steuerung navigiert ihr Joe aus der Vogelperspektive durch die Umgebung, tratscht mit NPCs, öffnet Schatztruhen und prügelt euch in rundenbasierten Zufallskämpfen mit allerlei Tieren und Monstern. Insgesamt gibt es 146 Gegnertypen zu erledigen, welche sogar in einem Bestiarium gelistet werden. Bei den Gefechten handelt es sich übrigens ausschließlich um Duellkämpfe. Joe ist die einzige Spielfigur, und anders als etwa in Pokémon, muss man hier auch nicht mehrere Gegner hintereinander erledigen.

Weiterhin Einsteigerfreundlich ist eine Schnellreisefunktion, welche man über die Karte nutzen kann und sofortigen Zugang zu jedem wichtigen Gebiet gewährt, sofern man dieses bereits erreicht hat. Obendrein darf man außerhalb des Kampfes überall speichern. Allerdings bietet das Spiel nur einen einzigen Speicherstand, den man opfern muss, wenn man ein neues Spiel beginnen will. Eine derartige Einschränkung ist beim besten Willen nicht mehr akzeptabel.

Damit auch die JRPG-Profis ihren Spaß haben, bietet das Spiel einen höheren Schwierigkeitsgrad (Permanente Ewige Verdammnis) sowie einen Ironman-Modus. Ich selbst hab ca. 30 Stunden benötigt um das Spiel im höheren Grad durchzuspielen. Und in der ersten Spielhälfte bin ich auch tatsächlich sehr oft gestorben. Ohne Ironman-Mode ist ein Bildschirmtod jedoch nicht so schlimm, da Joe in diesem Fall von seinem Hund einfach zu einem sicheren Ort gebracht wird.

Um dem Bildschirmtod vorzubeugen gilt es natürlich aufzuleveln, um seine Lebenspunkte und Statuswerte zu verbessern. Bezwungene Gegner bringen Erfahrungspunkte für Level-Ups sowie Geldeinheiten für Heilgegenstände und neue Ausrüstungsstücke in Form von Waffen und Rüstung. Letztere bringen weitere permanente Statuspunkt-Verbesserungen ein, wenn man diese meistert. Hierfür muss man diese ausrüsten und praktisch anwenden. Die jeweilige Rüstung meistert man, indem man einfach Schläge im Kampf einsteckt.

Die Waffen hingegen bringen alle ihren eigenen individuellen Kampfskill mit sich. Hat man diesen oft genug im Kampf eingesetzt, meistert man die Waffe und bekommt neben den Statuspunkten auch den jeweiligen Waffenskill zur freien Verfügung. Joe verfügt nämlich über fünf Skillslots. Der erste Slot geht immer an den Skill der jeweiligen Waffe, aber die übrigen vier Slots kann man völlig frei mit zuvor erlernten Skills belegen. Insgesamt bietet das Spiel 96 verschiedene Waffen/Kampfskills. Man bekommt also mit der Zeit ein breites Spektrum an Kampfoptionen. Da reicht die Bandbreite von Angriffs- und Heilzaubern, potentiellen Kettenangriffen, Techniken mit garantierter Treffsicherheit und vor allem negativen Zustandsveränderungen. Letztere sind besonders wichtig und stellen oftmals den Schlüssel zum Sieg dar.

Leider entpuppen die Zustandsveränderungen aber auch einen großen Schwachpunkt. Denn im Kampf wird in jeder Runde die Zustandsveränderung durch eine entsprechende Piktogramm-Animation und eine Textnachricht zelebriert. Diese kosten auf Dauer sehr viel Zeit und strapazieren somit die Geduld des Spielers. Zeitaufwändig ist auch die Sucherei in den Tabellen für Gegenstände, Ausrüstung und Skills. Bei der schieren Masse an Ausrüstung, Skills und Heilgegenständen kann es da schon mal ne weile dauern, ehe man das Richtige gefunden hat. Das ist halt der Nachteil, wenn man die Retro-Masche zu sehr schiebt.

Den entsprechenden Zeitaufwand würde man doch lieber in die Erforschung der Spielwelt investieren, die doch erfreulich viel zu entdecken bietet. Am Wegesrand der Routen lassen sich gerne mal geheime Durchgänge zu optionalen Dungeons aufspüren, NPCs in den Siedlungen lassen gerne mal eine Such- und Bring-Sidequest springen, und ab und zu gibt es auch mal ein Minigame wie Angeln, oder Joints drehen. Man hat sogar an Gimmicks für die Dungeon-Ausflüge gedacht. Schalter um Türen zu öffnen, rutschige Glatteis-Tiles, Teleporterlabyrinthe … Ist zwar nichts Neues dabei, aber die Abwechslung ist trotzdem gerne gesehen.

Grafik und Sound

Grafisch weist The Edge of Allegoria sehr starke Ähnlichkeiten zum GB-Klassiker Pokémon auf. Es wird also eine angenehm authentische GB-Grafik geboten, auch wenn das Spiel mit dem GameMaker kreiert wurde, und daher nicht in dieser Form auf einem Game Boy lauffähig wäre. Jedenfalls ist die Grafik für GB-Fans hübsch anzuschauen. Es wurde alles sehr liebevoll gepixelt und das Monsterdesign ist abwechslungsreich und detailliert. Es gibt auch überraschend viele Zwischensequenzen, welche die Handlung weiterspinnen. Diese sind mitunter richtig liebevoll gestaltet und stellen ein Highlight für Pixelfans dar.

Die Farbwahl erinnert an den Super Game Boy, welcher die alten GB-Module mit einem Minimum an Farbe auf den großen TV-Screen zauberte. Witzig ist, dass die Farbpalette wandelt, je nachdem ob und unter welcher Zustandsveränderung die Spielfigur leidet.

Sogar der Soundtrack hat kleinere Variationen bei einer Zustandsveränderung. Unabhängig davon sind die Stücke sehr schön gelungen und klingen wie authentische GB-Melodien – Ohrwurmfaktor inklusive. Die Soundeffekte passen ebenfalls. Abgesehen davon, dass das Spiel Pokémon vielleicht ein wenig zu ähnlich sieht, gibt es hier in audiovisueller Hinsicht nichts zu meckern.

Pro & Kontra

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Pros
  • vermittelt einen recht authentischen Game Boy-Flair
  • angenehm schnörkelloser Retro-JRPG-Spaß
  • viele optionale Dungeons, Quests und sogar ein paar Minigames
  • guter Umfang mit ca. 20-30 Spielstunden, zwei Schwierigkeitsgraden und Ironman-Mode

thumbs-up-icon

Cons
  • die ständigen Zustands-Mitteilungen machen die Kämpfe mitunter zu träge
  • die Suche nach Gegenständen und Skills in ellenlangen Tabellen nervt
  • etwas zu hoher Edgelord-Faktor bei Humor und Jargon
  • bietet nur einen Speicherstand

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Spiel Bewertung
Singleplayer
77
77
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Wer JRPGs mag, einen Bezug zum Ur-Game Boy hat und obendrein kein Spiel erwartet, welches das Rad neu erfindet, der wird mit The Edge of Allegoria einigen Spaß haben. Audiovisuell wird ein sehr guter Job geleistet den Game Boy-Flair einzufangen. Das Gameplay setzt die alten Tugenden gut um, und baut mit geschickt eingestreuten Belohnungen in Form von Skills und Statusboni für gemeisterte Ausrüstung viel Motivation auf. Erfreulich ist auch, dass der Entdeckerdrang des Spielers so groß belohnt wird. Schlecht sind hingegen die langsame Kampfgeschwindigkeit, nerviges Suchen in ellenlangen Tabellen und zum Teil auch der Edgelord-Faktor. Hier gibt es ja fast so viele Schimpfworte und anstößige Themen, wie in einer Southpark-Staffel. Da entsteht einfach ein Overkill. Aber wer damit zurechtkommt, kann hier bedenkenlos zugreifen.

- Von  Volker

Gutes JRPG im klassischen Game Boy-Stil und sehr hohem Edgelord-Faktor.
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