Shantae and the Seven Sirens REVIEW
Nachdem der US-Entwickler WayForward die DLC-Melkerei des vierten Teils ihrer Flaggschiff-Serie „Shantae“ endlich beendeten, durfte das fesche Halb-Djinn-Mädel nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit pausieren. Weniger als eineinhalb Jahre nach „Shantae: Costume Pack“ wurde bereits der fünfte Teil nachgeschoben. Dieser nennt sich Shantae and the Seven Sirens und wurde im September bzw. Oktober 2019 bizarrerweise exklusiv für die Apple-Gerätschaften iOS und Mac OS veröffentlicht. Eine merkwürdige Entscheidung, mit der WayForward bestimmt den ein oder anderen Fan derbe vor den Kopf gestoßen haben dürfte.
Allerdings wurde diese fragwürdige Apple-Exklusivität bereits ca. 9 Monate später fallengelassen. Am 28.05.2020 erschien nämlich eine überarbeitete und erweiterte Version des Spiels für alle gängigen Systeme wie PlayStation 4, PC, Switch und Xbox One. Was das Spiel nun taugt, soll folgender Test verraten.
Auf einmal bekommt das Wort Touristenfalle eine ganz neue Bedeutung
Der Bürgermeister von Arena Town, der Hauptstadt der sogenannten Paradiesinsel, will Touristen in seine Heimat locken. Zu diesem Zweck richtet er das Halb-Djinn-Festival aus, welches auch dazu dienen soll den Menschen die Magie und deren Nutzer näher zu bringen, um somit ein besseres Miteinander zu fördern. Natürlich benötigt das Festival auch willige Halb-Djinn, welche auf der Bühne ihre Künste vorführen sollen. Um besagte Halb-Djinns zu motivieren, bietet er ihnen, sowie deren Familien- und Freundeskreis eine kostenlose Urlaubswoche an, wenn sie willens sind auf der abendlichen Bühnenshow zu performen.
Natürlich bekommt auch Shantae eine Einladung, welche sie auch prompt annimmt. Zusammen mit ihrem Onkel Mimic, und ihren beiden Freunden Sky und Bolo gehts mit dem Flieger zur Paradiesinsel. Dort trifft sie auch auf fünf andere Halb-Djinn-Mädels, welche das Angebot des Bürgermeisters ebenfalls angenommen haben. Bei der abendlichen Bühnenshow kommt es jedoch zur Entführung der Halb-Djinn-Mädels. Diese werden wie von Geisterhand weggezaubert. Lediglich die verdutzte Shantae bleibt verschont. Selbstverständlich kann Shantae die Entführung ihrer Artgenossen nicht tatenlos hinnehmen. Also macht sie sich auf zur unvermeidlichen Rettungsaktion. Hierfür muss sie freilich die Paradiesinsel gründlich erkunden. Wie sich herausstellt, besteht der Untergrund der Insel aus mysteriösen mechanischen Anlagen. Außerdem läuft sie ihrer Erzfeindin Risky Boots über den Weg, welche felsenfest behauptet, dass die Paradiesinsel einen großen Schatz beherbergt, den sie unbedingt erbeuten möchte.
Doch entgegen der anfänglichen Vermutung steckt nicht Risky hinter der Entführung, sondern eine Gruppe nautischer Monstermädchen, welche der menschenfressenden Spezies der Sirenen angehören. Shantae muss sich jetzt beeilen und die anderen Halb-Djinns retten, bevor sie in den Mägen der Sirenen landen.
Was die Handlung anbelangt, haben WayForward endlich wieder Kreativität einfließen lassen. So ist es lobenswert, dass man endlich mal eine andere Ortschaft nutzt als Sequin Land. Obendrein führt Seven Sirens viele neue Charaktere ein und bietet mal eine andere Bedrohung, als nur Risky Boots Machenschaften. Fans der Piratenbraut, brauchen jedoch nicht auf eben diese zu verzichten. Nach der eher enttäuschenden und uninspirierten Handlung von Teil 4, fühlt sich die Story von Shantae and the Seven Sirens definitiv wieder wie ein Schritt in die richtige Richtung an.
Shantae geht unter die Kartensammler
Nachdem der Vorgänger und dessen DLCs in den Action-Plattformer-Bereich (und im Falle von „Friends to the End“ sogar in den Puzzle-Platformer-Bereich) abdrifteten, rudert WayForward mit Seven Sirens zurück, und kehrt zum Metroidvania-Genre zurück. Seven Sirens lässt sich am ehesten mit dem zweiten Teil „Risky’s Revenge“ vergleichen.
Metroidvania bedeutet in wesentlichen, dass ein Action-Platformer mit Elementen aus den Bereichen RPG und Erkundung angereichert wurde. Die Spielwelt besteht nicht aus einzelnen, voneinander unabhängigen Levels, sondern stellt ein einziges großes Gebiet dar, dessen Grenzen lediglich durch die Fähigkeiten der Spielfigur festgelegt werden, die im Verlauf des Spiels nach und nach freigeschaltet werden.
Aber wie dem auch sei, Shantae and the Seven Sirens bietet bereits zum Start fünf Spielmodi. „Definitver Modus“ ist jener Modus, der wohl von den Entwicklern angedacht ist. Hierbei handelt es sich um eine aufgepeppte Version der Apple-Version, welche ebenfalls als „Legacy Modus“ enthalten ist. „Definitver Modus“ hat einen höher ausbalancierten Schwierigkeitsgrad und ein paar mehr Inhalte als der „Legacy Modus.“
Sollten diese Modi zu schwer sein, gibt es noch den „Volldeck-Modus,“ welcher dirket zu beginn sämtliche Perk-Monsterkarten zur Verfügung stellt (dazu gleich mehr), oder den „Regelbrecher-Modus,“ der es erlaubt alle Perk-Monsterkarten gleichzeitig auszurüsten (normalerweise darf man nur drei ausrüsten). Als letzten Rettungsanker für Casuals gibt es noch den „Anfänger-Modus“ für unendliche Gesundheitsenergie und Ingame-Tipps. Ich selbst habe das Spiel lediglich im „Definitven Modus“ durchgespielt. Hat man das Spiel geknackt, kann man in einem neuen Spielstand obendrein das Hula-Kostüm anwählen, welches den Verbrauch der Magiepunkte verringert, aber Shantae dafür auch mehr Schaden erleiden lässt.
Das große neue Gimmick von Seven Sirens sind die bereits genannten Monsterkarten. Beseitigte Gegner droppen unter anderem ihre Karte. Sind genügend Karten eines Monstertyps gesammelt, kann man diese ausrüsten und somit einen Perk aktivieren, wie etwa höhere Schäden der Zauberangriffe, schnellere Klettergeschwindigkeit, niedrigere Preise in Shops und vieles mehr. Allerdings darf man nur drei Karten auf einmal ausrüsten. Außerdem kann es eine weile dauern, ehe die jeweiligen Monster endlich mal ihre Karte hinterlassen. Das provoziert natürlich Grinding, ein Manko was mich schon damals in „Castlevania: Aria of Sorrow“ genervt hatte. Und ja, die Monsterkarten von Shantae and the Seven Sirens sind schon ein recht dreister Ideenklau des Seelensystems von „Aria of Sorrow.“
Die nützlichsten Karten sind allerdings die Perk-Karten der Bossgegner. Diese muss man sich jedoch von bestimmten NPCs freikaufen. Als Zahlungsmittel hierfür benötigt man Goldnuggets, welche kreuz und quer in der Spielwelt versteckt liegen. Insgesamt gibt es 50 Nuggets zu finden.
Tanz mein Halb-Djinn tanz, zeig mir was du alles kannst
Um die Nuggets aufzuspüren, muss man häufig die magischen Tänze einsetzen. Im Verlauf des Spiels erlangt Shantae vier dieser Tänze. Mit dem Sehertanz lassen sich unsichtbare Platformen, Räume und Steincontainer aufdecken. Der Auffrischungstanz lässt Pflanzen erblühen, reinigt vergiftetes Wasser und heilt erschöpfte Personen. Mit dem Funkentanz lassen sich Maschinen mit Strom versorgen oder bestimmte Container zerdeppern. Und der Bebe-Tanz schlussendlich, lässt verschüttete Statuen hervorbrechen oder Objekte bewegen. Natürlich lassen sich einige Tänze auch offensiv einsetzen. Bedenkt jedoch, dass die Tänze viel magische Energie benötigen, und den entsprechenden MP-Balken ratzfatz erschöpfen.
Glücklicherweise kann Shantae wieder einen sehr hohen Vorrat an Heil- und Magietränken bunkern, sofern sie das nötige Kleingeld in Form von Edelsteinen beim Händler springen lässt. Edelsteine werden von beseitigten Gegnern hinterlassen oder aus zerstörbaren Objekten geborgen. Später im Spiel kann man auch überschüssige Monsterkarten an einen NPC verticken oder an einem kleinen Timing-Minispiel teilnehmen, um sich weitere Klunker hinzuzuverdienen. Und von den Glitzersteinchen kann man nie genug haben, da neben Tränken auch Upgrades für Shantaes Haarpeitsche, sowie sechs verschiedene Kampfzauber mit jeweils drei Ausbaustufen erworben werden können. Sogar Abmilderungen für den Verlust von Lebens- und Manaenergie, oder ein Anziehungseffekt von Itemdrops lässt sich erwerben. Allerdings erklärt es sich von selbst, dass all diese Dinge recht kostspielig sind.
Zumindest in der Anfangsphase wird man sich dazu verleitet sehen Edelsteine zu grinden, um Shantae aufzupowern. Der Schwierigkeitsgrad wirkt etwas schlecht ausbalanciert. Einige der dickeren Gegner richten sehr viel Schaden an und provozieren vor allem zu Beginn so einige Bildschirmtode. Und an viele Herz-Tintenfische, zur Aufstockung der in Herzen dargestellten Energieleiste, kommt man erst im späteren Spielverlauf heran.
Ganz besonders nervig in Sachen Schwierigkeitsgrad war da der dritte Dungeon. Letztere sind separate Gebiete, in denen die Halb-Djinn gefangen gehalten werden und die Sirenen-Bossgegner lauern. Dungeons warten auch mit Gimmicks auf, wie etwa kleineren Rätsel- oder Labyrinth-Einlagen, besonders knifflige Jump-Passagen usw. Jedenfalls sollte man schon darauf achten genügend Heilmittel in Form von Tränken oder Nahrung mitzuschleppern, ehe man einen Dungeon stürmt. Schafft man es eines der Halb-Djinn-Mädels zu retten, bekommt Shantae eine sogenannte Fusion freigeschaltet. Das sind im Grunde genommen die altbekannten Verwandlungszauber, jedoch verwandelt sich Shantae hier nur in jene Tiere, die auf der Pardiesinsel heimisch sind (warum auch immer).
Die da wären der Flitzer-Molch, welcher den Affen aus anderen Shantae-Teilen ersetzt. Er kann also an Wänden heraufklettern und Air-Dashs durchführen. Der Gastro-Bohrer wühlt sich durch lockeres Erdreich, mit dem Seefrosch kann man durch Unterwasserpassagen schwimmen, und mit dem Jet-Octo werden Doppel- oder Dreifach-Sprünge durchgeführt. Wirklich interessant ist nur die Bonker-Schildkröte. Mit der kann man Stampfattacken durchführen, oder nach einer kurzen Aufladephase wild hin und herschleudern.
Das besondere an den neuen Tierverwandlungen ist, dass sie nicht mehr durch zeitraubende Tänze aktiviert werden müssen, wie in den Vorgängern. Sobald Shantae eine bestimmte Aktion durchführt, wie etwa in Wasser zu springen, aktiviert sich die jeweilige Tierform von ganz alleine. Andere Aktionen wie Air-Dashs oder Stampfer kann man bequem mit einer entsprechenden Taste aktivieren. Somit entsteht ein wesentlich besserer Flow, als bis dato von der Serie gewohnt. Im generellen funktioniert die Steuerung wieder sehr flüssig und bequem, auch wenn die Handhabung der Kampfzauber die Steuerung etwas überladen wirken lässt.
Wie von anderen Teilen der Serie gewohnt, gibt es zwischen den Rettungsaktionen immer wieder kleinere Adventure-Fetch-Aufgaben für NPCs zu bewältigen. Ein Teleporter-System mit gut verteilten Knotenpunkten beugt allzu lästigem Backtracking vor, und Speicherpunkte in Form des alten Mannes sind relativ großzügig verteilt. Wer jedoch alle Nuggets und Herz-Tintenfische einsacken möchte, wird schon einige Extra-Stunden in virtuelle Latscherei investieren müssen.
Grafik und Sound
In grafischer Hinsicht sind WayForward vom 2.5D-Stil des Vorgängers in den reinen 2D-Stil zurückgerudert. Aus meiner Sicht war das die richtige Entscheidung, da die 3D-Grafiken, die im Vorgänger verwendet wurden nicht so recht überzeugen konnten. In Seven Sirens haben wir endlich wieder einen einheitlichen Stil, der auch sehr hübsch anzuschauen ist. Statt wieder Pixelgrafiken wie in den ersten drei Teilen zu verwenden, finden hier hübsche Artworkzeichnungen verwendung. Diese Entwicklung hat sich ja schon im Vorgänger angedeutet, wo die Charaktermodelle in Form von Artwork-Zeichnungen gestaltet wurden. Und in Shantae and the Seven Sirens haben sie jetzt endlich auch passende Grafiken für die Landschaften erhalten. Selbstverständlich ist auch hier wieder alles schön bunt koloriert. Das neue Setting der Urlaubsinsel mit mechanischen Untergrundruinen fällt jedoch nicht so abwechslungsreich aus wie die altbekannten Sequin Land-Gebiete. Aber das kann man leicht verschmerzen.
Obendrein gibt es ja noch schicke Anime-Sequenzen, welche hier und da die Handlung weiterspinnen. Besagte Sequenzen wurden übrigens vom professionellen Anime-Studio Trigger produziert. Beim Soundtrack wird die altbekannte Qualität geboten. Er passt einfach wunderbar zum arabisch und tropisch angehauchten Cartoon-Fantasy-Setting. Der OST ist nicht nur schön anzuhören, sondern unterstützt auch das Spielgeschehen und verbreitet einfach Gute Laune und Abenteuerstimmung. Bonuspunkte gibts für den kurzen aber ohrwurmlastigen Intro-Song „Rise and Shine.“
Leider hat sich WayForward bezüglich der englischen Sprachausgabe wieder einmal zurückgehalten. Die Anime-Sequenzen und einzelne Sätze wichtiger Dialoge wurden zwar vertont, aber eine durchgängige Sprachausgabe sucht man abermals vergebens. Aber es wird langsam müßig sich darüber aufzuregen. Zumal die Synchronsprecher ja auch eine sehr hochwertige Leistung abliefern.
Pro & Kontra
- sympathische und niedlich Protagonistin
- liebenswürdige Charaktere
- das Verwandlungssystem wurde entschlackt und überarbeitet
- breite Movepalette und viele Zauber
- schöner audiovisuelle Präsentation
- Balancing-Probleme beim Schwierigkeitsgrad
- die Ortschaften sind nicht so abwechslungsreich wie gewohnt
- wer 100 % an Sammelobjekten erlangen will, muss viel lästiges Backtracking betreiben
- immer noch keine volle Sprachausgabe (nur einzelne Wörter und Sätze wurden synchronisiert)