Psychopomp REVIEW
Seit meiner Begegnung mit dem genialen RPG-Maker-Geheimtipp „DashBored“ halte ich ein genaues Auge auf den US-Indie-Entwickler Fading Club (Finn Tanguay). Und auch wenn mich die beiden letzten Spiele „NashBored“ und „Dreamwild“ spielerisch nicht abholen konnten, so boten sie doch zumindest diesen speziellen Flair, den man eigentlich nur in Fading Club-Spielen vorfindet. Bizarre Welten, welche mit Cosmic Horror, einprägsamen Charakteren und einem individuellen Look angereichert wurden.
Am 30. Januar 2024 hat Finn ein neues Spiel veröffentlicht. Bei Psychopomp handelt es sich um ein Action-Adventure auf Basis von guten alten Karoaster-Dungeon Crawlern. Das coole an der Sache ist, dass das Game kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Wer den Entwickler dennoch finanziell unterstützen möchte, kann jedoch den Soundtrack als DLC erwerben. Aber schauen wir uns erst einmal an, was das Spiel im Detail zu bieten hat.
Wahnvorstellungen oder Wahrheit?
Man übernimmt die Rolle eines blondhaarigen Mädchens mit äußerst labilen Geisteszustand. Obendrein ist das Mädchen eine Verschwörungstheoretikerin und fest davon überzeugt, dass jeder über spezielle Kräfte verfügt, und dass man versucht diese Tatsache vor ihr geheim zu halten. Sie fühlt sich von ihrer Umwelt kollektiv belogen und betrogen und versucht diesem Zustand einen Riegel vorzuschieben. Aus diesem Grund bastelt sie sich einen Gedankenlese-Helm zusammen, den sie „Psychopomp“ nennt. Allerdings entfaltet der Psychopomp nicht die gewünschte Wirkung. Statt Telepathie gewährt der Helm Einblick in das wahre Antlitz der Welt. Durch die Kopfbedeckung kann das Mädel nun bizarre Lebensformen und geheime Untergrund-Katakomben erblicken. Letztere liegen verdächtigerweise unter öffentlichen Regierungsgebäuden verborgen. Damit ist das Maß endgültig voll. Das Mädel schnappt sich einen Hammer und macht sich auf den Weg den Katakomben ihre Geheimnisse zu entreißen. Was davon Realität, und was Wahnvorstellung ist, müsst ihr jetzt freilich selbst herausfinden.
Und das ist alles andere als einfach, denn der Trip durch die Katakomben ist bizarr und undurchsichtig. Es ist schwer den Sinn hinter den gruseligen Geschehnissen zu erkennen. Ein klar verständliches Ende sollte man nicht erwarten und die Infobrocken in Form von Notizen und NPC-Dialogen muss man auch erst mal deuten können.
Unabhängig davon kann man aber auch einfach nur den unheimlichen Erkundungs-Trip auf sich wirken lassen und bei Bedarf Fantheorien durchlesen.^^
Solides Gameplay-Grundgerüst, jetzt fehlt aber noch das Spielspaß-Fleisch!
Einstellungsoptionen gibt es nicht, weswegen man sich direkt ins Spiel stürzen kann. Psychopomp erinnert sofort an alte 80er Dungeon-Crawler CRPGs, allerdings ist dies hier kein Rollenspiel, sondern kann noch am ehesten als Action-Adventure klassifiziert werden. Ihr steuert das Mädchen aus der Egoperspektive und navigiert via WASD Schritt für Schritt durch die Karoraster-Dungeon-Tiles. Mit Q und E lassen sich auch Strafing-Bewegungen durchführen und man kann auch rennen. Letzteres ist allerdings an Kondition gekoppelt, die sich sehr schnell verbraucht, jedoch auch recht flott wieder regeneriert.
Da das Spiel abgesehen von einem Kompass keine Orientierungshilfen bietet, ist natürlich Konzentration bei der Erkundung gefragt. Allerdings sind die drei Hauptdungeons nicht allzu weitläufig, weswegen man jetzt auch keine Karten zeichnen muss, oder so. Das Spiel ist auch sehr kurz gehalten. Ca. 1,5 Stunden sollte man bei gründlicher Spielweise benötigen, um alles zu Gesicht zu bekommen. Neben den drei Hauptdungeons, welche man in einem Level-Select-Screen in beliebiger Reihenfolge anwählen kann, gibt es noch einen kurzen Einstiegs-Tutorial-Level, sowie einen ebenso kurzen Endlevel. Ferner öffnen sich auf dem Level-Select-Screen auch mal optionale Areale, welche dazu dienen Spielwelt und Handlung zu vertiefen.
Der Psychopomp-Helm dient im Spiel als HUD-Anzeige. Die Glasphiolen symbolisieren Ausdauer (lila) und Lebenspunkte (rot). Die fünf Piktogramme aktivieren Adventure-typische Interaktionsmöglichkeiten. Die da wären Auge (betrachten), Sprechblase (zum kommunizieren mit NPCs), Hand (berühren/einsammeln/betätigen), Hammer (angreifen) und Zettel (Inventar aufrufen). Im Letzteren werden Schlüssel(karten) zum öffnen von Tür und Tor, sowie Spritzen zur Regeneration von 3 Lebenspunkten gebunkert. Das Mädchen verfügt über maximal 9 Hitpoints, welche durch Gegner und Fallen dezimiert werden können.
Der Kampf in Psychopomp ist primitiv. Einfach mit dem Hammer draufdreschen, während man rückwärts läuft, um feindlichen Angriffen möglichst zu entgehen. Allerdings gibt es eh nur sehr wenige Gegner im Spiel. Auch die Rätsel sind sehr simpel gehalten. Schalter betätigen und gefundene Schlüssel einsetzen, um Gitter und Türen zu öffnen – fertig. Finn weiß genau, warum er das Spiel kostenlos zur Verfügung stellt. Spieltechnisch hat Psychopomp leider gar nicht mal so viel zu bieten. Die größte Herausforderung ist die Orientierung innerhalb der drei Hauptdungeons, sowie eine Geschicklichkeitspassage mit tödlichen Stampfer-Kolben. Die wahre Stärke des Spiels liegt in der gruseligen Atmosphäre, bizarren Handlung und stimmigen audiovisuellen Präsentation.
Grafik und Sound
Psychopomp basiert auf der kostenfreien Godot Engine, welche sowohl für 2D, als auch 3D-Spiele geeignet ist. Das Spiel setzt in erster Linie auf 3D-Grafiken, welche im groben Stil der fünften Konsolengeneration gehalten sind. Für die Zwischensequenzen werden hingegen 2D-Artworks verwendet. Der allgemeine Look des Spiels ist typisch Fading Club. Gruselig, bizarr, surreal und vor allem absolut faszinierend! So wird z.B. der Horror-Aspekt dadurch abgeschwächt, dass die Monster Masken in Form von niedlichen Anime-Visagen tragen, was natürlich auch dem surreal-bizarren Flair des Spiels zu Gute kommt.
Auch der Soundtrack bietet altbekannte Fading Club-Qualität. Die Tracks unterstreichen die unheimlich-bizarre Atmosphäre des Horror-Abenteuers wunderbar. Und es gibt auch einige schöne Melodien mit Ohrwurmfaktor. Besonders cool ist der Bonus-Song nach Spielende, welcher sogar Vocals bietet. Die Soundeffekte sind äußerst effektiv und bereichern den Gruselaspekt. Eine Sprachausgabe wird leider nicht geboten, aber das ist für ein kostenfreies Ein-Mann-Indie-Spiel auch zu viel verlangt.
Wie von Fading Club gewohnt, ist der Support für Psychopomp erstklassig. Finn reagiert blitzschnell auf Bugmeldungen und Verbesserungsvorschläge, weswegen das Spiel bereits wenige Tage nach Release fehlerfrei ist.
Pro & Kontra
- ist kostenlos!
- herrlich bizarr-surreale Horror-Atmosphäre á la Fading Club
- prägnante audiovisuelle Präsentation
- ist leider sehr kurz (ca. 1,5 Stunden)
- die Handlung ist etwas arg undurchsichtig
- das Gameplay ist relativ oberflächlich und simpel