Of Orcs and Men REVIEW
Das am 11. Oktober 2012 veröffentlichte Of Orcs and Men ist ein Third-Person RTwP-Rollenspiel mit seichten Stealth-Elementen, welches in Zusammenarbeit zwischen den beiden französischen Entwicklerstudios Cyanide Studios und Spiders entstanden ist. Beide Studios haben bereits zuvor Rollenspiele produziert, so stammt zum Beispiel das „Game of Thrones“-RPG von Cyanide Studios, während Spiders das völlig unbekannte „Faery: Legends of Avalon“ kreierte.
Ob das Gemeinschaftswerk zweier eher mäßiger Entwicklungsstudios jedoch letztendlich zu einem guten Ergebnis führt oder nicht, soll folgender Test verraten.
Zwei Grünhäute gegen das Imperium
Die Existenz der ebenso muskelbepackten wie naturverbundenen Orks steht auf Messers Schneide, denn der aktuelle Imperator der Menschen ist ein echter Kotzbrocken. Nachdem Imperator Damocles die Menschen auf seinem Heimatkontinent Iseria unter einem Banner und unter einer Religion vereinte, strebt er nun die Ausdehnung seines Imperiums in die südlichen Regionen an. Dummerweise wird der Süden von den schlagkräftigen Orks bewohnt, die sich den Menschen gewiss nicht freiwillig unterwerfen werden. Und so kam es zum Krieg, der bereits mehrere Dekaden andauert. Um das Schicksal der Grünhäute endgültig zu besiegeln, strebt Damocles eine Allianz mit den Elfen und Zwergen an. Sollte dies gelingen hätten die Orks keine Chance mehr auf einen Sieg. Die diplomatischen Gespräche sollen auf einer gut geschützten Insel stattfinden. Der Imperator wird sogar persönlich vor Ort sein. Die einzige Chance die Allianz zu verhindern wäre es rechtzeitig zur Insel vorzustoßen und den Imperator zu ermorden. Und so werden die Mitglieder der orkischen Spezialeinheit „Blutkiefer“ separat losgeschickt, um die Grenzmauer der Menschen zu unterwandern und anschließend mithilfe einer Magierin namens Arkence zur Insel vorzustoßen. Dummerweise befindet sich besagte Magierin im Folterkerker der Inquisition.
Es handelt sich also um eine Selbstmordmission mit extrem geringen Erfolgsaussichten. Doch das schreckt den unter Berserker-Anfällen leidenden Ork Arkail nicht davon ab seinen Auftrag in Angriff zu nehmen. Zur Unterstützung hat der Anführer der Menschen-Rebellen sogar den Goblin Styx angeheuert, der als eine Art Führer fungieren und dafür sorgen soll, dass Arkail sein Ziel erreicht. Styx interressiert sich natürlich nur für die Bezahlung und fährt ganz andere Strategien auf als der grimmige Krieger Arkail. Somit sind Spannungen zwischen den Beiden vorprogrammiert. Allerdings ist den beiden Grünhäuten sehr wohl bewusst, dass sie sich zusammenraufen müssen, wenn sie ihre Mission irgendwie abschließen wollen.
So gesehen bietet die Story nichts Besonderes. Freilich gibt es Wendungen, ein paar mehr oder weniger interessante NPCs, fiese Schurken und so weiter. Im Kern sind die Rollen von Gut und Böse aber klar ersichtlich, auch wenn die beiden Protagonisten eher in die Antihelden-Kategorie fallen. Und dennoch sind Arkail und Styx die klare Hauptattraktion im Spiel. Die beiden Grünhäute sind überraschend sympathisch und die Dynamik zwischen ihnen sorgt natürlich immer wieder mal für ein wenig Humor. Es ist auch sehr schön mitzuerleben, wie sich mit der Zeit eine unterschwellige Freundschaft zwischen ihnen entwickelt.
Erwähnenswert ist weiterhin, dass sich Of Orcs and Men sehr ernst nimmt. Ein früher Impuls mag sein, anzunehmen, dass es sich um ein Klamauk-Spiel handeln könnte, doch mit dieser Einschätzung liegt man weit daneben. Es wird eine sehr düstere Mittelalter-Fantasywelt präsentiert, in derer die Menschheit nicht unbedingt gut wegkommt. Auf dieses Konzept muss man sich natürlich erst einmal einlassen können.
Lineare Korridor-Maps, miserables Kampfsystem und bemerkenswert rudimentäres Stealth-System
Bereits hier pflegte Spiders die Tradition vier Schwierigkeitsgrade zur Auswahl zu stellen. Die Wahl besteht aus Leicht, Normal, Schwer und Sehr Schwer. Dieses mal entschied ich mich für Normal, da mir meine Erfahrung mit diesen Franzosen-RPGs gezeigt hat, dass sie es nicht wert sind auf höheren Stufen gespielt zu werden. Und es war die richtige Entscheidung, da der allgemeine Schwierigkeitsgrad keinem vernünftigen Balancing folgte und fröhlich rauf und runter pendelte. Beim letzten Endgegner schaltete ich nach dem ersten gescheiterten Versuch sogar auf Leicht runter, da man für einen weiteren Versuch noch mal zwei Trash-Kämpfe und ein paar Zwischensequenzen über sich ergehen lassen muss. Eigentlich erlaubt es Of Orcs and Men die Zwischensequenzen zu überspringen, allerdings gibt es einige wenige auserwählte Sequenzen, bei denen das komischerweise nicht erlaubt ist – warum auch immer.
Aber genug davon, gehen wir aufs eigentliche Gameplay ein. Es ist ein extrem lineares Spiel. Fast jede Map besteht aus einem Korridor, und wenn es doch mal etwas gibt, was sich ansatzweise mit einer Abzweigung vergleichen lässt, dann führt diese nur in Nischen mit einem der extrem rar gesäten Loot-Container, oder fungiert als Deckung für Styx‘ Stealth-Eskapaden. Und ja, es gibt ein sehr rudimentäres Stealth-System. Styx kann außerhalb des Kampfes auf Knopfdruck in den Stealth-Mode umschalten. Gelingt es ihm sich von hinten an einem Gegner heranzuschleichen, kann er diesem die Kehle aufschlitzen und somit töten. Dadurch kann man vor Kampfbeginn zumindest einen, manchmal auch mehrere Feinde beseitigen. Allerdings ist die K.I. nicht auf die Stealth-Mechaniken ausgelegt. Gegner stören sich nicht an Leichen ihrer eigenen Leute und haben obendrein ein Sichtspektrum, welches vermuten lässt, dass die Pappenheimer Scheuklappen tragen. Vielleicht mag das ja der Grund sein, dass es nur eine einzige reine Stealth-Mission im Spiel gibt. Und hierbei handelt es sich sowieso um eine Sidequest.
Apropos Sidequests: Diese tauchen eigentlich nur in den ersten beiden, der insgesamt fünf Kapitel auf. In den ersten beiden Kapiteln bekommt man ein winziges Hub-Areal, wo ein paar NPCs herumhängen, welche euch Sidequest-Aufträge anbieten. Ein Händler treibt sich dort auch herum. Das Handelssystem ist übrigens noch rudimentärer als das Stealth-System. Die Artikel kosten i.d.R. nur zwei Münzen, allerdings erhält man diese Münzen nur sehr selten im Spielverlauf und meistens nur durch optionale Aktivitäten. Ansonsten muss man seine bereits vorhandene Ausrüstung verkaufen, um ein paar Münzen zusammenzukratzen. Allerdings ist es hier keineswegs so, dass neue Ausrüstung stärker ist. Sie bieten oftmals lediglich andere Buff-Werte, welche je nach eigener Spielweise nicht unbedingt förderlich sein müssen. Da ist es schon sinnvoller, wenn man stattdessen seine Lieblingsstücke für eine Münze upgradet.
Erfahrungspunkte gibts für getötete Gegner und münden letztendlich in einem Level-Up. Pro Level-Up gibts einen Attributspunkt den man frei in vier verschiedene Attribute investieren darf, sowie einen Skillpunkt zur Freischaltung und Verbesserung von Kampfbefehlen.
Tja, und damit gibt es auch nur noch eine Sache zu erläutern – das Kampfsystem. Of Orcs and Men verwendet ein Pseudo-RTwP-Kampfsystem. Das heißt, dass ihr Arkail und Styx nur indirekte Kampfbefehle erteilen könnt, dafür aber den Kampf auf Knopfdruck pausieren dürft, um die nächsten Kampfbefehle für die beiden Grünhäute festzulegen. Allerdings wird nicht wirklich in eine Pause geschaltet, sondern stattdessen nur der Kampfverlauf in eine Zeitlupe gesetzt. Diese ist jedoch derart langsam, dass man dieses dumme Gimmick auch hätte stecken lassen können, und stattdessen tatsächliche eine handfeste Pause hätte anbieten sollen.
Und so hacken sich Arkail und Styx durch ein mieserables Kampfsystem, welches obendrein zu stark auf Glück aufbaut. Die Beiden verfügen natürlich über variable Skillpaletten. Jeder der Beiden kann jeweils 7 offensive und 7 defensive Kampfbefehle erlernen und verbessern. Darüber hinaus gibt es noch 3 allgemeine Fähigkeiten, und zu guter Letzt 3 Spezialfähigkeiten, welche jedoch erst im letzten Spieldrittel zugänglich gemacht werden und eigentlich viel zu spät kommen. Man wird im Spiel nicht genügend Level-Ups erhalten, um jede Technik erlernen und Upgraden zu können, außerdem darf man jede Technik nur einmal verbessern, weswegen man sich immer entscheiden muss, welche der beiden zur Verfügung stehenden Verbesserungen am nützlichsten erscheint. Soll der Angriff eine 50 %ige Chance erhalten dem Gegner Bluten zuzufügen, oder soll er zu 25 % Flächenschaden verursachen?
Wie ihr seht handelt es sich um prozentuale Wahrscheinlichkeiten, womit wir auch wieder beim Faktor „Glück“ angelangt sind. Derselbe Kampf bei dem man eben noch grandios scheiterte, stellt beim zweiten Anlauf auf einmal kein Problem mehr dar. Warum? Nun, wegen dem Prozentfaktor. Dieser prozentuale Glücksfaktor mag in fast allen RPGs auftauchen, allerdings ist er mir nie derart penetrant aufgefallen wie in Of Orcs and Men. Ich hatte nie das Gefühl ausreichend Kontrolle über das Kampfsysstem zu haben und die taktischen Möglichkeiten für die sich RTwP-RPGs normalerweise auszeichnen sind hier schlichtweg nicht vorhanden. Ok, man kann mit Styx ein paar Stealth-Kills durchführen, aber mehr ist eigentlich nicht drin. Obendrein gibt es einige echt billige Mechaniken. Geht einer der beiden zu Boden, kann man ihn mit einem dafür vorgesehenen allgemeinen Skill ohne Einschränkung wiederbeleben, solange man neben dem Bewusstlosen steht. Mithilfe dieser Mechanik habe ich mich durch so manchen harten Kampf gemogelt. Gut fühlt sich das freilich nicht an, aber andererseits spielt auch der Gegner mit gezinkten Karten, Ich erinnere mich noch gut an die Szene, wo es sechs Bogenschützen gab, die auf Dächern standen und daher nur mit Styx‘ Wurfmesser-Angriffen bekämpft werden konnten, da man keine Möglichkeit hatte aufs Dach zu klettern. Es hat eine Ewigkeit gedauert diese Typen abzuschmeißen, und wenn Styx ob des konstanten Beschusses zu Boden ging, hat ihn Arkail halt wiederbelebt. Ich habe selten eine mieser designte Spielpassage erlebt als die eben geschilderte.
Grafik und Sound
Schon dieses Spiel baute auf Spiders‘ Silk Engine auf, welche in Of Orcs of Men einen sehr soliden Eindruck macht. Das mag aber auch daran liegen, weil die Areale im Spiel äußerst linear gehalten sind und sich die Entwickler daher auf relativ übersichtliche Gebiete konzentrieren konnten. In diesem Zusammenhang relativiert sich die Qualität der Grafik also wieder etwas. Man kann dem Spiel jedoch nicht absprechen, dass die Ortschaften recht atmosphärisch präsentiert werden und sich die Charaktermodelle und -animationen nicht zu verstecken brauchen. Da wo das Spiel scheitert sind jedoch die bemerkenswert generischen Settings: Wälder, Gossen, Minenstollen, Burgen … Über seine langweiligen 08/15 West-Fantasy-Areale gelangt das Spiel leider nie hinaus. Das ist zwar etwas, was man sich im Vorfeld denken kann, allerdings wirken die Ortschaften in Of Orcs and Men dann doch etwas zu bodenständig, um es höflich auszudrücken. Auch die Maßnahme reine Storysequenzen wie Intro, Ending oder Kapitelübergänge in Form von Artwork-Standbildern abzuspulen wirkt eher billig.
Überhaupt nicht billig ist jedoch der tolle, geigenlastige OST von Olivier Deriviere. Besonders der Themesong ist wunderbar gelungen und weckt qualitative Erwartungen, welche der Rest des Spiels leider nicht halten kann. Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber es ist schon eine kleine Schande, dass die hohe Qualität des französischen Musikers an all diese mittelprächtigen RPGs aus der dritten Reihe verschwendet wird. Hoffentlich wird der Mann zumindest gut von Spiders bezahlt.
Aber die Kohle scheint ja doch irgendwie vorhanden zu sein, denn auch die deutsche Sprachausgabe ist hervorragend. Sämtliche Sprecher bieten eine sehr kompetente Leistung und tragen einen hohen Beitrag zur Verbesserung der Gesamtpräsentation. Aber auch hier kommt der Gedanke „Perlen vor die Säue.“