Morningstar: Descent to Deadrock REVIEW
Ein kleines aber feines Flash-Spiel namens „Morningstar“ wurde Mitte Mai 2009 auf Seiten wie Newgrounds oder Kongregate kostenlos zur Verfügung gestellt. Es war das erste Werk diverser ungarischen Indie-Programmierer, die sich unter dem Banner „Red Herring Labs“ zusammenschlossen. Es folgten einige weitere kostenfreie Produktionen, bis man sich entschloss die Spendierhosen des Freeware-Entwicklers auszuziehen um fortan größere kommerzielle Produktionen zu stemmen.Man entschied sich zu einem Remastering des Erstlingswerks „Morningstar.“ Das Ergebnis nennt sich Morningstar: Descent to Deadrock, ein Adventure, das es seit Mitte Februar 2015 für 9,99 € auf Steam zu kaufen gibt.
Die Frage lautet nun, ob die Kommerzialisierung für diesen Titel gerechtfertigt ist? Man darf schließlich nicht vergessen, dass die Flash-Version nach wie vor kostenlos auf Newgrounds und Co. herumschwirrt. Tatsächlich sieht „Descent to Deadrock“ wesentlich hübscher aus als die Originalversion und bietet Sprachausgabe und Rendersequenzen, das Spiel an sich ist aber nahezu identisch geblieben. Diese Frage muss freilich jeder für sich entscheiden, hier geht es jetzt nur darum zu ermitteln, ob Descent to Deadrock im allgemeinen etwas taugt oder nicht. Zeit dies herauszufinden!
Sand, Ödnis und unheimliche Alien-Statuen
Den Absturz bzw. die Strandung auf einem ungemütlichen Wüsten- oder Ödlandplaneten mussten schon viele Sci-fi-Charaktere über sich ergehen lassen. Ob nun Captain Jean-Luc Picard, Colonel Jack O’Neil und seine Mannen oder ein gewisser Richard B. Riddick – sie alle haben es schon hinter sich gebracht. Dieses Storyschema scheint sehr beliebt im Genre zu sein. Das nächste Opfer einfallsloser Storywriter ist die Besatzung der Morningstar, einem kleinen Frachtraumschiff mit drei Mann Besatzung. Durch eine Anomalie schmiert die Kiste auf Beta Cygni Two ab, einem berüchtigten Wüsten- und Ödlandplaneten, von dem noch nie jemand lebend entkommen konnte und deswegen den Spitznamen „Deadrock“ erhielt.
Wir übernehmen die Rolle des Technikers Powell, der nach dem Absturz recht schnell feststellen muss, das sein Kollege Johansen ums Leben kam und sein schnoddriger Captain Novak von einer Metallstange penetriert wurde und dementsprechend Hilfe benötigt.
Das Ziel der beiden Raumfahrer lautet nun freilich die Morningstar wieder flott zu machen um von Deadrock zu entkommen. Glücklicherweise befindet sich ein Schiffswrack in der Nähe ihrer Absturzstelle, wo man eventuell die benötigten Ersatzteile aufklauben könnte. Da Novak verletzt ist, liegt es nun an Powell sich den Widrigkeiten von Deadrock zu stellen und die erfolgreiche Flucht zu ermöglichen. Der Techniker muss aber recht bald feststellen, dass Deadrock wesentlich mehr zu bieten hat als Sand und Ödland. Unheimliche Alien-Statuen kreuzen seinen Weg und die Überbleibsel einer gescheiterten Militärexpedition lassen schlimmes erahnen. Wird Powell das Geheimnis von Beta Cygni Two lüften und die Morningstar wieder instand setzen können?
Wie bereits angedeutet, ist die Handlung nichts besonderes im Genre. Macht aber nichts, denn nichtsdestotrotz bietet das Spiel genügend Spannung um den Spieler motiviert vor den Desktop zu fesseln. Und da ein durchschnittlicher Adventure-Spieler das Game in ca. drei Stunden durchbekommt, ist es auch vorbei ehe es langweilig werden könnte. Freilich sorgt dieser Umstand auch dafür, dass einem die Raumfahrer Powell und Novak nicht wirklich ans Herz wachsen können, obwohl die Kabbeleien unter den Beiden durchaus für genügend Sympathien sorgen. Und nein, weitere Charaktere gibt es nicht. Unterm Strich wird eine grundsolide Sci-fi Story geboten.
Raumfahrer und Techniker
Man betrachtet das Geschehen zwar aus der Ego-Perspektive, doch setzt sich das Spiel in Wirklichkeit aus den genretypischen Renderbildern zusammen. Dieses Schema der Pseudo-Egoperspektive dürfte Myst-Spielern ja vertraut sein. Abgesehen davon ist Descent to Deadrock jedoch ein ganz gewöhnliches Point & Click Adventure. 95 % des Spielinhalts besteht aus typischen Inventar- und Hotspoträtseln. Ihr untersucht die Renderscreens nach Hotspots, sammelt Gegenstände ein, kombiniert diese untereinander und verwendet sie anschließend an passenden Hotspot-Stellen, um diverse Probleme zu lösen und Aufgaben zu erfüllen. Die übrigen 5 % gehen für ein gut lösbares Symbolschrifträtsel drauf.
Da man einen Techniker in einem Sci-fi-Szenario spielt, muss man freilich auch oft mit technischen Gerätschaften herumhantieren. Wer ein gewisses technisches Verständnis mitbringt, wird es in diesem Spiel also eventuell etwas einfacher haben. Im Zweifelsfall hilft natürlich auch das gute alte Trial & Error weiter oder man kontaktiert Novak per Radio-Funktion, der einem zumindest eine klare Anweisung gibt, was man genau als nächstes tun sollte um voranzuschreiten. Wie man das jeweilige Ziel erreicht, muss aber stets alleine ausgetüftelt werden. Eine Hotspotanzeige gibt es nicht, ist aber auch nicht notwendig, da die „Trefferfelder“ für Hotspots sehr großzügig bemessen sind. Pixelhunting entfällt also dankbarerweise, zumal freigelegte Hotspots in Powells Helmdisplay aktiviert bleiben – sehr komfortabel!
Der Schwierigkeitsgrad fällt sehr vernünftig aus. In der Regel ergeben alle Itemkombinationen Sinn und längere Phasen ziellosen Herumprobierens sind mir nur in der Anfangs- und Schlussphase negativ aufgefallen. Eine Komplettlösung musste ich nur einmal gegen Ende zu rate ziehen, wobei dies aber auch eher in meiner eigenen Ungeduld begründet lag und nicht am Spiel selbst. Descent to Deadrock kann also durchaus ohne externe Hilfe durchgespielt werden, auch von jenen Leuten wie mir, die nicht mit einem großen Technikverständnis gesegnet wurden.
Ein großes Lob gibt es für den sehr flotten Spielablauf. Vor lästigen Wartephasen die sich aus etwaigen Laufanimationen oder notwendigen Doppelklicks speisen, wird man hier komplett verschont. Da das Geschehen aus der Egoperspektive gezeigt wird erfolgen die Szenenwechsel Ruck Zuck, wodurch man sich innerhalb kürzester Zeit mühelos durch sämtliche Ortschaften klicken kann. Nur die Inventarleiste, die hier am rechten Bildschirmrand positioniert wurde, lässt es etwas an Übersicht mangeln. Da man bereits früh im Spiel sehr viele Items anhäuft, wird regelmäßiges Scrollen innerhalb der kleinen Leiste zur lästigen Pflicht. Da wäre es doch cleverer gewesen man hätte diese Leiste am Längenrand statt des Höhenrands des Desktops platziert.
Wirklich ärgerlich ist jedoch die Beschränkung auf einen selbstständig speichernden Saveslot. Dieser geht übrigens verloren, wenn man ein neues Spiel beginnen möchte. Hätte echt nicht sein müssen.
Grafik, Sound und sonstiges
Grafik: Die Renderbilder sehen gut genug aus für ein Indie-Adventure. Gegen Titel wie Perry Rhodan oder Black Mirror III kommen die Screens freilich nicht an, aber wie gesagt: Gut genug sehen sie schon aus. Das größte Problem ist wohl die statische Präsentation. Es gibt eigentlich keine Bewegung innerhalb der Rendersecreens. Selbst der schwerverletzte Novak sitzt in seinem Raumanzug da wie zu Salzsäure erstarrt, was natürlich entsprechend befremdlich wirkt. Kleinere Ausnahmen bestätigen die Regel. Wenn man eine Explosion auslöst oder einem Generator bei der Arbeit betrachtet, kommt natürlich schon etwas Bewegung ins Spiel, aber solche Dinge bleiben leider die Ausnahme.
Überraschend gut gelungen sind die Rendersequenzen. Neben Intro und Outro gibt es auch innerhalb des Spiels kleinere Sequenzen. Diese Sequenzen mögen zwar ebenfalls keinen Preis gewinnen, wirken für Indie-Verhältnisse aber durchaus recht hochwertig und vor allem das gelungene Outro bzw. Ending bietet einen angemessenen Belohnungseffekt für erfolgreiche Spieler.
Sound: Der Soundtrack besteht eigentlich nur aus zwei, drei Tracks und dient in erster Linie dazu die Atmosphäre zu unterstützen, was ihm ja auch gut gelingt. Erwartet aber bitte keine Ohrwürmer oder Stücke die euch nach der Spielsession im Gedächtnis verweilen werden. Dazu wurde der OST einfach nicht konzipiert, was ja jetzt auch nicht schlimm ist.
Die Sprachausgabe ist da hingegen ein recht zweischneidiges Schwert. Es gibt nur drei Sprecher im Spiel: Powell, Novak und der Bordcomputer der Morningstar. Letzterer ist eine typische, weibliche Computer-K.I.-Stimme, die eh nur zwei, drei Sätzchen von sich geben wird. Der Sprecher von Novak leistet einen guten Job dabei, den angeschlagenen aber schnoddrigen Captain der Morningstar widerzuspiegeln. Dummerweise hat man aber gerade beim Protagonisten Powell etwas danebengegriffen. Es ist nicht so, dass sein Sprecher grundsätzlich schlecht wäre, seine Stimme klingt sogar recht angenehm. Aber gerade in der Anfangsphase des Spiels merkt man sehr stark, dass der Sprecher nur aus einem Script vorliest und nicht ernsthaft versucht einen Charakter zu synchronisieren. Dies ist der Atmosphäre freilich alles andere als zuträglich. Man merkt aber auch, dass der Sprecher sich im Verlauf des Spiels ein wenig bessert. Wirklich überzeugend wirkt seine Gesamtleistung aber nicht.
Sonstiges: Wer sich von der Qualität des Spiels überzeugen möchte, kann auf Steam eine kostenlose Demo herunterladen. Und nicht vergessen: Das kostenfreie Flash-Spiel „Morningstar“ steht nach wie vor im Internet zur Verfügung. Man kann den Entwicklern also keinesfalls vorwerfen, sie würden dem potentiellen Kunden keine ausgiebige Möglichkeit geben sich selbst ein Bild vom Spiel zu machen. Englischkenntnisse sollte man aber schon mitbringen, denn wie bei vielen Indie-Produkten sucht man auch hier eine deutsche Übersetzung vergeblich.