Light Fairytale Episode 2 REVIEW

Light Fairytale ist ein Rollenspiel im Stil der großen Klassiker der PS1- und PS2-Ära. Vor allem Final Fantasy VII und Breath of Fire: Dragon Quarter dienen als Inspirationsquelle für das ambitionierte Projekt des französischen Indie-Entwicklers neko.works. Ursprünglich handelte es sich um ein Kickstarter-Projekt, welches jedoch scheiterte, da der gewünschte Spendenbetrag von durchaus realistischen 30.000 € nicht erreicht werden konnte. Es konnten lediglich 8.218 € zusammengetragen werden. Also musste eine andere Lösung her, um das Projekt zu bewerkstelligen. Der Lösungsansatz lautete Episodenformat. Laut des Entwicklers sind derzeit 4 Episoden geplant, und nachdem ich bereits die erste Episode vor einigen Jahren testete, ist nun die zweite Episode an der Reihe, welche am 20.08.2021 den Early Access-Status hinter sich lassen konnte. Auch diese Episode kostet 9,99 €. Ob sich der Kauf lohnt oder nicht, soll folgender Test verraten.

Sprung in die Kälte

Episode 2 fängt logischerweise da an, wo Episode 1 endete. Im letzten Teil wagte der Protagonist Haru den todesmutigen Sprung von einer Klippe, um einerseits den Soldaten des schurkischen Imperiums zu entkommen und andererseits deren Aufmerksamkeit von seiner Jugendfreundin Kuroko abzulenken. Schockiert beobachtet Kuroko Harus Verzweiflungstat.

Haru hat den Sprung wie durch ein Wunder überlebt. Der weiche Schnee auf dem er landete mag einen Teil dazu beigetragen haben. Es hat den jungen Burschen in die sogenannten Deeplands verschlagen. Das ist die tiefste Ebene seiner Welt. Einer Welt, die sich im wesentlichen aus einer mehrstöckigen Stadt zusammensetzt, welche unter Tage errichtet wurde. Warum die Menschheit ihre Existenz im Untergrund fristet und selbst wesentliche Dinge wie den Himmel vergessen hat, ist immer noch ungeklärt. Jedoch macht der Spieler in Episode 2 einige merkwürdige Entdeckungen.

In den Deeplands, welche durch eine fremde Macht in eine lebensfeindliche Eis- und Schneelandschaft verwandelt wurde, findet sich unser Blondschopf nämlich recht bald in einem mittelalterlichen Dorf wieder. Dieses ist jedoch beinahe ausgestorben, und wird nur noch von der hübschen und mysteriösen Ayaka bewohnt. Ferner entdeckt er Junktown, eine Art Deportationskolonie, in die das Imperium ihre Kleinkriminellen und Störenfriede abschiebt. Dort hat Haru ein Wiedersehen mit Kid, welche im ersten Teil vom Imperium verschleppt wurde. Dummerweise leidet das Mädel unter Amnesie, und die Bewohner von Junktown beschwatzen den gutmütigen Haru dazu gefährliche Drecksarbeiten zu verrichten. Hierdurch entdeckt er ein altes, mittelalterliches Schlossgemäuer. Dieses beherbergt tödliche Gefahren, aber auch große Mächte, welche Haru noch nützlich sein könnten.
Doch auch dieser mysteriöse Ort ist nur eine Zwischenstation, denn im Endeffekt will Haru einfach nur in die Stadt zurückkehren, um herauszufinden, ob mit Kuroko alles in Ordnung ist.

Wie schon die erste Episode, so fällt auch die Zweite sehr kurz aus. Haru schafft es hier noch nicht mal zurück in die Stadt, und im Gegensatz zur ersten Episode gibt es hier noch nicht mal einen adäquaten Cliffhanger. Die Story entwickelt sich also nur sehr schleppend, was auch zur Konsequenz hat, dass der Entwickler mitlerweile die geplanten 3 Episoden auf 4 ausgeweitet hat.

Darüber hinaus irritiert der Schwenk in den Mittelalter-Fantasy-Bereich. Plötzlich soll man also mittelalterliche Dörfer und Schlösser erkunden, während inmitten all dessen durch Schrott und Autowracks mehr denn je suggeriert wird, dass man sich in einer postapokalyptischen Welt herumtreibt. Der Knaller ist jedoch, dass es hier sogar einen verschneiten Wald gibt. Ich erinnere gerne noch mal daran, dass das Setting ja eigentlich unter Tage angesiedelt ist.

Unterm Strich wird hier also ein sehr kruder und, selbst für Fantasy-Verhältnisse, unglaubwürdiger Setting-Mischmasch vorgesetzt, der mich ganz schön die Stirn runzeln lässt. Auch die Story schreitet nur mit Babyschritten voran. Bei dem Tempo benötigt neko.works locker 10 Episoden, um die Handlung abzuschließen. Immerhin bekommt Haru ein paar weitere Mädels für seine Harem-Gruppe. Ich würde mir jedoch wünschen, dass der Entwicklers seinen Fokus auf andere Dinge legen würde.

Immer noch kurz und wesentlich kampflastiger als gewohnt

Es versteht sich von selbst, dass sich die Änderungen in der zweiten Episode von Light Fairytale in Grenzen halten. Es ist immer noch ein JRPG mit sehr kurzer Spieldauer, welche sich in etwa bei 4-5 Stunden einpendeln sollte. Damit ist Episode 2 sogar länger als die Erste. Dies liegt jedoch daran, da Episode 2 wesentlich kampflastiger ausfällt als die Erste und auch einen größeren Fokus auf Dungeoncrawling legt.

Selbstverständlich besteht die Option den Abschluss-Speicherstand aus Episode 1 als Ausgangslage für Episode 2 verwenden zu dürfen. Auf diese Weise lassen sich Exp, Geld und Ausrüstung übertragen. Und auch die Besonderheiten von Light Fairytale sind größtenteils erhalten geblieben. Man hat einen Visor-Scanner, der auf Knopfdruck eine Art Hotspot-Anzeige aktiviert, welche Ein- und Ausgänge, ansprechbare NPCs, sowie die Kampffelder visuell hervorhebt.

Besagte Kampffelder sind ein besonders cleverer Kniff, denn Zufallskämpfe gibt es hier nicht und die Felder können sehr häufig auch einfach umgangen werden. Erst wenn man diese Felder betritt kann es zum Kampf kommen. Jedes Kampffeld umfasst darüber hinaus auch nur maximal 4 Kämpfe, weswegen ausgiebiges Grinding nicht möglich ist. Diese Struktur gibt dem Entwickler größere Kontrolle über den Schwierigkeitsgrad. Das ist etwas, was man in JRPGs nur extrem selten vorfindet.

Apropos Schwierigkeitsgrad: Im Zuge der Early Access-Phase haben sich zwei Schwierigkeitsgrade herauskristallisiert. Viele Spieler beschwerten sich über den hohen Schwierigkeitsgrad, weswegen der Entwickler eben diesen drosselte. Danach kamen natürlich Jene an, welche lieber auf dem ursprünglichen Grad zocken wollten. Und so stellte der Entwickler einfach beide Varianten zur Verfügung. Generell ist Light Fairytale: Episode 2 aber kein Spaziergang. Man muss schon wissen was man tut, um durchzukommen. Das Spiel verwendet das auf Final Fantasy VII bekannte Substanz-System (die Substanzen werden hier jedoch Orbs genannt). Man kann also Waffe und Rüstung mit magischen Kugeln ausstatten, damit man Zauber im Kampf einsetzen darf und elementare Statuswerte für Angriff und Verteidigung erhält. So kann man den Schaden von Eis-Angriffen abmildern, indem man ein Eis-Orb in die Rüstung setzt, oder den Schaden gegen Eis-Gegner steigern, indem man seine Waffe mit einem Feuer-Orb frisiert.

Derartige Maßnahmen sind nun überlebenswichtig. Auch sollte man sich nicht scheuen regelmäßig Heiltränke einzuwerfen oder Angriffsgegenstände zu nutzen. Derartige Dinge unterscheiden Light Fairytale: Episode 2 von der Konkurrenz, wo derartige Optionen größtenteils ignoriert werden können.

Weiterhin neu ist der Zugriff auf drei Gruppenmitglieder. Allerdings darf man nur 2 aktiv mitführen. An Speicherpunkten darf man die beiden Gefährtinnen auswechseln. Schwertkämpfer Haru ist grundsätzlich Teil der Gruppe. Ab dem zweiten Spieldrittel kommt Weißmagierin Ayaka hinzu und ab dem letzten Drittel darf man auch die Diebin Kid anwählen.

Das Kampfsystem ist nun übrigens streng rundenbasiert und bietet auch eine, leider sehr unübersichtliche, Zugleiste. Das ATB-System mit einer sich aufladenden Aktionsleiste wurde also gekickt.

Ärgerlicherweise wurden aber auch einige sehr coole Features der ersten Episode rausgekickt. So gibt es keine Minigames mehr, was freilich auch bedeutet, dass es keine Leaderboards mehr gibt. Und statt der Möglichkeit das Spiel noch mal mit einer alternativen Protagonistin durchspielen zu können, gibt es nur ein extrem kurzes Extraszenario, wo man mit einem mysteriösen und aggressiven Mädel eine grottige Stealth-Sequenz bewältigen soll – Spaß sieht anders aus. Unterm Strich bietet Light Fairytale: Episode 2 zwar immer noch unterhaltsames JRPG-Gameplay, aber den Esprit, welcher Episode 1 zu einem Genuss machte, sehe ich hier nicht mehr wirklich.

Grafik und Sound

Das Spiel wurde mithilfe der Unity-Engine erstellt, was sich aber glücklicherweise nur durch das Unity-Emblem am Spielstart bemerkbar macht. Die Grafik von Light Fairytale ist, für das was sie erreichen möchte, nämlich sehr ansprechend ausgefallen. Tatsächlichen waren die Screenshots zu Episode 1 der Grund dafür, warum ich mir das Spiel seinerzeit zulegte.

Besagte Screenshots erweckten sofort Erinnerungen an Final Fantasy VII und wirkten genauso detailverliebt wie meine heißgeliebten Renderbilder eben auszusehen haben. Überraschenderweise nutzt das Spiel jedoch gar keine Renderbilder sondern 3D-Grafiken. Die 3D-Grafik wurde nur derart genial gestaltet, dass es auf den ersten Blick so wirkt, als ob klassische Renderbilder genutzt worden wären. Die Entscheidung zur dritten Dimension hat oftmals positive Auswirkungen, die man bei Renderbildern auch nicht unbedingt erreicht hätte. So gibt es keine Pixelbildung, wenn mal die Kamera näher heranzoomt und die Ortschaften wirken auch nicht statisch, da es viele schöne Details gibt, die sich mit Renderbildern eben nicht umsetzen lassen.

Bei den 3D-Charaktermodellen hat man sich für einen einheitlichen Chibi-Stil entschieden, der sowohl im Kampf, als auch in den Maps verwendet wird. Dieser auf niedlich getrimmte Stil ist starke Geschmackssache, weckt bei mir aber zumindest Erinnerungen an das erste Wild Arms. Die Artworkzeichnungen, die z.B. für Dialogbox-Konterfeis, im Menü oder in den Anime-Sequenzen verwendet werden, geben den Charakteren hingegen natürlichere Proportionen.

Im Gegensatz zur ersten Episode setzt die Zweite auf eine mystisch angehauchte Eis- und Schneelandschaft, statt auf eine unterirdische Cyberpunk-Stadt. Ob das besser oder schlechter ist, entscheidet allein der persönliche Geschmack. Erwähnenswert sind auch die Rendersequenzen, welche für die neuen Beschwörungszauber kreiert wurden. Hiermit hat man das grafische Spektrum noch mal um eine ganz neue Komponente erweitert. Und egal welchen Aspekt der Grafik man betrachtet, alles wirkt sehr sauber, professionell und hübsch anzuschauen. Man hat immer das Gefühl man spielt ein Qualitätsprodukt und kein billig zusammengeschludertes Hobbyprojekt aus dem Unity-Engine-Baukasten. Da hat der Entwickler auch in der zweiten Episode wirklich gute Arbeit geleistet!

Auch der Soundtrack ist richtig gut gelungen, bietet für mich als Ohrwurm-Fanatiker jedoch leider nichts Prägnantes. Auffällig ist hingegen, dass sich in einigen Tracks Hommagen an gewisse Stücke aus Final Fantasy VII heraushören lassen. Allerdings bleibt der OST immer im Bereich der Hommage und rutscht nie ins Plagiat hinein. Ein Spagat den man erst mal hinbekommen muss. Man hat sich sogar die Mühe gemacht für Light Fairytale einen eigenen Themesong zu komponieren und von einer japanischen Sängerin performen zu lassen. Sowohl der reguläre OST für beide Episoden, als auch der gesungene Themesong stehen als separate DLCs zur Verfügung.

Eine Sprachausgabe gibt es nicht, es werden lediglich einzelne Wörter in japanischer Sprache wiedergegeben, was aber nur selten angewendet wird. Die Soundeffekte wirken klassisch-charmant ohne aufdringlich zu werden.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • tolle audiovisuelle Präsentation
  • vergleichsweise anspruchsvolle Rundenkämpfe
  • bietet einige relativ frische, gute Ideen (Visor und Kampffelder)
  • bietet jetzt zwei Schwierigkeitsgrade

thumbs-up-icon

Cons
  • Minigames und der freischaltbare zweite Spieldurchlauf mit alternativen Protagonisten sind nicht mehr vorhanden
  • 10 Euro für 4 bis 5 Stunden Spielzeit sind etwas hoch gegriffen
  • die Story entwickelt sich nur schleichend weiter
  • das Bangen und Warten auf die nächsten Episode(n)

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