Yakuza Kiwami 2 und die gamifizierte Pinkelpause
Sich in einer Bar betrinken und anschließend Darts spielen, mit Fanliebling Goro Majima zum schiefen Karaoke-Trällern verabreden, ein paar Golf-Bälle schlagen oder sich als Fotograf von Gravure-Models betätigen – Yakuza Kiwami 2, das aufwendige und nun auch im Westen erscheinende Remake zum PlayStation 2 Original, wird seinem Ruf einmal mehr gerecht und bringt eine Fülle an neuen und alten Minispielen mit. Für mich gehören die mal kurzweiligen, mal zeitintensiven Nebenbeschäftigungen mit zur Faszination der Reihe und machen einen großen Teil der Zeit aus, die ich mit den Spielen verbringe. Entsprechend sieht meine Routine mit jedem neuen Teil auch stets gleich aus, denn sobald es mir das Spiel erlaubt, laufe ich erst einmal los, erkunde die Stadt, schaue mir an, was sich verändert hat und welche Minispiele es diesmal gibt.
In der Regel führt mich der Weg dabei stets erst einmal in die Sega-Arcade, dem virtuellen Nachbau der in Japan in jeder größeren Stadt vorhandenen Spielhallen. In vorherigen Iterationen der in seinem Heimatland als Ryu ga Gotoku (zu deutsch etwa Wie ein Drache) bekannten Reihe konnte man beispielsweise die Vollversion von OutRun und eine abgespeckte Variante des Rhythmus-Spiels Taiko no Tatsujin spiele oder auch das digitale Geld in die Ufo-Catcher genannten Greifarmautomaten schleudern. In Kiwami 2 fällt die Arcade-Auswahl hingegen etwas spärlich aus. Das bereits in Yakuza 6 vorhandene Virtua Fighter 2 ist erneut am Start, als Neuzugang gibt es den Mecha-Brawler Virtual On, der mich zunächst mit seiner konfusen Kamera abgeschreckt hat. Milde enttäuscht von der Auswahl, wollte ich schnell weiter ziehen und sehen, was die Welt von Kiwami 2 ansonsten für mich bereit hält, als ich auch schon vor einem NPC angesprochen und in ein Gespräch verwickelt wurde. Der nette Herr in Anzug lud mich zu einem Testspiel seiner neuesten Erfindung ein, zu der ich natürlich sofort einwilligte – und alsbald die virtuellen Hosen runterlassen musste.
Bei besagter Erfindung handelt es sich nämlich um Toylet, einer Mischung aus Urinal und Videospiel. Im Prinzip sieht das Urinal aus, wie jedes andere auf der Welt auch, nur eben mit dem Unterschied, das über ihm ein Bildschirm angebracht ist, auf welchem die unterschiedlichen Mikrospiele angezeigt werden. In Kiwami 2 gibt es zwei Spielvarianten, die man an dem Device spielen kann. In Splash Battle! Milk from the Nose fechtet man ein Duell gegen einen anderen Spieler aus, wobei stellvertretend für die Pinkler zwei Männchen dargestellt werden, die sich gegenseitig Milch aus der Nase entgegen schießen. Wie viel Milch sprudelt, hängt dabei von der jeweiligen Stärke des Urinstrahls ab. In dem obskur betitelten The Northern Wind, the Sun and Me pustet man hingegen als Wolke einer jungen Frau mit dem Ziel den Rock hoch, sie zu entblößen. Klingt wie eine vollkommen bescheuerte Idee, auf die nur die Entwickler von Yakuza kommen können? Jawohl! So bescheuert, das es das in der Realität nicht geben kann? Nein!
#Kiwami2 ist wieder voll von absurden Minispielen…https://t.co/ZMR13AqMpQ pic.twitter.com/IsLNorRWf8
— Adrian (@hype_me_not) 23. August 2018
Denn Toylet gibt es tatsächlich in japanischen Arcades von Sega und tatsächlich funktionieren sie genauso, wie sie in Kiwami 2 dargestellt werden. Ich selbst staunte nicht schlecht, als ich bei einem Japan-Besuch vor einigen Jahren zum ersten Mal mit Toylet konfrontiert wurde und irritiert wie fasziniert zugleich meinen Pinkelstrahl nutzte, um in besagtem The Northern Wind, the Sun and Me einen Rock zu liften.
Toylet, welches sich aus den beiden englischen Begriffen toy (Spiel) und toilet (Toilette) zusammensetzt, gibt es seit 2011 und wurde von Sega ausschließlich für den japanischen Markt entwickelt. Neben dem reinen Unterhaltungszweck, wurde das Gerät auch mit dem Hintergedanken entwickelt, das Gäste von öffentlichen Toiletten diese sauberer hinterlassen, wenn sie bei der Pinkelpause unterhalten werden.
Neben den beiden genannten und in Kiwami 2 verfügbaren Mikrospielen gibt es noch Manneken Pis, bei welcher die abgegebene Urinmenge gemessen wird, und Graffiti Eraser, bei dem man mittels Harnstrahl ein Graffiti entfernen muss. Wer will, kann seinen Score übrigens auf einem USB-Stick speichern und daheim hochladen, um sich in einer Liste mit anderen Pinklern zu vergleichen. Eine – trotz der ausnahmslos sauberen Toiletten in Japan – eher seltsame Vorstellung…
Sega ist übrigens nicht der einzig Hersteller von interaktiven Urinalen. Die britische Firma Captive Media patentierte 2011 etwa ein ähnliches System, welches in einigen britischen Bars anzufinden ist, die US-Firma Wizmark hingegen nutzt den Bildschirm über dem Urinal hingegen zum abspielen von Werbung und wirbt damit, den Ruf der Natur mit Entertainment zu verbinden. Eine biedere Auffassung von Unterhaltung. Da nutze ich meinen Harnstrahl dann doch lieber und entferne virtuelle Graffiti.