20 Jahre Resident Evil – ein Rück- und Ausblick
Meine erste Begegnung mit Resident Evil habe ich noch immer sehr lebhaft vor meinem geistigen Auge. Alles begann in den frühen 00er Jahren, als ich meinen ersten PC bekommen habe. Schon Wochen vorher habe ich im örtlichen Videospielladen die PC-Fassung von Capcom´s Survival-Horror Meilenstein gekauft. Oder sagen wir mal eher, ich habe mir das Spiel mit dem fetten roten Siegel irgendwie beim Verkäufer erschlichen. Denn dieser hätte mir den Titel eigentlich noch gar nicht verkaufen dürfen, denn meine Volljährigkeit lag noch einige Jahre in der Zukunft.
Tage später habe ich Resident Evil also das erste Mal eingelegt und nach der Installation gestartet. Viel weiter, als über das Intro hinaus, bin ich aber nicht gekommen. Dieses, gepaart mit dem stürmischen Herbstwetter außerhalb meines Kinderzimmers, hat nämlich schon gereicht und mir meine Hose beinahe eingenässt.
Und was macht man als kleiner Schisser, der trotzdem das Objekt seiner Begierde zocken will? Klar, man holt sich einen Kumpel an die Seite und macht auf ganz hart. Einige Nachmittage später lief schließlich der Abspann über den Röhrenmonitor und mein erstes Resident Evil war gemeistert. Seitdem hat mich die Reihe nie wieder los gelassen. Sicherlich gibt es weitaus enthusiastischere Fans, dennoch hat mich diese einprägsame Erfahrung stets mit der Reihe verbunden – und tut dies auch noch heute. Warum ich euch diese Episode aus meinem Leben erzähle? Ganz einfach, denn dieser Tage feiert Resident Evil seinen 20. Geburtstag. Grund genug, das wir noch einmal in Erinnerungen schwelgen.
Cyborgs und Ego-Perspektive in Resident Evil? Was?!?
Resident Evil feierte seinen Release am 22. März 1996 in Japan als Biohazard auf der noch jungen PlayStation. Bis dahin war Publisher Capcom vor allem für seine Beat ´em Ups (Street Fighter, Final Fight), knüppelschweren Plattformer (MegaMan, Ghouls ’n Ghosts) und, was heute gerne vergessen wird, Spiele mit Disney Lizenz (Aladdin, DuckTales) bekannt. Mit Resident Evil betrat man in vielerlei Hinsicht Neuland. Explizite Horrorspiele mit Zombies und mutierten Menschen gab es Mitte der 90er Jahre kaum und die Vermischung von Adventure- und Actionelementen war ebenso ein Novum. Als Director beauftragte das Unternehmen den noch jungen Shinji Mikami. Ursprünglich sollte dieser ein loses Remake des NES-Spiels Sweet Home von 1989 entwickeln. Und tatsächlich sind die Parallelen zwischen beiden Titeln kaum von der Hand zu weisen, wobei die stärksten gemeinsamen Nenner das Haunted House Setting und die Rätsellastigkeit des Spieldesigns sind.
Zunächst arbeitete Mikami für rund sechs Monate alleine an dem späteren Millionenseller und entwarf unter anderem weite Teile des Skripts, entwickelte viele der Figuren und die grundlegende Ausrichtung des Spieldesigns. Während viele der frühen Ideen in der finalen Entwicklung aufgegriffen und umgesetzt wurden, sind andere Konzeptionen früher oder später verworfen worden. Dazu gehören unter anderem ein lokaler Koop-Modus, die Ego-Perspektive und ein Cyborg Charakter (!!!). Letzterer wurde letztlich durch Barry Burton ersetzt.
Etwas vollkommen neues…fast
Mikami und seine Kollegen schafften es auf grandiose Art und Weise ihre Inspirationen, bewährte Mechaniken und neue Elemente zusammenzufassen. Andernfalls wäre Resident Evil wohl auch niemals der einschlagende Erfolg gewesen, der er war. Während man mit vielen Inspirationsquellen von Anfang an offen umging, so wurde das vielleicht offensichtlichste Vorbild lange Zeit totgeschwiegen: Alone in the Dark. Erst 2014 gab Mikami, mittlerweile schon lange nicht mehr bei Capcom angestellt, zu, dass das gruselige Adventure von Frédérick Raynal einen wichtigen Einfluss auf Resident Evil hatte. Ehre, wem Ehre gebührt.
Die meisten Spieler und Kritiker hielten solche Nebenschauplätze aber kaum auf. Als Resident Evil erschien, schlug es ein wie eine Bombe. In Japan, Nordamerika und Europa avancierte der Titel zu einen der ersten Kassenschlager der PlayStation und etablierte quasi über Nacht das Survival Horror Genre und legte viele noch heute gültige Mechaniken fest. Dazu gehören die nicht immer logischen Rätsel, die Neigung der NPCs alles, aber auch wirklich ALLES, in Tagebüchern und Notizheften niederzuschreiben, die Wichtigkeit des Items richtig zu verwalten.
Bis heute hat das PlayStation Original und das GameCube Remake von 2002 über 11. Millionen Exemplare weltweit verkaufen können! Kein Wunder, das schon bald etliche Fortsetzungen und Spin-Offs folgen sollten. Resident Evil ist heute eine der profitabelsten Videospielmarken und auch in anderen Medien, wie Filmen und Comics, vertreten. Diese Entwicklung mag logisch gewesen sein, für die Reihe selbst war sie aber vielleicht nicht unbedingt die beste.
Was bringt die Zukunft?
Was der Reihe mittlerweile abhanden gekommen ist, ist die Fähigkeit sich der Zeit anzupassen und ein eigenes Statement zu setzen. Zwar funktionierte die direkte Fortsetzung mit ihrer Formel more of the same auf ebenso einprägsame, wie grandiose Weise. Doch alle anderen „klassischen“ Resis fehlten die eigenen Ideen – und das sage ich als jemand, für den das Spin-Off Resident Evil: Code Veronica zum Lieblingsteil der Reihe gehört. Die Tatsache, das Shinji Mikami den vorzeitigen Untergang mit Resident Evil 4 abwenden konnte und ganz nebenbei die Blaupause für moderne Third-Person Actionspiele vorgelegt hat, war wohl ein Glücksfall, der sich so vielleicht nicht mehr wiederholen lässt. Und obwohl der vierte Hauptteil ohne Zweifel ein bedeutsamer Klassiker ist und viel für das Franchise, aber auch Videospiele im Allgemeinen geleistet hat, so markiert er doch den Anfang vom Ende. Und das obwohl sich Capcom mit den Teilen 5 und 6 recht viel Zeit gelassen und von der beinahe jährlichen Veröffentlichungswelle der späten 90er Jahre Abschied genommen hat.
Wie geht es also weiter? Aktuell besänftigt das japanische Unternehmen seine Fans mit (sehr guten) HD-Neuauflagen der GameCube Teile und den ebenfalls spielenswerten Revelations Ablegern. Im Laufe des Jahres wird es für die aktuellen Konsolen von Sony und Microsoft außerdem noch Portierungen der Teile 4, 5 und 6 geben. Positiv anzumerken ist außerdem, das offensichtlich ein Umdenken bei Capcom stattgefunden hat. Mit Teil 7, der nach wie vor nicht offiziell angekündigt wurde, dessen Existenz aber wohl niemand bestreiten würde, lässt man sich viel Zeit. Und glaubt man den Stimmen der mittlerweile mit dem Franchise vertrauten Produzenten, so scheint man sich auch endlich der Kritik der Fans annehmen zu wollen und die Serie wieder hin zu ihren Wurzeln ausrichten zu wollen. Doch es wäre nicht das erste Mal, das man uns mit solchen Versprechungen lockt.
Doch wie auch immer es mit der Reihe weiter geht, eines steht fest: Resident Evil ist in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein und hat das Medium um einige Facetten bereichert. Auch wenn das PlayStation Original und seine späteren Portierungen für den Sega Saturn, PC etc. mittlerweile in die Jahre gekommen ist, so lohnt ein Ausflug in die Spencer Mansion noch immer. Und wenn man den Polygon-Look von 1996 wirklich nicht mehr erträgt, dann winkt ja noch immer das ebenso gute Remake.