White Night REVIEW
Film Noir meets Survival-Horror: White Night ist der Debut-Titel des französischen Entwicklers OSome Studio. Das Spiel wurde Anfang März 2015 als Download-Titel für diverse Plattformen veröffentlicht und versucht die Ästhetik des Film Noir mit dem klassischen Survival Horror-Spielkonzepten der 90er Jahre zu kreuzen. Darüber hinaus folgt White Night dem Schwarz-Weiß-Trend, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits von anderen Spielen wie Limbo oder Betrayer umgesetzt wurde. White Night geht dabei aber einen etwas anderen Weg und präsentiert sich im optischen Stil eines Comicbuchs. Ob die kreative Mischung aus Noir-Comic und Retro-Survival-Horror aufgeht oder nicht, soll folgendes Review klären.
Eingesperrt im Geisterhaus
White Night versetzt uns ins Boston des Jahres 1938. Die USA leidet immer noch unter der Weltwirtschaftskrise, welche neun Jahre zuvor ihren Anfang nahm. Hunger und Obdachlosigkeit sind die größten Feinde des einfachen Bürgers. Der zunächst namenlose Protagonist bekommt diese Nacht jedoch noch einen weitaus tödlicheren Feind aufgebürdet. Nach einem Autounfall, der durch eine mysteriöse Frau auf der Fahrbahn ausgelöst wurde, sieht sich der Fedora-Träger gezwungen Unterschlupf im finsteren Herrenhaus der Venter-Cross-Familie zu suchen. Doch statt ärztliche Hilfe für seinen geschundenen Körper zu finden, muss sich der arme Tropf unverhofft gegen die üblen Geisterwesen der verblichenen Hausherrin durchsetzen. Selbstverständlich verrammelten die Haustüren, als er das ungemütliche Gebäude betrat, was ihn dazu zwingt einen anderen Ausweg zu suchen. Doch die ursprüngliche Motivation der Flucht wandelt sich mit der Zeit in den tiefen Wunsch die mysteriöse Jazz-Sängerin Selena zu erlösen, deren hell strahlender Geist im düsteren Herrenhaus gefangen scheint. Und dann sind da noch die ganzen Dokumente, welche über den Verfall der Venter-Cross-Familie aufklären. Es stellt sich recht bald heraus, dass der jüngste Spross dieser Sippe ein berüchtigter Frauenmörder ist. Freilich wäre es nicht ratsam vor Ort zu sein, wenn der Hausbesitzer heimkehrt. Wird es dem Protagonisten gelingen Selena zu helfen und rechtzeitig aus dieser Todesfalle zu entkommen?
Die Handlung ist recht spannend und motiviert durchaus dazu weiterzuspielen. Die zahlreichen Dokumente geben mit der Zeit immer tiefere Einblicke in die düsteren Geheimnisse der Venter-Cross-Familie sowie der mysteriösen Selena und bilden quantitativ fast schon den Umfang eines kleinen Buchs. Freilich wird man die Story auch ohne das Wälzen dieser Dokumentenflut verstehen, doch beraubt man sich damit eines großen Teils der Geschichte und Faszination. Als besonders gelungen empfand ich den Wandel der Handlung. Von einer typischen „Ich muss hier raus“-Ausgangslage, wird der Fokus plötzlich auf eine fast schon klassische Rettungsaktion für eine Dame in Not gelegt. Das typische Opfer eines Geisterhauses, steigert sich also zu einem Helden, der weniger versucht sich selbst zu retten, als viel mehr einer dritten Person zu helfen. Dies wirkt in diesem Szenario doch angenehm erfrischend und natürlich bietet das Spiel eins, zwei nette Wendungen zum Schluss. Interessant ist weiterhin, dass die Handlung immer wieder Bezug zum Hintergrundsetting der Weltwirtschaftskrise nimmt. Fast nimmt man an, das Spiel möchte einem zwischen den Zeilen erklären, dass der wahre Schrecken keine bösen Geister, sondern menschliche Misswirtschaft sind. Ein netter Ansatz, der jedoch nicht darüber hinwegtäuscht, dass White Night leider nicht ganz so gruselig ist, wie manch einer erhofft. Es gibt halt nur einen Gegnertyp im Spiel und dieser wirkt mit der Zeit eher nervig statt angsteinflößend. Jump Scares und dergleichen sucht man ebenfalls vergebens und auch die Comic-hafte Schwarz-Weiß-Grafik schwächt gewisse Horror-Aspekte wie etwa Blutspuren sehr stark ab. Wer nach Hau-Ruck-Horror sucht, liegt hier also falsch. Die künstlerischen Aspekte von White Night wiegen da einfach schwerer.
Das Spiel mit der Dunkelheit
Der Grundaufbau des Spielschemas ähnelt klassischen Survival-Horror-Titeln wie Alone in the Dark oder Resident Evil. Man erkundet das Herrenhaus aus festen Kameraperspektiven, was manchmal für Verwirrung sorgt, wenn das Spielgeschehen urplötzlich aus einer neuen Perspektive dargestellt wird. Dies kann vor allem in jenen Momenten problematisch werden, in denen man an Geistern vorbei schleicht oder gar flüchten muss. Glücklicherweise bleibt man jedoch vor der lästigen Tank-Steuerung verschont. Die Spielfigur dreht sich also nicht umständlich um die eigene Achse, sondern läuft direkt in die angegebene Richtung. Alles in allem leistet die Steuerung also ihren Dienst. Wie gesagt richtet sich die Grundstruktur des Spiels aber sehr stark an Retro-Titel der PSX-Ära. Dementsprechend fühlt sich die Steuerung, sowie die allgemeine Übersicht dezent unangenehm an. Da hilft dann auch die Tastenkonfiguration nicht weiter. Der Controller-Support unterstützt darüber hinaus keine Geräte von Drittherstellern.
Die primäre Aufgabe lautet darin das Herrenhaus zu erkunden, kleinere Rätsel zu lösen und Geister zu umgehen oder im Idealfall mit elektrischen Licht zu beseitigen, um somit neue Wege zu erschließen. Ist kein rettender Lichtschalter oder eine Lampe in der Nähe, ist man den Geistern jedoch hilflos ausgeliefert, denn es gibt keine Waffen im Spiel. Das wichtigste Spielelement ist wohl der Umgang mit der Dunkelheit. In dunkeln Räumen sieht man wirklich gar nichts und kann auch nicht mit der Umgebung interagieren. Selbst dann nicht, wenn man direkt vorm Hotspot steht und die Aktionstaste betätigt. Hier helfen nur Streichhölzer weiter, die zumindest für kurze Zeit wertvolles Licht spenden. Dummerweise darf man nur bis zu 12 Stück von denen mit sich führen, außerdem ist die Gesamtanzahl der Streichhölzer, die man im Spiel findet begrenzt. Es gilt also entsprechendes Ressourcenmanagement zu betreiben, damit man nicht irgendwann wortwörtlich im dunkeln steht. Freilich wird hierdurch auch Druck aufgebaut, denn im Ernstfall kann man sich in der Tat in eine dauerhafte Sackgasse manövrieren. Natürlich soll dadurch wohl auch der Gruselaspekt gesteigert werden.
Weitaus weniger gruselig sind hingegen die Rätsel. In erster Linie sind simple Itemrätsel zu absolvieren. Hier eine Schallplatte in den Plattenspieler einlegen, dort eine Truhe mit einem Schlüssel öffnen oder auch mal ein Kabel einstöpseln, damit man eine Lampe anknipsen kann. Gegen Ende tauchen dann noch ein paar Schalter-, Ventil-, und Symbolrätsel auf. Mit Ausnahme des finalen Rätsels lässt sich das Spiel aber sehr gut aus eigener Kraft lösen. Dummerweise ist das Abschlussrätsel etwas arg kryptisch ausgefallen und wird wohl höchstwahrscheinlich den Blick in eine Komplettlösung provozieren. Das liegt auch daran, weil es zwischen diesem Rätsel und den vorherigen Speicherpunkt eine lästige Actionpassage gibt, wo man an zahlreichen Geistern vorbeirennen muss – kein Spielabschnitt, den man gerne mehr als einmal absolviert. Und ja, man kann nur an Speicherpunkten sichern, und das auch nur in einem einzigen Saveslot, welcher verloren geht, wenn man ein neues Spiel beginnen möchte. Speicherpunkte werden in Form von Sesseln dargeboten, die aber nur genutzt werden können, wenn die Umgebung beleuchtet ist.
Wird man von einem Geist entdeckt, sollte man schleunigst abhauen, denn bei Körperkontakt mit der Schreckschraube heißt es Game Over. Glücklicherweise ist die Sicht der Geister bemitleidenswert gering. Solange man ihnen nicht zu nahe kommt, ist man also auf der sicheren Seite. Leider sind einige Räume und Flure so klein bzw. eng, dass es gar nicht so leicht ist immer auf Abstand zu bleiben. Besonders schlimm ist jene Stelle, wo man gezwungen ist durch zwei Räume mit mindestens acht Geistern durchzulaufen. Da bin ich unzählige male draufgegangen. Derart frustrierende Stellen hätte es echt nicht gebraucht. Wenigstens verlieren die Geister sehr schnell die Lust an der Hetzjagd und kehren recht bald zu ihren Standpunkten oder Laufrouten zurück. Außerdem kann man sie austricksen, indem man das Streichholz löscht. In totaler Finsternis können die Geister Mr. Fedora nämlich überhaupt nicht erspähen. Dummerweise erleidet der Protagonist Panikattacken in der Dunkelheit. Lässt man ihn zu lange in der Finsternis versauern, erleidet er einen tödlichen Herzinfarkt. Man sollte also wirklich zusehen, dass man immer ein paar Streichhölzer parat hat.
Wer keine Angst im Dunkeln hat, darf sich übrigens auf ca. 7-8 Stunden Spielspaß freuen (vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit die Dokumente durchzulesen). Eine sehr solide Spieldauer für ein klassisch-geprägtes Survival-Horror-Spiel.
Grafik und Sound
Es wurde im bisherigen Text ja bereits angesprochen: Der Clou in White Night ist die ästhetische Schwarz-Weiß-Comic-Grafik, welche dem Spiel zu einem unverwechselbaren Look verhilft. Darüber hinaus greift freilich auch das Wechselspiel mit der Dunkelheit und der spärlichen Beleuchtung tief in die Präsentation und das Gameplay hinein. Man muss sich freilich darauf einlassen können, um das Meiste aus der grafischen Präsentation herausziehen zu können. Es handelt sich jedenfalls nicht um ein Spiel, welches Grafikfetischisten beeindrucken wird. Wer künstlerischen Anspruch sucht liegt hingegen goldrichtig. Was den Horror-Aspekt anbelangt, so zielt der Grafikstil eher darauf ab die Fantasie des Spielers anzuregen. Sind die Flecken auf dem Boden nun Blut oder einfach nur Dreck? Stammt der abgetrennte Arm von einer Puppe oder nicht doch von einem Menschen? Der Grundgedanke hierbei ist wohl jener, dass das, was man nicht direkt sieht unheimlicher ist, als das, was man direkt vors Gesicht geknallt bekommt.
Der Soundtrack ist nur spärlich gesät, fügt sich dafür aber hervorragend in die jeweilige Situation ein. Trotz einiger schummriger Melodien glänzt White Night aber eher mit den untypischen Stücken, wo man dem melancholischen Gesang einer Jazz-Sängerin beiwohnt oder einem hoffnungsvollen Piano-Stück lauscht. Das Spiel zeigt sich auch in dieser Hinsicht von seiner künstlerischen Seite.
Auch die Sprachausgabe wird nur sporadisch eingesetzt. Hauptsächlich besteht diese aus den Monologen des Protagonisten, welche zwischen den Kapitelübergängen oder bestimmten Zwischensequenzen vorgetragen werden. Der Sprecher leistet dabei sehr gute Arbeit. Es wäre jedoch freilich auch sehr schön gewesen, wenn die ganzen Tagebucheinträge und Notizen im Spiel vorgelesen worden wären. So wie schon anno dazumal im allerersten Alone in the Dark.