Valkyria Chronicles 4 REVIEW

Krieg in Videospielen dient vor allem als Rahmen für einen Abenteuerspielplatz. Viel Zeit für eine ernsthafte Auseinandersetzung bleibt im Trudel der brachialen Actionfeuerwerke da nicht. Kurze Momente, in denen etwa die Vernichtung der europäischen Juden (Call of Duty: WWII.) oder das Schicksal der Soldaten in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges (Battlefield 1) angeschnitten wird, wirken wie nett gemeinte Bemühungen, so weit, wie es Filme und Bücher schon lange tun, gehen Videospiele diesbezüglich aber nie.

Selbst die wenigen Leuchttürme des Mediums, die dem nahekommen, was man mit viel Wohlwollen als Antikriegsspiel bezeichnen könnte, müssen sich letztlich mit der Wirklichkeit abfinden, dass die wenigsten über fünf, fünfzehn oder gar fünfzig Stunden das Leid und die Schrecken von Krieg erfahren wollen, weshalb auch Werke wie das stets in der Diskussion herangezogene Spec Ops: The Line oder auch This War of Mine Eingeständnisse eingehen und eine dennoch unterhaltsame Spielerfahrung offerieren müssen. Mit dem dieser Tage für die aktuellen Konsolen und den PC erscheinenden Valkyria Chronicles 4 gibt es wieder so ein Spiel, welches den Spagat versucht und die Schrecken des Krieges zumindest in Ansätzen erfahrbar machen will.

Fiktion trifft auf Realität


Valkyria Chronicles 4 spielt, wie seine Vorgänger, in einer alternativen Variante von Europa des Jahres 1935. Es tobt ein großer Krieg, in dessen Konflikt das oppressive Imperium aus dem Osten gegen einen Staatenbund der westlichen Länder Europas vorgeht und die Herrschaft über den Kontinent erlangen will. Ein kurzer Blick ins Spiel genügt, um zu wissen, welche historische Epoche sich die Entwickler von Sega zum Vorbild genommen haben. Und tatsächlich werden immer wieder sehr deutliche Bezüge auf den Zweiten Weltkrieg genommen und diese in die Handlung verwoben.

Neben der realen Ebene existiert aber auch ein fiktionaler Unterbau, der sich maßgeblich um die titelgebenden Valkyren dreht. Diese mächtigen, aber seit vielen Jahrhunderten als ausgestorben geltenden Wesen werden durch Experimente des Imperiums in die Jetzt-Zeit geholt und als Massenvernichtungswaffe missbraucht. Zunächst spielen die Valkyren aber gar keine Rolle für die Geschichte. Stattdessen dreht sich in der ersten Spielhälfte nahezu alles um die Truppe E, einem Platoon der westlichen Armee. Angeführt wird Truppe E vom charismatischen Claude Wallace, einige seiner Freunde aus Kindheitstagen sind ebenfalls in derselben Gruppe stationiert und bilden das Beziehungsgeflecht. Das Leben an der Front, die Konfrontation mit dem Krieg und seine Schrecken, Romanzen untereinander, aber auch Ängste und der banale Alltag stehen im Fokus der Narration und nehmen einen zentralen Anker für die Handlung.

Holprige Erzählweise, sympathische Figuren


Wie wichtig die Geschichte für die Entwickler ist, zeigt sich in der Gewichtung zwischen Narration und Gameplay. Narrative Szenen nehmen locker die Hälfte der Spielzeit ein, während die eigentlich spielerischen Abschnitte sich in einzelne Missionen unterteilen, die wiederum noch einmal in Haupt- und Nebenmissionen separiert sind. Die Inszenierung der Handlung erfolgt überwiegend in simpel animierten Dialogfenstern (Stichwort Visual Novel), selten gibt es auch mal hübsch gemachte Videosequenzen zu sehen. Regelrecht aus der Zeit gefallen wirkt die narrative Struktur. Die Handlung wird nämlich nicht am Stück erzählt, sondern unterteilt sich pro Kapitel in eine Handvoll Szenen, die eine Laufzeit von zwei bis fünf Minuten aufweisen. Dadurch wirkt der erzählerische Rahmen recht holprig, wer Valkyria Chronicles 4 auf der Nintendo Switch unterwegs spielt und sich so kurze Portionen abholt, mag das vielleicht anders sehen.

Die Geschichte selbst erweist sich als recht spannungsarm und konnte mich selten mitreißen. Die Wendungen, die stattfinden, kann man schon lange im Voraus erahnen und auch das im Erstling noch so gute Worldbuilding will hier nicht so recht seine Faszination entfalten. Spätestens wenn die Valkyren Einzug halten, wirkt die Geschichte erschreckend ziellos. Überhaupt wirken die fantastischen Elemente wie ein Klotz am Bein des eigentlich interessanten Settings. Dass ich dennoch keine der manchmal zäh daher kommenden Storyszenen übersprungen habe, ist letztlich den Figuren zu geschuldet, die zumindest mir sehr schnell ans Herz gewachsen sind. Teilweise entsprechen diese zwar arg jenen Stereotypen, denen man häufig in japanischen Spielen oder auch Anime begegnet, teilweise werden Klischees aber auch konterkariert.

Erwachsen und kindisch zugleich


Stellenweise gibt sich Valkyria Chronicles 4 gar erstaunlich progressiv. Dass Männer und Frauen selbstverständlich Seite an Seite in einem Platoon kämpfen, ist in der Spielwelt vollkommen normal. Bemerkenswert ist stellenweise auch der Umgang mit dem Thema Krieg. Recht früh fällt Truppe E in eine zum Imperium gehörenden Stadt ein. Die Perspektive hat sich also gedreht und die Kämpfer für das „Gute“ sehen sich plötzlich selbst in der Rolle der Invasoren, was in der Bevölkerung teilweise auch so aufgenommen wird. Wenig später wird man außerhalb der besagten Stadt mit einem am Galgen hängenden Bewohner konfrontiert, der von imperialen Truppen ermordet und als Exempel vor die Stadtmauern gehängt wurde, da er Claude mit Claude und seinen Freunden zuvor kooperiert hat.

Solche Momente haben es teilweise ziemlich in sich und zeigen, dass Krieg mehr als ein Setting für die Entwickler ist. Leider wird der immer wieder ernste Tonfall aber mit Quatsch und Albernheiten gebrochen. Juvenile Arschgrabschjokes, kitschige Liebesschnulzen und pathetische Heldenmomente kann sich das Spiel nämlich nicht verkneifen. Vollkommen absurd wird es, wenn sich Truppe E mit einer anderen Gruppe der westlichen Armee in einer belagerten Stadt um Vorräte streitet und den örtlichen Marktplatz kurzerhand für ein Scharmützel unter Kameraden missbraucht, in welchem man sogar mit Panzern durch die engen Gassen rollt.

Die Mischung macht´s


Wesentlich viel runder, als das erzählerische Gerüst, ist das spielerische Gerüst. Valkyria Chronicles 4 ist taktische Rundenstrategie mit Third-Person-Elementen. Pro Runde besitzt man eine begrenzte Anzahl an Aktionspunkten, sind diese verbraucht, ist der Gegner am Zug, bis er seine Aktionspunkte verbraucht hat. Die eigene Phase unterteilt sich in zwei Modi. Im Kommando-Modus kann man verschiedene Befehle wie Artillerieschläge oder zur Hilfe eilende Sanitäter erteilen, man sieht die komplette Map und man wählt einen Soldaten aus den eigenen Reihen aus. Hat man Letzteres getan, wechselt die Ansicht in den Action-Modus, in welchem man wiederum die jeweilige Figur direkt steuert und über das Feld bewegt. Dabei hat man aber nur eine begrenzte Anzahl an Ausdauer, die sich mit jedem Schritt verringert und pro Zug lässt sich auch nur eine Aktion (Angriff, Selbstheilung etc.) durchführen. Welche Kämpfer man mit in die Schlacht nimmt, wird vor jeder Mission festgelegt. Sinnig ist in der Regel ein ausgewogenes Team. Shocktrooper sind mit ihren Maschinengewehren im Nahkampf mächtig, während Scharfschützen Gegner aus sicherer Entfernung heraus ausschalten. Ingenieure hingegen reparieren Panzer und versorgen die Verbündeten mit Munition, während Lanciere als Panzerabwehr fungieren. Neu sind die Grenadiere, die mit mobilen Mörsern ebenfalls mächtig Schaden bei gegnerischen Soldaten und Panzern anrichten.

Die Missionsstruktur ist angenehm abwechslungsreich. Oftmals reicht es zwar aus, das gegnerische Hauptlager einzunehmen, um den Sieg davonzutragen, meist werden an den Sieg aber noch verschiedene Bedingungen geknüpft. Mal dürfen etwa bestimmte Figuren nicht sterben, mal muss man innerhalb einer vorgegebenen Anzahl an Runden erfolgreich sein. Auch gibt es Missionen, in denen man vor Verfolgern fliehen oder jemanden an einen bestimmten Punkt eskortieren muss. Gerade die Storygefechte können dabei mitunter recht lang ausfallen, vor allem im letzten Drittel des Spiels. Darüber hinaus gibt es noch Scharmützel, in denen man auf abgeschlossene Karten zurückkehrt und neue Herausforderungen zu erledigen hat, sowie Sidestories, in denen man mehr über die Charaktere erfährt und in der Regel ebenfalls eine kleine Mission spielen kann.

Du merkst es vielleicht nicht, aber ich schieße gleich auf dich


Im Vergleich zu den Vorgängern fallen die Karten in Valkyria Chronicles 4 deutlich größer aus und visuell auch abwechslungsreicher gestaltet worden. Wo sich hingegen leider nichts getan hat, ist die KI der Gegner. Gerade auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad können die Imperialen zwar ziemlich fordernd sein, insgesamt verhalten sich die Gegner aber dennoch ziemlich doof. So merken sie es häufig etwa nicht, wenn man von hinten auf sie zuläuft und sie aus nächster Nähe über den Haufen schießt. Auch wenn in der gegnerischen Phase die jeweiligen Züge ausgewürfelt werden, machen die feindlichen Kräfte stellenweise ziemlichen Unfug und laufen kopflos durch die Gegend, ohne eine merklich sinnige Aktion durchzuführen.

Valkyria Chronciles 1.5?


Schon im vor rund zehn Jahren erschienenen Erstling agierte die KI ähnlich doof und auch an anderer Stelle werde ich das Gefühl nicht los, das Sega vergleichsweise wenig Aufwand betrieben hat. Die bekannte Grafikengine kommt erneut zum Einsatz, die Steuerung von Panzern ist immer noch fummelig, immer wieder hängt man an Objekten oder unsichtbaren Wänden fest, außerdem wurden Assets und Sound wiederverwertet. Das ist per se nicht alles schlimm, dennoch hätte ich mir etwas mehr Polish gewünscht. Denn gerade die Grafik hat sich dank ihres unverwechselbaren Stil erstaunlich gut gehalten und sorgt stellenweise für richtig schöne Momente.

Ich habe die mir vorliegende Nintendo Switch Version übrigens zum überwiegenden Teil im Handheld-Modus gespielt. Die Performance war die meiste Zeit über sauber, auch wenn das Spiel in manchen Momenten zu Rucklern neigte. Ein kleiner Wermutstropfen: während die PlayStation 4 und Xbox One Versionen die englische und japanische Vertonung auf der Disc haben, wird die japanische Lokalisation auf der Switch via kostenlosen DLC bei Release nachgereicht.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
80
80
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Valkyria Chronicles 4 ist eine rundum gelungene Fortsetzung geworden, die vor allem in spielerischer Hinsicht an alte Stärken anschließt und die bekannten Mechaniken durch zwar überschaubare, aber sinnige Neuerungen ergänzt. Gerade in den hohen Schwierigkeitsregionen werden Taktiker gefordert, leider überzeugt die KI nicht sonderlich und fällt durch teils ziemlich doofe Aktionen eher negativ auf. Auf erzählerischer Ebene überzeugt mich der vierte Teil der Reihe diesmal nur bedingt. Die eigentliche Geschichte ist wenig spektakulär und erinnert zu sehr an die Vorgänger, immerhin kann der sympathische Cast um Claude Wallace und seinen Truppe E aber bei Laune halten. Wenn man die Vorgänger noch nicht gespielt hat, kann man eigentlich auch erstmal mit dem ersten Teil einsteigen, der mittlerweile ebenfalls für aktuelle Konsolen und PC erschienen ist und Valkyria Chronicles 4 nach hinten schieben. Fans hingegen werden am neuesten Teil trotz genannter Makel dennoch ihre Freude haben.

- Von  Adrian

Playstation 4
Xbox One
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