Tormentum – Dark Sorrow REVIEW
Tormentum – Dark Sorrow ist bis dato das bekannteste Spiel des polnischen Indie-Entwicklers OhNoo Studio. Wie schon bei den vorherigen Produktionen, welche ausschließlich für den Mobile-Markt veröffentlicht wurden, handelt es sich bei Tormentum um ein Point & Click Adventure. Mit diesem Spiel konnte man jedoch erstmals größere Wellen schlagen. Dank der gruselig-surrealen Artworks, die stark von den Werken H.R. Giger and Zdzisław Beksiński inspiriert sind, konnte man bei den Fans einige Aufmerksamkeit erregen. Es folgte sogar ein Sprung auf die Crowdfunding-Plattform Indiegogo (sowas ähnliche wie Kickstarter), wo das erwünschte Spendengeld in Höhe von 9.000 $ mit 11.538 $ locker erzielt werden konnte. Das fertige Produkt wurde dann am 04. März 2015 auf Steam veröffentlicht, wo es dieser Tage für aufgerundet 12 Euro verkauft wird. Ob Dark Sorrow der hohen künstlerischen Erwartungshaltung gerecht wird und darüber hinaus auch als Spiel an sich taugt oder nicht, soll folgendes Review klären.
Du sollst nicht töten
Man findet sich in der Rolle einer zwielichtigen Gestalt wieder, die zu Spielbeginn mithilfe eines gruseligen Zeppelin zu einem unheilvollen Schloss deportiert wird. Besagtes Schloss dient als abartiger Folterkerker, in dem verkommene Sünder bis in alle Ewigkeit grausame Folterstrafen über sich ergehen lassen müssen. Klischeebedingt leidet der namenlose Protagonist unter Gedächtnisverlust. Er weiß nicht wer er ist, warum er in diese fremde Welt verfrachtet wurde und was er getan haben soll, was es rechtfertigt, an diesem schrecklichen Ort zu landen. Das Einzige an das er sich erinnert ist die Statue einer mysteriösen Göttin, die vielleicht der Schlüssel zu seinen verlorenen Erinnerungen darstellt. Folglich geht es darum aus dem finsteren Gemäuer zu entkommen und anschließend die Pilgerreise zur Statue anzutreten, um das verlorene Gedächtnis zurückzuerlangen, Erlösung zu finden oder was auch immer. Doch bis zum Ziel gilt es viele unangenehme Entscheidungen zu treffen, die darüber bestimmen, ob sich der Protagonist als guter Junge oder grausamer Mistkerl entpuppt.
Das Problem an diesen Entscheidungen ist nur, dass sie auf strengen religiösen Grundsätzen fußen, die wohl sehr stark an die Lehren der katholischen Kirche angelehnt sind. In der Regel ist es offensichtlich, welche der beiden jeweiligen Entscheidungsmöglichkeiten die Gute bzw. Böse ist. Der Haken ist jedoch, dass die „gute“ Entscheidung nicht immer die Logische oder Befriedigende darstellt. So besteht die erste Entscheidung darin einen der Folterknechte des Schlosses entweder abzulenken oder direkt zu beseitigen – und zwar während er gerade dabei ist seine „Arbeit“ durchzuführen. Da hat man freilich das Verlangen den Mistkerl zu töten, damit er niemanden mehr quälen kann. Das ist aus Sicht des Storywriters jedoch die falsche Denkweise und somit die „böse“ Entscheidung. Das Spiel verlangt also eine strenge Schwarz-Weiß-Denkweise, setzt den Spieler jedoch vor Situationen, die eben solch eine Denkweise ad absurdum führen.
Unterm Strich möchte die Handlung katholisch-christliche Werte propagieren. „Du sollst nicht töten“ ist dabei wohl die Haupt-Moral, die vermittelt werden soll. Das das echte Leben aber nun einmal nicht so simpel gestrickt ist, wie es diese Moral glauben lässt, wird im Spiel zwar thematisiert, aber eben nicht als Entschuldigung gelten gelassen. Außerdem verfängt sich die Handlung in einer ärgerlichen Doppelmoral. So wird der Wert von Lebewesen mit zweierlei Maß bemessen. Während intelligente Lebensformen zu schonen sind, egal wie verkommen sie sein mögen, dürfen tierische Lebewesen munter vergiftet, aufgespießt und verstümmelt werden, um zum Ziel zu gelangen – und das obwohl die tierischen Lebensformen lediglich ihren eigenen Lebensraum bewachen und noch nicht mal offensiv agieren. Wie war noch mal die Moral? Du sollst nicht töten?
Es versteht sich also von selbst, dass sich einige Spieler am Grundgedanken der Handlung stören dürften. Wenn überhaupt, vermittelt mir Tormentum viel eher die Gründe, warum das Gedankengut fundamentaler Glaubenseinrichtungen hoffnungslos veraltet ist. Nichtsdestotrotz ist das für mich aber kein Aspekt, der mir das Spiel verdirbt. Andere Spieler werden dies freilich anders sehen.
Viel ärgerlicher finde ich da, dass das Spiel zum Ende die gruselig-abstrakte Spielwelt und deren geschichtlichen Ereignisse sowie Geheimnisse für die Charakterentwicklung des Protagonisten opfert. Was genau ich damit meine, kann ich nicht näher erläutern, da ich dadurch zu viel spoilern würde. Aber diejenigen, die das Spiel durchgespielt haben, werden wissen was ich meine.
Und dennoch möchte ich der Handlung ein großes Lob aussprechen. Denn wenn sie eines geschafft hat, dann ist es die Spieler ernsthaft zum Nachdenken anzuregen und über eigene Werte und Moralvorstellungen nachzugrübeln. Und wie viele Spiele, Filme oder Bücher schaffen so etwas heutzutage denn noch?
Einsteigerfreundlich und zeitschonend
Wie im Genre üblich, klickt man sich mit der Maus durch diverse Screens, um Gegenstände einzusammeln. Diese wollen natürlich andernorts sinnvoll eingesetzt werden, um Hindernisse und sonstige Problemstellungen zu beseitigen. Ab und zu trifft man auch mal auf NPCs, mit denen man Dialoge führen soll und immer wieder stößt man auf abwechslungsreiche Apparatur-Rätsel. Bei diesen müssen dann Zahnräder angeordnet werden, um einen Mechanismus in Gang zu setzen oder Spiegel sind zurecht zu drehen, um einen Lichtstrahl umzulenken – nur um mal zwei Beispiele zu nennen, die sehr früh im Spiel auftauchen.
Das was Tormentum von der Konkurrenz unterscheidet, ist der wirklich sehr niedrige Schwierigkeitsgrad. So ist es zum Beispiel nicht möglich bzw. notwendig Gegenstände untereinander zu kombinieren und es gibt eine permanente, automatisch agierende Hotspotanzeige, welche alle Interaktionspunkte mit einem blinkenden Lichtchen visualisiert (auch dann, wenn man diese Hilfe gar nicht will). Auch die Apparatur-Rätsel stellen in den meisten Fällen kein großes Problem dar, vor allem, da sehr viele Hinweis-Zeichnungen in der Spielwelt verteilt wurden, welche die Handhabung der Apparaturen direkt aufzeigen. Diese Zeichnungen werden sogar in einem Notizblock dauerhaft festgehalten, wodurch man sie jederzeit aufrufen kann, sollte die Notwendigkeit hierfür bestehen.
Also ja, wer ein herausforderndes, kniffliges Adventure sucht, der ist hier an der falschen Adresse. Gameplay-technisch richtet sich Tormentum eindeutig an Casual-Spieler. Das merkt man auch daran, dass das Spiel dankbarerweise darauf verzichtet die Zeit des Spielers zu verschwenden. So gibt es keine Laufanimationen für die Spielfigur. Die Interaktion mit den Hotspots findet ohne nervige Unterbrechung statt und auch der Wechsel zwischen den Screens über die Ein- und Ausgänge wird ohne Umschweife vollzogen. Dies spart natürlich viel Zeit, was auch ein Grund dafür ist, dass ein Spieldurchlauf mit ca. 3-4 Stunden recht kurz bemessen sein dürfte. Aber wie gesagt: Tormentum respektiert die Zeit des Spielers und pfeift auf zeitraubende Animationen, absurd-unlogische Rätselkonstellationen und ähnlichen Unsinn. Wäre man hier „klassische“ Adventure-Wege gegangen, hätte man die Spieldauer sicherlich auch um das doppelte aufblähen können. Außerdem bietet das Adventure zum Ausgleich für die kurze Spieldauer die im Story-Bereich erläuterten Choices & Consequences, welche zwei verschiedene Enden nach sich ziehen und auch dank der Steam-Achievements den allgemeinen Wiederspielwert erhöhen.
Was jedoch ernsthaft stört, ist die Beschränkung auf einen einzigen Speicherplatz. Dieser ist freilich zu opfern, wenn man ein neues Spiel starten möchte. Aber immerhin darf man überall speichern, auch wenn man hierfür gezwungen ist das laufende Spiel abzubrechen – warum auch immer. Ein weiterer, jedoch kleiner Kritikpunkt, ist die mangelhafte Funktionserklärung einiger Knöpfe. So hatte ich z.B. bei der ersten Entscheidung versehentlich die böse Wahl getroffen, da ich die Piktogramme der beiden Knöpfe nicht richtig registriert hatte und somit gar nicht registrierte, dass ich gerade eine wichtige C&C-Entscheidung treffen sollte.
Abgesehen davon habe ich jedoch nichts zu kritisieren. Man muss einfach wissen, dass man es mit einem Casual-Adventure für Einsteiger zu tun hat.
Grafik und Sound
Die Hauptmotivation sich dieses Spiel zuzulegen liegt natürlich in den Zeichnungen begründet, die – wie eingangs erwähnt – von Künstlern wie H.R. Giger and Zdzisław Beksiński inspiriert sind. Jeder Screen entpuppt sich als eigenes morbides Kunstwerk und dürfte Freunde dieser Kunstrichtung durchaus entzücken. Opulente, ultra-detailverliebte Renderbilder sind allerdings nicht zu erwarten, man hat es mit handgezeichneten 2D-Bildern zu tun, die eher an typische Wimmelbildspiele erinnern, als an handfeste 2,5D Point & Click-Adventures. Das ist wohl auch der Grund, warum Tormentum von Vielen mit einem Wimmelbildspiel verwechselt wird, was es freilich nicht ist. Leider wirken die Screens manchmal etwas starr und die wenigen Animationen von NPCs, Apparaturen und Umwelteinflüssen recht hölzern. Allerdings tragen gerade diese hölzernen Bewegungen ihren Teil zum surrealen Setting bei. Eine nette Dreingabe ist zudem das Parallax-Scrolling innerhalb der Screens (man kann die meisten Screens mithilfe des Mauscursors geringfügig hin- und herschieben). Dieses wird an einer Stelle sogar für ein Rätsel verwendet, was doch ein sehr cooler Einfall ist.
Glücklicherweise fügt sich auch der Soundtrack hervorragend in die düster-surreale Spielwelt ein, die Tormentum präsentiert. Die Melodien rangieren von düster über mysteriös bis hin zu melancholisch und weisen dabei dieselbe unterschwellige Schönheit auf, die bereits die morbiden Zeichnungen begleitet. Besonders gelungen fand ich den Einfall zwei verschiedene Ending-Songs für das gute und schlechte Ending beizufügen. Wie viele andere Spiele betreiben schon diesen Extraaufwand? Daran merkt man auch, dass die Entwickler viel Herzblut in ihr Kunstwerk haben einfließen lassen. Leider hat man jedoch auf eine Sprachausgabe verzichtet, was wohl im geringen Budget der Entwickler begründet liegt. Nachdem eines der beiden Trailer-Videos auf Steam allerdings einen Erzähler vorweist, hätte man durchaus auf eine Sprachausgabe hoffen dürfen. Sie hätte das Spiel wirklich bereichern können. Und allzu viele Dialoge gibt es hier ja auch nicht, die hätten synchronisiert werden müssen. Trotzdem kann letztendlich auch die Akustik überzeugen.