Tinykin REVIEW
Bei dem am 30. August 2022 veröffentlichten Tinykin handelt es sich bereits um das zweite Spiel des französischen Indie-Entwicklers Splashteam. Es handelt sich um einen 3D-Platformer, welcher durch den Einsatz einiger Spielelemente von Nintendos Pikmin-Serie Aufmerksamkeit erlangen konnte. Der große Durchbruch blieb zwar aus, jedoch wird das Spiel gerne als Geheimtipp empfohlen. Nachdem ich das Spiel im Stream eines befreundeten Youtubers gesehen habe, war für mich klar, dass ich das Game selber zocken will. Gesagt getan. Was Tinykin alles zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Review.
Teleportation mit Schrumpfnebenwirkung
Man übernimmt die Rolle des Wissenschaftlers und Ahnenforschers Milodane (kurz: Milo). Dieser lebt auf dem Planeten Ägis und ist fest davon überzeugt, dass die Menschheit unmöglich auf Ägis entstanden sein kann. Die Tatsache, dass Milo ein uraltes Funksignal von einem fremden Planeten empfängt, bestätigt seine Theorie. Doch was ein echter Wissenschaftler wirklich benötigt, sind handfeste Beweise. Also wagt er den Teleportationssprung Richtung Funksignal. Doch ganz sauber geht die Teleportation nicht von statten. Milos treuer Hund Nevus, der ihn eigentlich begleiten sollte, wird nicht teleportiert, und Milo selbst findet sich auf Insektengröße geschrumpft in einem fremden Haus wieder. Dort begegnet er diversen Insektenvölkern, welche menschliche Intelligenz entwickelt haben und den verschollenen Hausbesitzer Ardwin als Gottheit verehren.
Der Seidenspinner Ridmi nimmt sich Milodane an, und spannt diesen für sein Großprojekt ein. Ardwin tüftelte an einer merkwürdigen Maschine, welche eventuell der Raumfahrt dient und dabei helfen könnte Milo zurück nach Hause zu bringen. Ridmi will die Maschine seines Gottes unbedingt fertigstellen, und da Milo merkwürdigerweise die Kontrolle über die sogenannten Tinykin hat, stellt er den idealen Assistenten für Ridmi dar. Die Tinykin sind mysteriöse Kleinstlebewesen, die eigentlich nur in ihren Eiern schlummern. Doch mit Milos Ankunft werden sie endlich aktiv und stehen dem Wissenschaftler loyal zur Seite. Die Frage ist nur: Warum? Und was hat es mit diesem merkwürdigen Haus im 90er Jahre-Stil sowie dessen verschwundenen Bewohner Ardwin auf sich? Vielleicht wird Milo die Antworten auf diese Fragen entdecken.
Aufgrund des etwas überhasteten Introfilmchens erweckt die Handlung den Eindruck nur als Mittel zum Zweck zu dienen, um das Abenteuer zu rechtfertigen. So wie man es eben vom Genre gewohnt ist. Allerdings hat Tinykin mehr zu bieten als die Konkurrenz, da es im Haus zahlreiche NPCs gibt, mit denen man ein Schwätzchen halten kann. Obendrein haben die unterschiedlichen Insektenvölker in Form von Ameisen, Schildwanzen, Silberfischen, Mantis usw. alle ihre eigenen Persönlichkeiten und Kulturen entwickelt, welche auf witzige und charmante Weise präsentiert werden. Da macht es richtig Spaß die Spielwelt zu erkunden. Als aufgesetzt empfinde ich jedoch die drastischen Storywendungen zum Schluss des Spiels. Da wird die Handlung auf einmal bemerkenswert düster und das Spiel fängt sogar an mit Cosmic-Horror um sich zu werfen. Ob es das wirklich gebraucht hätte lass ich mal im Raum stehen. Aber zumindest kann ich festhalten, dass Tinykin mehr Storysubstanz bietet als diverse Konkurrenztitel.
Meine kleinen Helferlein
Das Haus in dem das Spiel stattfindet, ist insgesamt in acht verschiedene Räume unterteilt. Die Abstellkammer fungiert hierbei als Hub-Areal, während der Dachboden nur dem Storyabschluss dient. Im Endeffekt gibt es also nur sechs echte Level, welche dafür aber auch eine zufriedenstellende Größe bieten und bei gründlichen Spiel eine solide Spieldauer von ca. 10-12 Stunden entfalten sollten.
Das Spiel beginnt im Treppenhausflur des Hauses, welches zunächst als relativ unaufdringliches Tutorial genutzt wird, aber erst später ernsthaft erkundet werden darf. Milo kann laufen und springen. Aus dem Sprung heraus kann er auch eine Seifenblase manifestieren, mit der er eine begrenzte Zeit in der Luft schweben kann. Man kann diese Seifenblase im Spielverlauf aufleveln, um die Schwebedauer zu verlängern und somit in ansonsten unerreichbare Bereiche vorzudringen. Zur schnelleren Fortbewegung bekommt Milo nach dem Tutorial auch die Seife, welche als Surfbrett fungiert. Dieses kann auch genutzt werden, um an Seidenfäden von freigeschalteten Seidenspinnern entlangzugrinden. Diese Seidenfäden dienen in der Regel als Abkürzungen zu schwer erreichbaren Stellen des jeweiligen Zimmers. Die Steuerung des Spiels ist übrigens schnell begriffen und leicht zu handhaben.
Das Herzstück im Spiel sind jedoch die Namen gebenden Tinykin. Diese Kleinstlebewesen schlummern in Eiern, welche kreuz und quer im Haus verstreut liegen und eingesammelt werden wollen. Jeder eingesammelte Tinykin steht umgehend zur Verfügung und fungiert im Endeffekt als eine Art Werkzeug-Helferlein. Es gibt fünf verschieden Arten von Tinykin, welche nach Farben kodiert werden und erst nach und nach im Spielverlauf auftauchen.
Pinke Tinykin sind die Kraftpakete, welche schwere Gegenstände durch die Gegend schleppen bzw. schieben oder auch Hebel betätigen können und dergleichen. Die roten Tinykin fungieren als Granaten, mit denen man Hindernisse aus Holz oder diverse Behälter zerdeppert. Die roten Tinykin sind daher die Einzigen welche als Verbrauchsgegenstände genutzt werden. Die grünen Tinykin kann man zu einer Leiter stapeln, um schwer erreichbare Bereiche zugänglich zu machen. Die blauen Tinykin dienen als elektrische Knotenpunkte und werden genutzt um improvisierte Stromleitungen zu legen. Zu Guter Letzt wären da noch die gelben Tinykin, welche an fest zugewiesenen Punkten Rampen bilden. Die Tinykin sind übrigens an ihren jeweiligen Raum gebunden und können nicht in andere Bereiche des Hauses mitgenommen werden.
Abgesehen von den Tinykin-Eiern gibt es noch ein zweites Sammelobjekt in Form von Pollen. Hat man genügend Pollen in einem Raum aufgesammelt, kann man diese bei der Braumeister-Ameise Sikaru in ein Level-Up für die Schwebe-Seifenblase eintauschen. Dementsprechend entpuppt sich Tinykin auch recht schnell als sogenannter Collectaton-Platformer, also ein 3D-Platformer der seinen Reiz in erster Linie aus der Erkundung der Spielwelt und damit verbundenen Sammelei von Gegenständen bezieht. In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass Tinykin völlig ohne Kampf auskommt. Gegner gibt es hier nicht. Milo kann jedoch durch einen Sturz aus zu großer Höhe, fleischfressende Pflanzen oder zu langen Körperkontakt mit Wasser oder Feuer sterben. Ein Ableben zieht jedoch keinerlei negative Konsequenz nach sich, da man direkt in unmittelbarer Nähe weitermachen darf.
Die Hauptaufgabe in jedem der sechs Level besteht darin ein Objekt für Ardwins Machine zu erbeuten und zur Hub-Abstellkammer zu bugsieren. Dummerweise rücken die Insektenstaaten diese Objekte erst heraus, wenn man eine größere Aufgabe für sie erfüllt. Diese belaufen sich meistens darin, dass man mithilfe der Tinykin bestimmte Gegenstände von A nach B bugsiert, wofür man freilich erst mal zum besagten Gegenstand hingelangen muss und dann die Rückweg-Route für die pinken Tinykin freiräumen bzw. kreieren muss. Das A und O ist also erst einmal genügen Tinykin-Eier einzusammeln, damit man überhaupt etwas erreichen kann. Aufmerksame Spieler finden auch NPCs, welche optionale Aufträge springen lassen, für deren Erfüllung man mit einem persönlichen Objekt Ardwins belohnt wird. Diese landen im Museum der Ameise Plappa im Hub-Areal, und geben etwas Einblick in die Persönlichkeit des ominösen Ardwin.
Hat man die Hauptaufgabe in einem Raum abgeschlossen, findet man bei der Rückkehr auch noch eine Wettrennen-Sidequest vor. Die beiden Hornissen Mach und Dash eröffnen das Rennen und wenn man schnell genug ist, wird man mit Medaillen belohnt. Hat man zwei Goldmedaillen erbeutet, kann man diese im Hub-Areal in ein neues Outfit für Milo eintauschen.
Grafik und Sound
Basierend auf der Unity-Engine nutzt Tinykin eine Mischung aus 3D- und 2D-Grafiken. Die Ortschaften sind in 3D gehalten und leisten einen guten Job die Proportionen eines Wohnhauses aus Sicht eines Lebewesens in Insektengröße zu vermitteln. Die Farbwahl ist einerseits angenehm bunt, bietet aber auch eine gewisse Bodenständigkeit, um die Glaubwürdigkeit des Settings zu wahren. Die reine Grafikqualität der 3D-Umgebungen geht jedoch nicht über den Standard der Unity-Engine hinaus. Grafikfetischisten, welche AAA-3D-Grafiken erwarten, werden hier also nicht glücklich werden.
Die Charaktere wiederum werden in Form von 2D-Artworks dargestellt. Diese sind hübsch anzuschauen, werden aber nur aus der Vorderperspektive gezeigt, was etwas gewöhnungsbedürftig anmutet, jedoch nicht stört. Abgerundet wird das Paket durch einige kurze, aber hübsch anzuschauende Zeichentrick-Zwischensequenzen.
Der Soundtrack des französischen Komponisten Alexis Laugier fängt die spezielle Atmosphäre des Settings wunderbar ein. Es ist ein verspielter, oftmals eher ruhiger OST, der zwar keine Würmer ins Ohr setzt, aber wunderbar zum Charme des Spiels passt. Leider hat man bei der Sprachausgabe gespart. Synchronisiert wurde eigentlich nur Milodanes Storyeinweisung im Introvideo, sowie der finale NPC dem man begegnet. Die Sprachausgabe ist auch nur in englisch gehalten. Abgesehen davon gibt es, trotz der zahlreichen NPC-Texte, keine weitere Vertonung. An dieser Stelle hätte man ruhig etwas mehr Geld investieren dürfen und eine volle Synchronisation anbieten sollen. Aber immerhin wurden die Textboxen sauber ins Deutsche übersetzt. Und die Soundeffekte sind auch sympathisch.
Pro & Kontra
- völlig entspannter 3D-Collectaton-Platformer ohne lästige Druckmechaniken
- schnell erlernte und leicht zu handhabende Steuerung
- die Tinykin-Helferlein geben dem Spiel einen eigenen Flair mit auf dem Weg
- sympathischer Artstil
- keine vollständige Sprachausgabe
- die düsteren Storywendungen zum Schluss mit Cosmic-Horror hätte es nicht gebraucht
- man sieht der 3D-Grafik das Unity-Grundgerüst vielleicht ein bisschen zu sehr an