The Texas Chain Saw Massacre REVIEW
In den letzten Jahren haben einige große Horror-Marken ihren Weg ins Medium Videospiel gefunden. Sicherlich nicht auch zuletzt dank des überragenden und nach wie vor anhaltenden Erfolges von Dead by Daylight, indem sich unlängst Ikonen wie Freddy Krueger, Sadako und Michael Myers tummeln, wurden große Marken wie Predator, The Evil Dead und Friday the 13th mit dem Spieldesign des asymmetrischen verschmolzen. Gleichzeitig zeigt sich an vielen dieser Umsetzungen aber auch, wie hart umkämpft das Feld der Service-Games ist und wie viele Probleme entstehen können, wenn Rechteinhaber irgendwann den Stecker ziehen.
Das herrlich abstruse und von mir einige Zeit mit viel Spaß gespielte Friday the 13th von Entwickler Gun Interactive hat nicht nur den sich immer mehr kannibalisierenden Markt für Online-Games zu spüren bekommen, sondern wird aufgrund eines Rechtsstreits im kommenden Jahr auch noch komplett abgeschaltet werden und verschwindet damit de facto für immer. Dieses Szenario soll sich mit dem jüngst veröffentlichten The Texas Chain Saw Massacre nicht ein weiteres Mal wiederholen. Das zumindest verspricht Gun Interactive, die sich für ihre neue Horrorumsetzung mit Sumo Nottingham zusammengetan haben.
Angst und Terror in Texas
Denke ich an den Terrorklassiker von Tobe Hooper von 1974, denke ich vor allem an einen Film, dem lange Zeit ein Ruf vorausgeeilt ist, der am Ende nicht viel mit dem eigentlichen Film zu tun hatte. Der Originaltitel ist natürlich herrlich reißerisch und auch der deutsche Titel Blutgericht in Texas schürt Erwartungen an einen Film, der nur so strotzt vor Blut und Gekrösel. Ein mehrere Jahrzehnte anhaltender Eintrag auf dem Index inklusive Beschlagnahmung hierzulande haben natürlich ebenfalls zur Legendenbildung beigetragen. Letztendlich ist der Film hinsichtlich seiner Gewaltdarstellung wesentlich handzahmer, als man aufgrund all dieser Faktoren annehmen würde, funktioniert dafür aber auf ganz anderen Ebenen und gilt aus eben diesen vollkommen zurecht als Meilenstein des Genrekinos. Der Film ist rau, schmutzig, bizarr, laut und gemein und hat daher nie abgesägte Gliedmaßen und Blutfontänen gebraucht.
Was als Film gut funktioniert, kann natürlich in einer Adaption als Videospiel ebenfalls funktionieren. Nun ist The Texas Chain Saw Massacre aber keine intime Singleplayer-Erfahrung, in der man sich alleine aus den Fängen der durchgeknallten Familie rund um Leatherface befreien muss, sondern ein reines Multiplayer-Spiel mit einem ganz anderen Schwerpunkt als der Film (auch wenn die PR des Spiels etwas anderes behauptet). Und dennoch muss ich anerkennend feststellen, dass kein anderes Spiel in der Sparte der asymmetrischen Multiplayer-Spiele mit Horroreinschlag derart gut als Horror (mit ganz großen Ausführungszeichen) funktioniert, wie der Ausflug ins texanische Hinterland.
Schweiß und Panik
Das Spiel profitiert dabei ganz klar vor der Vorlage und seiner Bildsprache. Das Setting mit dem heruntergekommenen Kolonialhaus, die morbide Einrichtung der Sawyer-Familie mit großem Fokus aus wiederverwerteten Knochen der Opfer, der absurd große Keller mit seinen verschachtelten Gängen, das Kreischen der anlaufenden Kettensäge von Leatherface, das verstörende Geschrei der Killer, wenn sie ihren Opfern hinterherjagen: Das alles funktioniert gut, richtig gut sogar. Nicht auf die Art, dass ich mich am laufenden Band erschrecke, aber doch auf die Art, dass sich ein unbehagliches Gefühl breit macht. Das nimmt mit laufender Spielzeit und Erfahrung natürlich immer weiter ab, dennoch spricht es für die Adaption, dass sie es zumindest in Ansätzen schafft, die Essenz der Vorlage herauszuarbeiten.
Spielmechanisch orientiert man sich an etablierten Elementen dieser Spielart: Killer müssen Opfer jagen und diese töten, Opfer müssen natürlich überleben und das Weite suchen. Als Jäger ist man ziemlich mächtig und kann mit der Kettensäge schwingen, Fährten lesen, Giftwolken versprühen oder auch Fallen legen. Als Opfer hingegen ist man ganz klar im Nachteil. Waffen hat man keine, man kann sich lediglich mit eingesammelten Knochenresten kurz zur Wehr setzen und einen Häscher zumindest für kurze Zeit handlungsunfähig machen. Ansonsten geht man vor allem möglichst geduckt, nutzt Schränke und hohes Gras als Versteck, sammelt Dietriche, um damit verschlossene Türen zu öffnen und löst kleine Umgebungsrätsel, um schließlich vom Anwesen der Killer-Familie abhauen zu können. Hier bringt man etwas mehr Varianz ins Spiel, als viele vergleichbare Spiele und gewährt pro Karte mehrere potenzielle Fluchtwege. Hier hat man sogar dem Primus im Genre ein bisschen was voraus.
3 vs. 4 sorgt für neue Dynamik
Darüber hinaus nimmt The Texas Chain Saw Massacre eine Änderung vor, die tatsächlich für eine ganz neue Dynamik sorgt. Für gewöhnlich gibt es in dieser Art Spiel einen Killer und vier Opfer, hier sind es nun aber drei Killer und vier Gejagte. Die Killer haben mit Opa Sawyer sogar noch einen recht mächtigen NPC an ihrer Seite, der im regelmäßigen Rhythmus sich bewegende Opfer für kurze Zeit sichtbar macht und farblich hervorhebt. Füttert man den verschrumpelten Mann mit Blut, so steigern sich die Fähigkeiten von Grandpa sogar und man bekommt Zugriff auf weitere Bonusfähigkeiten, sofern diese von den Spielerinnen und Spielern auf der Killer-Seite im Skilltree freigeschaltet wurden.
Das klingt unfassbar mächtig und ist es auch. Gleichzeitig habe ich mich in der Rolle als Opfer bisher aber dennoch nie vollkommen machtlos gefühlt. Wie für die Killer, so gilt auch für die Gejagten, dass jede Figur individuelle Fähigkeiten und Attribute haben. Manche können sich besser verteidigen als andere, andere haben mehr Ausdauer und können so ihren potenziellen Mördern besser entfliehen. Außerdem ist man als Opfer recht beweglich, kann durch kleine Schächte kriechen, durch offene Stellen in der Wand hindurchzwängen und sich in einen Brunnen werfen.
Die meisten Killer (auch hier gibt es einige Charakter spezifische Ausnahmen) können das alles nicht. Jede Figur, egal ob Killer oder Opfer, ist zu Beginn mit einem Set an Fähigkeiten ausgestattet, die sich im Skilltree und unter Einsatz von erspielten Erfahrungspunkten erweitern lassen. Und hier sind teilweise enorm mächtige Fähigkeiten dabei, die ein Match komplett drehen können. Wenn ich als Opfer etwa eine Spezialfähigkeit einsetzen kann, mit der ich, ohne Lärm zu erzeugen, Schlösser quasi sofort öffnen kann, anstatt eine halbe Minute in einem Minispiel zu verbringen, dann ist das ein grandioser Vorteil, der das Fliehen wesentlich einfacher gestaltet.
Tatsächlich macht es ziemlich viel Spaß, die unterschiedlichen Figuren zu spielen und auszuloten, mit wem man am besten zurecht kommt. Populär ist natürlich vor allem Leatherface und es wundert nicht, dass zum Launch jeder sich die labbrige Maske aus Menschenhaut aufsetzen will. Aber auch die vier anderen Killer haben mitunter ziemlich coole Eigenschaften und machen Spaß, darunter vor allem der neu für das Spiel geschaffene Johnny, mit seiner Eigenschaft, Fährten lesen zu können.
Was bringt die Zukunft?
Es gibt aber auch einen großen Knackpunkt: Die Entwickler besitzen nämlich nur die Lizenz für den originalen Film und können daher nicht auf Material aus den Fortsetzungen oder den Neuverfilmungen zurückgreifen. Vor allem aus TCM 2 hätte ich liebend gerne Figuren wie Chop Top oder den von Dennis Hopper gespielten Lefty gesehen, ebenso, wie die Höhle der Sawyer-Familie aus dem Finale des Films. Aber das ist nach aktuellen Stand wohl ein Wunschtraum und eröffnet die Frage um die Zukunft von The Texas Chain Saw Massacre.
Denn mit der Lizenz für nur einen Film, ist das Studio natürlich recht eingeschränkt, was weitere Inhalte angeht. Bei den Opfern hat man gleich eine komplett neue Figuren-Riege geschaffen, was zumindest Sinn ergibt, da sich das Spiel als eine Fortsetzung zum Film versteht. Die Entwickler bemühen sich auch durchaus, den Figuren ein bisschen Charakteristik einzuhauchen, letztlich ist da aber nicht viel Spielraum und angesichts der Multiplayer-Natur des Spiels ist das auch okay.
Bei den Maps hingegen mache ich mir mehr aber Sorgen. Zum Start gibt es gerade einmal drei unterschiedliche Karten: Dass Haus der Killer-Familie, die Tankstelle und das Schlachthaus. Die Maps sind wirklich gut gestaltet und erstaunlich groß, das Leveldesign gerade zu Beginn und ohne viel Kenntnis schön verschachtelt, sodass man vor allem als Opfer viele Möglichkeiten hat, sich zu verstecken. Aber wie lange können drei Maps Spielerinnen und Spieler bei Laune halten? Offenbar arbeiten die Entwickler an zwei weiteren Karten, offiziell ist das aber nicht bestätigt. Eine Roadmap gibt es zum aktuellen Zeitpunkt auch noch nicht und künftige Inhalte werden sicherlich nicht zuletzt an den Erfolg des Spiels geknüpft werden. Und da wären wir wieder bei der Teufelsspirale der Service-Games: Neue Inhalte gibt es nur, wenn ein Spiel erfolgreich ist. Verständlich. Aber viele Spielerinnen und Spieler bleiben eben auch nur am Ball, wenn sie wissen, dass neue Inhalte kommen. Ebenfalls verständlich.
Pro & Kontra
- sowohl als Killer wie auch als Opfer hat man viele Möglichkeiten
- 3 vs. 4 Ausgangslage bringt neuen Schwung
- detaillierte und offen gestaltete Maps
- fängt die Essenz des Filmes gut ein
- teilweise langes Matchmaking
- wie immer bei solchen Spielen: Der Spaß stark von den Mitspielenden ab