The Book of Unwritten Tales 2 REVIEW
Nach der relativ enttäuschenden Prequel-Auskopplung „Die Vieh Chroniken“ mussten sich Fans der humoristisch-parodistisch geprägten Fantasy-Adventure-Reihe „The Book of Unwritten Tales“ ca. 3,5 Jahre gedulden, ehe endlich das lang ersehnte Sequel veröffentlicht wurde. Dieses erschien am 15. Februar 2015 und bekam ähnlich gute Kritiken wie der erste Teil von 2009 spendiert.
So weit so gut, leider lässt jedoch der dritte Teil bis heute auf sich warten. Und das ist durchaus ein großes Problem, auf welches ich im Story-Abschnitt dieses Tests zu sprechen kommen werde. Da die Chance auf einen dritten Teil mit jedem Tag weiter schwindet, wollen wir also nicht weiter um den heißen Brei reden und uns stattdessen angucken, was der zweite Teil des Bremer Point & Click-Adventures so alles zu bieten hat.
Voneinander getrennt und unglücklich
Ein Jahr ist vergangen, seitdem das Helden-Quartett Wilbur Wetterquarz, Ivodora Eleonora Clarissa (die Kurzform Ivo reicht ihr aus), Nathaniel „Nate“ Bonnett und das Vieh der bösen Erzhexe Mortroga das Handwerk legten und ihrer Fantasy-Welt Aventásien somit endlich den lang ersehnten Frieden zurückbrachten.
Mittlerweile gehen unsere Helden jedoch getrennte Wege: Nate ist in sein Leben als Luftpirat zurückgekehrt. Zusammen mit seinem Anhängsel, dem Vieh, versucht er seinem alten Feind, dem Roten Piraten, eine magische Wunderlampe abzuluchsen. Zu diesem Zweck ist er sogar ein Bündnis mit einem Gnomen-Kopfgeldjäger eingegangen. Natürlich laufen die Dinge für ihn bei weitem nicht so glatt ab, wie erhofft. Elfenprinzessin Ivo lebt wieder zu Hause im Elfenhain bei Mutter und Vater. Sie ist erzürnt darüber, dass sie von Nate sitzen gelassen wurde. Auch ihre Mutter nervt, da sie versucht Ivo mit einem weibischen Elfenprinzen zu verheiraten, worauf die abenteuerlustige Ivo aber keine Lust hat. Als Ivo herausfindet, dass sie ohne Empfängnis schwanger geworden ist, treibt es sie wieder hinaus in die Welt. Sie will logischerweise wissen, wie so etwas passieren konnte – und muss sehr bald feststellen, dass Wilbur in derben Schwierigkeiten steckt.
Wilbur wiederum hat sich endlich seinen Traum erfüllt und ist Magier geworden. Der Erzmagier Alastair hat ihn sogar als Lehrer engagiert, der talentierten Kindern aus Seefels das Zaubern beibringen soll. Doch Wilburs Traum droht sich sehr bald in einen Alptraum zu verwandeln, denn er hat seine magischen Fähigkeiten immer noch nicht unter Kontrolle, was dazu führt, dass er von seinen Schülern gehänselt wird. Doch das wahre Problem lauert an anderen Stellen. Wilbur ist nämlich in ein politisches Wespennest geraten. In Seefels stehen nämlich die Wahlen an, und die fiese Politikerin Cybill van Buren versucht die Macht zu übernehmen. Um dieses Ziel zu erreichen scheint ihr jedes Mittel recht zu sein. Und auch ein altbekannter Feind aus den Vorgängern ist zurückgekehrt, um Wilbur und Alastair das Leben schwer zu machen. Letztendlich kommt es zum Zusammenprall der konkurrierenden Gruppen. Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt entblößt Wilburs mysteriöser Zauberstab sein dunkles Geheimnis. Aventásien stehen wieder harte Zeiten bevor, und unsere Helden müssen wieder zusammenfinden, um das Schlimmste zu verhindern.
In der Beschreibung macht die Story einen sehr soliden Eindruck. Neue und alte Feinde greifen nach der Macht, und unser liebgewonnenes Helden-Quartett samt diverser NPC-Freunde müssen ihr Bestes versuchen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Dummerweise leidet die Handlung von The Book of Unwritten Tales 2 (kurz: TBoUT2) jedoch unter mehreren Macken. Die mit Abstand größte Macke, welche ich auch in der Einleitung angedeutet habe, ist jene, dass die Handlung schlicht und einfach unvollständig ist. Das Spiel parodiert gerne große Franchises wie Warcraft, Herr der Ringe und vor allem auch Star Wars. Teil 2 sieht sich dabei wohl als eine Art „Das Imperium schlägt zurück“ und lässt den Konsumenten somit mit einem derben Cliffhanger zurück. Die Feinde sind zum Ende des Spiels immer noch ungeschlagen, es müssen Verluste hingenommen werden, es werden coole neue Charaktere eingeführt, deren Potential jedoch größtenteils ungenutzt bleibt und … Die Geschichte ist schlicht und einfach unvollständig. Das wäre freilich nur halb so schlimm, wenn King Art den dritten Teil in der Produktion hätte, was aber nicht der Fall ist. Dementsprechend lauft ihr hier akute Gefahr mit einer dauerhaft unvollständigen Geschichte zurückgelassen zu werden. Ihr wurdet gewarnt.
Darüber hinaus gibt es noch andere Probleme. Das Spiel entstand im Jahr 2015, dem Jahr der großen Flüchtlingskrise. Leider konnte es sich der Storywriter nicht verkneifen diese Thematik in die Story einzubauen. Man wird also über weite(!) Strecken des Spiels mit diesem Thema konfrontiert. Die Sache ist jedoch die, dass viele Spieler (so wie auch ich) Ulk-Spiele wie TBoUT2 eben auch gerade deshalb zocken, damit sie mal von der harten Realität abschalten können. Wenn mir das Spiel jedoch regelmäßig auf naive Weise mit den erhobenen Zeigefinger vorm Gesicht herumwedelt, kann ich nicht abschalten und spüre stattdessen nur Verärgerung. Sorry King Art, aber das war wirklich ein Griff ins Klo, um nicht zu sagen eine derbe Frechheit dem Spieler gegenüber!
Unabhängig davon leidet das Spiel auch noch unter einem sehr schlechten Pacing und einigen überlangen Dialogphasen, was angesichts der oben beschriebenen Mängel aber gar nicht mehr so stark ins Gewicht fällt. Und ich will die Handlung auch nicht schlechter reden als sie ist. Auch hier gibt es wieder jede Menge toller Anspielungen, Parodien, lustig-charmante Dialoge, sympathische Charaktere und eben all das gute Zeug. Das große Problem ist ganz einfach, dass die TBoUT-Serie mit diesem Spiel ihre Unbeschwertheit und Unschuld verloren hat. Und das finde ich nicht gut.
Jetzt mit Sidequests, überlanger Spieldauer und einer gewissen Wahrscheinlichkeit, das Mausklicks des Spielers übergangen werden
Auch bei The Book of Unwritten Tales 2 handelt es sich um ein typisches, um nicht zu sagen generisches Point & Click-Adventure. Die Spielwelt setzt sich aus Renderscreens zusammen, in denen es darum geht Gegenstände einzusammeln, diese gegebenenfalls untereinander zu kombinieren und an geeigneter Stelle einzusetzen, um diverse Problemstellungen zu lösen. Darüber hinaus wird auch regelmäßig mit NPCs palavert, um im Spiel voranzuschreiten. Um nervige Suchereien nach Gegenständen zu unterbinden, hat man freilich eine Hotspotanzeige integriert, und die Steuerung arbeitet nach altbewährten Genrekonventionen. Per Doppelklick auf Ein- und Ausgänge kann man den Übergang zwischen den einzelnen Screens beschleunigen, was aber auch nötig ist, da die Charaktere leider nur sehr langsam durch die Screens watscheln. In Kombination mit einer fehlenden Rennfunktion ist dies nach wie vor ein Manko im Spiel, aber glücklicherweise kein Kriterium, welches dem Spielspaß ernsthaften Schaden zufügt.
Ernsthaft problematisch ist hingegen jener Bug, der dafür sorgt, das gefühlte 10-20 % der Mausklicks des Spielers vom Programm ignoriert werden. Das ist ein Problem, welches mich durch das gesamte Spiel begleitet hat und mich lange Zeit irritiert hat. Im Pharaonengrab von Kapitel 4 wurde mir jedoch aufgezeigt, wo das Problem herkommt. Dort gibt es nämlich eine Wächterstatue, die immer wieder mal ihren Kopf hin und her bewegt. Setzt die Animation der Kopfbewegung ein, wurde das Laufkommando meiner Spielfigur automatisch außer Kraft gesetzt. Hier wurden also diverse Animationen dem Gameplay-Willen des Spielers übergeordnet, was doch ein sehr großer Fehler im Gamedesign ist. Ich mein, wenn ich meine Spielfigur von A nach B bugsieren will, dann ist derartiges doch nicht irgendeiner verspielten aber überflüssigen Animation unterzuordnen! Da wundert es mich doch sehr stark, wie solch ein eklatanter Fehler durch die Qualitätsprüfung durchrutschen konnte. Aber weiter im Text.
Der Schwierigkeitsgrad der Inventar- und Hotspoträtsel wurde seit dem Prequel wieder heruntergefahren, so dass man das Spiel wieder ziemlich gut ohne Komplettlösung in den Griff bekommen sollte. Lediglich im ersten der insgesamt fünf Kapitel musste ich zur Lösung greifen, da ich nicht wusste, was ich mit den Münzen anfangen sollte.
Teil 2 ist also nicht so leicht wie das Original, kann aber dennoch den zugänglicheren Titeln im Genre zugeordnet werden.
Der Löwenteil des Gameplays fällt natürlich auch hier an klassische Inventarrätsel und Dialoge. Abwechslung wird wieder durch einige Passagen erzeugt, in denen man mit 2 oder auch 3 Charakteren zugange ist. Wie gehabt können die Charaktere Inventargegenstände untereinander austauschen, was den Rätseln mehr Finesse verleiht oder eben verleihen soll. Und ja, diese Passagen wirken oftmals nicht so gut gelungen, wie noch im ersten Teil. Häufig hat man den Eindruck, dass diese Passagen nur deshalb integriert wurden, da es sie halt auch im ersten Teil gegeben hat. Zumindest die Dreier-Passage mit Nate, dem Vieh und Ivo in Kapitel 4 war da eine derbe Enttäuschung.
Ein paar Minigames wie Yahtzee, Drunken Punch oder das Nim-Spiel gibt es auch noch, jedoch wurden diese nun größtenteils auf die Sidequest-Schiene geparkt, oder müssen schlicht und einfach nicht gewonnen werden, um weiterzukommen. Richtig gehört, es gibt jetzt optionale Aufgaben und Rätsel im Spiel zu finden, die zwar nicht notwendig sind um durch die Story zu gelangen, den findigen Spieler jedoch mit zusätzlichen Achievements und alternativen Kopfbedeckungen und Outfits für die Spielfiguren belohnen.
Dieses Sidequest-System in Kombination mit kosmetischen Belohnungen ist schon sehr clever. Ich habe so etwas in dieser relativ ausgeprägten Form auch noch in keinem anderen Adventure erlebt. Die Sidequests fügen sich übrigens absolut homogen ins Spielgeschehen ein. Es gibt also keinen virtuellen Zeigefinger der auf diese Dinge hinweist. Es ist einfach nur cooles Zusatzmaterial für findige Spieler. Sollte King Art jemals einen dritten Teil kreieren, so hoffe ich, dass sie dieses Feature beibehalten und vielleicht noch etwas ausbauen.
Worauf man hingegen verzichten kann, sind einige unbeholfen implementierte Code-Rätsel wie die Sache mit den Handzeichen oder dem Tanz zum mixen eines Getränks. Die Spieldauer von ca. 25-30 Stunden halte ich für ein Point & Click-Adventure ebenfalls für übertrieben. Vor allem auch deswegen, da das Spiel, wie bereits im Story-Bereich genannt, unter derben Pacing-Problemen und ausschweifenden Dialogen leidet. Da bewahrheitet sich mal wieder das gute alte Sprichwort, das weniger mehr ist.
Grafik und Sound
Ein ganz großer Vorteil der TBoUT-Serie ist die schicke Grafik, welche sich aus wunderschönen Renderbildern und, für Point & Click-Adventure-Verhältnisse, guten 3D-Charaktermodellen zusammensetzt. Und obwohl man für den zweiten Teil auf die berüchtigte Unity-Engine wechselte, kann das Spiel in grafischer Hinsicht nach wie vor überzeugen. Tatsächlich wurde das grafische Konzept sogar verbessert. Die Renderbilder wirken nun wesentlich dynamischer als gewohnt, da dezente Kameraschwenks für räumliche Tiefe sorgen (Stichwort: Parallax Scrolling) und kleinere Animationsstufen wie Rauchschwaden, Wasserfälle und dergleichen etwas Leben in die ansonsten recht statischen Ortschaften hereinbringen. Negativ zu bewerten ist jedoch das zu häufig stattfindende Recycling der Ortschaften. Gefühlt zwei Drittel der Gebiete werden im Verlauf der fünf Kapitel 2-3 mal wiederverwurstet. Und auch wenn durch die Story optische Änderungen in diesen Gebieten hinzukommen, hat man doch sehr häufig das Gefühl kalten Kaffee vorgesetzt zu bekommen. Auch hier wäre also weniger mehr gewesen.
Erneut stammt der Soundtrack von Benny Oschmann. Und auch in The Book of Unwritten Tales 2 wirkt er oftmals eher wie ein durchaus ernstgemeinter Fantasy-Soundtrack und nicht wie eine Parodie auf einen eben solchen. Das macht aber nichts, denn der OST ist gut gelungen und wird selbstverständlich durch eine hervorragende deutsche Sprachausgabe untermauert. King Art hat es nämlich geschafft sämtliche Sprecher der Vorgänger zurückzubringen, so dass man die Stimmen sofort wiedererkennt. Gibt in dieser Hinsicht nichts zu kritisieren, da sämtliche Sprecher über angenehme Stimmen verfügen und gewohnt professionell an die Sache herangehen.
Pro & Kontra
- unterhaltsamer parodistischer Humor voller Anspielungen und witziger Dialoge
- liebenswürdige Charaktere
- sehr schicke Renderbilder, die sind mit die Schönsten im Genre
- guter Soundtrack und tolle Sprachausgabe
- enthält Sidequests, welche mit Hüten und alternativen Kostümen für die Charaktere belohnen
- extrem lange Spieldauer von ca. 25-30 Stunden
- endet mit einem derben Cliffhanger, der wahrscheinlich nie aufgelöst werden wird
- Mausklick-Kommandos des Spielers werden gerne mal vom Programm ignoriert
- die Handlung wird mit dem erhobenen Zeigefinger bezüglich der 2015er Flüchtlingskrise madig gemacht
- die Spielfiguren laufen nur sehr langsam und es gibt immer noch keine Rennfunktion
- Ortschaften werden über die fünf Kapitel hinweg sehr gerne und oft recycelt