Tesla Effect: A Tex Murphy Adventure REVIEW
16 lange Jahre hat es gedauert, ehe der lose Cliffhanger-Faden des 1998 veröffentlichten Tex Murphy: Overseer wieder aufgenommen wurde und mit Tesla Effect endlich ein neuer Teil der Reihe das Licht der Welt erblickte. Zu verdanken haben wir das denselben Leuten, die schon die vorherigen Tex Murphy-Games kreiert haben, nur das diese heutzutage unter dem Namen Big Finish Games operieren. Da Big Finish Games als kleines Independent Studio nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügt ein Projekt wie Tesla Effect aus eigenen Kräften zu stemmen, wurde Mitte Mai 2012 die Crowdfunding-Plattform Kickstarter bemüht. Zwei Monate später war „Project Fedora,“ wie der Arbeitstitel lautete, in trockenen Tüchern. Die gewünschten 500.000 $ wurden mit einer Gesamtsumme von 598.105 $ sogar deutlich übertroffen! Ca. zwei Jahre später, also im Mai 2014, war das Game dann endlich fertig. Ob sich die lange Wartezeit gelohnt hat oder die Kickstarter-Backer ihre Moneten sinnlos verballerten, wollen wir in folgendem Review herausfinden.
Und auf einmal sind sieben Jahre futsch
Tesla Effect spielt in San Francisco des Jahres 2050, also ca. sieben Jahre nach dem Cliffhanger aus Tex Murphy: Overseer. Wir erinnern uns: Nach dem gemeinsamen Dinner mit Chelsee im Restaurant „The Golden Pagoda,“ musste Tex wutentbrannt feststellen, dass ihm der Speeder (eine Art fliegendes Auto) gestohlen wurde. Bevor er und Chelsee sich dazu durchringen konnten, den langen Fußweg nach Hause anzutreten, tauchte jedoch ein mysteriöser Fremder auf, der die Beiden dazu überredete mit ihm per Anhalter mitzufliegen. Natürlich entpuppte sich der Fremde als Attentäter der Tex und Chelsee erschoss – ob die Schüsse tödlich waren oder nur der Betäubung dienten blieb unklar.
Selbstverständlich ist Tex noch am Leben, jedoch hat er in den letzten sieben Jahre eine Menge durchgemacht. Er ist zum eiskalten Söldner mutiert, der jeden noch so schmutzigen Job annimmt, solange das Geld stimmt. Er ist quasi zu einen jener Leute geworden, die er als Privatdetektiv immer bekämpft hatte. Zu Beginn von Tesla Effect ist Murphy im Begriff einen weiteren gewinnbringenden Coup zu landen, jedoch wird er von einigen unbekannten Angreifern in seinem Büro überfallen und K.O. geschlagen. Als Tex wieder zu sich kommt, hat er große Teile seines Gedächtnisses verloren – die letzten sieben Jahre um genau zu sein!
Hierdurch gerät der gebeutelte Mann in eine interessante Situation. Der damalige Überfall auf ihn und Chelsee ist in seinem Gedächtnis nun wieder top aktuell, jedoch muss er sehr schnell feststellen, dass sich viele Dinge in den letzten Jahren geändert haben. Er ist auf einmal reich, hat Kontakte zu einigen sexy Ladys und gilt als „Bad Ass,“ dem man besser nicht in die Quere kommt. Im Gegensatz zu diesen eher angenehmen Punkten, zieht das Leben als gnadenloser Söldner aber auch seine Schattenseiten nach sich. Murphy entfremdete sich von seinen alten Freunden, die Polizei versucht ihn aufgrund seiner mörderischen Vorgehensweise dranzukriegen und ehemalige Feinde nennen sich nun seine Partner und Verbündete.
In dieser verzwickten Lage muss sich unser Privatschnüffler nun erst einmal zurechtfinden. Was ist in den letzten sieben Jahren alles geschehen? Ist er wirklich zum gefühlskalten Killer mutiert? Gibt es eine Möglichkeit sein Gedächtnis zurückzuerlangen? Wer waren die mysteriösen Angreifer die ihm das alles angetan haben? Und was ist eigentlich aus Chelsee geworden? Während seiner Ermittlungen entdeckt Tex Murphy recht bald Indizien die auf das Vermächtnis des legendären Wissenschaftlers Nikola Tesla hindeuten. Irgendjemand will die Errungenschaften des historischen Genies für finstere Zwecke missbrauchen und Tex ist viel enger in die Sache involviert als er anfangs dachte …
Ein Liebesbrief an die Tex Murphy-Serie und deren Fans
Tesla Effect war das erste Tex Murphy Spiel, welches ich gezockt hatte und obwohl ich die Vorgänger und somit die Hintergrundgeschichte nicht kannte, hatte mich das Spiel und dessen Handlung doch sehr schnell in seinen Bann gezogen. Nachdem ich die fünf Vorgänger durchgezockt hatte, folgte noch mal ein zweiter Durchlauf von Tesla Effect und ich war schier überwältigt wie viele Details und Referenzen in das Spiel hineingepackt wurden – und damit meine ich noch nicht einmal die ganzen Filmschnipsel aus den Vorgängern, die man hier und da zu sehen bekommt. Das hier ist definitiv ein Liebesbrief an die gesamte Tex Murphy-Serie und deren Fans, aber auch Neueinsteiger werden hier großen Spaß haben!
Zugegeben, es kann manchmal verwirrend sein der verzwickten Handlung zu folgen, da es eine große Anzahl an Charakteren gibt, von denen viele auch schon aus den Vorgängern bekannt sind. Tesla Effect wurde also primär für alte Serien-Veteranen kreiert, was einen motivierten Hobbydetektiv jedoch nicht bremsen wird.
Ferner ließen sich die Programmierer nicht lumpen und haben wieder variable Zwischensequenzen und Endings eingebaut. Dieses Mal gibt es sogar optionale Spielabschnitte und Räume, die man nur zu sehen bekommt, wenn man einer bestimmten Story-Route folgt. Dem Wiederspielwert schadet dies freilich nicht. All dies basiert jedoch nicht mehr auf einem Gesinnungssystem wie noch in The Pandora Directive, sondern wird dadurch entschieden, mit welcher Dame Tex letztendlich anbandelt. Der Spieler kann entweder versuchen Chelsee treu zu bleiben, mit der ebenso hübschen wie hilfsbereiten Reporterin Taylor anbandeln oder sich auf die mysteriöse Blondine Ariel einlassen. Einsame Wölfe können auch alle drei Frauen einfach abblitzen lassen, aber wo wäre da dann der Spaß? Je nachdem wie man sich in den Schlüsselmomenten entscheidet, gibt es dann eines von fünf Endings. Wobei zwei Endings jedoch fast identisch sind und sich nur durch eine kleine Bonussequenz unterscheiden. Vier verschiedene Endings wäre also treffender.
Mein Tipp wäre entweder Chelsee treu zu bleiben, weil dies das befriedigendste Ending nach sich zieht oder die Ariel-Route zu bestreiten, was zwei sehr interessante zusätzliche Spielabschnitte freischaltet. Aber die endgültige Entscheidung liegt natürlich bei euch.
Trotz des düsteren Film Noir-Flairs in einem post-apokalyptischen Szenario, wo die Lebensbedingungen durch radioaktive Strahlung und daraus resultierende Konsequenzen geprägt sind, kommt auch der Humor keinesfalls zu kurz. So gibt es Hologramme die um ihre Freiheit von ihren fleischlichen Unterdrückern kämpfen, Zigaretten mit eingebauter K.I., die Raucher mithilfe fieser Beschimpfungen vom qualmen abhalten sollen und C4 Sprengstoff-Kaugummis. Hauptcharakter Tex Murphy glänzt unterdessen natürlich erneut durch trockene Sprüche und seine trottelige Art, die ihn in so manches Fettnäpfchen treten lässt. Kurz gesagt: Es ist wieder ein echtes Tex Murphy-Abenteuer mit spannender Handlung, sympathischen Charakteren und jeder Menge Humor!
Mit Smartphone, Charme und Fedora
Obwohl so viele Jahre seit dem letzten Teil vergangen sind, hat sich am Spielprinzip eigentlich nichts verändert. Man verfolgt die Story in Form von FMV-Film- und Dialogsequenzen und erforscht die dreidimensionale Spielwelt aus der Egoperspektive. Dort gilt es Adventure-typische Inventar- und Hotspoträtsel zu lösen, diverse Puzzles zu lösen und in seltenen Fällen auch mal eine kleine Stealth- oder Geschicklichkeitspassage zu meistern. Also nichts, was man nicht schon längst von der Serie gewohnt ist.
Was jedoch fundamental verbessert wurde ist die Qualität der Puzzles und Steuerung. Waren die Puzzle-Aufgaben in den letzten beiden Spielen immer wieder mal eine Quelle des Frusts, so macht es dieses mal richtig viel Spaß diese zu lösen! Vor den zeitaufwändigen, kryptischen Hirnverrenkungen aus den Vorgängern bleibt man also verschont, zumal man für jedes Puzzle auch eine kleine Erklärung von Tex aufrufen kann, falls man nicht auf Anhieb versteht, was man überhaupt machen soll. Das heißt jetzt aber nicht, dass man nicht auch ein bissel grübeln muss. Für mich war der Schwierigkeitsgrad der Puzzle jedenfalls hervorragend ausbalanciert.
An der Steuerung gibt es nicht mehr viel auszusetzen. Die Fortbewegung erfolgt via WASD und die Kamera wird mit der Maus kontrolliert – genau wie in einem modernen Ego-Shooter. Mehr als die Maustasten zum interagieren und ein paar weitere Keyboard-Tasten zum rennen oder aufrufen des Hauptmenüs braucht man dann auch nicht weiter. Ferner ist Tex nun mit einer Taschenlampe und einer Art futuristischem Smartphone oder Tablet ausgestattet. Ersteres Utensil dürfte sich von selbst erklären und das Smartphone dient sowohl als Zugriff auf Inventar, Hint-Funktion, Schnellreisefunktion, etc. als auch als Tex‘ treuer Sidekick-Partner … Ja richtig gehört! Da das Spiel in der Zukunft spielt, sind solche Gerätschaften freilich weiterentwickelt und mit einer eigenen K.I. ausgestattet. Tex‘ „persönlicher Assistent“ nennt sich Smart Alex V.1.5, wurde laut eigener Aussage vor drei Jahren in einer Fabrik mit wirklich schrecklichen Arbeitsbedingungen gestaltet und lässt es sich nicht nehmen unseren schusseligen Schnüffler zu verspotten, wenn dieser mal wieder in ein Fettnäpfchen getreten ist – ich kann es kaum noch erwarten, dass aus dieser Fiktion Realität wird. Stellt euch vor ihr stolpert, stürzt und werdet anschließend von eurem eigenen Smartphone verhöhnt. Das wäre doch mal eine App wert!
Erneut hat man zu Spielbeginn die Wahl aus zwei verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Die da wären „Gelegentlich“ (Casual) und „Spieler“ (Gamer) … Und ja, die deutsche Übersetzung der Texte ist recht holprig. Aber wie dem auch sei. Zwischen den beiden Schwierigkeitsgraden gibt es nur zwei Unterschiede: Wenn ihr auf „Gelegentlich“ spielt, bekommt ihr eine Art Hotspotanzeige zur Unterstützung sowie Zugriff auf die Spielhilfe bzw. das Hint-System. Die Hotspotanzeige ist an die Taschenlampe gekoppelt. Items die ihr aufsammeln könnt geben ein Funkeln von sich, wenn ihr draufleuchtet. Die Hint-Funktion hingegen funktioniert hier genauso wie in den Vorgängern, nur dass sie dieses mal ein Stück übersichtlicher aufgebaut wurde. Diese beiden Hilfestellungen fehlen natürlich wenn man auf „Spieler“ (Gamer) zockt. Wirklich notwendig sind diese Hilfsmittel in der Regel aber ohnehin nicht, da Tesla Effect eigentlich über einen recht vernünftigen Schwierigkeitsgrad verfügt. Problematisch können nur diverse Itemhunting-Sessions werden, da einige der benötigten Gegenstände schon recht leicht zu übersehen sind. Die 3D-Umgebungen können nämlich relativ weitläufig und dunkel ausfallen. Man hat Tex schließlich nicht zum Spaß mit einer Taschenlampe ausgestattet.
Bevor ich es vergesse: Eine Art Punktesystem gibt es immer noch, jedoch wird dieses nun in Form von fünf Glühbirnen dargestellt, die nach und nach aktiviert werden, je mehr Punkte man scheffelt. Es ist nicht schwer an Punkte heranzukommen. Jede noch so belanglose Aktion wird belohnt. Bevor man auch nur zwei Drittel des Spiels durch hat, hat man die Glühbirnchen schon alle aktiviert. Punktabzug gibt’s nur beim virtuellen Tod und beim Einsatz der Hint-Funktion (auch hier könnt ihr dann einfach wieder neu laden). Nach Abschluss des Spiels bekommt ihr dann sogar einen von neun Detektivrängen spendiert. Ändert aber auch nichts daran, dass das Punktesystem immer noch ein absolut belangloses Gimmick ist. Interessanter ist da schon der verschlossene Raum in Tex Wohnung, wo es einige nette Sachen zu entdecken gibt. Zugriff auf diesen Raum erhaltet ihr aber nur, wenn ihr entweder das beste Ending freispielt oder alle 20 „Mike and Ike Hammer Candy Comics“ einsammelt, die in der gesamten Spielwelt versteckt sind. Diese kleine Sidequest ist schon wesentlich interessanter als das olle Punktesystem.
Tja, und damit ist eigentlich auch schon wieder alles zum Gameplay gesagt. Nochmals erwähnen möchte ich aber die ganzen tollen Insider, die einem nur auffallen, wenn man die Vorgänger gespielt hat. So gibt es zum Beispiel einen Korridor mit Laserschranken ähnlich wie in Martian Memorandum oder das zeitkritische Schlussrätsel was einen natürlich sofort an das Finale von Mean Streets erinnert. Dann sind da noch die ganzen kleinen Bezugnahmen wie zum Beispiel Murphy’s Speeder der endlich wieder seinen angestammten Platz vorm Ritz Hotel gefunden hat oder die Playbub-Magazine auf denen Emily als Covergirl posiert … Es ist wirklich beeindruckend wie viele Details hier reingestopft wurden. Ein wahre Fundgrube für Tex Murphy-Fans!
Grafik, Sound und weiteres
Größter Knackpunkt in Tesla Effect war für viele Kritiker die Grafik der 3D-Umgebungen. Wirklich übel nehmen kann man den Kritikern nicht, dass ihnen die Grafik missfällt, jedoch sollte man nicht vergessen, dass es sich um ein Produkt eines kleinen Indie-Studios handelt. Das Problem an der Grafik ist nämlich nicht, dass sie per se schlecht ist, sondern bereits gute 10 Jahre veraltet ist. Das alleine sollte jedoch kein Beinbruch für Adventure-Spieler sein, vor allem da die Locations sehr liebevoll und detailreich gestaltet wurden. Das eigenwillige Setting aus Science-Fiction, Postapokalypse und Film Noir wird jedenfalls perfekt eingefangen. Und genau das ist zum Beispiel etwas, was viele moderne Titel nicht hinbekommen. Ich gebe aber zu, dass man sich die Texturen besser nicht aus nächster Nähe anschauen sollte. Wirklich schlimm sind jedoch die Animationen der sehr seltenen 3D-Charaktermodelle. Aus diesem Grund wirken die meisten Ortschaften auch wie leergefegt. Belebte Straßenzüge sucht man hier jedenfalls vergebens.
Wesentlich erfreulicher sind da schon die FMV-Sequenzen. Diese sehen wirklich klasse aus und haben nichts mehr mit den niedrig aufgelösten Filmchen in VHS-Qualität zu tun, mit denen man in den Vorgängern konfrontiert wurde. Das hier dürfte das erste FMV-Spiel sein, wo man wirklich den Eindruck bekommt man würde sich einen echten Film anschauen. Womit der eigentliche Sinn des FMV-Genres endlich einmal kompetent umgesetzt wurde.
Hauptcharakter Tex Murphy wird wie gehabt von Chris Jones gespielt, der auch einer der beiden Gründer von Big Finish Games ist und dort ebenfalls als Gamedesigner tätig ist. Der Großteil der restlichen Rollen wird von professionellen Schauspielern übernommen. Vorbildlicherweise werden fast alle altbekannten Charaktere von denselben Leuten dargestellt, die auch schon in den Vorgängern mit dabei waren! Lediglich James Earl Jones ist nicht mehr als Synchronstimme für Gott dabei. An der Leistung der Akteure gibt es meiner Meinung nach nichts ernsthaft auszusetzen. Ich bin aber auch kein Filmfreak der das objektiv beurteilen kann.
Der Soundtrack von Tesla Effect ist definitiv das Beste, was die Serie bislang in akustischer Hinsicht hervorgebracht hat. Der Themesong und dessen Abwandlungen können jedenfalls locker mit Hollywood-Blockbustern mithalten und die übrigen Stücke fügen sich gewohnt gut in das Spielgeschehen ein. An der Sprachausgabe außerhalb der FMV-Sequenzen gibt es ebenfalls nichts auszusetzen. Egal ob Tex‘ Monologe oder Smart Alex‘ freche Kommentare, es wird für tolle Unterhaltung gesorgt!
Weniger Unterhaltsam ist jedoch die lieblose deutsche Übersetzung der Texte. Man kann zwar nicht unbedingt von einem Debakel sprechen, aber echte Mühe steckt da jedenfalls nicht dahinter. Im Gameplay-Bereich hab ich ja schon das Beispiel mit „Spieler“ und „Gelegentlich“ genannt. Ernsthafte Gedanken hat man sich bei der Übersetzung also definitiv nicht gemacht. Wer Englisch kann, spielt also am besten im Originaltext, zumal die Sprachausgabe ja ohnehin nur auf englisch läuft.