Reprobates – Insel der Verdammten REVIEW
„Das neue Adventure der Macher von Black Mirror und Ni.Bi.Ru“ steht auf der Packung. Da mir diese beiden Point & Click-Adventures der tschechischen Entwicklerschmiede Future Games sehr gut gefallen haben, war es ein logischer Schritt mir auch Reprobates zuzulegen. Wobei mir diese Entscheidung jedoch nicht leicht fiel, denn die Testberichte einschlägiger Adventure-Websites erzählen von einem sehr mittelmäßigen Spiel, welches man mit Vorsicht genießen sollte. Da Reprobates aber bereits viele Jahre alt ist, kostet es freilich nicht mehr die Welt, so sprang ich letztendlich über meinen Schatten und legte mir das Spiel zu. Ob es sich für mich gelohnt hat das Risiko einzugehen, erfahrt ihr im folgenden Review.
Insel der Verdammten
Es sollte ein ganz normaler Arbeitstag für den 23-jährigen Techniker Adam Raichl werden. Es ist noch dunkel als er sich mit seinem Auto auf den Weg zur Arbeit macht. Das Handy klingelt, der Vorgesetzte nervt ehe die Arbeitszeit überhaupt begonnen hat! Plötzlich taucht ein LKW mit leicht entflammbarer Ladung vor der Windschutzscheibe auf, doch es ist bereits zu spät. Adam kracht mit vollem Karacho in den Tanksattelzug hinein und vergeht in einem glühend heißen Feuerball! Als er wieder zu sich kommt, erwacht er in einer kleinen Behausung und wird von zwei wildfremden Menschen begrüßt. Recht schnell stellt sich heraus, das sich Adam auf einer sehr kleinen Insel befindet, die zehn Metallhütten für jeweils eine Person und einen mittelalterlichen Glockenturm beherbergt. Die unfreiwilligen Bewohner der Hütten könnten unterschiedlicher nicht sein. Da reicht die Palette vom leicht fanatischen Priester bis hin zur lebenslustigen Straßenhure. Ferner scheinen sie aus verschiedenen Zeitzonen zu stammen, welche ungefähr die Jahre 1950 bis 2050 umfassen. Eine Gemeinsamkeit haben sie jedoch alle: Sie sind vor ihrem Auftauchen auf der Insel einen gewaltsamen Tod gestorben.
Freilich ist Adam recht unzufrieden mit seiner Existenz an diesem fremden Ort und so beschließt er Nachforschungen darüber anzustellen, was überhaupt vor sich geht und wie er vielleicht zurück nach Hause gelangen könnte. Seine Leidensgenossen zeigen sich allerdings nicht sonderlich motiviert ihn dabei zu unterstützen. Die Neuen sind genauso perplex wie Adam und die Alteingesessenen verhalten sich geradezu lethargisch. Jeden Abend läutet der Glockenturm drei Mal, woraufhin die Gefangenen in einen komatösen Tiefschlaf fallen. Am nächsten Morgen erwachen sie in ihrer Behausung und sehen sich der täglichen Ration Wasser und Cracker gegenüber. In der zweiten Nacht erfahren die Neuen dann, was es mit dieser Zwangspause eigentlich auf sich hat: Höllische Alpträume quälen die Bewohner der Insel und bringen sie bis zur Grenze des Erträglichen! Wird es Adam gelingen dem Wahnsinn zu entfliehen, ehe er von diesen Träumen zugrunde gerichtet wird und endgültig stirbt? Was hat es mit dieser seltsamen Insel eigentlich auf sich? Ist es die Strafe Gottes, oder steckt doch was ganz anderes dahinter?
Klingt spannend? Ist es auch! Die Handlung ist, abgesehen von den extrem atmosphärischen Alptraum-Sequenzen, die größte Stärke von Reprobates. Kennern wird es zwar nicht schwerfallen Parallelen zu Serien wie Lost oder Gantz zu ziehen, dennoch wirken Idee und Setting frisch und unverbraucht. Ein kleiner Wermutstropfen ist da die Storyauflösung, die etwas arg zusammengewürfelt wirkt. Um weiter auszuholen, müsste ich an dieser Stelle die komplette Handlung spoilern, was ich natürlich nicht tun möchte. Stattdessen freue ich mich lieber, dass es überhaupt eine vernünftige Erklärung für die Geschehnisse gibt, was bei solchen Mystery-Geschichten ja nun wirklich nichts selbstverständliches ist.
Etwas was mich über weite Strecken wirklich gestört hat, waren üble Klischees, die die Tschechen verwendeten, um die anderen Inselbewohner zu porträtieren. Da gibt es den trinkfesten, kommunistischen Russen, die farbige US-Amerikanerin, die natürlich in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und eine entsprechend burschikose Art an sich hat, dann hätten wir noch den erzbösen Staranwalt und den Klischee-Deutschen mit Halbglatze, der sich wie das letzte Arschloch verhält, den Namen Hermann trägt und auf die italienische Nutte abfährt … Ich denke jemand müsste mal ein ernstes Wörtchen mit Future Games reden, aber leider existiert das Programmierstudio ja nicht mehr. Wie auch immer, es hat stellenweise schon ziemlich genervt. Ich als Deutscher habe mich natürlich in erster Linie an der Darstellung Hermanns gestört, da scheinbar alle Vorurteile gegen Deutsche in diesem Charakter zusammengefasst wurden – zum Kotzen! Glücklicherweise legt sich dieser Gedanke mit der Zeit, wenn man die Charaktere besser kennenlernt. Gut hinbekommen hat man hingegen die grafische Gestaltung der NPC’s. Die Charaktermodelle sehen sehr realistisch aus. Künstliche Hollywood-Puppen, die beim Chirurgen entstanden sind, bekommt man hier nicht zu sehen. Oder frech ausgedrückt: Future Games hatten Mut zur Hässlichkeit. Ich find’s gut, denn es passt zur Spiel-Atmosphäre.
Süße Alpträume
Um es gleich vorwegzunehmen: Gameplay-Innovationen gibt es hier kaum. Wenn ihr schon mal ein P&C-Adventure gespielt habt, dann wisst ihr wie es abläuft. Wie von den Entwicklern gewohnt, beschränkt sich die Hilfefunktion auf Ein- und Ausgänge und im Falle von Reprobates auf „Ebenenwechsel“ innerhalb eines Renderbilds. Hierbei wird meistens eine Leiter, Treppe oder Ähnliches benutzt, wodurch ein Screen auch mal in mehrere indirekte Teilabschnitte gesplittet wird. Dies wirkt anfangs etwas ungewohnt, ist es im Grunde genommen aber überhaupt nicht. Man darf jedoch nicht vergessen, das einige Hotspots nur dann aktiv werden, wenn man sich im entsprechenden Teilabschnitt des Bilds befindet. Future Games-typisch, gibt es einige lebensgefährliche und zeitkritische Passagen. Vor denen braucht man sich allerdings nicht zu fürchten, da man im Falle des Scheiterns kurz vor die besagte Stelle zurückgesetzt wird. Die daraus resultierenden Ladezeiten nerven jedoch.
Nun wo das geklärt wurde lasst uns ans Eingemachte gehen: Das Spiel dauert ungefähr 15-20 Stunden und ist in elf Kapitel unterteilt. Circa die Hälfte dieser Kapitel beanspruchen die Inselpassagen. Ich hebe diesen Fakt deswegen hervor, weil diese Spielabschnitte vom spielerischen Aspekt nicht sonderlich unterhaltsam ausgefallen sind. Dies hat mehrere Gründe: Die Insel ist wirklich sehr übersichtlich und somit auf Dauer verdammt eintönig. Zwar wurde versucht mit wechselnden Kamerablickwinkeln und Wetterwechseln etwas Abwechslung zu schaffen, doch ändert dies nichts am eigentlichen Problem. Wesentlich schlimmer ist jedoch der eigentliche Spielablauf dieser Passagen. Dieser läuft ungefähr wie folgt ab: Man kommuniziert mit den Leidensgenossen, erforscht die Insel und landet irgendwann in einer Sackgasse, die man nur mit einem bestimmten Item oder mit Hilfe eines kooperationsbereiten NPC’s überwinden kann. Also kehrt man zurück zu den NPC’s und hofft, in der Zwischenzeit neue Dialogzeilen eröffnet zu haben, die das Spiel weiter vorantreiben. Irgendwann läutet dann der Glockenturm, was zu Folge hat, dass einem zum nächsten Ingame-Tag alle gesammelten Items verloren gehen. Da man auf der Insel primär mit Stöcken und Steinen herumhantiert, hat dies zur Folge, dass man sich jeden Spieltag einen neuen Vorrat zusammensuchen muss, was doch recht lästig ist. Darüber hinaus leiden diese Spielsegmente unter Rätselrecycling und fühlen sich ziemlich gescriptet an. Und ihr wisst ja, dass ich kein Freund der „Scriptseuche“ bin.
Glücklicherweise gibt es aber noch die Alptraumsequenzen, die den Spielspaß wieder ins rechte Lot rücken. Diese spielen sich dann wieder wie typische Adventure-Abschnitte und warten mit einigen Überraschungen auf. So gibt es hin und wieder kleine Minispiele zu bewältigen, die aber sehr leicht zu begreifen und zu meistern sind. Da sich viele Aventure-Spieler jedoch sehr an solchen Passagen stören, bietet Reprobates auch eine Option an, die Minigames zu überspringen. Minigame-Hater brauchen also keine Panik zu schieben. Wirklich interessant ist der zweite Alptraum, wo man eine Palette von Aufträgen bewältigen muss, die allesamt eine individuelle Dringlichkeitsstufe aufweisen, so dass der Spieler gezwungen ist sich die korrekte Vorgehensweise zu überlegen. Denn mit jeder Aktion steigt die Dringlichkeit der einzelnen Aufgaben und baut somit eine ungewöhnliche Spannung sowie Druck beim Spieler auf! Ich will hier jetzt auch gar nichts weiter preisgeben, da dadurch doch eure Motivation verloren gehen würde, was für Grauen denn nun der nächste Alptraum mit sich bringt. Nur soviel: Die Alptraum-Abschnitte gehören mit zum Besten, was ich in P&C-Adventures erlebt habe! Die wurden richtig gut umgesetzt und lassen über viele Schwächen der Insel-Abschnitte hinwegsehen!
Bevor ich zum Ende komme, noch eine kleine Info zu einem Spielelement, welches in gepatchten Versionen gestrichen wurde. Adam verfügt über einen Lebensenergiebalken, der durch gewisse Aktionen wie rennen oder klettern herabsinkt. Um die Lebensenergie aufzufrischen muss er Nahrung und Wasser zu sich nehmen, die ihm durch tägliche Wasser- und Cracker-Rationen zur Verfügung gestellt werden. Bei niedriger Energie sollen Adams Bewegungen schwerfälliger ausfallen, bis hin zur kompletten Verweigerung von Aktionen. Da ich mit aktuellsten Patch gespielt habe, kann ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Und ehrlich gesagt will ich das auch gar nicht, da solche Tamagotchi-Elemente nun wirklich nichts in einem Adventure zu suchen haben – da bin sogar ich engstirnig. Dennoch wäre es eleganter gewesen den Energiebalken als optionales Feature anzubieten.
Grafik, Sound und Präsentation:
Grafik: Future Games sind in der Vergangenheit stecken geblieben. Dieser Kommentar kritisiert keinesfalls das altbewährte 2.5D-Grafikschema mit schön gezeichneten Renderbildern, sondern eher die mickrige Auflösung von 1024×768 Bildpunkten. Für ein Spiel aus dem Jahr 2007 ist das ziemlich schlapp. Aber gut, Reprobates sieht trotzdem ziemlich schick aus. Vor allem die 3D-Modelle der Charaktere wurden richtig schön gestaltet! Die Rendersequenzen sind ganz gut gelungen, rissen mich aber nicht vom Hocker. Richtig ärgerlich sind die bereits erwähnten langen Ladezeiten, welche die Daten eines Kapitels reinschaufeln. Diese wären nicht so tragisch, wenn Reprobates kein Spiel wäre, bei dem man öfters den virtuellen Tod stirbt.
Sound: Der Soundtrack, soweit davon die Rede sein kann, überzeugt mit einem passenden Titelstück, welches sofort eine mysteriöse Stimmung erzeugt. Innerhalb des Spiels bekommt man in erster Linie Ambientgeräusche wie Windrauschen, Wellengang oder Möwengekrächze zu hören, was sehr gut umgesetzt wurde.
Die Sprachausgabe gefällt ebenso. Die Sprecher leisten einen professionellen Job und bemühen sich den gestressten Charakteren Leben einzuhauchen. Kurz gesagt, gibt es nicht wirklich viel zu bemängeln.
Präsentation: Auf Future Games ist verlass! Wer ernsthafte Adventures mit spannenden, erwachsenen Stories sucht, der ist bei den Tschechen gut aufgehoben. Dies ändert sich auch nicht mit Reprobates, ganz im Gegenteil! Die erzeugte Spannung ist enorm und schafft es sogar über die spielerisch öden Inselpassagen hinwegzutrösten. Dennoch muss erst einmal die Hürde der ersten beiden Kapitel überwunden werden, ehe einem das Spiel mit dem ersten Alptraum vollends gepackt hat. Bis dahin besteht die Gefahr, dass viele Spieler das Handtuch werfen werden, und dies ist traurig, denn dann verpassen sie die guten Seiten von Reprobates. Abgesehen davon stieß ich ungefähr in der Mitte des Spiels auf ein verbuggtes Rätsel, welches eigentlich leicht zu lösen ist, aber letztendlich dennoch den Blick in eine Lösung erforderte, da es einfach schlecht programmiert wurde. So etwas darf einfach nicht sein – ein klares Pfui für diesen Fauxpas! Doof ist auch die Einstiegspassage des zweiten Alptraumes. In dieser stirbt man sehr leicht, was zahlreiche lange Ladezeiten nach sich zieht. Im letzten Kapitel gibt es auch eine fehlerhafte Stelle. Wenn man an dieser stirbt, friert das Spiel ein und muss per Taskmanager geschlossen werden. Schade, wenn sich nach so vielen Patches immer noch Fehler finden lassen.
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- sehr spannende Story mit toller Mystery-Atmosphäre
- Alptraum-Passagen wurden wirklich genial umgesetzt
- nachvollziehbare Rätsel mit fairem Schwierigkeitsgrad
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- zähe Inselpassagen (machen leider die Hälfte des Spiels aus)
- gibt zwei verbuggte Stellen
- nervige Ladezeiten
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Pro & Kontra

- sehr spannende Story mit toller Mystery-Atmosphäre
- Alptraum-Passagen wurden wirklich genial umgesetzt
- nachvollziehbare Rätsel mit fairem Schwierigkeitsgrad

- zähe Inselpassagen (machen leider die Hälfte des Spiels aus)
- gibt zwei verbuggte Stellen
- nervige Ladezeiten
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