Persona 3 Reload REVIEW
Persona 3 war für die einst als Spin-Off von Shin Megami Tensei gestarteten Reihe ein wichtiger Meilenstein, der das Konzept – wie man es heute kennt – festgelegt hat. Waren die ersten Teile noch Rollenspiele mit starken Dungeon Crawler und klassischen Visual Novel Konzept, so nahm Persona 3 die Erkundung von Dungeons aus der First-Person-Perspektive heraus und legte auf dem rundenbasierten Kampfsystem eine gehörige Schippe Lebenssimulation mit kalendarischen Ablauf drauf. Das fand Anklang, auch wenn erst Persona 5 den weltweiten Durchbruch für die Reihe markieren sollte. Die beiden Vorgänger waren lange Zeit nur auf alten Systemen, wie der PS2 und der PS Vita zu haben, entsprechend groß der Wunsch nach einem Remake. Nachdem Persona 4 und Persona 3 im vergangenen Jahr als Remaster für moderne Plattformen aufgelegt wurden, folgt nun das vollwertige Remake zu Teil 3.
A Way of Life
Persona 3 Reload ist die nunmehr dritte Neuveröffentlichung des Spiels. Persona 3 FES erschien rund zwei Jahre nach dem Original (2006 in Japan bzw. 2007 im Rest der Welt) und ergänzte das Hauptspiel um zusätzliche Inhalte wie einen spielbaren Epilog mit Fortführung der Story, Persona 3 Portable (2011) nahm die neuen Inhalte wiederum weg, dampfte die Optik in einigen Bereichen ein, erhielt neue Musik und gab die Wahl zwischen dem männlichen Protagonisten sowie einer neuen weiblichen Hauptfigur. Für Letztere wurden einige Aspekte der Handlung adaptiert, ansonsten ist man inhaltlich aber wieder näher an das PS2-Original gerückt. Im vergangenen Jahr erschien außerdem das eingangs erwähnte HD-Remaster für aktuelle Plattformen, die sich die PSP-Version als Vorbild nahm.
Das nun erschienene, vollwertige Remake auf Basis der Unreal Engine 4 streicht erneut den großen Teil aller später hinzugefügten Inhalte, fügt dafür wiederum aus Persona 5 bekannte Quality-of-life-Anpassungen hinzu, ist davon abgesehen aber ein recht genaues Abbild der ursprünglichen PlayStation 2 Version. Gerade das Fehlen des Epilogs aus P3 FES (Gerüchte um eine Nachreichung als DLC gibt es bereits) sowie der Wegfall der weiblichen Protagonistin sind bedauerlich, kratzen aber nur bedingt am ansonsten guten Gesamteindruck.
Burn My Dread
Während die meisten Rollenspiele ein Fantasy-Setting nutzen, verortet ist Persona in einem modernen japanischen Szenario verortet. Zwar haben alle fünf Teile gewisse Gemeinsamkeiten, erzählen aber eine in sich geschlossene Geschichte mit eigenem Cast. In Persona 3 ist das zentrale Motiv die sogenannte Dark Hour. Hiermit wird das Phänomen beschrieben, dass der Tag nicht 24, sondern 25 Stunden hat. Die meisten Menschen können die zusätzliche Stunde weder nutzen noch wahrnehmen, denn sie werden in Särge gesteckt und verfallen in eine Art Tiefschlaf (ganz ohne Fantasy-Elemente geht es natürlich nicht!). Wer Pech hat, wird von in dieser Phase von Schattenwesen angegriffen, die sich an den Seelen ihrer Opfer nähren. Nur wenige Menschen – darunter auch der spielbare Protagonist – verfallen während der Dark Hour nicht in Schlaf.
Der Protagonist kommt zu Beginn des Spiels in dem fiktiven Tokyoter Stadteil Tatsumi Port Island an und zieht in ein Wohnheim für Schülerinnen und Schüler der örtlichen High School ein. In seinem neuen Zuhause trifft der namenlose Protagonist – zu Beginn kann man ihn einen eigenen Namen geben, der aber nur in den Texten und nicht in der Sprachausgabe erwähnt wird – auf weitere Personen, die, wie er, die Dark Hour wahrnehmen können und außerdem das Potenzial haben, Personas zu beschwören. Man kann sich eine Persona wie ein Pokémon vorstellen, nur dass diese hier nicht in einem Ball stecken und niedliche Kreaturen sind, sondern quasi in der Seele des Trägers bzw. der Trägerin hausen und eher wie Dämonen aussehen. Die jugendlichen Helden formen eine Gruppe namens SEES (Specialized Extracurricular Execution Squad) und ziehen mit ihren Personas in den Kampf gegen die Schattenwesen und decken nach und nach die Geheimnisse hinter der Dark Hour auf.
Persona 3 war für mich eines der prägendsten Rollenspiel-Erlebnisse, aber es hatte schon immer seine Macken. Dazu gehört auch die Geschichte, die wirklich lange braucht, um in Fahrt zu kommen und interessant zu wirken. Das ist im Remake nicht viel anders und in meinen Augen nach wie vor eine der großen Schwächen. Denn wer wartet schon gerne bis Staffel 3, bis eine Serie gut wird? Langsames Pacing ist per se nichts Schlechtes, die Geschichte wirft in den ersten 15, 20 Stunden aber nur wenig Fährten aus, die wirklich spannend sind. Ein weiteres Problem ist der Cast. Vor allem die Teile 4 und 5 sind bekannt für ihre sympathischen oder zumindest interessanten Figuren. Die Gruppe in Persona 3 und viele NPCs hingegen sind…nun ja, keine wirklichen Sympathieträger. Das müssen sie auch nicht sein, es gestaltet aber die Zugänglichkeit zu ihnen schwieriger. Immerhin bemüht sich die Neuauflage mit mehr Nebenhandlungen rund um die SEES-Mitglieder, damit man schneller Zugang zu Yukari, Mitsuru und Co. bekommt, was aber nur bedingt besser als im Original funktioniert.
After School
Das Gameplay steht auf zwei großen Säulen, nämlich den rundenbasierten Kämpfen und der Lebenssimulation. Letztere überwiegt meinem Empfinden nach und äußert sich in einem festgelegten Tagesablauf. Denn als Schüler hat man nun einmal ein begrenztes Zeitkontingent und verbringt den Morgen und Vormittag in der Schule, auch an Samstagen. Die Nachmittags- und Abendgestaltung ist freier, aber auch hier sollte man sozialen Verpflichtungen sowie dem Trainieren der SEES-Gruppe nachkommen. Zu den sozialen Verpflichtungen gehören das Treffen mit Freundinnen und Freunden, die Teilnahme an Schulclubs und das Büffeln für Klausuren. Bei diesen muss man übrigens auch Fragen beantworten, also gut im Unterricht aufpassen! Durch viele dieser sozialen Aktionen und Interaktionen steigert man Attribute, außerdem formt man ein Band mit anderen Personen. All das wiederum hat Einfluss auf die Fähigkeiten und Möglichkeiten in den Kämpfen.
Alle Personas, die man rekrutieren kann, gehören speziellen Klassen an. Wo viele andere Rollenspiele zur Kategorisierung entweder auf Bezeichnungen wie Ritter, Magier etc. oder Elemente wie Feuer und Wasser zurückgreifen, nutzt Persona 3 Reload Tarotkarten als Einordnung der Monster. Eine meiner Lieblingspersonas, King Frost, gehört beispielsweise der Emperor Arcana Gruppe an. Um möglichst viele Boni für diese Gruppe zu erhalten, sollte der entsprechende Social Link mit seinen insgesamt zehn Stufen möglichst weit ausgebaut werden. Dadurch erhält man Boni, etwa wenn man neue Persona fusionieren will und das Endergebnis wiederum der Emperor Arcana Gruppe angehörig ist. Um einen Social Link auszubauen, trifft man sich mit der entsprechenden Figur und verbringt gemeinsam Zeit. Jeden Social Link kann man sich quasi auch als Nebenhandlung vorstellen, die mal mehr mal weniger interessant ist.
Blues in Velvet Room
Man sollte sich schnell von dem Gedanken verabschieden, eine Persona über das gesamte Spiel zu tragen. Denn jede Persona hört nach einigen Levelsprüngen auf, neue Fähigkeiten zu erlernen. Man kann eine Persona zwar auch dann noch weiterleveln und zumindest durch Skillkarten mit neuen Fähigkeiten ausstatten. Sinniger ist es Personas im Velvet Room zu neuen Kreaturen zu fusionieren.
Was der Velvet Room ist? Dieser Ort zwischen Raum und Zeit ermöglicht es bei seinem Herrscher (?!), Igor, Personas und ihre Fähigkeiten in einen Katalog zu registrieren (man denke an den Pokédex) und ermöglicht außerdem die erwähnte Fusion. Nicht mehr benötigte Kreaturen verschmelzen auf diese Weise zu neuen Mitstreitern. Insgesamt gibt es über 170 Personas, die in der Regel Figuren aus Sagen und Mythen entnommen sind.
Wiping All Out
Im Kampf wird auf verschiedene Elemente zurückgegriffen, die über Stärken und Schwächen entscheiden. Zu Anfang ist das noch simpel: Ein Dämon mit Feuerattacken ist mit großer Wahrscheinlichkeit empfänglich für Eis-Schaden und umgekehrt. Mit fortlaufender Spielzeit werden immer neue Elemente eingeführt. Viele Gegner und vor allem Bosse in späteren Gebieten sind oftmals immun gegen Elementarschaden. Das gestaltet das Taktieren ungemein spannend und zwingt dazu, die Mitglieder des Teams regelmäßig durchzuwechseln. Während Junpei, Koromaru und Co. durch ihre Personas an bestimmte Elemente gebunden sind, so kann der Protagonist mehrere Personas mitnehmen und diese im Kampf bei Bedarf hin- und herwechseln.
Abgesehen von technischen Details, profitiert vor allem das Kampfsystem von Errungenschaften späterer Versionen und vor allem den Mechaniken aus Persona 5. Man kann sich das heute gar nicht mehr so wirklich vorstellen, aber im PlayStation 2 Original war es nicht möglich, die Aktionen der Party-Mitglieder im Kampf zu bestimmen. Lediglich die Aktionen des Protagonisten konnte man festlegen, bei den restlichen Figuren musste man hoffen, die mäßige KI verhält sich vernünftig. Diese unsägliche Designentscheidung wurde erst mit der PSP-Version in die Versenkung geschickt und auch das Remake gewährt nun vollen Zugriff über alle Aktionen der Party.
Hat man bei einem Gegner etwa den Schwachpunkt getroffen, erhält man nicht nur noch mal die Gelegenheit, einen Angriff auszuführen, sondern kann die zusätzliche Aktion an ein Party-Mitglied weitergeben. Wurden bei allen Gegnern die Schwachpunkte getroffen, kann man zur großen All Out Attack schlagen und führt mit der gesamten Party massiven Schaden aus. Eine ebenfalls neue Mechanik hört auf den Namen Theurgy und ist eine zusätzliche Spezialaktion, die ausgelöst werden kann, sobald man einen entsprechenden Balken durch Angriffe und andere Aktionen gefüllt hat. All diese Änderungen sorgen für wesentlich mehr Dynamik und machen die Kämpfe spürbar spaßiger als im Original.
Master of Tartarus
Dadurch wird auch der Tartarus wesentlich interessanter, jener Ort, an dem man hauptsächlich die Party leveln wird. Der Tartarus ist ein Turm, der während der Dark Hour auftaucht und mit Gegnern nur so gefüllt ist. Hier finden der Großteil der Kämpfe statt, die Story-Bosse hingegen finden in eigenen Arealen statt. Mein großes Problem mit Tartarus war schon immer die Randomisierung des Areals, sprich: betritt man den Turm an einem neuen Tag, so sind alle werden alle zuvor besuchten Orte neu arrangiert. Das bleibt auch im Remake so, ebenfalls wie die eher biedere visuelle Präsentation. Hier bin ich mittlerweile zu sehr von Persona 5 und den handgebauten sowie optisch wesentlich abwechslungsreicheren Dungeons verwöhnt.
Und so schön das Remake in manchen Belangen auch ist, so ist nicht alles Gold was unter der neuen Engine glänzt. Die Modelle der Figuren, die Porträts, der neue Voice-Cast, die Musik mit ihren originalen, neu arrangierten und komplett neuen Songs, die stylischen Menüs samt ihrer schönen Übergänge, die Animationen im Kampf: alles toll! Demgegenüber stehen niedrig aufgelöste Umgebungstexturen, wenige Details in den nach wie vor sehr kleinen begehbaren Arealen sowie eine nicht immer passende Lichtstimmung. Gerade das Wohnheim wirkt mit seinen nun hellen Fluren wie ein ganz anderer Ort, während das Wohnheim im Original durch seine gedämpfte Lichtstimmung nie sonderlich einladend wirkte.
Pro & Kontra
- um neue Mechaniken erweitertes Kampfsystem spielt sich dynamisch und macht auch auf lange Sicht Spaß
- aufgehübschte Optik mitunter sehr schick, insbesondere in den Kämpfen und Menüs
- neue Voice-Cast macht seine Sache ziemlich gut
- das Fusionieren von Personas macht süchtig - Gotta Catch 'Em All!
- grandioser Soundtrack
- Story und Figuren brauchen laaaange, bis sie zünden
- Tartarus ist visuell langweilig
- Umgebungen weisen wenige Details auf, teils grobe Auflösung von Texturen