Ocean’s Heart REVIEW
Der alte Nintendo-Klassiker „The Legend of Zelda“ hatte Anno 1986 ein neues Subgenre geschaffen, die Top-Down Action-Adventures. Dieses Genre erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Tatsächlich geht die Fan-Liebe sogar so weit, dass seit 2006 an einer Open Source-Grafikengine namens „Solarus Engine“ gewerkelt wird, welche speziell dazu dient Spiele im Old-School Zelda-Stil zu entwerfen.
Auch der US-Indie-Entwickler Moth Atlas bzw. Max Mraz ist auf diese Engine aufmerksam geworden und nutzt sie seitdem zur Spielentwicklung. Sein Erstlingswerk nennt sich Ocean’s Heart und steht seit dem 21. Januar 2021 auf Steam zum Verkauf. Ein Jahr später hat es das Spiel sogar auf die Nintendo Switch geschafft. Ob Ocean’s Heart seinen Kostenpunkt von aufgerundet 15 Euro wert ist oder nicht, erfahrt ihr im folgendem Review.
Kampf dem Piratenpack!
Ihr übernehmt die Rolle von Tilia, welche zusammen mit ihrer Schwester Linden und ihrem Vater Malvo die Taverne ihrer kleinen Heimatinsel Kalkstein betreibt. Tilias Vater ist Mitglied der sogenannten Freiwilligen Flotte. Das ist ein loser Verbund von Kämpfern, welche sich zur Aufgabe gemacht haben allzu aggressive Piraten-Crews zurückzuschlagen und diverse Aufträge der Zivilbevölkerung durchzuführen, um das (Über)leben auf den Inselgruppen des Ozeans zu verbessern. Seit einem fast schon kataklysmischen Ereignis der fernen Vergangenheit hält sich die politische Ordnung auf den Inselgruppen nämlich in Grenzen. Handelsgilden und Piratenbanden haben in der Regel das Sagen. Die Freiwillige Flotte ist da oftmals der einzige Schutz für die Zivilbevölkerung. Natürlich strebt auch Tilia danach der Freiwilligen Flotte beizutreten und erhält von ihrem Vater auch ein entsprechendes Trainingsprogramm.
Während Tilia ihren alltäglichen Verpflichtungen nachkommt und daher in einer Lagerhöhle zugange ist, wird Kalkstein von Piraten angegriffen. Als Tilia heimkehrt steht ihr Dorf in Flammen und die Seeräuber sind schon wieder abgedampft. Die gute Nachricht ist, dass niemand beim Angriff verletzt oder getötet wurde. Die schlechte Nachricht ist, dass die Piraten nach der Plünderung der örtlichen Tempelruine, wohl eher versehentlich, Tilias beste Freundin Hasel entführt haben. Malvo verspricht Hasel zu retten und mit dem Piratenpack abzurechnen. Er kündigt an, dass er dafür nicht allzu lange brauchen wird. Als jedoch die Monate ins Land ziehen und weder von Hasel noch von Malvo ein Lebenszeichen zu hören ist, beschließt Tilia selbst zur Tat zu schreiten und ihre Lieben zurück nach Hause zu bringen. Als der sechste Monat des vergeblichen Wartens abgelaufen ist, begibt sich unsere Nachwuchs-Heldin auf die Reise.
Was folgt ist eine Schnitzeljagd über die verschiedene Inselgruppen und Konfrontationen mit diversen Piratenbanden, die unter der Knute des machtgeilen Oberpiraten Schwarzbart stehen. Zwischendrin gibt es noch ein wenig Sagengut über die Vergangenheit der Spielwelt zu entdecken, welche natürlich mit den aktuellen Geschehnissen zusammenhängt.
Allerdings sollte man sich Ocean’s Heart nicht wegen der Handlung kaufen. Sowohl Story als auch Charaktere sind sehr oberflächlich gehalten und dienen eher als Mittel zum Zweck um das Abenteuer zu rechtfertigen. Auch den phantastischen Charme eines Zelda-Spiels sollte man nicht erwarten. Hier merkt man doch den Unterschied zwischen Original und Nachahmer.
Wenn der Schwerpunkt auf die Oberwelt-Erkundung gelegt wird
Wer einmal ein klassisches Top-Down-Zelda gespielt habt, wird wissen was ihn hier erwartet. Man erkundet die Spielwelt aus der Vogelperspektive, verdrescht Monster und Piraten in Echtzeit, hantiert mit Werkzeugen, um neue Wege zu erschließen und löst auch mal ein Rätsel.
Die Controller-Steuerung (Tastatur hab ich nicht genutzt) arbeitet dabei genauso simpel wie im großen Vorbild. Mit dem rechten Button schwingt man das Schwert, der untere Button ist für die Dodge-Roll (inklusive I-Frames), und die anderen beiden Buttons können frei mit Zaubern und Alternativ-Waffen belegt werden.
Die oftmals gut verborgenen Zauber sind an einen grünen Mana-Balken gekoppelt, der sich jedoch von selbst regeneriert. Die Waffen wiederum umfassen Bumerang, Speer, Pfeil und Bogen (mit vier verschiedenen Munitionstypen), Bomben, Flegel und sogar einen magischen Deflektor-Schutzschild. Die Waffen haben oftmals auch eine Doppelfunktion als Werkzeuge, um Hindernisse zu überwinden. So lassen sich mit Bomben rissige Steine und Wände wegsprengen, mit Pfeil und Bogen kann man weit entfernte Schalter aktivieren oder man zerdeppert Palisaden mit dem Flegel. Da man viele Waffen erst später im Spiel erhält, sind natürlich einige Spielabschnitte nicht gleich zugänglich, weswegen es ratsam ist sich Notizen zu machen, wo man noch etwas zu entdecken hat.
Leider gestaltet sich die Menüführung, im Gegensatz zur Ingame-Steuerung, als recht unbequem. Diese ist zu verschachelt und einfach zu sperrig zu handhaben. Aber zumindest wird in den Menüs viel Nützliches geboten. Man darf überall speichern, bekommt ein Questlog, eine Steuerungskonfiguration, eine halbwegs brauchbare Weltkarte und kann natürlich sein Inventar einsehen Letzteres umfasst nicht nur Waffen und Zauber, sondern auch Heilmittel, Buff-Tränke und diverse Crafting-Materialien, welche man entweder verkaufen, oder in Alchemie-Shops zu Heil- und Bufftränken umwandeln kann. Ehrlich gesagt ist dieses Crafting-System reichlich überflüssig, da reguläre Heilmittel in Form von Nahrungsmitteln mehr als ausreichen, um das Spiel zu knacken. Vor allem auch deswegen, weil man bis zu 50 Einheiten jedes Heilgegenstands mitschleppen darf. Der Schwierigkeitsgrad schmilzt aufgrund dessen recht bald zusammen.
Und wer fleißig erkundet und Sidequests bewältigt, bekommt obendrein Rüstungsverbesserungen, Korallen zum Upgraden von Schwert, Bogen und Bomben, mehr Herzen für die Lebensenergie-Leiste und weiteres. Somit kann man das Spiel recht gut zu seinen Gunsten brechen.
Um dem entgegenzuwirken, kann man aber auch recht früh im Spiel einen höheren Schwierigkeitsgrad finden. Ja richtig gelesen, man muss den höheren Grad selber finden, aber das ist auch eine gute Überleitung zum eigentlichen Reiz von Ocean’s Heart. Dieser besteht in der Erkundung der relativ offenen Spielwelt, welche hier sogar größer geschrieben wird, als im Zelda-Vorbild. Und da man hier für die Erkundung auch gut belohnt wird, macht es auch sehr viel Spaß die Spielwelt genauestens zu erforschen. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die Dungeons in Ocean’s Heart etwas abfallen. Diese sind oftmals eher geradlinig und lassen es an wirklich interessanten Ideen vermissen. Zwar gibt es auch hier Gimmicks wie wegbrechende Platformen, Schlüssel zum öffnen von Türen und diverse Fallenmechanismen, aber wer an die Zelda-Dungeons gewohnt ist, fühlt sich hier gelangweilt. Auch die Rätseldichte ist hier wesentlich dünner als man erwarten würde.
Am schlechtesten schneiden jedoch die Bossgegner ab, welche in den meisten Fällen darauf hinauslaufen einfach draufzudreschen und die gebunkerten Heilitems einzuwerfen. Und selbst jene Bosse, die etwas geistreicher strukturiert sind, kommen nicht ans große Vorbild heran. Da merkt man halt den Qualitätsunterschied zwischen Original und Kopie. Doch trotz dieser Macken kann man einigen Spielspaß aus Ocean’s Heart herausziehen. Genrefans kommen auf ihre Kosten.
Grafik und Sound
Wie bereits gesagt wurde Ocean’s Heart mit der Solarus Engine erstellt. Dies ist das erste Spiel dieser Engine welches ich gespielt habe, und kann daher nicht sagen inwieweit hier Assets aus dem Solarus-Baukasten verwendet wurden, oder was eine Eigenkreation des Entwicklers ist.
Unabhängig davon wird jedoch gefällige Top-Down 2D-Grafik im 16-bit-Stil geboten, welche umgehend an die alten Klassiker erinnert. Die Grafik ist schön bunt, respektiert jedoch erfreulicherweise die Homogenität und Bodenständigkeit des Inselsettings. Ein Großteil der Sprites sind hübsch anzuschauen und schön animiert, allerdings kommt Ocean’s Heart bei den großen Sprites der Bossgegner heftig ins straucheln. Diese sind eher grob und schlampig gepixelt und lassen vernünftige Animationen vermissen. Da macht sich ein heftiger Qualitätsunterschied zum Rest der grafischen Präsentation bemerkbar. Die Vermutung liegt nahe, dass der Großteil des Sprite-Assets dem Baukasten der Solarus Engine entstammen, während der Entwickler bei den Bossen und einigen anderen Gegner-Sprites selber Hand anlegen musste. Dies könnte eine Erklärung sein, aber ich kann an dieser Stelle nur mutmaßen, da ich kein Experte der Solarus Engine bin.
Der Soundtrack ist recht schön gelungen. Der OST ist sehr gediegen und sorgt mit seinen sanften Melodien für eine entspannte Abenteuerstimmung. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass Tracks für actionreiche Passagen wie Bosskämpfe nicht so recht zünden wollen. Im Großen und Ganzen weiß der Soundtrack jedoch zu gefallen.
Die Soundeffekte überzeugen und passen zum Gameplay. Eine Sprachausgabe gibt es nicht, aber dafür beeindruckt das Spiel mit einer überraschend kompetenten und liebevollen deutschen Textübersetzung. Derartiges hätte man von so einem kleinen Indie-Spiel gar nicht erwartet.
Pro & Kontra
- legt ein großes Augenmerk auf Erkundung und belohnt diese auch
- gute Spielbarkeit nach bewährtem Zelda-Muster
- charmante audiovisuelle Präsentation
- hochwertige deutsche Textübersetzung
- zu lascher Schwierigkeitsgrad
- miese Bosskämpfe
- dünne Story
- hätte rätsellastiger sein können