Nicolas Eymerich The Inquisitor Book I: The Plague REVIEW

Nicholas Eymerich ist keineswegs eine frei erfundene Figur, sondern tatsächlich eine historische Persönlichkeit, welche im Jahr 1316 geboren wurde und 1399 verstarb. Er war Mitglied des Dominikaner-Ordens für den er viele Jahre seines Lebens als hochrangiger Inquisitor tätig war. Größte Bekanntheit erlangte er für das Verfassen des 800 Seiten starken „Directorium Inquisitorum.“ Der Wälzer war eine Art Leitfaden für Inquisitoren. Etwas was es wohl zuvor nicht gegeben hat.

Der italienische Roman-Autor Valerio Evangelisti war besonders fasziniert von dieser historischen Persönlichkeit und machte ihn 1994 kurzerhand zum Protagonisten seines ersten Romans „Nicolas Eymerich inquisitore“, welcher 2001 auch in Deutschland unter dem Namen „Der Schatten des Inquisitors“ veröffentlicht wurde. Wider Erwarten handelt es sich hierbei in erster Linie um einen Science-Fiction-Roman, welcher drei Zeitepochen mit jeweils eigenem Protagonisten umfasst. Eymerichs Handlungsstrang im Mittelalter ist da natürlich der Dominante. Und sein Treiben als Inquisitor hallt selbst in der fernen Zukunft wider, als die Menschheit bereits das Weltall in Raumschiffen erkundet.

Der Roman war wohl, zumindest in Italien, sehr erfolgreich. So erfolgreich, dass Evangelisti bis dato 12 Nicolas Eymerich-Romane verfasst hat (von denen es jedoch nur 4 nach Deutschland geschafft haben). Einige Romane bekamen sogar eine Comic-Umsetzung spendiert (die Umsetzung des ersten Buchs hat es nach Deutschland geschafft).

Seit dem 30. April 2014 jagt Nicholas auch auf dem PC nach Häretikern. Der italienische Indie-Entwickler TiconBlu schnappte sich die Lizenz der Romanvorlagen und strebte die Umsetzung eines Point & Click-Adventures an, welches in vier Episoden gesplittet werden sollte. Leider hat es nur für die ersten zwei Episoden gereicht. Jedoch hat man die Spiele später in Audiobook-Fomat umgesetzt. In dieser Form durften dann auch die finalen Episoden das Licht der Welt erblicken. Doch in diesem Test soll es nur um die erste Episode des Point & Click-Adventures gehen. Die da trägt den bescheidenen Namen „Nicolas Eymerich The Inquisitor Book I: The Plague.“

Mit diesem spanischen Edgelord-Inquisitor sollte man immer rechnen!

Wir befinden uns in Frankreich des Jahres 1364: Jean Vinet, der Abt des Klosters von Carcassonne hat ein Problem. Im Nachbardorf Calcares breitet sich der Ketzerglauben der Katharer aus. Sein Inquisitor, ein gewisser Jacinto Corona, war bis dato nicht in der Lage die Angelegenheit mit Calcares zu bereinigen. Es ist sogar der Kontakt zu Jacinto abgebrochen. Also wird der legendäre Superinquisitor Nicholas Eymerich herbeordet. Dieser ist ja eigentlich in Avignon stationiert, soll jetzt aber für den durchtriebenen Vinet den Handlanger spielen und in Calcares ein Tribunal abhalten.

Nicholas ist wenig begeistert über diesen Auftrag, was aber nur daran liegt, da sich Vinet weigert ihm die vollständige Amtsgewalt über die Region Carcassonne zu gewähren. Zähneknirschend begibt sich Eymerich zum Stall, um das Pferd zu satteln. Doch Gottes Wege sind unergründlich, und vor allem scheint er wieder einmal auf der Seite von Nicholas zu stehen. Der Pferdesattel ist beschädigt und der Stallbursche äußerst redselig. Dieser berichtet unserem Inquisitor, dass in Calcares Dämonen gesichtet wurden. Eine Information, die ihm der Abt vorenthalten hat. Somit ist für Nicholas klar, dass er seine Fähigkeiten bereits im Kloster von Carcassonne einsetzen muss und den Ritt ins häretische Dorf erst dann antreten sollte, wenn er sich gründlich vorbereitet hat. Die zeitaufwändige Reparatur des Pferdesattels sollte ihm genügend Zeit hierfür geben.

Da es sich um eine episodische Reihe handelt, sollte man nicht erwarten, dass Nicholas das finstere Geheimnis von Calcares bereits in „Book I: The Plague“ löst. Tatsächlich führt ihn der Weg erst im letzten Fünftel oder Sechstel des Spiels ins Dorf. Bis dahin muss er sich erst mal auf Informationssuche im Kloster von Carcassonne begeben. Diese ist dank Eymerichs Persönlichkeit aber ein unerwarteter Hochgenuss. Während bereits die Romanfigur als rücksichtsloser Misanthrop dargestellt wurde, so verwandelten die Macher des PC-Spiels den spanischen Inquisitor in den König aller Edgelords. Ihr glaubt Shadow the Hedgehog oder der Typ aus „Hunt Down The Freeman“ sind Edgy? Dann habt ihr wohl noch nie Nicholas Eymerich in Aktion gesehen. Im Ernst: Jedes mal wenn der Typ im Spiel den Mund aufmacht habe ich ein fettes, breites Grinsen im Gesicht. Das Verhalten von dem Kerl ist wirklich dermaßen Unterhaltsam! Für Fans von Edgelords ist das Spiel alleine aufgrund des Protagonisten ein absoluter Pflichtkauf. Oder kennt ihr ein anderes Spiel, welches euch ein Achievement dafür gibt, dass ihr mehrmals auf einen gefesselten Typen am Boden eintretet?

Dabei kann man Nicholas sein Verhalten noch nicht mal so sehr übelnehmen wie man denkt, denn die anderen Bewohner des Klosters sind alles andere als sympathisch. Jean Vinet könnte glatt als Sith-Lord durchgehen, der nur darauf wartet das rote Lichtschwert unterm Tisch hervorzuholen. Seine Torwache outet sich, unter anderem, als Vergewaltiger und der Bibliotekar treibt Schindluder mit historischen Texten. Da wird es Zeit, dass mal jemand ordentlich aufräumt. Und es macht sehr viel Spaß dieser Säuberung beizuwohnen.^^

Standard-Gameplay mit holprigen Macken und mäßigen Gimmicks

Im Kern ist Book I: The Plague ein gewöhnliches Point & Click-Adventure. Ihr navigiert Nicholas mit Mausklicks durch die beiden recht überschaubaren Ortschaften. Man tratscht mit NPCs, wo ihr schön brav alle Gesprächsthemen abklappert. Man sammelt Gegenstände ein, die eventuell in der Inventarleiste am oberen Bildschirmrand untereinander kombiniert werden müssen, und nutzt die Gegenstände an Hotspots, um Problemstellungen zu lösen.

Problematisch ist jedoch, dass sich Nicholas weigert einige Gegenstände einzusammeln, die er nicht benötigt. Erst wenn der Gegenstand aktiv genutzt werden kann, darf man ihn einsammeln. Ärgerlich hierbei ist die Tatsache, dass hier keine Konsistenz vorherrscht. So weigert sich Nicholas aus einem fadenscheinigen Grund eine Walnuss in der Küche einzusammeln, aber die merkwürdigen Metallteile und ein paar Küchenutensilien werden hemmungslos eingesackt, obwohl er eben diese zum gegebenen Zeitpunkt auch nicht benötigt. Wenn man schon mit derartiger Logik in einem Point & Click-Adventure vorgeht, dann sollte man diese Logik auch gekonnt umsetzen, was hier leider nicht geschehen ist.

Ein weiteres Problem ist die wacklige Hotspotanzeige. Diese funktioniert nämlich nicht wie in einem regulären Adventure, was wohl daran liegt, da Book I: The Plague in einer 3D-Umgebung stattfindet. Daher muss man die Hotspots einzeln per Tab-Taste durchschalten. Aufgrund variabler Kameraperspektiven (wird hier ähnlich wie in Retro-Survival-Horror-Titeln gehandhabt), kann es sogar passieren, dass der angewählte Hotspot dann gar nicht auf dem Screen angezeigt wird. Besonders lächerlich ist jedoch, dass diese Hotspot-Durchschaltung sogar die Menübuttons (Tagebuch, Karte und Kruzifix) am unteren Bildschirmrand anwählt. Was soll das?

Und wo wir es schon mal erwähnt haben: Das Kruzifix fungiert hier als eine Art Autopilot-Funktion. Wenn man mal nicht weiterweiß, muss man nur darauf klicken und Nicholas führt den nächsten Schritt zur Lösung des Spiels automatisch durch. So etwas habe ich auch noch nie erlebt. Diese Funktion wird jedoch etwas dadurch ausgebremst, dass sich die Kruzifix-Energie erst wieder aufladen muss, bevor man es erneut einsetzen darf. Die anderen Buttons in Form der Karte (die muss erst gefunden werden) und des Tagebuchs dürften sich da von selbst erklären.

Zur Auflockerung bietet das Spiel auch einige Apparaturrätsel. Da soll man auch mal eine eingeklemmte Schublade aufhebeln oder versteckte Knöpfe auf Reliquien betätigen. Nichts besonderes, aber immerhin etwas Abwechslung. Das Bücherregal-„Rätsel“ war aber großer, stupider Mist und der absolute Tiefpunkt im Spiel. Weiterhin ärgerlich, ist, dass Nicholas nur sehr langsam durch die Gegend schlurft und der Doppelklick zur Abkürzung durch Ein- und Ausgänge nur mit mehreren Sekunden Verzögerung funktioniert. Aber immerhin konnte man die Spielzeit dadurch auch auf ca. 6-7 Stunden hochdrücken, was für ein Episoden-Adventure schon sehr ordentlich ist.

Es gibt auch ein Punktesystem (kennt man ja aus alten Sierra-Klassikern), in Kombination mit dem exzessiven Einsatz von Easter-Eggs. Freilich sind die Eier auch an zahlreiche Achievements gebunden. Ohne Komplettlösung hat man jedoch keine Chance an alle Punkte, Ostereier und Achievements heranzukommen (für einige muss man z.B. mit Console Commands arbeiten), weswegen diese Gimmicks nicht wirklich dabei helfen können über das doch recht fehlerbehaftete Gameplay hinwegzublicken. Wer einfach nur ein gutes Point & Click-Adventure an sich sucht, ist anderswo besser aufgehoben. Dieses Spiel spielt man in erster Linie, um den Edgelord-Protagonisten bei seinem Treiben zu beobachten.

Grafik und Sound

Die 3D-Grafik ist für ein Indie-Point & Click-Adventure gar nicht mal so schlecht. Natürlich kommt sie bei weitem nicht an gescheite Renderbilder heran und es gab wohl auch damals schon ein paar 3D-Adventures, welche hübscher oder auch konsistenter aussahen als dieses hier. Die zwei großen Probleme der Grafik sind einerseits einige sehr miese Texturen und andererseits die schwankende Qualität der 3D-Charaktermodelle. So gibt es z.B. in der Küche eine extrem hässliche Wandtextur, wo Tisch, Utensilien und Pflanzen als Pixel-Zeichnung auf die Wandtextur geklatscht wurden. Das sieht richtig scheiße aus! Und während man sich für die Charaktermodelle der wichtigen Charaktere viel Mühe gegeben hat, so nerven unwichtige NPCs mit toten Stilaugen und miserabel gestaltetem Haar.

Hätte man hier mehr Mühe und Sorgfalt einfließen lassen, dann hätte man die Grafik sogar als „gut“ bezeichnen dürfen, aber die oben geschilderten Macken sorgen leider für zu viel unfreiwillige Komik in diesem Sektor. Das ist jedoch sehr schade, denn man merkt, dass die italienischen Indies mit viel Liebe an die Sache herangegangen sind. Die umfangreichen Dialoge werden mit cineastischen Kameraeinstellungen präsentiert und ein paar nett gemachte Rendersequenzen gibt es auch.

Der Soundtrack des Spiels unterstreicht den Edgelord-Flair des Adventures. Im Titelscreen wird man mit einem Metal-Theme begrüßt und auch die kirchlichen Klänge im Spiel wurden entsprechend aufgepeppt. Der OST trägt also zum Unterhaltungsfaktor bei, auch wenn ich ihm keinen Preis verleihen würde. Und dann hätten wir noch die erfreulich umfangreiche Sprachausgabe. Ihr dürft zwischen Englisch, Italienisch und Latein auswählen. Nur die Untertitel wurden ins Deutsche übersetzt und sind stellenweise auch etwas fehlerbehaftet, aber größtenteils in Ordnung. Die englische Sprachausgabe fängt den Edgelord-Faktor des Protagonisten wunderbar ein und wirkt im generellen überraschend gefällig. Aber der Knaller ist natürlich die lateinische Variante. Diese sorgt nicht nur für zusätzliche Atmosphäre (Latein ist die Amtssprache der katholischen Kirche), sondern man merkt, dass die Sprecher verdammt viel Spaß dabei hatten aggressive Emotionen reinzupacken. Das ist dem Edgelord-Faktor natürlich sehr zuträglich.

Pro & Kontra

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Pros
  • der Protagonist ist ein herrlich unterhaltsamer Edgelord
  • umfangreiche Sprachausgaben in englisch, italienisch und sogar latein
  • für ein Episoden-Adventure wird eine gute Spieldauer von 6-7 Stunden geboten
  • Autopilot-Funktion

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Cons
  • das Bücherregal-Rätsel ist einfach nur schlecht
  • einige seltsame, unnötige Macken (Hotspotanzeige ist merkwürdig, Doppelklick-Abkürzungen werden zu spät umgesetzt, …)
  • der Protagonist läuft nur sehr langsam, weswegen das Spiel sehr träge werden kann
  • ist eines jener Adventures, wo man bestimmte Gegenstände erst einsammeln darf, wenn sie gebraucht werden. Dieses System wird aber nur sehr inkonsistent angewandt

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