Mutropolis REVIEW
Das Point & Click Adventure Mutropolis ist das Erstlingswerk des zweiköpfigen, spanischen Indie-Entwicklers Pirita Studio. Das Spiel ist für den 18. Februar 2021 geplant und soll 19,99 Euro kosten. Da die Entwickler einen erfahrenen deutschen Publisher für sich gewinnen konnten, kann das Indie-Adventure sogar mit einer umfassenden englischen Sprachausgabe auftrumpfen. Weitere Alleinstellungsmerkmale sind der kreativ-artistische Grafikstil und das interessante Hintergrundsetting, welches uns ins ferne fünfte Jahrtausend versetzt, in welchem die Erde nur noch als historische Kuriosität für verschrobene Mars-Archäologen dient. Aber ich greife vor. Was euch Mutropolis im Detail zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Review.
Die Erde als gigantische archäologische Ausgrabungsstätte
Im Jahr 2200 wurde die Erde von einer nicht näher erläuterten Katastrophe heimgesucht (es gibt später Indizien die auf einen Meteorschauer hindeuten). Glücklicherweise konnte sich ein Teil der Menschheit auf den Mars retten, wo die Menschheit eine neue technologische Hochkultur aufbauen konnte. Aktuell befinden wir uns im fünften Millennium und die Marsianer beginnen sich so langsam wieder für ihren Ursprungsplaneten Erde zu interessieren. Es wurden bereits erste Siedlungen auf dem inzwischen von der Natur beherrschten Blauen Planeten errichtet. Siedlungen, welche vor allem auch von Archäologen bevölkert werden, für welche die Erde als wahre Schatzgrube von historischen Entdeckungen dient.
Der kindisch-gutmütige Henry Dijon ist Teil des Teams rund um den schrulligen Expeditionsleiter Totel. Der alte Archäologe hat sich in den Kopf gesetzt die sagenumwogene Stadt Mutropolis aufzuspüren, welche zahlreiche Schätze beherbergen soll, darunter sollen sich sogar Knochen der legendären Dinosaurier befinden. Allerdings steht Totel mit seinem Ziel alleine da, denn niemand scheint ihn erst zu nehmen und an die Existenz von Mutropolis zu glauben. Das schließt sogar seine eigenen Mitarbeiter in Form von Henry, den Zwillingen Luc und Micro, der Büro-Blondine Carlata und der grantigen Cobra ein.
Doch dann passiert auf einer Ausgrabungsstätte das Unerwartete: Die Truppe findet tatsächlich ein Graffiti, welches auf Mutropolis verweist. Doch bevor das Team diesen Sensationsfund richtig genießen kann, werden sie von unbekannten Angreifern überrumpelt. Die Schurken zerstören das Graffiti und entführen Totel. Als Spieler erfahren wir umgehend, dass der ägyptische Gott Seth hinter dem Angriff steckt. Dieser verfolgt dasselbe Ziel wie Totel: Er will Zugang zu Mutropolis erlangen, wobei seine Beweggründe freilich wesentlich weniger Ehrenwert sind, als jene von Totel.
Henry und Co. sind wenig begeistert über die Entführung ihres Mentors, und da die Sicherheitskräfte der Zukunft bemerkenswert inkompetent sind (Demolition Man lässt schön grüßen), liegt es nun an Henry und Co. Totel aufzuspüren und zu retten. Unterstützung erhalten sie dabei später von Seths Schwester Isis, welche für die Schandtaten ihres Bruders wenig übrig hat.
Das Grundkonzept der Handlung ist recht originell und witzig. Die Idee Menschen der Zukunft die Ruinen unserer Gegenwart interpretieren zu lassen führt definitiv zu einigen lustigen und absurden Ergebnissen. Da werden z. B. fiktive Figuren wie Indiana Jones und Wonder Women als historische Persönlichkeiten fehlinterpretiert und ein altes zerfallenes Fahrrad als mysteriöse Reliquie angesehen. Darüber hinaus scheint die Menschheit der Zukunft nur noch aus naiven Fachidioten zu bestehen. Wer den bereits erwähnten Film „Demolition Man“ gesehen hat, kann sich in etwas denken, wie der Durchschnittsmensch der Zukunft in diesem Adventure-Spiel portraitiert wird. Anders als in Demolition Man bekommt man hier jedoch keinen Sylvester Stallone als ausgleichenden Gegenpol zu all den Zukunfts-Pfosten dargeboten, nein, stattdessen muss man mit Henry Dijon vorlieb nehmen. Dieser geht in seinem Zeitalter wohl als aufgeweckter Durchschnittstyp durch, ist aus unserer Sicht jedoch einfach nur ein erschreckend kindisch-naiver Depp, mit dem man eher ungern Zeit verbringen würde. Immerhin hat der Gute das Herz auf den rechten Fleck und tritt somit das Klischee vom Mistkerl-Protagonisten, die man sonst vom Genre vorgesetzt bekommt, mit Füßen. Das ist ja auch was wert.
Das was mir leider überhaupt nicht an der Story von Mutropolis gefallen hat, ist die Implementierung von ägyptischen Göttern. Deren Präsenz wirkt völlig überflüssig, vor allem da das Spiel auch kaum etwas aus ihnen herausholt. Es soll sich um Götter handeln, jedoch gestalten sich deren Kräfte als absolut lachhaft, bzw. gibt es immer nur fadenscheinige Begründungen, warum sie ihre Kräfte nicht einsetzen. Man hätte Seth auch einfach gegen irgendeinen kriminellen Schatzräuber austauschen können und es hätte kaum einen Unterschied gemacht. Isis wiederum hätte das sein können, was Sylvester Stallone in Demolition Man war, ein Gegenpol zu all den merkwürdigen Menschen der Zukunft, welche sich in den letzten 3.000 Jahren eher zurückentwickelt haben. Dummerweise ist Isis auf ihre eigene Art auch nur eine verschrobene Fachidiotin, womit die Göttin wesentlich besser zu den Menschen der Zukunft passt, als sie sich wohl selbst bewusst ist.
Also ja, man muss sich schon mit den eigenwilligen Charakteren anfreunden können, um Mutropolis vollauf genießen zu können. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass man hier das vorhandene Potential des Grundkonzepts wirklich genutzt hat. Es wäre besser gewesen, wenn man den Götter-Kram weggelassen hätte und sich stattdessen mehr auf den „die Zukunft entdeckt die Gegenwart“-Aspekt konzentriert hätte. Andererseits ist überdeutlich, dass Mutropolis ohnehin eher auf seinen kruden Charme, quirlige Charaktere und den daraus resultierenden Humor setzt, als auf eine spannende Story. Von daher braucht man wohl nicht zu stark darüber nachzudenken und sollte sich einfach auf das Ding einlassen.
Klassisches Gameplay mit teils schlecht konstruierten Rätseln und fehlender Hotspotanzeige
Über das Gameplay gibt es nicht so viel zu sagen, wie über Story und Charaktere, denn es handelt sich um ein reines Point & Click-Adventure, welches seinen Fokus nahezu vollständig auf Inventar- und Hotspoträtsel legt. Man klappert also mit dem Mauscursor die Ortschaften nach aufsammelbaren Gegenständen ab, kombiniert diese gegebenenfalls untereinander, um somit neue Items zu kreieren und nutzt seine Objekte an Hotspots oder übergibt sie NPCs, um Problemstellungen zu lösen. Darüber hinaus muss man auch fleißig Kommunikation mit seinen virtuellen Mitmenschen betreiben um an wertvolle Infos zu gelangen und die Story voranzutreiben. In seltenen Fällen darf dann auch mal ein Tresor-Zahlencode entschlüsselt werden oder man soll mit einem Dietrich herumhantieren.
Die Steuerung arbeitet gewohnt routiniert, auch wenn die Cursor-Führung ein klein wenig schwammig wirkt und Henry leider nicht in der Lage ist zu rennen. Dafür lässt sich jedoch das Inventar bequem per Mausrad aufrufen und es gibt eine Doppelklick-Funktion um Ein- und Ausgänge abzukürzen. Eine weitere nette Funktion ist die Möglichkeit NPC-Dialoge entweder automatisch ablaufen zu lassen oder jede Textzeile manuell per Mausklick zu handhaben.
Seltsam ist hingegen, dass es nicht gestattet ist angelegte Speicherstände zu überschreiben. Stattdessen soll man entweder einen Neuen anlegen, oder muss einen alten Speicherstand löschen, um wieder für Übersicht zu sorgen. Das ist jedoch nur Kleinkram, richtig derbe ist hingegen die Abstinenz einer Hotspotanzeige, was dieser Tage nun wirklich nicht mehr zeitgemäß ist und vor allem bei solch einem humorvollen, familienfreundlichen Spiel wie Mutropolis ziemlich weh tut.
In diesem Zusammenhang muss ich auch klarstellen, dass das Design der Inventarrätsel ziemlich altbacken wirkt. Soll heißen, dass einige Inventar- und Hotspotrrätsel einer ziemlich kruden Logik folgen, was natürlich dazu dient den Schwierigkeitsgrad ordentlich in die Höhe zu treiben, um somit wahrscheinlich die Spielzeit zu strecken. So gibt es z.B. einen Eiszapfen, den man von einem Baum abschlagen soll. Henry kommt jedoch nicht an das Ding heran. Normalerweise würde man sich da als Normalsterblicher die Harke aus dem Garten schnappen und den Zapfen eben damit abschlagen. Dummerweise will Henry den Garten jedoch aus einem fadenscheinigen Grund nicht betreten (obwohl die Harke eigentlich neben dem Garten liegt), also muss eine sehr wirre Improvisation her, welche auf Manipulation der Jahreszeiten und Henrys Laborkittel beruht … Ich bin kein Freund von solchen Sperenzchen. Ich habe solche stark konstruierten Rätsel bereits in anderen Adventures wie Geheimakte gehasst und ich hasse sie auch in Mutropolis. Zwar kommt man mit Geduld, etwas gutem Willen und auch ein wenig Glück letztendlich doch noch voran, jedoch würde es mich nicht wundern, wenn die Nachfrage nach einer Komplettlösung bereits zum Releasedatum sehr hoch ausfallen würde. Na wenigstens hats dabei geholfen meine persönliche Spielzeit auf 12 Stunden zu heben, womit immerhin die gängige Spieldauer für ein Point & Click-Adventure erreicht wird. Ob es das wirklich wert war, muss jedoch jeder für sich selbst entscheiden.
Grafik und Sound
Grafisch präsentiert sich Mutropolis als farbenfrohes Kunst-Projekt in 2D. Wer also High-End 3D-Grafiken oder komplexe Animationen erwartet, liegt hier absolut falsch. Die grafische Qualität von Mutropolis steigt und fällt mit dem persönlichen Geschmack des Spielers. Entweder man mag die eigenwillig-europäische Cartoon-Kunst oder eben nicht. Ich persönlich konnte mit der Grafik anfangs ehrlich gesagt nicht viel anfangen, aber nach ca. 3-4 Stunden Spielzeit ist mir der Stil dann doch ans Herz gewachsen, womit auch meine Freude am Spiel beträchtlich gestiegen ist. Ich denke ein Grund meiner anfänglichen Abneigung liegt auch im schwachen Einstieg begründet. Das erste der insgesamt drei Kapitel findet nun einmal in einer eher tristen, braunen Höhle statt. Und an so einem Ort kann ein Grafikstil, welcher stark von einer bunten Kolorierung abhängt, nun einmal nicht vernünftig aufblühen. Immerhin ist das erste Kapitel sehr kurz und ab Kapitel 2 zieht die Farbpalette und die Kreativität der Settings sehr stark an.
Bezüglich des Soundtracks hat Mutropolis leider nicht viel zu bieten. Wenn mir mal eine Melodie aufgefallen ist, dümpelte sie zu leise im Hintergrund vor sich hin und wirkte eher wie einschläfernde Fahrstuhlmusik. Wirklich bemerkenswert war da für mich nur der völlig unpassende Titelscreen, welcher die Skyline einer postapokalyptischen Ruinenstadt zeigt, welche obendrein mit entsprechend düsterer Musik unterlegt wird. Noch nie ist mir ein unpassenderer Titelscreen untergekommen. Hier wird eine sehr düstere Stimmung geteasert, die im Spiel aber schlicht und einfach nicht existiert – was soll also dieser irreführende Titelscreen?
Aber nun gut, dafür bietet das Spiel eine sehr hochwertige englische Sprachausgabe. Die Sprecher der Charaktere wurden gut gewählt, bieten angenehme, sympathische Stimmen und waren mit sichtlicher Freude und Motivation bei der Sache. Gibt an dieser Stelle nichts zu meckern. Lediglich die Abstinenz einer deutschen Sprachausgabe irritiert etwas, schließlich hat man ja einen deutschen Publisher im Rücken. Aktuell bietet das Spiel nur deutsche Bildschirmtexte.
Zum Schluss muss ich leider noch einen derben Mangel ansprechen. In der zweiten Hälfte des dritten Kapitels, also gegen Ende des Spiels, musste ich mich mit teils extrem derben Performance-Einbrüchen herumschlagen. Da ist bei mir die Bildfrequenz gerne mal in den einstelligen Bereich gerutscht und die Charakteranimationen verkamen zur Zeitlupen-Diashow. Warum das passierte kann ich mir nicht erklären, schließlich ist Mutropolis nun wirklich keine Hardware-Hungrige Triple-A-Bestie. Und wenn es an meinem PC liegen würde, dann hätte ich dieses Problem ja das ganze Spiel über gehabt und nicht nur auf den letzten Metern. Diesbezüglich sollten die Entwickler also wirklich noch mal die Schrauben ansetzen.
Vielen Dank für die kritische Einordnung. Besonders der Hinweis zum künstlich gesteigerten Schwierigkeitsgrad macht eine Entscheidung einfacher. Der Grafik-Stil gefällt mir gut. Aber ich sehe schon den Frustfaktor.