Moebius: Empire Rising REVIEW
Nachdem die geschätzte Adventure-Gamedesignerin Jane Jensen nach der Veröffentlichung von Gabriel Knight 3 im Jahre 1999 in Vergessenheit geriet, konnte sie sich über 10 Jahre später wieder als relevante Designerin etablieren. Sowohl „Gray Matter“ als auch „Cognition: An Erica Reed Thriller“ boten gehobene Adventure-Kost mit starken Charakteren und interessanten Stories, welche Lust auf mehr bereiteten.
Tatsächlich beschlossen Jane Jensen und ihr Eheman Robert Holmes ein eigenes Entwicklerstudio zu gründen, wofür erst einmal Kickstarter-Geld eingesammelt werden sollte. Die Kampagne war erfolgreich. Das Minimalziel von 300.000 $ wurde mit 435.316 $ sogar noch spürbar übertrumpft. Und so wurde das „Pinkerton Road Studio“ ins Leben gerufen, welches laut Kickstarter-Ankündigung zwei Adventures produzieren sollte. Ein Versprechen das im übrigen auch eingehalten wurde. Das erste dieser beiden Adventures nennt sich Moebius: Empire Rising und wurde am 15. April 2014 veröffentlicht. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob es Jensen und Holmes geschafft haben ein weiteres tolles Abenteuer auf die Beine zu stellen.
Bloß eine schwachsinnige Theorie, oder steckt mehr dahinter?
Der hochbegabte New Yorker Antiquitätenhändler und -schätzer Malachi Rector hat sich aufgrund eines traumatischen Kindheitserlebnis zum unnahbaren Kotzbrocken entwickelt. Ein Umstand welcher seinem Erfolg jedoch keineswegs hinderlich ist. Dank seines fotografischen Gedächtnisses und jeder Menge Fachkenntnisse kann er innerhalb von wenigen Minuten Herkunft und Wert von Antiquitäten einschätzen. Tatsächlich kann er diese Fähigkeit sogar nutzen, um Menschen zu evaluieren. Und letzteres dürfte auch der Grund sein, warum der US-Geheimdienst FITA auf Rector aufmerksam wurde.
Der FITA-Leiter Amble Dexter will Rector rekrutieren, damit er die Hintergründe eines Mordes in Venedig untersucht. Bei dem Opfer handelt es sich um die Frau eines hochrangigen Politikers, bei der es sich eventuell um die Reinkarnation von Livia Drusilla handelt, der dritten Ehefrau des römischen Kaisers Augustus.
Die FITA-Organisation stützt sich nämlich auf die sogenannte Moebius-Theorie. Diese besagt, dass sich die Geschichte wiederholt und wichtige, historische Schlüsselpersonen als Reinkarnation zurückkehren. Rector soll jetzt dabei helfen die Theorie zu belegen. Aber natürlich steckt noch ein wenig mehr dahinter und eine weitere Gruppierung mischt sich in die Angelegenheiten von FITA und Rector ein. Glücklicherweise stößt Rector auf seinen Reisen auf den Ex-Soldaten David Walker, den er einige Zeit später als Bodyguard engagiert.
Wieder erwarten stimmt die Chemie zwischen Rector und David. Und das ist auch gut so, denn die Suche nach der Reinkarnation von Livia Drusilla führt nicht nur rund um die Welt, sondern gestaltet sich als weitaus gefährlicher als gedacht. Außerdem leidet Rector unter heftigen Anfällen, die er mit Medikamenten behandeln muss. Unterstützung kann der kaltherzige Antiquitäten-Experte also gut gebrauchen – auch wenn er das nie zugeben würde.
Die Handlung von Moebius ist ganz okay, auch wenn sie nicht vom Hocker reißt und das Konzept der Moebius-Theorie beim besten Willen nicht meinen Geschmacksnerv treffen kann. Als Entschädigung bekommt man mit Malachi Rector aber einen herrlichen Arschloch-Charakter an die Hand, der einem durch sein Verhalten und seine Sprüche immer wieder zum grinsen bringt. Obendrein hat er, im Gegensatz zu anderen Adventure-Protagonisten, Stil. Wo Andere die benötigten Gegenstände einfach klauen, bezahlt Rector für die Dinge. Es tut gut endlich mal einen Adventure-Protagonisten zu spielen, der Kohle in der Tasche hat und dessen Arschigkeit glaubhaft und unterhaltsam herüberkommt. Bei Malachi hat Jane Jensen jedenfalls ganze Arbeit geleistet. Auch Rectors späterer Sidekick David fügt sich sehr gut in die Handlung ein. Für sich ist der gutherzige Ex-Militär zwar eher langweilig, aber in Kombination mit Rector kommen auch von ihm lustige Sprüche. Moebius: Empire Rising ist ein Adventure welches man wegen der Protagonisten und nicht wegen der Handlung spielen sollte.
Der Meister der Analysen
Im Kern bekommt ihr hier ein typisches 2.5D Point & Click-Adventure. Ihr nutzt den Mauscursor, um den Screen nach Hotspots, Gegenständen, NPCs oder Ein- und Ausgängen abzusuchen und betätigt die linke Maustaste für die Interaktion. Hierbei wird eine Art Kreismenü aufgerufen, über das ihr ein paar Aktionsbuttons für Dinge wie betrachten, ansprechen, Gegenstand nutzen oder Aktion ausführen anwählen könnt. Es werden hierbei immer nur sinnvolle Aktionsmöglichkeiten eingeblendet.
Falls euch dieser Zwischenschritt mit dem Kreismenü bereits nervt, dürft ihr euch auf die Inventarleiste freuen. Diese kann am rechten Bildschirmrand aufgerufen werden und arbeitet ebenfalls mit einem lästigen Zwischenschritt. Es gibt hier drei Buttons, mit denen ihr festlegen müsst, ob ihr den jeweiligen Gegenstand betrachten, mit einem anderen Gegenstand kombinieren (kombinierbare Items werden farblich hervorgehoben) oder ausrüsten wollt, damit ihr ihn über das oben genannte Kreismenü einsetzen könnt. Zugegebenermaßen hört sich das alles etwas umständlicher an, als es im eigentlichen Spiel funktioniert. Trotzdem nerven diese Zwischenschritte und senken den Komfortfaktor. Immerhin ist die Menge an typischen Inventar- und Hotspoträtseln in Moebius: Empire Rising wesentlich geringer als in anderen Adventures. Daher ist die Interaktion mit der Inventarleiste nicht so oft notwendig wie von vergleichbaren Spielen gewohnt.
Vorbildlicher sind da schon die Hilfefunktionen in Form einer Hotspotanzeige sowie einem Tipp-System, welches ihr in Malachis Smartphone aufrufen könnt. Unabhängig davon werdet ihr das Smartphone öfter nutzen, da Recter dort nicht nur Telefonnummern, sondern auch diverse Analyse-Daten speichert. Das was Moebius: Empire Rising von anderen Adventures unterscheidet sind nämlich zwei Variationen von Analyse-Puzzles. Recter kann vorgegebene Gegenstände, Personen oder auch Symbole analysieren. Dies äußert sich in einem Puzzle namens „Analyse Datenpunkte.“ Hier gilt es mehrere Merkmale (i.d.R. 3-5) festzulegen. Bei jedem Merkmal habt ihr drei Auswahlmöglichkeiten. Um das Puzzle zu knacken, müssen alle Merkmale stimmen.
Die zweite Puzzle-Variante ist „Personen Analysieren.“ Hier muss ein Vergleich zwischen einem Menschen der Gegenwart und einer historischen Persönlichkeit vollzogen werden, um herauszufinden, ob eine Reinkarnation wahrscheinlich ist. Es werden hierbei mehrere historische Personen samt spezifischer Eckdaten zur Wahl gestellt. Mithilfe der Eckdaten müsst ihr jetzt drei Personen herausfiltern, welche in den engeren Kreis des historischen Vorläufers passen. Ist das geschafft, müsst ihr noch von den Dreien die richtige Person heraussuchen, deren Vergangenheit und Eigenschaften am ehesten auf die Person der Gegenwart zutrifft.
Die Analyse-Puzzle lassen sich relativ gut knacken, auch wenn man sich hier und da mit Trial & Error durchhangeln muss, da logisches Ausschlussverfahren nicht immer 100 %ig hilft. Unterm Strich ist Moebius jedoch ein gut lösbares Adventure. Ich selbst musste nur an einer Stelle zur Komplettlösung greifen. Und selbst dieses Rätsel hatte ich eigentlich selbst gelöst, da es jedoch an striktes Timing gebunden war, hatte es halt nicht geklappt und sorgte für entsprechende Verwirrung.
Das Spiel bietet die typische Adventure-Spieldauer von ca. 10-12 Stunden. Ferner werden genügend Speicherplätze, sowie ein gut gezeichneter Prequel-Comic zur Verfügung gestellt. Es gibt im Spiel einige Stellen, wo man sterben kann. Jedoch erlaubt das Spiel in diesem Fall den bequemen Wiedereinstieg kurz vor der besagten Stelle. Man kann Moebius also trotz dessen ganz entspannt spielen.
Im übrigen handelt es sich um eines jener Adventures, in denen ihr die entsprechenden Gegenstände erst einsammeln dürft, wenn sie auch wirklich benötigt werden. Das ist zwar realistisch, provoziert aber auch etwas Backtracking. Mich persönlich hat das nicht gestört; aber viele Andere betrachten dies als großen Kritikpunkt. Ein großer Kritikpunkt den auch ich teile, ist hingegen der letzte Spielabschnitt, welcher sich aus einem unangenehm langweiligen Höhlenlabyrinth zusammensetzt. Es ist wirklich kein kluger Schachzug sein Spiel mit dem schlechtesten Abschnitt abzuschließen – schade.
Grafik und Sound
Grafisch zählt Moebius: Empire Rising zu den 2.5D-Adventures. Das bedeutet, dass die Hintergrundgrafiken in 2D gehalten sind, während die Charaktermodelle in 3D-Grafik gestaltet wurden. Bei den 2D-Hintergründen handelt es sich um handgezeichnete Artworks, die in den meisten Fällen auch sehr schön und detailverliebt umgesetzt wurden, auch wenn sie nicht die Detailverliebtheit von Renderbildern erreichen. Ferner kommt es häufig vor, dass die Artworks zu stark mit weißen Umrissen gezeichnet wurden, was meines Erachtens billig und unattraktiv herüberkommt. Hinzu kommt noch die Inkonsistenz bei der Pixelung einiger Artworks. Einige Zeichnungen sind hochauflösend, während sich bei Anderen eine sehr starke Pixelbildung bei den Rändern bemerkbar macht.
Das eigentliche Problem sind jedoch die 3D-Charaktermodelle. Nun ist es beim besten Willen nichts Neues, dass Adventures bei 3D-Charaktermodellen schwächeln und mit eher hölzernen Animationen für Stirnrunzeln sorgen, jedoch erreicht Moebius in dieser Hinsicht einen neuen Tiefpunkt im Genre. Zum einen nervt das allgemeine Aussehen der Modelle, die einen unangenehmen Plastikpuppen-Flair mit einer Extraportion Schlaksigkeit verströmen. Ganz besonders schlimm sind jedoch die Animationen, welche teilweise derart unbeholfen wirken, dass man sich das Lachen verkneifen muss. Ein Scherzkeks auf Steam hat diesbezüglich sogar eine Gif-Animation erstellt und hochgeladen. 3D-Rendervideos gibt es übrigens auch, aber diese sind qualitativ nicht der Rede wert und absolut vergessenswert.
Grafisch kann man hier also nicht viel schönreden. Positiv sind jedoch die abwechslungsreichen Ortschaften und der Blick auf einige schicke Kunstobjekte und Antiquitäten.
Immerhin fährt das Spiel in akustischer Hinsicht wesentlich besser. Im Intro gibt es einen guten Song der Scarlett Furies (die kennt man ja schon aus den vorherigen Jensen-Adventures) und auch der Ingame OST von Robert Holmes ist gelungen. Einige Stücke wie das Titelthema oder Zurich habe ich mir auch gerne außerhalb des Spiels noch mal angehört. Auch die englische Sprachausgabe überzeugt mit guten Sprechern, welche authentisch klingen, zu ihren Charakteren passen und motiviert bei der Sache sind.
Leider hat Moebius derbe Probleme in technischer Hinsicht. Auf meinem alten Windows 7-Rechner ist das Spiel nur in einer Framerate im einstelligen Bereich gelaufen und war entsprechend unspielbar. Ironischerweise hats dann beim Windows 10-Rechner doch noch geklappt. Leider gab es aber auch hier Macken. Einige Ingame-Storysequenzen wurden nicht korrekt abgespielt, was mich dazu zwang das Programm zu schließen und die entsprechende Passage erneut zu spielen. Dies passierte ca. 3-4 mal im Spiel. Einige der bemerkenswert miserablen Animationen zähle ich jetzt mal nicht als Bugs hinzu.
Pro & Kontra
- coole Protagonisten
- guter Soundtrack
- originelle Datenanalyse-Puzzle
- technische Katastrophe
- bemerkenswert schlechte Charakteranimationen
- Hintergrund-Artworks leiden unter weißen Umrissen und teils zu starker Pixelbildung
- die Handlung folgt einer blöden Theorie und wirkt eher uninteressant