Jack Move REVIEW
Nachdem der UK-Indie-Entwickler So Romantic in der Vergangenheit zwei kleine Freeware-Spielchen veröffentlichte, erfolgt mit dem am 08.09.2022 veröffentlichten Jack Move die erste kommerzielle Produktion. Hierbei handelt es sich um ein JRPG mit Cyberpunk-Setting im kleinen Rahmen. Soll heißen, dass das Spiel auf ca. 10 Stunden Spielzeit ausgelegt ist, was für ein JRPG sehr wenig ist. Ob Jack Move dennoch den vergleichsweise stolzen Preis von 19,99 € wert ist oder nicht, erfahrt ihr im folgendem Test.
Hackerin vs. Geschäftsführerin
Jack Move versetzt uns in eine alternative Realität der Erde. Im Jahr 1997 wurde der Blaue Planet von einem Sonnensturm mit elektromagnetischen Wellen getroffen. Hierdurch wurde ein Großteil elektronischer Gerätschaften zerstört, sowie Funkverbindungen lahmgelegt. Große Konzerne nutzten das Chaos, um ihre eigene Ordnung durchzudrücken, die Technologie zurückzubringen und somit das Vertrauen der Menschheit zu gewinnen, welche von den überforderten Regierungen enttäuscht wurden. Seitdem sind ca. 120 Jahre vergangen.
Ihr übernehmt die Rolle von Noa Solares, einer professionellen Hackerin (werden hier „Taucher“ genannt), welche Aufträge illegaler Natur durchführt, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ihr zur Seite stehen der an den Rollstuhl gefesselte Operator Ryder und Onkel Guin, Barbetreiber und Meister-Hacker im Ruhestand.
Eines Tages erhält Noa einen Notruf von ihrem verhassten Vater, dem Wissenschaftler Abner Solares. Dieser hatte Noa sich selbst überlassen als seine Frau bzw. Noas Mutter verstarb. Seitdem herrscht Funkstille zwischen den Beiden, weswegen Noa den Notruf ignoriert. Doch am nächsten Tag folgt die böse Überraschung: Es stellt sich heraus, dass der Megakonzern „Monomind“ hinter Abner und dessen Forschung her ist. Monominds Geschäftsführerin Ertha Krall kreuzt persönlich bei Noa auf, um Infos zum Thema aus ihr herauszupressen. Selbst als sich herausstellt, dass Noa nichts weiß, lässt Krall die Wohnung der jungen Hackerin zerdeppern. Doch damit hat sich die ruchlose Geschäftsfrau keinen Gefallen getan – ganz im Gegenteil. Denn durch ihr Gehabe hat sie den Zorn und die Neugierde von Noa geweckt. Noa beschließt nun doch ihren alten Herrn zu retten und Monomind mal ordentlich in den Hintern zu treten. Während sich der Konflikt immer weiter zuspitzt, stellt sich natürlich auch die Frage, woran Abner überhaupt geforscht hat und warum Krall derart am Rad dreht, um Zugriff auf die Forschungen zu erhalten.
Die Handlung von Jack Move ist ganz nett, wird jedoch einerseits zu oberflächlich und naiv erzählt und muss sich andererseits den Kritikpunkt gefallen lassen, dass sie zu viele Ähnlichkeiten mit der Hauptstory aus Cyberpunk 2077 aufweist. Die Charaktere sind recht sympathisch oder zumindest angenehm schrullig, wobei ich Noas Abgebrühtheit jedoch als zu übertrieben empfand. Aufgrund dessen ist die Protagonistin auch nicht ganz so liebenswürdig, wie man gerne hätte. Positiv ist hingegen die Oberschurkin Krall. Sie gehört zu den besseren Widersachern, die ich in letzter Zeit erlebt habe. Schön ist auch, dass die NPCs der Spielwelt nach jedem Storyereignis frischen Dialoginhalt spendiert bekommen.
Das Konzept Hintergrundwissen und Sagengut in Form von herumliegenden Datalogs zu vermitteln ist jedoch sehr plump. So etwas wird vielleicht in Horror-Spielchen akzeptiert, ist für ein JRPG aber eher ungenügend.
Einsteigerfreundliches JRPG mit kaputtem Schwierigkeitsgrad und wenig Raum zur Erkundung
Als JRPG verwendet auch Jack Move viele der altbewährten Formeln. Mithilfe einer gewohnt simplen Steuerung erkundet ihr die Spielwelt aus der Vogelperspektive, öffnet Schatztruhen, löst eventuell ein paar primitive Schalterrätselchen und bewegt euch abwechselnd durch Stadtareale mit friedlichen NPCs, oder in Gefahrenzonen wie Bürogebäuden, Slums, Kanalisation oder dem Cyberspace. Die Spielwelt ist sehr klein und die Areale direkt miteinander verbunden. Eine Oberwelt gibt es daher nicht.
In gefährlichen Gebieten erwarten euch Zufallskämpfe, welche jedoch kein Problem darstellen, da es dem Spieler erlaubt wird die Zufallskampfrate zu regulieren oder sogar komplett zu deaktivieren – vorbildlich. Jedoch sollte man die Zufallskämpfe nicht vollends ignorieren, da man ja Erfahrungspunkte für Level-Ups und Geldeinheiten für Ausrüstung benötigt.
Tatsächlich kann man den Schwierigkeitsgrad von Jack Move sehr leicht aushebeln, indem man früh ein Stündchen grindet. Danach stellten dann nur noch die letzten beiden Bosse eine Herausforderung dar. Einen gut ausbalancierten Schwierigkeitsgrad dürft ihr hier jedenfalls nicht erwarten.
Auch ist das Spiel sehr Einsteigerfreundlich. An fair verteilten Getränkeautomaten bekommt ihr eine kostenlose Komplettregeneration von Lebens- und Magie- bzw. Softwarepunkten. Und Speicherungen darf man überall durchführen wo man möchte, wobei ihr aber sowieso von einer Autosave-Funktion abgesichert werdet. Die Begrenzung auf vier Speicherslots (einer für Autosaves, drei für manuelle Speicherungen) ist jedoch zu mickrig.
Im rundenbasierten Kampf (es wird eine Zugleiste zur Verfügung gestellt) steht euch ausschließlich Noa zur Verfügung. Wäre das hier ein Fantasy-Spiel, dann wäre Noa eine Allround-Magierin mit Fokus auf Kampfmagie. Da das Setting jedoch Cyberpunk ist, gilt sie als Hackerin. Aber wie gesagt, spielerisch habt ihr eine Magierin unter Kontrolle. Neue Software (bzw. Magie), Hardware (Zubehör-Ausrüstungsstücke) oder Nutzgegenstände könnt ihr euch hauptsächlich im Laden kaufen. Noa kann nur eine begrenzte Anzahl an Software ausrüsten. Hierfür hat sie anfangs 3 Slots, kann diese aber permanent auf 16 Slots upgraden (die Upgrades müssen auch im Laden erworben werden). Jede Software erfordert 1 bis 5 Slots. Man muss sich also entscheiden, welche Software man ausrüsten möchte. Allein die Angriffs-Software umfasst vier Elementar-Kategorien (Elemente bekommen hier Cyberpunk-Bezeichnungen wie Elektroware, Wetware usw.). Die Gegner sind immer gegen mindestens eine Kategorie anfällig. Darüber hinaus gibt es aber auch Heilungs-Software, sowie Buffs und Debuffs. Selbst bei vollen 16 Slots ist es unmöglich alles wichtige abzudecken. Aufgrund dessen gestattet das Spiel Software innerhalb des Kampfes umzurüsten, was jedoch einen Zug kostet.
Auch die Hardware ist wichtig. Anfangs könnt ihr nur ein Hardware-Teil ausrüsten, aber auch hier kann man auf drei Teile upgraden. Hardware dient nicht nur dazu Statistikwerte zu pushen, sondern bietet auch nützliche Funktionen wie Auto-Analyse (um Schwachpunkte der Gegner aufzudecken), die Ausweitung der Software-Angriffe auf alle Gegner oder die schnellere Aufladung des Jack Move-Balkens. Letzterer ist der Limit- bzw. Wutangriff in diesem Spiel. Durch ausgeteilten und eingesteckten Schaden füllt sich der Balken immer weiter auf. Ist er komplett aufgefüllt darf man nach Wunsch einen von insgesamt vier Jack Moves lostreten (die werden erst nach und nach freigeschaltet), was verheerenden Schaden beim Gegner anrichtet.
Um hier zumindest ein klein wenig Balancing reinzubringen, unterliegt Software und Hardware einem Level-Cap. Soll heißen, dass man die mächtigsten Stücke erst kaufen darf, wenn man höhere Level erreicht hat. Ab Level 20 gibt es hier jedoch keine Einschränkungen mehr.
Durch Dialoge mit NPCs könnt ihr ein paar Sidequests abstauben, welche jedoch allesamt ziemlich langweilig ausfallen (geh dahin und öffne die Schatztruhe, bring Gegenstand X zu Person Y). Außerdem werden Sidequest-NPCs nicht markiert, weswegen man wirklich mit jedem quatschen muss, wenn man keine Sidequest verpassen möchte. Abgesehen davon sowie der Schatztruhen und Datalogs gibt es leider keinerlei Anreiz die Spielwelt zu erkunden.
Grafik und Sound
Auf Basis der Unity-Engine setzt Jack Move in grafischer Hinsicht auf Pixelgrafik im Indie-Stil. Es wird hier also nicht versucht einen Stil der 16-bit-Ära zu emulieren, sondern stattdessen ein eigenes Pixelsüppchen gekocht. Ehrlich gesagt bin ich mit dem Grafikstil von Jack Move nicht so richtig warm geworden. Es sieht schon ganz nett aus, wirkt auf mich aber zu sauber oder fast schon klinisch rein. Außerdem hasse ich das schwarze Nirvana außerhalb der Map-Begrenzung. Das sieht in den Outdoor-Arealen einfach nur billig aus und entspricht noch nicht einmal dem Standard eines x-beliebigen RPG-Maker-Spiels. Nervig sind auch die Palette-Swaps bei den Standard-Gegnern. Das ist bei so einem kurzen Spiel einfach nicht angebracht. Die Bosssprites sind aber sehr cool gelungen und stellen neben den schönen Animationen das grafische Highlight dar. Leider sind die Hintergrundgrafiken im Kampf zu abstrakt und dunkel gehalten, weswegen auch diese nicht so recht zünden können.
Wesentlich besser gefällt mir da der Soundtrack, welcher sich aus fiesen Cyber-Techno-Tracks zusammensetzt. Diese passen nicht nur sehr gut zum Cyberpunk-Setting, sondern bringen auch ihren eigenen individuellen Flair mit, und haben das Zeug dazu sich im Gedächtnis festzusetzen. Auch die Soundeffekte im Kampf fetzen überraschend gut. Eine Sprachausgabe gibt es leider nicht, was aber wohl zu viel verlangt ist.
Die deutschen Bildschirmtexte sind eine etwas durchwachsene Angelegenheit. Einerseits wirken sie, als ob sie mit viel Liebe vom Englischen ins Deutsche übersetzt wurden, aber andererseits wurde es sich bei spezifischen Begriffen zu einfach gemacht. Da gibt es dann Begrifflichkeiten wie Netdiver, die dann einfach in Netztaucher übersetzt wurden, was einfach nur dämlich klingt. Etwas mehr Fingerspitzengefühl wäre hier wünschenswert gewesen.
Pro & Kontra
- cooler OST
- schöne Sprite-Animationen
- gutes Magie-System (wird hier Software genannt)
- volle Kontrolle über die Zufallskampfrate
- schwaches Preis- Leistungsverhältnis (19,99 € für ca. 10 Stunden Spielzeit bei einem JRPG)
- kaputter Schwierigkeitsgrad
- zu geringer Umfang, alles bleibt irgendwie oberflächlich