Insincere REVIEW
Der Indie-Entwickler Astronomic Games (Matthew Ashworth) ist ja eigentlich auf RPG-Maker Spiele spezialisiert. Mit dem am 12. Mai 2016 veröffentlichten Insincere traute er sich jedoch erstmals an völliges Neuland heran. Statt eines weiteren Rollenspiels produzierte er mit Insincere nämlich einen Ego-Shooter auf Basis des sogenannten „FPS Creator.“ Hierbei handelt es sich um ein vorgefertigtes Ego-Shooter-Entwicklertool für Amateure – also quasi das First Person Shooter-Äquivalent zum RPG-Maker. Ob Matthew jedoch auch ein Händchen für Ballerspiele hat, oder ob er nicht doch lieber beim RPG-Maker geblieben wäre, soll folgendes Review klären.
Mutanten, Klone und fiese Söldner im Geheimlabor
Man übernimmt die Rolle von Joseph Walker, welcher eines Tages ohne jegliche Erinnerung in der letzten Ecke irgend eines Forschungslabors erwacht. Eine mysteriöse K.I. leitet ihn zur Flucht an, doch ist sich der verwirrte Joseph unsicher darüber, ob er der künstlichen Intelligenz überhaupt trauen kann. Ferner wurde das Labor von blutgierigen Mutanten überrannt, die ein bisschen wie Necromorphs für ganz Arme aussehen.
Es dauert nicht lange, ehe Joseph herausfindet, dass er ein Klon ist, der von seinem eigenen, sterbenden Original erschaffen wurde, um seine Freundin Elisa Cohen vor einer Bande skrupelloser Söldner zu retten. Diese sind auch nur in die Forschungsanlage eingedrungen, um Elisa zu entführen. Obwohl unser Protagonist nur ein Klon ist, beschließt er den Kampf seines Schöpfers fortzusetzen und Elisa zu retten. Das finden die bösen Söldner freilich nicht so dufte, womit die Rechtfertigung für die Ballerei auch gegeben sein dürfte.
Eine dünne Klischee-Story für einen Ego-Shooter ist doch eh nichts ungewöhnliches, dürfte der Ein oder Andere jetzt denken. Allerdings hat der Entwickler in seinen RPG-Maker-Spielen gezeigt, dass er sowohl Handlungen, als auch Charaktere wesentlich besser umsetzen kann, als in Insincere geschehen. Und da kann auch die Ego-Shooter-Ausrede nicht weiterhelfen. Matthew hat es ganz einfach versäumt seinen eigenen Qualitätsstandard zu halten. Einigermaßen gelungen ist lediglich das Ende, welches jedoch auch als Cliffhanger konzipiert wurde und auf einen zweiten Teil verweist, den es jedoch so schnell nicht geben wird. Der Entwickler selbst hat eingesehen, dass Insincere zu schwach war, und hat dieses Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Das ist leider auch schon die Ausgangslage für die restliche Qualität dieses Spiels.
Rudimentäre FPS-Ballerei
Spieltechnisch wirkt Insincere wie ein sehr simpel gestrickter Retro-Ego-Shooter der Mitte der 90er entstanden sein könnte. Dummerweise wäre das Spiel selbst damals qualitativ abgekackt. Das fängt schon beim Umfang an, denn obwohl Insincere mit 22 Levels protzt, ist das Spiel nach 2 Stunden durchgezockt. Darüber hinaus bietet die Ballerei keinerlei Optionsmenüs (ohne Witz!). Das heißt nicht nur, das man sich mit der Vorkonfiguration der, zugegebenermaßen routinierten, Steuerung abfinden muss, sondern auch, dass jeglicher Wiederspielwert in Form von höheren Schwierigkeitsgraden entfällt. Apropos Schwierigkeitsgrad: Dieser fällt in diesem Spiel eher niedrig aus, was für Einsteiger zwar ganz schön ist, für erfahrene Profis aber nur einen weiteren Kontra-Punkt darstellt.
Nachdem man also den ersten Level hinter sich gebracht hat, der nur der Einführung dient, und in dem noch nicht gekämpft wird, geht es auch endlich mit der Ballerei gegen eine grundsätzlich überschaubare Anzahl von Gegnern los. Mit sieben verschiedenen Waffentypen, die man freilich erst nach und nach zusammenklaubt, kämpft man sich durch die unterschiedlichen und größtenteils linearen Sektoren der Forschungsanlage. Die Waffenpalette reicht nicht über den Genre-Standard hinaus: Da hätten wir die Metallstange, welche jedoch komplett nutzlos ist, da unsere insgesamt 200 Lebenspunkte im Nahkampf in Sekundenbruchteilen abgezogen werden, die Pistole, die Shotgun, das SMG, das Sturmgewehr, eine Laserpistole und einen eher enttäuschenden Granatwerfer. Die Ballerei funktioniert solide, auch wenn die Reaktionszeit und Trefferquote der Söldner manchmal etwas unfair anmutet. Glücklicherweise wurden ausreichend Medipacks in den Levels verteilt, welche jeweils 50 Lebenspunkte regenerieren. Munition gibt es sogar in Hülle und Fülle. Lediglich der Granatwerfer und die übermächtige Laserpistole sollten sparsam eingesetzt werden.
Überraschungen bietet das Spiel leider kaum, und wenn doch, dann sind es lediglich billige Jump-Scares. So lauern die fiesen Mutanten bevorzugt hinter Ecken oder spawnen erst, wenn man gerade einen Schalter betätigt hat, um andernorts eine Tür zu öffnen. Und ja, abseits der Schießereien gibt es nicht viel zu tun, was über die Betätigung eines Schalters, oder das auffinden einer Schlüsselkarte hinausgeht. Einige der späteren Level bieten aber doch einige nette Gimmicks. So muss man in einem Level ein paar Jump-Passagen mit beweglichen Plattformen bewältigen, oder kann in einem Anderen Robo-NPCs als Level-gebundene Gefährten rekrutieren, um etwas Feuerschutz zu erhalten. Ernsthafte Komplexität sucht man jedoch vergeblich. Es ist eben ein simpler Trash-Shooter, der wohl versucht sich an Nostalgiker zu richten.
Grafik , Sound und weiteres
Grafisch und bezüglich der unangenehm langen Ladezeiten, erinnert Insincere an ein PS1-Spiel, und zwar an eines aus der Grabbelkisten-Kategorie. Man merkt halt sehr deutlich, das hier eine arg rudimentäre Amateur-Engine verwendet wurde. Wo dieser Umstand bei einem JRPG nicht so tragisch sein mag, sieht das bei einem Ballerspiel freilich ganz anders aus. Ego-Shooter leben eben oftmals von ihrer grafisch opulenten Präsentation, und diese ist hier eben nicht gegeben. Auch die Auflösung wirkt unangenehm niedrig, wobei der Screenshot-Check jedoch die völlig überraschende Auflösung von 1280×768 offenbarte. Ich hatte da eigentlich mit ner Auflösung von 640×480 gerechnet. Aber daran erkennt ihr zumindest, wie mies das Spiel in Aktion aussieht. Auf den Screenshots sieht es übrigens besser aus, als im eigentlichen Spiel.
Etwas besser fällt da schon der Soundtrack aus, welcher zwar keine erinnerungswürdigen Stücke bietet, aber kitschig genug klingt, um die trashige Action über weite Strecken doch ganz ordentlich zu unterstützen. Die akustische Wucht der Schießeisen kann da leider gar nicht überzeugen. Die Waffen klingen zwar sehr laut, aber eben bei weitem nicht kräftig genug. Die schiere Lautstärke ist eben kein Ersatz für die eigentliche Wucht, die hinter solchen Schießprügeln steckt. Das sind einfach zwei verschieden Paar Schuhe. So hapert es z.B. beim Rückschlag abgefeuerter Waffen. Dieser ist oftmals nicht vernünftig ausgeprägt, was vor allem bei der SMG auffällt.
Das große Feature von Insincere soll jedoch ohnehin die Sprachausgabe sein, welche für den Entwickler Astronomic Games auch eine Premiere darstellt. Dementsprechend fällt es mir auch ein wenig schwer die bescheidene Qualität dieser zu kritisieren. Die Sprachausgabe fällt ähnlich mau wie der Rest vom Spiel aus. Zumindest der Protagonist Joseph klingt alles andere als überzeugend. Bei der Synchronstimme für die K.I. hört man sogar einen merkwürdigen Akzent heraus, was bei einer künstlichen Intelligenz aber so was von unangebracht ist, dass es fast schon wieder lustig ist. Aber was soll man auch von einem Ein-Mann-Entwicklerstudio erwarten? Für Matthews Verhältnisse ist es schon cool, dass er sich um eine Synchronisation für sein Spiel bemüht hat, allerdings ist diese Mühe für einen FPS Creator-Ego-Shooter vergeudet, denn mit so ner schwachen Engine hat er einfach null Chancen in diesen hart umkämpften Markt zu bestehen. Diesen Aufwand hätte er mal lieber in ein RPG-Maker-Spiel investiert.
Endgültig abgeschossen wird der Vogel jedoch durch die Bugs, mit denen man sich herumärgern muss. Mir ist das Spiel zwei mal abgeschmiert, zwei mal wurde eine Zwischensequenz nicht ordnungsgemäß abgespielt, zwei mal bin ich durch die Map ins Daten-Nirvana hindurchgefallen und regelmäßig wurden mir zu Beginn eines Levels, oder beim Laden eines Spielstandes völlig grundlos Lebenspunkte abgezogen. Das sind jede Menge Bugs für ein 2 Stunden kurzes Spiel. Sorry, aber so etwas ist dann wirklich nicht mehr akzeptabel. Egal ob Trash oder nicht, man sollte zumindest dafür sorgen, dass der Scheiß vernünftig funktioniert.