Iconoclasts REVIEW
Nachdem der schwedische Indie-Entwickler Joakim Sandberg sein Können bereits mit diversen Freeware-Spielen unter Beweis stellen konnte, erschien am 23.01.2018 mit Iconoclasts seine erste kommerzielle Produktion. Bei Iconoclasts handelt es sich um einen Mix aus 2D Action- und Puzzle-Platformer, der obendrein mit Metroidvania-Elementen angereichert wurde. Das Spiel soll sich laut Angabe des Entwicklers fast 10 lange Jahre in Entwicklung befunden haben. Ob sich dieser immense Zeitaufwand jedoch wirklich gelohnt hat und ein tolles Spiel dabei herausgekommen ist, will ich euch im folgendem Test verraten.
Du bist mehr als eine Frau Robin, du bist eine Mechanikerin!
Auf irgendeinem seltsamen Planeten im Universum existiert der wertvolle Rohstoff Elfenbein. Dieser wird von den Menschen, welche auf diesen Planeten leben, in erster Linie als Treibstoff für allerlei Maschinen genutzt. Dieser Tage wird Elfenbein hauptsächlich vom theokratischen Schreckensregime „One Concern“ kontrolliert. Deren Kontrolle geht sogar so weit, dass es den Menschen noch nicht einmal erlaubt ist einen eigenen Beruf auszuwählen. Dies ist vor allem für die 17-jährige Protagonistin Robin ein Problem, denn sie wünscht sich nichts sehnlicher als in die Fußstapfen ihres kürzlich verstorbenen Vaters zu treten und Mechanikerin zu werden. Doch gerade der Beruf des Mechanikers wird von One Concern streng überwacht, schließlich handhaben Mechaniker unter anderem das wertvolle Elfenbein.
Allerdings lässt sich Robin nicht von den mörderischen Schandtaten ihrer Regierung abschrecken und verrichtet in ihrer altruistischen Naivität diverse mechanische Arbeiten in ihrer Heimatkommune. Doch One Concern ist ihr bereits auf den Fersen, denn auch ihr Bruder, der Chemiker Elro, ist One Concern auf die Füße getreten. Als Konsequenz werden Elro sowie dessen Frau und Tochter von einer Killermaschine One Concerns massakriert, während Robin gefangengenommen wird, um später hingerichtet zu werden. Doch die junge Nachwuchsmechanikerin hat Glück im Unglück, teilt sie doch die Zelle mit der ruppigen Piratenbraut Mina. Diese motiviert Robin zur gemeinsamen Flucht. Noch wissen die beiden Mädels nicht, dass sich ihre Flucht zu einem epischen Kampf gegen das Terrorregime entwickeln wird. Allerdings ist One Concern lediglich die Spitze des Eisbergs, denn ihr Heimatplanet beherbergt ein bizarres Geheimnis. Ein Geheimnis, welches irgendwie mit der von One Concern praktizierten Religion zusammenhängt.
Auf den ersten Blick mag man den Eindruck gewinnen, dass Iconoclasts wieder eines dieser niedlichen, kinderfreundlichen Hüpfspiele ist. Dieser Ersteindruck täuscht jedoch gewaltig, denn es dauert nicht lange ehe das Spiel seine umbarmherzige Seite zeigt und Robins Familie abmurkst. Darüber hinaus schreckt das Spiel auch nicht vor extremer Brutalität zurück. Würde Iconoclasts in realistischer 3D-Grafik daherkommen, würde es mich nicht wundern, wenn die USK für das Game nen 18er-Sticker zücken würde. Dank der niedlichen Pixelgrafik im Shantae-Stil gabs dann aber doch nur den grünen 12er-Sticker. Auf jeden Fall sollte man nicht mit der Erwartung eines süßen, knuddeligen Feel-Good-Spiels herangehen, andernfalls könnte man negativ überrascht werden.
Natürlich ist das Spiel nicht „Grimdark“ oder dergleichen. Selbstverständlich gibt es auch kleinere Comedy-Szenen zur Auflockerung oder lässige Abenteuertrips durch die Pampa der Spielwelt, jedoch werden hier eben auch ernste Themen behandelt wie die Schandtaten eines Terrorregimes, zerrüttete Familenverhältnisse, Depression und dergleichen. Also nicht unbedingt jene Dinge, mit denen man kleine Kinder konfrontieren möchte.
Das bedeutet jetzt aber alles nicht, dass die Handlung schlecht wäre, ganz im Gegenteil. Die Story ist sehr spannend und wendungsreich. Man weiß nie, was als nächstes passiert und es gibt auch coole Aha- und WTF-Momente. Garniert wird das Ganze mit sympathischen oder zumindest interessanten Charakteren. Robin selbst wurde zwar als notorisches Good Girl konzipiert, welches obendrein keine eigenen Textboxen spendiert bekam, um dem „Stummer Protagonist“-Klischee zu frönen, aber die übrigen Hauptcharaktere wurden liebevoll ausgearbeitet und weisen teils richtig komplexe Persönlichkeiten auf, die sich auch oftmals nicht so leicht in Gut- und Böse-Schubladen stecken lassen.
Ärgerlich ist nur, dass einige Storyelemente und Charaktere nicht vernünftig ausgearbeitet wurden oder auch bewusst nur recht vage angedeutet werden. Ich mein, warum wird ein Konflikt zwischen Mina und ihrer Mutter breitgetreten, wenn dieser Konflikt nach dieser Szene keinerlei Relevanz mehr hat? Warum wird ein Arschloch-Charakter wie Kapitän Myron aufwändig aufgebaut, wenn die Story im Endeffekt nicht so recht weiß, was sie mit diesem Charakter eigentlich anfangen will? Selbst große(!) Storytwists werden oftmals nur extrem subtil angedeutet, wenn nicht sogar versteckt. Ich weiß, dass es für einige oberschlaue Sagengut-Freaks spannend ist Storybröckchen zusammenzukehren und mühevoll zusammenzusetzten, aber unterm Strich besteht dann auch immer die Gefahr, dass Teile der Handlung für einen regulären Spieler verschlossen bleiben. Ob es das wirklich wert ist, lass ich einfach mal offen im Raum stehen. Trotzdem bekommt man unterm Strich eine denkwürdige Story, die einem auch nach Beendigung des Spiels beschäftigen dürfte.
Top-Qualität und Indie-Jank
Iconoclasts bietet zunächst drei Schwierigkeitsgrade und fünf Saveslots. Die Schwierigkeitsgrade umfassen Entspannt, Normal und Schwer. Bedenkt aber, dass der Grad „Entspannt“ quasi als Unverwundbarkeitsmodus fungiert und somit jegliche Herausforderung des Action-Aspekts entfernt. Im starken Gegensatz dazu, schaltet man nach erstmaligen Durchspielen auch noch den Grad „Herausforderung“ frei, der eure Spielfigur nach einem Treffer tötet. Einen Bossrush gibt es nach erfolgreichem Spieldurchlauf ebenfalls als Belohnung.
Ich selbst habe das Spiel auf „Normal“ durchgespielt und war größtenteils zufrieden mit der Herausforderung, auch wenn die letzten Spielstunden und Bossgegner schon etwas anstrengend und erschöpfend werden können. Das dürfte nach gut 15 Spielstunden und über 20 Bossgegnern jedoch auch nicht verwundern, aber genug davon.
Iconoclasts ist ein Mischmasch aus Puzzle- und Action-Platformer und strukturiert seine Spielwelt im Metroidvania-Stil. Es gibt also keine Aufsplittung in Level, sondern eine theoretisch offene Spielwelt, welche jedoch im Falle von Iconoclasts dennoch völlig linear gehandhabt wird. Der Storyverlauf alleine entscheidet, welche neuen Gebiete für Robin und Co. freigeschaltet werden. Es ist jedoch gestattet bereits freigeschaltete Gebiete jederzeit wieder zu besuchen, um dort nach Schatztruhen Ausschau zu halten, die man zuvor nicht erreichen konnte. Besagte Schatztruhen enthalten dann eine von vier verschiedenen Crafting-Materialien, die man an entsprechenden Werkbänken in Zubehörteile zusammensetzen kann.
Robin darf drei Zubehörteile ausrüsten. Diese schalten kleinere Vorteile frei wie Schutz vor einem feindlichen Treffer, ein etwas größeres Lungenvolumen (für Tauchgänge oder Rauch-Zonen), höhere Laufgeschwindigkeit etc. Die meisten dieser Zubehörteile sind derart marginal, dass sie recht witzlos wirken. Vor allem auch deswegen, weil ein Zubehörteil bei einem feindlichen Treffer zerbricht und dann erst mal wieder aufgeladen werden muss, indem man goldene Dreiecke von erledigten Gegnern oder zerbröselten Statuen einsammelt. Außerdem muss man ja auch erst mal die Bauanleitungen für die Zubehörteile entdecken. Es gibt durchaus auch ein paar interessante Zubehörteile, jedoch liegen diese derart gut versteckt, dass man sie ohne Komplettlösung kaum finden dürfte. Außerdem wird man sie erst gegen Ende des Spiels erreichen können. Was ich damit im Endeffekt sagen will, ist, dass der Metroidvania-Aspekt von Iconoclast sehr halbherzig umgesetzt wurde und kaum eine Relevanz im Spiel erfüllt. Man kann die Schatztruhen auch völlig ignorieren und das Spiel trotzdem sehr gut durchspielen, so belanglos ist dieser Aspekt des Spiels. Wer nach Abschluss der Handlung aber immer noch motiviert ist, kann gerne in eine Lösung spicken, um die zwei optionalen Bossgegner herauszufordern.
Glücklicherweise kann Iconoclasts im eigentlichen Action- und Puzzle-Platforming umso mehr überzeugen. Zunächst beeindruckt das Spiel mit einer bemerkenswert weichen Controller-Steuerung die sich einfach herrlich anfühlt und somit nahezu sofort in Fleisch und Blut übergeht. Da können sich viele andere Platformer ne dicke Scheibe von abschneiden! Robin verfügt über eine solide Palette an Aktionsmöglichkeiten. Laufen, ducken, springen, an Kanten festhangeln, Gegenstände aufheben und sogar eine wuchtige Stampfattacke, die sie sich wohl direkt von Wario abgeguckt hat.
Abgesehen davon erlangt sie im Verlauf des Spiels über drei verschiedene Schusswaffen. Ihr Elektroschocker fungiert als Standard-Schusswaffe mit geringer Reichweite aber dafür auch mit marginaler Zielsuche. Sie kann die Waffe auch für einen Superschuss aufladen, was den Elektroschocker jedoch temporär überhitzt. Dann bekommt sie noch einen Granatwerfer, der aufgeladen sogar Raketen abfeuert. Zu guter Letzt bekommt sie noch den Usurper, dessen Schusskraft wesentlich effektiver ist, als jene vom Elektroschocker, aber dafür selbst im regulären Schussmodus schnell überhitzt. Mit dem aufgeladenen Usurper-Schuss, kann man die Position mit dem getroffenen Gegner tauschen, was ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
Zu guter Letzt verfügt sie auch über einen Schraubenschlüssel, der als Nahkampfwaffe fungiert, mittels Wirbelattacke feindliche Schüsse reflektieren und später auch mit Elektrizität aufgeladen werden kann. Darüber hinaus fungiert der Schraubenschlüssel auch als Werkzeug, um Maschinen zu manipulieren und somit z.B. verschlossene Türen zu öffnen, Lichtquellen zu aktivieren oder an spezifischen Transportlinien entlangzuhangeln.
Und damit sind wir dann auch beim Puzzle-Aspekt. Robins Waffen dienen eben nicht nur dem Kampf, sondern auch der Bewältigung von Hindernissen und der Lösung einiger Puzzle-Passagen. Die Aktionsmöglichkeiten von Robin, ihrer Waffen und Werkzeuge werden clever miteinander verzahnt, um allerlei trickreiche Hindernisse zu bewältigen und Sprungpassagen zu überwinden. Wer Iconoclasts durchspielen möchte, muss schon mit wachem Kopf an die Sache herangehen, da einige Puzzle-Passagen schon sehr trickreich werden können und auch viele der oftmals riesigen Bossgegner unterm Strich wie actionreiche Puzzles gehandhabt werden.
Manchmal schlägt das Spiel hierbei auch ewas über die Stränge, so muss man in der Mitte des Spiels einen Turm-Dungeon bewältigen, der als Labyrinth konzipiert wurde und somit für einige Spieler das Aus bedeuten könnte. Andere Abschnitte erfordern die parallele Zusammenarbeit von Robin und Mina, zwischen denen man dann per Knopfdruck hin und herschalten muss – und zwar während man gerade dabei ist einen Boss zu bekämpfen! Und ja, es gibt auch ein paar wenige Spielabschnitte in denen man andere Charakter wie Mina spielen muss, welche dann auch eigene Aktionsmöglichkeiten mitbringen. Mina kämpft z.B. mit einer sperrigen Shotgun, an deren Handhabung man sich erst mal gewöhnen muss. Besonders cool in diesem Zusammenhang finde ich jedoch, dass Robins Begleiter grundsätzlich passiv in Bosskämpfe eingreifen und somit zu mehr werden als nur Werkzeuge für die Storyentwicklung.
Es gibt sogar ein sehr simpel gestricktes Freundschaftssystem. Ab und zu kann man in Dialogen mit seinen Mitstreitern Antwortoptionen auswählen, welche dann gegen Ende des Spiels einen Einfluss auf die letzten paar Meter des Spiels haben können. Die Idee hierbei ist, dass man versuchen muss jene Antwort herauszupicken, welche der Begleiter wahrscheinlich hören will. Dummerweise verrät einem das Spiel nichts über diese Mechanik, was schon sehr ärgerlich ist, auch wenn die Auswirkung ziemlich gering ist. Trotzdem sind es solche Kleinigkeiten, welche das Indie-Spiel letztendlich als solches enttarnen und unterm Strich knapp am Hitstempel vorbeischlittern lassen. Ich mein, wieso gibt es einen speziellen Bosskampf, welcher dem Spieler Stealth-Mechaniken nahe bringt, obwohl dieses Spielelement danach sofort wieder komplett fallen gelassen wird und das Spiel sogar die Unverschämtheit besitzt was anderes zu behaupten? Derartige Klöpse findet man halt nur in Indie-Games. Iconoclasts ist ein sehr gutes Spiel, aber es ist auch sehr Indie.
Grafik und Sound
Ein großes Problem bei vielen Indie-Pixelspielen ist, dass deren Grafik irgendwie falsch aussieht und definitiv nicht mit den großen Vorbildern der 80er und 90er-Konsolen mithalten können. Entweder man kann sich nicht entscheiden, ob man sich dem 8- oder 16-bit-Stil anbiedern möchte, die Sprites sind einfach klobig und hässlich gestaltet oder das Artdesign ist zu amateurhaft oder künstlerisch zu abstrakt. Iconoclast hingegen ist endlich mal ein Indie-Pixelspiel, welches einfach nur hübsch und gediegen aussieht. Es weiß, dass es eher dem 16-bit-Stil anhängen möchte, dass Sprite-Grafiken und -Animationen möglichst sauber auszusehen haben und dass das Artdesign trotz eigenen Stils nicht Pseudokunst-Scheiße sein muss. Also ja, in grafischer Hinsicht bekommen Freunde von hübscher Pixelgrafik einen echten Hingucker, welcher dem Großteil der Indie-Konkurrenz zeigt wie es richtig gemacht wird. Besonders positiv stechen die abwechslungsreichen Ortschaften und die riesigen Sprite-Grafiken für die Bossgegner heraus. An dieser Stelle gibt es echt nichts zu meckern.
Was den Soundtrack anbelangt wird es da schon etwas zwiespältiger. Ich möchte jedoch erst mal klarstellen, dass sich der komplette OST auf einem handwerklich sehr hohem Niveau befindet. Viele Tracks, wie z.B. jene, welche eine fröhliche Stimmung verbreiten sollen sind wirklich wundervoll gelungen und gehören zu den besten ihrer Art. Aber auf der anderen Seite gibt es eben auch viele Tracks die mir absolut nichts gegeben haben. Vor allem die ganzen Stücke für die Bossgegner wirkten sehr orientierungslos und lärmend auf mich, was bei einem Spiel, welches einen etwas stärkeren Fokus auf epische Bosskämpfe setzt, schon ein größeres Problem darstellt. Aber natülrich ist das alles Geschmackssache, denn es gibt ja auch viele Leute, denen die Bosstracks von Iconoclasts gefallen. Meinen Nerv treffen sie jedoch nicht. Ich halte mich da lieber an die fröhlichen Melodien des Spiels.
Eine Sprachausgabe gibt es übrigens nicht, ist aber auch nichts, was zu erwarten war. Die Soundeffekte überzeugen und die deutsche Textübersetzung geht soweit in Ordnung, auch wenn man hier und da merkt, dass der Übersetzer höchstwahrscheinlich kein Deutschstämmiger Muttersprachler war, sondern nur jemand der diese Sprache eben sehr gut beherrscht. Interessanterweise sieht sich die englische Textübersetzung ähnlicher Kritik ausgesetzt. Da lugt halt mal wieder der Indie-Jank ganz vorsichtig hervor.
Pro & Kontra
- wunderschöne Pixelgrafik im 16-bit-Stil
- butterweiche Steuerung
- gelungener Mix aus Action- und Puzzle-Platforming
- sehr interessante, wendungsreiche Story
- der Metroidvania-Aspekt des Spiels wurde sehr halbarschig umgesetzt
- Indie-Jank Spielpassagen könnten manch einen vergraulen (Labyrinth-Dungeon im Mittelteil des Spiels, völlig gedankenlos reingeklatschte Stealth-Passage innerhalb eines Bosskampfes …)
- vereinzelte Szenen extremer Brutalität wirken verstörend und beißen sich mit dem niedlichen Hüpfspiel-Artdesign