Gestalt: Steam & Cinder REVIEW

Wenn man dieser Tage als Metroidvania Aufmerksamkeit erregen will, dann muss man sich etwas Besonderes einfallen lassen. Im Falle des am 16. Juli 2024 auf PC-Steam veröffentlichten Gestalt: Steam & Cinder, dürfte die Besonderheit wohl im frischen Setting zu finden sein. Das Spiel versetzt uns nämlich in eine postapokalyptische Steampunk-Welt mit Fantasy-Elementen. Ob das exotische Setting jedoch ausreicht, um das Erstlingswerk des US-Indie-Entwicklers Metamorphosis Games zu einem wirklich spielenswerten Metroidvania zu machen, soll folgender Test aufzeigen.

Fällt eine Steampunk-Welt einer Dämoneninvasion zum Opfer

Schon vor Jahrhunderten fiel die unbenannte Spielwelt einer Dämoneninvasion zum Opfer. Die Höllenbrut strömte aus einem Loch welches aus dem Boden aufbrach. Die Menschheit war zunächst chancenlos gegen die Invasoren und wurde an den Rand der Ausrottung getrieben. Doch letztendlich gelang es einem Expeditionsteam in die Dämonenwelt vorzudringen und deren Kraftquelle in Form des sogenannten Abyssus zu entwenden. Mithilfe der übernatürlichen Kraft des Abyssus und der modernen Technik der Menschen wurden coole Rüstungen geschmiedet, welche von Elitekriegern getragen wurden. Letztere werden als Akhaianer bezeichnet und mussten Dämonenblut trinken, um die Rüstungen tragen zu können. Letztendlich gelang es den Akhaianern die Dämonen zu besiegen, jedoch war die Welt zerstört und bestand fast nur noch aus Ödland. Obendrein wurden die Akhaianer durch das Dämonenblut korrumpiert und wandten sich ihrerseits gegen ihre Mitmenschen.

So waren die gewöhnlichen Menschen gezwungen sich in eine Festungsstadt namens Canaan zurückzuziehen, wo sie bis heute überdauern. Angriffe der Akhaianer werden von einer neuen vierköpfigen Gruppe von Elitekriegern zurückgeschlagen – den sogenannten Frontkämpfern. Auch die Söldnerin Aletheia hat das Zeug zur Frontkämpferin, jedoch verweigert sie den Beitritt zu dieser Gruppe. Sie stammt nämlich aus Irkalla, dem Elendsviertel Canaans, und nimmt es der politischen Führung übel, dass ein benachbarter Stadtteil an eine mysteriöse Seuche verloren wurde. Auch das gute Zureden ihrer beiden Kindheitsfreunde und Frontkämpfer Renard und Cassandra ändert nichts an Aletheias Haltung.

Zu Spielbeginn erhält Aletheia den Auftrag den übermütigen Nachwuchsgelehrten Simon aus den unterirdischen Bereichen Canaans zurück nach Irkalla zu schleifen. Kein leichter Auftrag, da mordlüsterne Roboter diese Bereiche der Stadt patrouillieren. Und dennoch gelingt es Simon Aletheia zu beschwatzen, damit sie ihn auf seiner Suche nach der verlorenen Technologie des Abyssus unterstützt. Durch die darauffolgende Entdeckung wird eine mysteriöse Macht in Aletheias Kristall-Halskette offenbart, welche es ihr erlaubt verborgenes Potential zu entfesseln. Potential, welches gewisse Ähnlichkeiten zu den Akhaianer aufweist.

Unabhängig davon plant Balthazar, der Herrscher Canaans, ein Friedensabkommen mit den Akhaianern zu treffen. Ein Fehler, denn die Akhaianer kochen nach wie vor ihr eigenes Süppchen. Aber auch Balthazar spielt nicht mit offenen Karten. Es sollte nicht überraschen, dass Aletheia mit der Zeit immer tiefer in die Mühlsteine dieses Konflikts gerät – vor allem auch deswegen, da sie enger mit den Parteien verbunden ist, als gedacht.

Die Handlung von Gestalt: Steam & Cinder tritt in ähnliche Fettnäpfchen wie jene des berüchtigten „Final Fantasy XIII.“ Hochtrabende Namen, wirre Fremdbegriffe und konfuse Loredumps in überlangen Dialogsequenzen vernebeln den Durchblick. Doch wo Final Fantasy XIII zumindest noch mit sympathischen, gut ausgearbeiteten Charakteren und Datenlog-Einträgen gegensteuerte, mangelt es Gestalt an derlei Vorzügen. Denn im Kern handelt es sich nun einmal um ein Metroidvania mit einer durchschnittlichen Spieldauer von ca. 10 Stunden (ich selbst habe 13 Stunden benötigt, um es zu 100 % durchzuspielen).

Da bleibt freilich nicht die Zeit, um die Hauptcharaktere genauer zu beleuchten und näher auf das komplexe Sagengut einzugehen. Und das macht sich dann auch wirklich negativ bei der Handlung bemerkbar. Ein kreatives Setting und komplexes Sagengut alleine reicht halt nicht aus. Das muss auch vernünftig herübergebracht werden. Und diesbezüglich scheitert Gestalt: Steam & Cinder. Weiteres Salz in die Wunde kommt in Form eines Cliffhanger-Endes und ärgerlicher Last Minute-Storytwists.

Kompetente und spaßige Umsetzung des Metroidvania-Spielprinzips

Gestalt: Steam & Cinder erfindet das Metroidvania-Rad nicht neu, setzt die Spielprinzipien jedoch kompetent und spaßig um. Aletheia verfügt bereits zu Beginn über eine gute Movepalette. Laufen, springen, an Kanten hochziehen, Leitern klettern, Wandsprünge, Dodge Roll und Backflip gehören zum Startrepertoire. Wie beim Genre übrig kommen später noch weitere Moves wie ein Doppelsprung oder Air-Dashs hinzu. Mit neu erlernten Fähigkeiten lohnt es sich dann in alte Gebiete zurückzukehren, um zuvor unerreichbare Orte zu erforschen und zusätzlichen Loot zu kassieren. Letzterer liegt hauptsächlich in Schatztruhen verborgen.

Für die Offensive verfügt die Söldnerin ein Schwert für leichte Angriffskombos oder einen schweren Angriff. Obendrein verfügt sie über eine Pistole mit zwei verschiedenen Munitionsgattungen. Die Knarre, sowie einige erlernbare Spezialangriffe, sind jedoch an einen blauen Energiebalken gekoppelt. Die wirklich effektiven Kampfoptionen können daher nicht inflationär eingesetzt werden. Außerdem verfügt die Pistole zu Beginn nur über einen Schuss. Man kann die Trommel jedoch auf vier Slots aufrüsten. Um verbrauchte Energie aufzufüllen, gilt es auf Gegner oder Umgebungsobjekte einzudreschen, sich an einem Speicherpunkt zu regenerieren oder ein entsprechendes Heilitem zu nutzen.

Beseitigte Gegner bringen Erfahrungspunkte für Level-Ups und Schrott, welches die hiesige Geldeinheit ist. Letztere kann freilich bei einigen Händlern verpulvert werden. Ein Level-Up bringt ein paar Lebenspunkte (LP) sowie einen Fähigkeitspunkt. Diese werden benötigt, um den Knotenpunkt-Skilltree innerhalb Aletheias Kristall-Halskette auszubauen. Hierdurch verbessert man ihre Statistikwerte, schaltet bis zu vier Slots für Heil-/Bufftränke sowie Accessoire-Ausrüstung frei und erlernt neue Kampfmoves oder Sondereffekte für bestehende Techniken. Fähigkeitspunkte verdient man nicht nur durch Level-Ups, sondern auch durch das lösen von Haupt- und Nebenquests, das aktivieren von Speicherpunkten (werden hier Wartungsdocks genannt) und das zerstören von roten Tesla-Schaltern via Pistole. Man kassiert im Spielverlauf mehr als genug Fähigkeitspunkte, um Aletheias Skilltree komplett auszufüllen. Ein halbwegs gründlicher Spieler muss also nicht groß planen. Obendrein gibt es einen Trank, mit dem man die Punkteverteilung zurücksetzen kann.

Dank einer flüssigen und leicht zu erlernenden Steuerung, sowie eines relativ fairen Schwierigkeitsgrades kann man sich direkt ins Spiel stürzen. Es macht Spaß die unterschiedlichen Bereiche der Stadt zu erkunden, zumal immer wieder neue Platforming-Elemente eingestreut werden. Da reicht die Bandbreite von Selbstschussanlagen, Mörserbeschuss, einklappenden Platformen, Laufbändern, Schalterrätseln oder auch einem intensiven Abschnitt wo man vor geschmolzenen Stahl flüchten muss, der langsam aufsteigt.

Der Kampf gegen reguläre Gegner macht ebenfalls Laune. Die Gegner sind in der Regel weder zu stark noch zu schwach. Man kann sie nicht einfach wegklatschen, aber ihre Angriffsmuster lassen sich gut durchschauen. Interessant ist die Schutzschild-Mechanik. Neben ihrem regulären Heilbalken verfügen einige Gegner auch noch über einen grünen Schildbalken. Dieser blockt den meisten Schaden gegen die Lebensenergie ab. Es gilt also Wege zu finden den Schildbalken effektiv zu dezimieren, damit man endlich richtigen Schaden verursachen kann. Dies kann man z.B. durch die Tesla-Munition des Revolvers erreichen, oder indem man besagte Gegner in Fallen hinein lockt.

Der große Schwachpunkt im ansonsten spaßigen Gameplay sind jedoch die Bosskämpfe. Gestalt ist eines jener Spiele, bei denen die ersten paar Bosse die Härtesten im Spiel sind. Sobald im späteren Verlauf die RPG-Mechaniken in Form von Heiltrank-Upgrades, starker Ausrüstung und einem gut ausgebauten Skilltree greifen, schmilzt der Schwierigkeitsgrad spürbar dahin. Daher lassen sich spätere Bosse durch dumpfes Hack & Slay bezwingen. Die ersten paar Bosse können hingegen richtig anstrengen und etwas Frust verursachen.
Das gute Balancing des Platformings und der regulären Gegner hat es also leider nicht in die Bosskämpfe geschafft. Ich selbst fand jedenfalls nur zwei der Bosskämpfe spaßig. Glücklicherweise ist dieses Problem bei weitem nicht so groß, dass es den Spielspaß ruinieren würde, oder so.

Grafik und Sound

Grafisch bietet Gestalt: Steam & Cinder feinste Pixelkunst. Die Ortschaften sind abwechslungsreich, detailverliebt und bieten exzellentes Parallax-Scrolling im Hintergrund. Die Charaktermodelle sind hübsch anzuschauen und sehr liebevoll animiert. Das Charakterartwork in den Textboxen ist ansprechend gestaltet und Dinge wie Elektrizität oder wuchtige Schwerthiebe werden optisch ansprechend vermittelt. Das Spiel ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit der Unity-Engine auch richtig schicke Spiele schöpfen kann.
In technischer Hinsicht gab es an vereinzelten Stellen ein paar Probleme mit Slowdowns und Ladezeiten. Diese Treppchen liegen aber auch in meinem alten PC begründet und werden die meisten Spieler wahrscheinlich nicht betreffen.

Auch der Soundtrack ist qualitativ hochwertig. Die Tracks sind atmosphärisch, passen gut zum Steampunk-Setting und unterstützen das Spielgeschehen. Es ist zwar kein OST, den ich mir außerhalb des Spiels anhören würde, aber als Teil des Ganzen fügt er sich wunderbar ein. Die Soundeffekte klingen satt und befriedigend, eine Sprachausgabe wird jedoch nicht geboten. Etwas problematisch ist die deutsche Übersetzung der Textboxen. Schlecht ist diese nicht, jedoch erweckt sie den Eindruck, dass man ein Übersetzungsprogramm verwendet hat. Zwar ein sehr kompetentes Übersetzungsprogramm, aber nichtsdestotrotz ein Übersetzungsprogramm.

Pro & Kontra

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Pros
  • ansprechende audiovisuelle Präsentation
  • unverbrauchtes Setting
  • einwandfreie Spielbarkeit
  • kompetent umgesetzte Metroidvania-Elemente

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Cons
  • wirre Story mit konfuser Namensgebung, oberflächlichen Charakteren und zähen Dialogen
  • die meisten Bosse machen keinen Spaß
  • Profis werden unterfordert

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