Dropsy REVIEW
Das klassische Point & Click-Adventure Dropsy ist ein gutes Beispiel dafür, welche verschlungenen Pfade die Entwicklung eines Computerspiels nehmen kann. Ursprünglich wurde der Titelheld im Jahr 2008 von Jay Tholen/Tendershoot für ein Forenspiel erfunden. Nachdem dieses sein Ende fand, war die Bitte der User nach einem Computerspiel zu Dropsy derart groß, dass Tholen das Projekt tatsächlich in Angriff nahm.
Es folgten insgesamt drei Kickstarter-Kampagnen für Dropsy, von denen zwei erfolgreich waren. Bei der ersten Kickstarter-Kampagne am 17. Oktober 2011 wurden 1.613 von 225 gewünschten Dollar eingenommen. Der Zweite Versuch blieb erfolglos, während der dritte Kickstarter-Auftritt, der am 23. Oktober 2013 startete, wieder ein Erfolg war. Es konnten weitere 24.921 von 14.000 gewünschten Dollar in die Kasse gespült werden.
Das Geld wurde unter anderen dafür genutzt sich zusätzliche Unterstützung in Form eines anderen Indie-Entwicklerstudios ins Boot zu holen. Letztendlich wurde sogar der Publisher Devolver Digital auf das Projekt aufmerksam, womit Dropsy endlich in trockenen Tüchern war und letztendlich die Erstveröffentlichung am 10. September 2015 feiern konnte. Jüngst durfte der Titel auch seine Portierung auf der Nintendo Switch feiern, weswegen nun auch endlich ein Review fällig wird.
Ob sich der oben beschriebene Aufwand gelohnt hat und ein tolles Spiel dabei herausgekommen ist, soll folgender Test klären.
Horrorclown oder liebenswerter Samariter?
Dropsy ist ein kindischer Clown mit körperlichen und scheinbar auch geistigen Einschränkungen. Einige Zeit vor Spielbeginn traf Dropsys Zirkusfamilie ein schwerer Schicksalsschlag: Bei einer Zirkusvorstellung lässt jemand eine Zigarre in eine brennbare Flüssigkeit fallen, es entsteht ein Großbrand, welcher fünf Menschen das Leben kostet. Zu den Opfern gehört auch Dropsys Mutter. Aus irgendeinem Grund nahmen sich die Medien Dropsy als Sündenbock zur Brust. Seitdem wird unser Clown von der Öffentlichkeit angefeindet und gemieden. Lediglich sein Hund und sein Vater halten noch zu ihm, doch damit möchte sich der gutmütige Clown nicht mehr zufrieden geben. Er zieht aus um neue Freunde zu finden, was in seiner Situation freilich leichter gesagt als getan ist. Doch Dropsy gibt nicht auf, er ist willens die Probleme der Leute zu lösen, um sich deren Freundschaft und Vertrauen zu verdienen. Nebenbei steht er natürlich auch seinem gebeutelten Vater zur Seite.
Und so beginnt das Spiel mit einer simplen, aber klar definierten Zielvorgabe: Schließe Freundschaft mit allem und jedem! Für diejenigen unter euch, die jetzt verständnislos mit den Schultern zucken sei gesagt, dass die Handlung im Verlauf durchaus interessanter wird. Es werden gesellschaftliche Missstände angesprochen und Mysterien aufgedeckt, welche die Insel, auf der das Spiel stattfindet, beherbergen. Und wer weiß, vielleicht erfahren wir gegen Ende auch, was es wirklich mit dem Großbrand im Zirkus auf sich hatte? Im Kern geht es jedoch um die Befriedigung seinen Mitmenschen zu helfen und somit deren Freundschaft und Vertrauen zu gewinnen. Obwohl das Spiel stellenweise sehr düster werden kann, ist es im Kern ein schönes Feelgood-Abenteuer.
Auf der Suche nach Freunden mit Freunden
Im Kern mag Dropsy ein klassisches Point & Click-Adventure sein. Ihr steuert den Titelhelden via Mausklicks durch die Spielwelt, untersucht Hotspots, sammelt hier und da Gegenstände ein, mit denen sich andernorts Probleme bewältigen lassen und kommuniziert mit NPCs. Bei letzterem zeigen sich jedoch bereits erste Besonderheiten: Es gibt fast keinen Schrifttext im Spiel. Dialoge mit NPCs werden in Piktogrammen dargestellt, die man dann halt deuten muss, was aber in den meisten Fällen kein Problem darstellt. Sogar das Optionsmenü arbeitet mit Piktogrammen statt Texten (was meines Erachtens etwas zu weit geht). Ganz neu ist diese Idee aber nicht, bereits im SNES-Klassiker Young Merlin wurde dieses Konzept angewandt. Darüber hinaus gibt es dann doch Schrifttext im Spiel, jedoch wurde bei diesem die Buchstaben des Alphabets mit Fantasie-Schriftzeichen ausgewechselt. Wer diese Texte lesen will, muss also erst mal diese Schriftzeichen in Buchstaben umdeuten (oder einen Blick in die Steam-Community werfen, wo das Fantasie-Alphabet bereits dekodiert wurde).
Eine weitere Besonderheit bei Dropsy, ist, dass es sich um ein Open World-Spiel handelt. Wo ihr wann hingeht bleibt euch überlassen. Sicherlich gibt es einige Gebiete die zunächst abgesperrt sind und sich erst ab einem bestimmten Punkt im Spiel öffnen, aber der Löwenteil der Insel steht euch bereits zu Beginn offen. In Zuge dessen verwendet das Spiel auch einen Tag- und Nachtwechsel, dem sich auch die NPCs anpassen. Wer z.B. mit dem obdachlosen Bettler reden möchte, muss sich bis Nachmittag gedulden, da dieser tagsüber schläft. Der Tag ist hierbei in die vier Phasen Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend eingeteilt. Wer eine bestimmte Tagesphase erschließen möchte und dafür nicht ziellos durch die Gegend latschen möchte, kann auch einen der Schlafplätze aufsuchen, welche über die Spielwelt verteilt wurden (die meisten müssen jedoch erst freigeschaltet werden).
Im Gegensatz zu den meisten anderen Adventure-Helden ist Dropsy übrigens kein Einzelgänger. Bereits zu Beginn steht ihm sein Hund zur Seite, welcher als separate Spielfigur fungiert. Dieser kann kleine Erdhügel ausbuddeln, und schmale Durchgänge passieren, für die Dropsy zu groß ist. Später kommen dann noch eine Maus und ein Vogel hinzu, welche weitere Bereiche und Gegenstände erschließen, zu denen die Anderen keinen Zugang haben.
Das Spiel gibt euch also viele Möglichkeiten der Erkundung an die Hand. Anders als in anderen Adventures müsst ihr auch nicht alles lösen, um zum Abspann zu gelangen. Viele NPC-Freundschaften sind rein optional und gehören nicht zu den Hauptaufgaben. Natürlich hat man als Spieler keinen Einblick, welcher NPC wichtig für die Lösung der Hauptaufgabe ist, und welcher nicht. Also sollte man einfach versuchen so viel wie möglich zu befreunden.
Eine Freundschaft wird übrigens durch eine Umarmung besiegelt. Hierfür gibt es sogar einen separaten Aktionsbefehl. Für jede abgeschlossene Freundschaft fertigt Dropsy eine Zeichnung für sein Kinderzimmer an. Bedenkt hierbei, das Dropsy auch Tiere und große Gegenstände als Freunde betrachtet und umarmen kann.
So weit so gut, leider gibt es auch hier einige Schwachpunkte zu nennen. Der Größte ist der Verzicht auf eine Hotspotanzeige, was einfach nicht mehr zeitgemäß oder akzeptabel ist. Zwar kann man die meisten Gegenstände leicht erkennen und kleine Gegenstände werden auch gerne mal durch ein funkeln markiert, dennoch ist es immer wieder schade, wenn moderne P&C-Adventures dieses Feature ignorieren.
Ein weiteres Ärgernis sind die leicht zu verfehlenden Alptraum-Sequenzen. Es gibt im Spiel ca. 5-6 dieser Sequenzen. Diese kann man jedoch nur triggern, wenn man in Dropsys Bett im Kinderzimmer schläft. Andere Schlafplätze lösen keine Alptraum-Sequenzen aus. Zwar sind diese Sequenzen rein optional, aber es nervt dennoch, wenn Spielinhalt derart mutwillig vorenthalten wird.
Da es sich um eine offene Spielwelt handelt, ist natürlich über kurz oder lang auch Backtracking angesagt. Die guten Nachrichten: Es gibt sowohl die Doppelklick-Mechanik zur Abkürzung durch Ein- und Ausgänge, als auch ein Schnellreise-System via Auto. Die schlechte Nachricht: Das Auto wird erst im Mittelteil des Spiels zugänglich gemacht. Aber trotz dieser Problematik fällt Dropsy vergleichsweise kurz aus. Selbst bei gründlicher Spielweise sollte man nach ca. 6-7 Stunden Spielzeit zum Abspann gelangen. Diese Stunden werden Adventure-Freunden jedoch sehr viel Spaß bereiten. Dieses Spiel steht für Qualität über Quantität.
Grafik und Sound
In grafischer Hinsicht setzt Dropsy auf Pixelgrafik im 16-bit-Stil. Die Pixelung wirkt etwas grob, wird jedoch durch die kunterbunte Farbpalette und liebevolle Charakteranimationen ausgeglichen. Die Insel bietet darüber hinaus abwechslungsreiche Ortschaften in variablen Tageszeiten. Unterm Strich weiß die Grafik zu gefallen und trägt viel dazu bei den Charme des Spiels zu unterstützen.
Auch der von Chris Schlarb komponierte OST des Spiels kann überzeugen. Die unterschiedlichen emotionalen Stimmungen im Spielverlauf werden vom Soundtrack wunderbar wiedergegeben. Die Tracks rangieren von fröhlich zu traurig, melancholisch zu hoffnungsvoll und bedrohlich zu friedfertig. Hier wird ein breites Spektrum geboten, ohne der Einheitlichkeit des OSTs zu schaden.
Eine Sprachausgabe gibt es nicht, die NPCs geben jedoch Gebrabbel von sich und die Soundeffekte sind gut gelungen.
Pro & Kontra
- verbreitet trotz einiger ernster Themen eine herrliche Feelgood-Atmosphäre
- Open World mit variablen Tageszeiten
- vier spielbare Figuren
- guter Schwierigkeitsgrad (nicht zu leicht und nicht zu schwer)
- liebevolle und charmante audiovisuelle Präsentation
- keine Hotspotanzeige
- ist vergleichsweise kurz (6-7 Stunden)
- viel Backtracking