Dark Fall: The Journal REVIEW
Dark Fall: The Journal ist ein Grusel-Adventure im Stil der Myst-Reihe. Das Spiel stammt vom UK-Indie Entwickler Jonathan Boakes (XXv Productions, Darkling Room) und wurde erstmals im April 2002 veröffentlicht. Durch Mundpropaganda hat das Spiel genügend Bekanntheit erlangt, um diverse Publisher für sich zu gewinnen. So wird das Spiel dieser Tage durch THQ Nordic sogar auf Steam vertrieben. Tatsächlich hat Dark Fall inzwischen sogar drei Fortsetzungen, sowie eine Schwesterserie (die Crown-Serie) nach sich gezogen.
Genügend Gründe das Spiel mal näher unter die Lupe zu nehmen und auf virtuelle Geisterjagd zu gehen.
An diesem Ort ist selbst der Tod keine Erlösung
Der Architekt Pete Crowhurst wurde mit der Sanierung einer halbverfallenen Bahnstation-Hotel-Kombo im englischen Städtchen Dowerton in Dorset beauftragt. Die Immobilie ist in Ungnade gefallen, als am 29 April 1947 mehrere Gäste des Hotels spurlos verschwanden und bis heute als vermisst gelten. Solch ein Ereignis lockt natürlich auch Freunde des Okkulten an. Daher überrascht es nicht, dass Pete vor Ort Bekanntschaft mit den beiden Studenten und Geisterjägern Nigel Danvers und Polly White macht. Zunächst winkt Pete Geister und Übersinnliches als Quatsch ab, aber seine Meinung ändert sich drastisch, als eine finstere Entität aufkreuzt und ihm nach dem Leben trachtet. Pete gelingt es noch einen telefonischen Notruf an sein Geschwisterchen abzugeben.
Der Spieler übernimmt die Rolle des Geschwisterchens (Name und Geschlecht der Spielfigur bleiben für eine bessere Immersion unbekannt). Das Spiel beginnt im stillgelegten Zugtunnel von Dowerton, wo man auch gleich vom freundlichen Geist des kleinen Timothy Pike angesprochen wird. Dieser hofft, dass wir ihn und die anderen Geister, welche vor Ort spuken müssen, von ihrem untoten Dasein erlösen können. Doch das ist freilich leichter gesagt als getan, denn die bösartige Entität, welche nur als „Dark Fall“ oder „Darkness“ bezeichnet wird, hat kein Interesse daran, ihre Opfer ins Totenreich einkehren zu lassen. Natürlich wollen wir nicht zulassen, dass Pete, Timothy und die anderen (Un)toten weiter leiden müssen. Also gilt es nun einen Weg auszutüfteln der Dark Fall beizukommen. Glücklicherweise liegen die Werkzeuge zum Erfolg bereits vor Ort, denn auch Andere haben bereits in ferner Vergangenheit versucht die Dark Fall zu stoppen. Doch besagte Werkzeuge zu finden und zu deuten ist eine ganz andere Geschichte.
Die Handlung von Dark Fall: The Journal lässt sich wohl am besten als „simpel aber effektiv“ bezeichnen. Man erforscht eine gruselige Ortschaft und entschlüsselt mittels Notizzetteln, Briefen und Tagebüchern die Schlüsselereignisse der letzten Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Man erfährt wer die Menschen waren, die von der Dark Fall getötet wurden und kann teilweise sogar mit deren Geistern kommunizieren. Es liegt also in der Hand des Spielers, wie viele Storybrocken er aufnimmt und verarbeitet. Ehrensache, dass die gruselige Immobilie sehr atmosphärisch umgesetzt wurde und ein paar gruselige Scripts von Stapel lässt. Positiv war auch das Ende, welches abseits typischer Horrorklischees rangiert und angenehm befriedigend ausfällt.
Schluss mit Händchenhalten, jetzt seht mal zu wie ihr alleine zurechtkommt!
Ähnlich wie in den Myst-Spielen, betrachtet man auch hier die vorgerenderte Umgebung durch die Ego-Perspektive des Protagonisten. Der Großteil der Steuerung erfolgt ausschließlich über Mausklicks. Man kann seinen unsichtbaren Avatar in 90 Grad-Winkeln um die eigene Achse drehen, während die Fortbewegung über Knotenpunkte erfolgt. Der Aufbau der Knotenpunkte in Dark Fall: The Journal erinnert an den Karoraster-Aufbau alter CRPG-Dungeoncrawler. Hat man dies realisiert, gestaltet sich die Orientierung über die überschaubare, aber dennoch verschachtelte Ortschaft auch ein wenig einfacher. Das Spiel bietet nämlich keinerlei Karte oder vergleichbares an. Interessante Objekte in den Renderscreens können natürlich näher begutachtet werden. So lassen sich Schriftstücke näher betrachten, Gegenstände einsammeln und mit Puzzle-Mechanismen interagieren.
Im Idealfall sollte man Papier und Stift parat halten, da viele Infos, Symbole und dergleichen zwingend benötigt werden, um die kniffligen Puzzles des Spiels zu lösen. Natürlich ist nicht alles, was man zu sehen und zu lesen bekommt wirklich relevant, um das Spiel zu knacken. Es gibt sogar optionale Puzzle wie etwa den lästigen Geheimschrift-Buchstabencode. Jedoch weiß man im Vorfeld nicht, was wichtig ist und was nicht. Tatsächlich weiß man zu Beginn noch nicht einmal, was eigentlich genau zu tun ist, um voranzukommen. Einerseits ist es sehr reizvoll komplett aufs Händchenhalten zu verzichten, und sich komplett auf sein eigenes detektivisches Gespür zu verlassen. Aber andererseits steckt da auch viel Frustpotential dahinter. Da muss einfach jeder selbst entscheiden, ob ihm der „Myst-Stil“ gefällt oder nicht. Anders als beim Klassiker von Cyan Worlds gibt euch Dark Fall: The Journal sogar ein kleines Inventar mit auf den Weg. Am oberen Bildschirmrand werden die gefundenen Gegenstände gelistet, und stehen dann auch permanent als Werkzeuge zur Verfügung. Wozu die Gegenstände taugen, müsst ihr freilich selbst herausfinden. Eine Kombination der Gegenstände untereinander ist jedoch nicht möglich. Die Rätsel in Dark Fall basieren hauptsächlich auf Code- und Apparaturpuzzles, Erkundung und Beobachtung oder Textverwertung. Inventarrätseln werden nur sporadisch behandelt.
Ein Aspekt von Dark Fall: The Journal, den ich sehr zu schätzen gelernt habe, ist die Offenheit der Spielwelt. Euch stehen quasi direkt zu Beginn ca. 85 % der Spielwelt offen. Zwar gibt es ein paar abgesperrte Räume, aber der absolute Großteil ist frei zugänglich. Das bedeutet auch, dass man nicht gezwungen ist, sich an einem einzelnen Puzzle festzubeißen. Stattdessen kann man erst mal weiter auf „Lost Places“-Erkundung gehen und auf einen Geistesblitz oder ein weiteres Infobruchstück hoffen. Durch diesen Aufbau konnte ich dann auch tatsächlich das meiste in Dark Fall aus eigener Kraft lösen. Eine Komplettlösung musste ich nur zwei oder drei mal zu Rate ziehen, was für ein Adventure im Myst-Stil echt nicht viel ist. Allerdings spielt auch hier der persönliche Geschmack eine Rolle. Wer seine Adventures lieber linear hat, wird mit der offenen Herangehensweise von Dark Fall: The Journal nicht unbedingt glücklich werden. Zumal hier ja auch die Orientierung eine Rolle spielt und man selbst die wenigen Richtungsangaben erst einmal finden muss.
Wenigstens gibt es eine subtile Hilfefunktion. Der Geist von Timothy Pike steht uns unterstützend zur Seite. Hat man einen Puzzle-Mechanismus vor Augen, und kehrt schnell zu Timothys Standort zurück, lässt er wertvolle Tipps springen, wo man die Lösungshinweise für das Puzzle findet. Allerdings ist diese Hilfe etwas umständlich einzufordern, da man eben zu Timothy zurücktrippeln muss. Eine Schnellreise-Funktion gibt es nicht, und Timothy hilft auch nicht bei jedem Puzzle weiter.
Apropos Geister: Dark Fall bietet zwar keine NPC-Dialoge im typischen Schema, jedoch ist es später möglich in den Dialog mit den Geistern zu treten. Die Gespräche mit den untoten Wesen erfolgen dann via Textparser-Eingaben. Diese Dialoge sind jedoch rein optional. Im übrigen könnt ihr Dark Fall: The Journal trotz der Spuk-Thematik sehr entspannt spielen. Man kann hier weder sterben noch irgendetwas falsch machen. Und speichern darf man auch überall und so oft es einen passt. Letzteres wurde jedoch etwas krude umgesetzt, da man hier tatsächlich eine Datei manuell im Programmordner anlegt. Aber daran gewöhnt man sich schnell.
Grafik und Sound
Auch in grafischer Hinsicht orientiert sich Dark Fall: The Journal an den guten alten Myst-Spielen. Die Bilder durch die man sich klickt sind atmosphärisch und detailliert gestaltet, wirken aber auch sehr statisch und angestaubt. Selbst im Jahr 2002 war die Grafik schon reichlich veraltet. Sogar ein „Riven: The Sequel to Myst“ von 1997 lässt Dark Fall: The Journal mächtig alt aussehen, zumal es das Spiel an Zwischensequenzen mangeln lässt. Abgesehen vom Intro und Ending gibt es da nichts. Aber natürlich sollte man auch im Hinterkopf behalten, dass es sich um ein Indie-Spiel handelt, an dem hauptsächlich eine Person gebastelt hat. Und als solches ist die gebotene Atmosphäre schon sehr stark. Man hat tatsächlich das Gefühl, als ob man einen verlorenen Ort erforschen würde, an dem es spukt. Allerdings muss man sich auf diesen Grafikstil einlassen können.
Bezüglich des Soundtracks von Dark Fall: The Journal setzt sich das Spiel in erster Linie aus Ambient-Geräuschen und Soundeffekten zusammen, welche auch sehr stimmig umgesetzt wurden. Richtige Melodien werden nur sehr selten eingesetzt (z.B. im Titelscreen oder Intro). Die dezenten Klavier und Harfenstücke sorgen jedoch für eine überraschend berührende Stimmung.
Die englische Sprachausgabe ist gelungen und wirkt authentisch. Ehrensache, dass die Charaktere einen britischen Akzent mitbringen. Die Quantität der Sprachausgabe hält sich jedoch in Grenzen. Briefe, Textdokumente und dergleichen muss man selbser lesen. Synchronisiert wurden nur die Sätze der Geister und Telefonbandansagen. Es sei noch erwähnt, dass die digitalen Versionen auf Steam und GoG lediglich englische Texte anbieten. Die deutsche Übersetzung der Retail-Version fehlt leider. Wer das Spiel über eine Online-Platform bezieht, sollte also gute Englischkenntnisse mitbringen.
Pro & Kontra

- gelungene „Lost Places“- und Gruselatmosphäre
- fordernde Rätsel und Puzzle (haltet Papier und Stift parat)
- offene Struktur, man kann den Großteil der Rätsel in beliebiger Reihenfolge lösen

- die Grafik war schon 2002 hoffnungslos veraltet
- die kniffligen, undurchsichtigen Rätselaufgaben …
- … und der Verzicht auf klare Richtungsangaben machen das Spiel für viele Spieler ungeeignet
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