Call of Duty WWII. REVIEW
…In den ersten drei Tagen nach Release hat Call of Duty: WWII bereits über 500. Millionen US-Dollar eingenommen und beinahe doppelt so viele Einheiten verkauft, als dass vielerorts gescholtene Infinite Warfare im vergangenen Jahr. Zumindest finanziell hat sich die Rückbesinnung auf die Wurzeln der Reihe für Publisher Activision bezahlt gemacht. Und spielerisch? Hat man die zehn Jahre andauernde Auszeit vom Zweiten Weltkrieg genutzt und kann dem Setting neue Impulse verleihen, oder hat Entwickler Sledgehammer Games das Altbekannte einfach nur hübsch verpackt?
Déjà-vu in HD
Das Spiel startet – wie sollte es auch anders sein? – mit der so oft in Film, Literatur und Videospielen zitierten und nachgestellten Landung in der Normandie. An jenem „D-Day“ genannten 06. Juni 1944 starteten die Alliierten ihre Offensive gegen Nazi-Deutschland und eroberten binnen weniger Wochen große Teile Westeuropas zurück. Abermals schlüpfen Spieler in die Rolle eines US-Soldaten und erleben durch seine Augen die eindringlich inszenierte Stürmung der französischen Küstenstrände, befreien an der Seite von Widerstandskämpfern das von deutschen Truppen besetze Paris, kämpfen sich durch ein vollkommen zerbombtes Aachen und erleben die verlustreichen Tage der Ardennenoffensive am eigenen Leibe.
Wer jetzt denkt „Moment, das kenne ich doch“ wird größtenteils recht behalten. Die rund sechsstündige Kampagne von Call of Duty: WWII. dürfte sich gerade für Kenner der Erstlinge und anderer Shooter mit dem Zweiten Weltkrieg als Rahmen gebenden Setting vertraut anfühlen. Ob man dies nun negativ gewichtet oder nicht, sei mal dahingestellt, zweifelsohne inszeniert Sledgehammer Games die Kampagne gewohnt brachial und schafft einige sehr bedrückende Momente, wie etwa die Offensive im Hürtgenwald oder die Stürmung der Normandie. Darüber hinaus gibt es auch die für die Reihe typischen Michael-Bay-Action-Overkill Momente, die jenseits sämtlicher Glaubwürdigkeit liegen. Im vorliegenden Fall wäre dies wohl ein Abschnitt, in welchem man einen nie enden wollenden Zug verfolgt, dabei vom MG-Geschütz eines Geländewagens die auf dem Wagons umherspringenden Gegner aufs Korn nimmt und das Ganze schließlich in einer riesigen Explosion endet. Protagonist Daniels übersteht das natürlich ohne Kratzer und macht unvermittelt weiter im Programm.
Woran es der Kampagne aus meiner Sicht hingegen mangelt sind, wirklich neue, unverbrauchte Kulissen. Denn so stimmig die verschiedenen Set-Pieces mit der potenten Grafikengine auch in Szene gesetzt wurden, so einnehmend die Atmosphäre dank der überragenden Klangkulisse auch ist, es täuscht nicht darüber hinweg, das der überwiegende Teil der Schauplätze nichts neues anzubieten hat.
Band of Brothers
Wurde bei älteren Serienteilen zulasten der Handlung und Identifikation mit den Charakteren zwischen weltweiten Schauplätzen und Spielfiguren hin und her gewechselt, so konzentriert sich Call of Duty: WWII. diesmal auf die Hauptfigur Red Daniels und dessen Platoon. Im Vorfeld wurde die nun deutlich stringenter erzählte Rahmenhandlung als große Neuerung verkauft und tatsächlich bemühen sich die Storyschreiber diesmal spürbar um mehr narrativen Tiefgang. Letztlich arbeitet man sich aber erneut an bekannten Mustern und Klischees ab. Ein Fotograf mit Hornbrille? Check. Ein pflichtbewusster Lieutenant? Check. Ein mürrischer Sergeant, ohne spürbare Empathie? Check. Auch der Verlauf der Story ist geprägt von den bekannten Tropen des Genres, wie man sie gerade aus Filmen wie Der Soldat James Ryan und der TV-Serie Band of Brothers her kennt.
Somit bleibt die Charakterisierung oberflächlich, die Motive bekannt, das Überraschungsmoment weitestgehend aus. Nur in wenigen Momenten hebt sich Call of Duty WWII. von anderen Spielen seiner Art ab und zeigt einige überraschende Nuancen. Da diskutieren die Kameraden von Daniels etwa darüber, ob wirklich alle Deutsche böse seien, in einer Mission zur Spielmitte entbrennt gar ein Streit darüber, ob man unter Einsatz des eigenen Lebens deutsche Zivilisten retten soll. Und dann gibt es ja noch jene, bereits in einem Trailer gezeigte Szene, in der amerikanische Kriegsgefangene nach Juden und Nicht-Juden aussortiert und schließlich auf einen Viehtransporter verladen werden. Selbst Konzentrationslager und die unmenschliche Behandlung der dort inhaftierten Kriegsgefangenen wird thematisiert, was gerade für eine Triple-A Produktion erstaunlich und fast schon mutig erscheint. Der Holocaust und das Leiden der jüdischen Zivilbevölkerung wird hingegen ausgeklammert.
Man kann sicherlich darüber streiten, ob Call of Duty überhaupt das richtige Spiel ist, um den Holocaust zu thematisieren, schließlich ist das Franchise in erster Linie für seine Bombast-Action und weniger für sein geschichtliches Bewusstsein bekannt. Prinzipiell kann man die hier eingeschlagene Richtung aber honorieren und hoffen, dass sich in Zukunft auch andere Spiele aus dem Triple-A Segment trauen vermeintliche Tabuthemen aufgreifen.
Altmodisch = altbacken?
Boots on the ground – so bezeichnen die Entwickler den spielerischen Ansatz von Call of Duty WWII. und treffen den Nagel auf den Kopf. Der ganze neumodische Kram vergangener Iterationen, wie Exoskeletts, Doppel- und Dreifachsprünge und übertriebene Gadgets, wurde gestrichen, auch die automatische Regeneration von Lebensenergie ist nun Geschichte. Zwei stets wechselbare Waffen, sammelbare und aktiv zu benutzende Medipacks zur Heilung – mehr gibt es nicht. Durch diese Anpassungen wirkt das Gameplay deutlich entschlackt und auf eine durchaus angenehme Art und Weise altmodisch. Regelrecht altbacken ist aber nach wie vor das Fortschritts-System, welches das Weiterkommen in einer Mission bestimmt. In der Regel muss man nämlich nur nach vorne preschen und dabei in bester Schießbuden-Manier anstürmende Gegner umlegen. Verharrt man hingegen zu lange an einem Punkt, spawnen die Gegner bis ins unendliche und man kommt einfach nicht weiter.
Ab und an wird diese Formel etwas abgewandelt. Dann muss man etwa in einem sich furchtbar zu steuernden Panzer die Straßen vor feindlichen Truppen säubern oder in einem ebenfalls furchtbar zu steuernden Kampfflieger angreifende Stukas vom Himmel holen. Einzig eine Schleich-Mission in Paris, in welchem man in der Rolle einer Widerstandskämpferin ein Gebäude der Deutschen infiltrieren muss, fällt etwas aus dem Muster heraus. Gerade die kleinen Adventure-Elemente (man muss sich einige wenige Details merken und diese in Dialogszenen wiedergeben) sorgen für ein bisschen Abwechslung, die auch in einigen anderen Missionen zum Einsatz kommende Stealth-Mechanik ist hingegen so anspruchslos, wie ein Groschenroman.
Auch nichts Halbes und nichts Ganzes ist das neue Squad-System. Die für die Erzählung wichtigen Figuren aus Daniels´ Platoon versorgen den Protagonisten in Gefechten auf Abruf etwa mit Medipacks, Munition oder einer Signalgranate, mit der ein Luftschlag geordert werden kann. In den oftmals hitzigen Gefechten muss man oft aber ziemlich weit rennen, um überhaupt einmal einen der Kameraden zu finden. Im Kontext des Settings macht das zwar durchaus Sinn, da das Spiel – zumindest auf den von mir gespielten normalen Schwierigkeitsgrad – aber sowieso nicht mit Medipacks und Munition geizt, ist das Featurereine Makulatur.
Alles beim Alten?
Abgesehen vom Wechsel des Settings und dem sinnvoll reduzierten Gameplay hat sich auf dem ersten Blick beim diesjährigen Multiplayer-Part nicht viel geändert.Dieser spielt sich trotz des Wegfalls von Wallruns und Doppelsprüngen nämlich wie gehabt flott und scheint auch sonst erstaunlich wenig von seiner DNA verloren. Nach wie vor gibt es Killstreaks, man verbessert Waffen durch das fleißige Verwenden dieser, schaltet neue Aufsätze und kosmetische Anpassungen sowie Perks frei und bekriegt sich in den altbekannten Modi, wie (Team) Deathmatch, Domination, Capture-the-Flag, Search & Destroy etc. Neu sind hingegen die fünf Divisionen, die allesamt ihre eigenen Fähigkeiten mit sich bringen. Die Infanterie-Klasse etwa kann einen zusätzlichen Aufsatz für das Sturmgewehr freischalten, Gebirgsjäger können unentdeckt vor feindlichen Radaren agieren, während die Luftlandedivision schneller, als alle anderen Klassen rennt. Für ewig an eine Division gebunden ist man übrigens nicht, selbst im laufenden Match kann man munter zwischen den einzelnen Klassen wechseln.
Ebenfalls neu und richtig gut ist der mich stark an Wolfenstein: Enemy Territory erinnernde Krieg-Modus. In dem in mehrere Phasen aufgebauten Modus nimmt stets ein Team die Rolle der Angreifer ein und muss verschiedene Aufgaben binnen eines gesetzten Zeitfensters erfüllen, während das andere Team versucht die Gegner erfolgreich abzuwehren. Auf einer der speziell für den Modus gebauten Maps muss das Team der Alliierten etwa ein Quartier der Achsenmächte einnehmen, anschließend eine zerstörte Brücke wiederaufbauen, ein Munitions-Lager vernichten und die gegnerischen Truppen komplett zurückdrängen. Obwohl die Gefechte gerne mal im kompletten Chaos enden können (was für sich genommen aber auch viel Spaß machen kann), birgt der Krieg-Modus eine angenehm taktische Komponente und macht trotz seiner gerade mal drei unterschiedlichen Karten ziemlich viel Laune.
Nichts los im HQ
Der alles in allem überzeugende Multiplayer-Modus hatte in der ersten Woche nach Release jedoch mit einigen technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, was die Entwickler sogar dazu veranlasste einige Features auszuschalten. So musste etwa von dedizierten Servern auf P2P-Verbindungen gewechselt werden, was Lags, Spielabbrüche und genervte Spieler nach sich zog. In meiner Testphase bin ich – außer zu Stoßzeiten – von etwaigen Problemen überwiegend verschont geblieben.
Immer noch nicht so, wie geplant, läuft derweil das HQ, welches ähnlich, wie in Destiny, eine Hub-Welt darstellt, in welcher man sich seine täglichen und wöchentlichen Missionen abholt, Prestige für Waffen freischaltet oder die Zeit zwischen den Matches am Schießstand oder mit alten Klassikern von Activision vertreibt. Eigentlich sollte man im HQ auch mit anderen Mitspielern kommunizieren, was aber nicht mehr möglich ist, außer man lädt Spieler direkt in seine Hub ein. Ob das HQ überhaupt noch einmal in seiner ursprünglich geplanten Form zurückkehrt, ist aktuell noch ungewiss.
Untote Nazis
Im beliebten Zombie-Modus kämpft man in diesem Jahr gegen untote Nazis, die einem in einer verschneiten, deutschen Kleinstadt das Leben schwer machen. Wie gehabt ist man in einem 4er-Team unterwegs und muss diverse Aufgaben erledigen. Für jedem Abschuss erhält man Geld, mit welchen Waffen und Perks gekauft werden.
Dies bisher verfügbare Map ist groß und fällt durch einen angenehmen Setting-Wechsel (Altstadt, gespenstische Labore etc.) auf. Als Bösewicht agiert diesmal übrigens ein herrlich fieser Udo Kier in der Rolle eines durchgeknallten Nazi-Arztes, der seine verfaulenden Experimente auf die Spieler jagt und in seinen düsteren Laboren noch so manch andere Überraschung bereit hält.