Beautiful Desolation REVIEW
Nachdem die südafrikanischen Indie-Entwickler „The Brotherhood“ bereits mit ihrem Erstlingswerk „Stasis“ erfolgreich auf Kickstarter zurückgreifen konnten, entschlossen sie sich auch für ihr bereits drittes Spiel Beautiful Desolation auf die berühmt-berüchtigte Crowdfunding-Platform zurückzugreifen. Und es war erneut eine kluge Entscheidung, denn der gewünschte Spendenbetrag von 120.000 $ wurde sogar übertroffen. Insgesamt konnten 138.457 $ erzielt werden. Die Investoren wurden wiederum mit einem reibungslosen Entwicklungsprozess belohnt, welcher ca. 3 Jahre beanspruchte und in der Veröffentlichung des Spiels am 26.Februar 2020 gipfelte.
Auch bei Beautiful Desolation handelt es sich um ein Adventure, welches sich in prächtigen isometrischen Renderbildern präsentiert. Anders als bei Stasis erweitert das neue Spiel der Gebrüder Bischoff das Adventure-Konzept jedoch um eine Open World. Ob das funktioniert oder nicht, erfahrt ihr im folgendem Review.
Exotisches, postapokalyptisches Afrika
Wir befinden uns in Kapstadt des Jahres 1976. Trotz stürmischen Wetters sind Mark Leslie und dessen Lebensgefährtin Charlize des Nachts im Auto unterwegs. Marks Bruder, der Kriegsveteran Donovan „Don“ Leslie hat mal wieder versucht seine Probleme im Alkohol zu ertränken. Also muss Mark widerwillig rausfahren, um den großen Bruder einzusammeln. Doch dann taucht plötzlich ein gruseliges Flugobjekt am Himmel auf und erzeugt eine Druckwelle, welche sämtliche Autos auf der Straße durch die Gegend schleudert. Mark wird durch den Crash am Bein verkrüppelt und ist folglich auf eine Stützschiene angewiesen. Charlize hatte nicht so viel Glück und wurde bei dem Crash getötet.
Zehn Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem das sogenannte Penrose am Himmel von Südafrika erschien. Das Objekt unbekannten Ursprungs stellte sich recht bald als Schatztruhe fortschrittlicher Technologie heraus. Vor allem die Robotik-Technologie profitierte vom Penrose, denn der Menschheit ist es dank der futuristischen Technologie gelungen sogenannte „Agnaten“ zu entwickeln. Agile Roboter mit menschlicher Intelligenz und Emotionen (Chappie lässt schön grüßen).
Mark ist dem Penrose hingegen extrem skeptisch eingestellt. Kein Wunder, schließlich hatte es ja einen sehr negativen Einfluss auf sein Leben. Aus diesem Grund ist Mark besessen davon das Geheimnis des Penrose zu entschlüsseln. Er will in das Objekt eindringen und dessen Datenarchive anzapfen. Um dieses Ziel zu erreichen, spannt er auch seinen Bruder Don ein, der inzwischen als Hubschrauber-Pilot arbeitet und ihn zum Zielort transportieren soll. Natürlich verläuft der Ausflug zum Penrose alles andere als glatt. Nicht nur, dass die Leslie-Brüder von der Agnaten-Wachhündin „Pooch“ ertappt werden, aktiviert sich auch noch eine Energiewelle, welche das Trio in eine postapokalypsische Zukunft schleudert. Eine Zukunft, in der ein vernichtender Krieg zwischen Menschen und Agnaten stattfand, eine Zukunft in der die Penrose-Technologie einen derart drastischen Eingriff auf die Welt hatte, dass die meisten Erdbewohner nur noch entstellte Cyborgs, Mutanten oder schlimmeres sind.
Das Ziel liegt nun freilich darin in die eigene Zeitlinie zurückzukehren. Doch hierfür muss Mark erst einmal Don und Pooch ausfindig machen und drei Technik-MacGuffins zusammenklauben, welche es angeblich ermöglichen sollen in der Zeit zurückzureisen. Doch das ist freilich leichter gesagt als getan, denn die Gruppierungen des postapokalyptischen Afrika sind nicht nur seltsam, sondern haben vor allen Dingen auch nichts zu verschenken. Mark wird jede Menge Fleiß- und Fußarbeit verrichten müssen, um voranzukommen.
Die Story von Beautiful Desolation ist recht interessant, gerät jedoch nach der Zeitreise etwas aufs Abstellgleis, da es ja im Kern nur darum geht zurück nach Hause zu gelangen. Das Spiel lebt also eher vom exotischen Setting und dessen Bewohnern, welche ihre Inspirationen aus diversen Sci-fi-Quellen wie District 9, Chappie, Stargate SG-1/Atlantis und Fallout beziehen. Erwähnenswert ist auch der Bodyhorror-Aspekt der Cyborgs im Spiel. Die erste Kultur auf die man stößt, hat z.B. die Angewohnheit ihr Fleisch „abzulegen“, so dass sie nur noch aus Knochen, Plastinaten und mechanischen Bestandteilen bestehen. Diese Leutchen erinnern dann auch etwas an die Plastinate von Dr. Gunther von Hagens. Und das ist jetzt auch nur ein Beispiel dafür, was euch für verrückte Dinge im Spiel erwarten.
Die Charaktere denen man begegnet sind dann auch oftmals angemessen fremdartig und entsprechend erinnerungswürdig. Auch unser Trio Mark, Don und Pooch wurden wunderbar umgesetzt. Die Chemie zwischen den Dreien entwickelt sich im Verlauf des Spiels durch Dialoge weiter und darüber hinaus hat der Spieler die Möglichkeit Marks Charakter selbst zu bestimmen. In Gesprächen hat man grundsätzlich drei Antwort-Varianten, die festlegen ob Mark ein gutherziges, neutrales oder arschiges Wesen hat. Zwar haben derartige Antworten keinerlei direkte Konsequenzen. Jedoch kann man hierdurch die Ending-Dialoge und -Sequenzen beeinflussen und bestimmen, ob Don und Pooch bis zum Schluss an unserer Seite bleiben oder zum Finale hin abhauen.
Es gibt auch einige „handfestere“ Choices & Consequences im Spiel, jedoch haben diese nicht denselben großen Einfluss wie Marks allgemeines Verhalten. Dies ist schon eine merkwürdige Design-Entscheidung der Entwickler, vor allem auch deswegen, da Arschloch-Verhalten in den meisten Fällen total unlogisch ist. Ich meine, wer wäre schon so blöd einem gruseligen, mit Panzerfaust bewaffneten Roboter mit dem Tod zu bedrohen. Solch ein Verhalten wäre in der Realität einfach Schwachsinn im Quadrat. Tatsächlich kann man durch das Dialog-System quasi jeden Charakter im Spiel dumm anmachen oder beschimpfen – selbst Führungspersönlichkeiten. Und trotzdem wird man für so etwas nicht wirklich bestraft. Zwar variiert das Ending, aber die Art und Weise wie sich die Story auflöst, macht jede vorherige Entscheidung sowieso irrelevant.
Nette Ideen, zähe Umsetzung
Im Kern geht es auch in diesem Adventure darum die Renderbilder nach Gegenständen abzusuchen, diese gegebenenfalls zu kombinieren und mit deren Hilfe Problemstellungen zu lösen oder Aufgaben der NPCs zu erfüllen. Dummerweise kommen wir hier schon zur ersten Eigenart des Gameplays, denn aufsammelbare Gegenstände sind hier quasi unsichtbar und werden erst dann mit einem visuellen Marker hervorgehoben, wenn man sich in deren Nähe befindet. Einige Gegenstände sondern zumindest ein unscheinbares visuelles Wellensignal ab, womit man sie auch von weiter weg „erkennen“ kann. Aber diese Hilfe ist nicht immer gegeben. Vor allem bei Gold-Gegenständen, die dem Verkauf und somit dem Geldverdienen dienen, gibt es keinerlei Wellensignale. Hier ist dann wirklich stures ablatschen der Iso-Maps angesagt, was aufgrund Verzichts von Fog of War sehr unübersichtlich sein kann. Es versteht sich von selbst, dass bei solchen Mechaniken so etwas wie eine Hotspotanzeige entfällt.
Als kleine Entschädigung spendierten die Entwickler jedoch eine Hilfestellung bei der Kombination von Gegenständen. Kann ein Gegenstand kombiniert werden, so wird einem das immer direkt in der Gegenstandsbeschreibung vorgesagt. Somit wird der Trial & Error-Faktor beim kombinieren von Items also stark entschärft. Ob diese Hilfestellung nun gut oder schlecht ist, muss freilich jeder Adventure-Spieler für sich entscheiden.
Beautiful Desolation wurde, wie bereits gesagt, als Open World-Spiel konzipiert. Sehr früh im Spiel erhält man Zugriff auf eine praktische Flugfähre, vergleichbar mit dem Puddle-Jumper aus Stargate Atlantis. Eine weitere Ähnlichkeit zur Stargate-Franchise ist das futuristische Torsystem, welches die bewohnbaren Landabschnitte des verstrahlten, postapokalyptischen Südafrika miteinander verbindet (hier hat man wirklich schamlos aus Stargate geklaut). Insgesamt bietet das Spiel sieben Gebiete, in denen fast immer eine gesunde Anzahl von erkundbaren Ortschaften zur Verfügung steht.
Um neue Ortschaften freizuschalten, müssen jedoch die entsprechenden Informationen beschafft werden, und die erhält man meistens durch Dialoge mit den Bewohnern der Spielwelt. Ein Quest-Log gibt es leider nicht, aber dafür wird jeder geführte Dialog in Marks PDA gespeichert, so dass man dort notfalls noch mal nachschlagen kann, was denn nun gesagt wurde. Tatsächlich sind die Gespräche mit den NPCs die einzigen Anhaltspunkte dafür, was man wo zu tun hat, um im Spiel voranzukommen. Es ist also sehr wichtig, dass man zuhört und die erhaltenen Informationen dann auch nachverfolgt.
Ich habe ja bereits grob das Geldsystem angerissen. Bestimmte Gebiete im Spiel können nur angeflogen werden, wenn man seine Flugfähre aufrüstet. Es gibt zwei Händler im Spiel, welche neue Upgrades oder kosmetische Spielereien für das Cockpit des Fluggeräts anbieten. Beide Händler bieten auch eine Verkaufsplatform für gesammeltes Gold. Deswegen ist man als Spieler auch dazu gezwungen nach Gold zu suchen. Immerhin gibt es mehr Gold im Spiel zu finden, als man letztendlich benötigt um das alle Sachen zu kaufen. Darüber hinaus sind einige Dinge auch reine optische Gimmicks fürs Cockpit und entsprechend unnötig (es sei denn, man will das entsprechende Achievement verdienen).
Leider macht es keinen Sinn die Oberweltkarte eigenhändig abzufliegen, da man auf diese Weise keine neuen Ortschaften entdecken wird. Folglich sollte man einfach den Ort per Autopilot-Liste anwählen und fertig. Das wirkt etwas wie verschenktes Open World-Potential.
Auch die beiden enthaltenen Mini-Games verbreiten gepflegte Langeweile. Ein kleines Würfel-Glücks-Minispiel und eine Kampfarena, wo man bis zu fünf Kontrahenten in rundenbasierten Kämpfen erledigen kann, stehen zur Verfügung. Glücklicherweise ist die Kampfarena eine rein optionale Angelegenheit. Die dortigen Rundenkämpfe spielen sich nämlich derart träge, dass man schon nach dem ersten Kampf keinen Bock mehr darauf haben wird (und das sage ich als Rollenspiel-Fan). Vielleicht war das ja auch der Grund dafür, warum die Entwickler eine alternative Möglichkeit integriert haben, an den entsprechenden MacGuffin heranzukommen.
Aber „träge“ ist dann leider auch der große Knackpunkt von Beautiful Desolation. Durch das Open World-Konzept welches sehr viel Backtracking provoziert sowie die Art und Weise wie hier die Suche nach Gegenständen abgewickelt wird, fühlt sich das Spiel stellenweise wirklich verdammt zäh an. So zäh, dass dies für so einige Spieler ein KO-Kriterium sein dürfte. Der harte Adventure-Veteran dürfte sich hingegen am laschen Schwierigkeitsgrad stören, denn wenn man über das Herumgesuche hinausblickt, welche das gar nicht mal soo umfangreiche Spiel 15-20 Spielstunden in die Länge zieht, wird man feststellen, dass die Rätselaufgaben in Beautiful Desolation eingentlich ziemlich einfach sind. Die zwei enthaltenen Code- und Symbolrätsel werden einem in den Notizen vorgesagt, welche ansonsten lediglich als Artwork-Sammlung fungiert. Eine dämliche Quiz-Aufgabe war leicht mit Trial & Error zu brechen, was aber auch notwendig war, da mir das Spiel irgendwie keine Hinweise gab, wie ich die Fragen hätte auf faire Weise beantworten können. Und der Rest besteht eigentlich nur aus Inventarrätseln, bei denen ich aber zugegebenrmaßen zwei mal spicken musste. In einem meiner Problem-Fälle war es jedoch nötig einen Gegenstand auf der Oberweltkarte anzuwenden, was ansonsten nie im Spiel vorkommt und entsprechend irritierte, da ich so etwas schlicht nicht in Erwägung zog.
Was mir hingegen gefallen hat, und was vom Spiel leider nur minimal umgesetzt wurde, sind einige Passagen, in denen man auch mal die Kontrolle über Pooch oder Flugdrohnen übernimmt. Da man hier ja die meiste Zeit in einer Dreiergruppe unterwegs ist, wäre es wünschenswert gewesen, wenn man mehr aus dem Gruppenkonzept gemacht hätte. Viel mehr sogar, denn da steckt einiges an Potential drinnen, was leider kaum vom Entwickler angezapft wurde. Aber immerhin wurden die Begleiter nicht komplett ignoriert und dürfen in seltenen Fällen eben auch mal zur Tat schreiten (Don ist z.B. derjenige, der die Rundenkämpfe in der Arena steuert).
Grafik und Sound
Größte Stärke des Spiels ist ohne weiteres die Grafik. Nicht umsonst ist „Beautiful“ ein Bestandteil des Spieltitels. Die Ortschaften werden in feinsten Renderbildern dargestellt, welche im isometrischen Stil gehalten sind und dem Spiel somit den Look einen Retro-CRPGs vermitteln. Laut Entwicklerangabe wurden die Maps in Auflösungsstufe 7680×4320 gestaltet!! Hierdurch wurde dann auch der große Schwachpunkt von Stasis (die niedrige Auflösung von 1280×720 Bildpunkten) endgültig ausgemerzt. Ehrensache, das man per Mausrad ein wenig hinaus- und hineinzoomen darf. Glücklicherweise sind die 3D-Modelle der Charaktere kompetent genug gestaltet, dass sie nicht sauer aufstoßen – keine Selbstverständlichkeit im Adventure-Genre.
Als Sahnehäubchen bekommt man dann noch hervorragende Rendersequenzen spendiert, welche qualitativ durchaus an die ganz großen JRPGs erinnern und in vernünftiger Regelmäßigkeit über das Spiel verteilt wurden. Einziger Wermutstropfen sind die Ladezeiten, welche für solch ein Backtrack-lastiges Spiel vielleicht einen Tick zu lang ausgefallen sind. Und es versteht sich von selbst, dass man den Look von Iso-Renderbildern schon zu würdigen wissen muss, um an Beautiful Desolation gefallen finden zu können.
Glücklicherweise wurde das Pulver jedoch nicht allein für die Grafik verschossen, denn auch in akustischer Hinsicht kann Beautiful Desolation überzeugen. Für den Soundtrack wurde Mick Gordon verpflichtet, der zuvor schon die OSTs für populäre Egoshooter wie Doom 2016, Wolfenstein: The New Order und Borderlands 3 kreiert hatte. Die Titelmelodie von Beautiful Desolation ist ein wunderschönes Stück, welches zu jener Sorte gehört, die man auf Youtube gerne mal in die Dauerschleife legt. Die restlichen Tracks dienen hingegen in erster Linie dazu Stimmung und Atmosphäre zu erzeugen, was ihnen auch einwandfrei gelingt.
Die englische Sprachausgabe (eine Deutsche gibt es nicht) ist ebenfalls hochwertig. Die Sprecher bieten prägnante Stimmen, welche obendrein passende südafrikanische Akzente mitbringen, was der allgemeinen Atmosphäre des Spiels verdammt gut tut. Und die Stmmen der Cyborgs und Agnaten-Robos bringen einen technisch-matallischen Klang mit sich, der ebenfalls gefällt. Einziger Wermutstropfen ist jener, dass Mark Leslies Sprecher manchmal nicht genügend Emotion in die Stimme legt, was doch manchmal irritieren kann. Aber unterm Strich kann die audiovisuelle Darbietung von Beautiful Desolation wunderbar unterhalten.
Pro & Kontra
- wunderschöne Iso-Renderbilder und Rendersequenzen die selbst Squeenix Konkurrenz machen
- sehr gute englische Sprachausgabe mit scheinbar originalgetreuen Südafrika-Akzenten und ein sehr gefälliger Themesong
- kreativ-exotisches Setting und interessante Sci-fi-Story
- man kann den Charakter des Protagonisten durch grundsätzlich drei verschiedene Antwort-Varianten selbst bestimmen und hierdurch variable Endsequenzen erzeugen
- erfordert sehr viel Herumgelatsche und Backtracking
- die drastischen Choice & Consequences-Ereignisse haben keinerlei Einfluss aufs Ending, dies hängt alleine vom Dialog-Verhalten des Protagonisten ab
- eher flache und spärlich vertretene Adventure-Inventarrätsel. Sonstige Rätselaufgaben sind obendrein extrem rar gesät
- es gibt keine zuverlässige Hotspotanzeige. Items zum sammeln sind grundsätzlich unsichtbar(!) und stoßen entweder ein unscheinbares visuelles Wellensignal ab oder werden erst markiert, wenn man sich in ihrer Nähe befindet
- die beide enthaltenen Minigames sind eher lahm und öde