Atonement: Scourge of Time REVIEW

Atonement: Scourge of Time ist das erste kommerzielle RPG-Maker-Spiel von Astronomic Games, einem weiteren auf RPG-Maker spezialisiertem Indie-Entwickler. Die treibende Kraft hinter Astronomic Games ist Matthew Ashworth, der neben kommerziellen Spielen auch schon einige kostenlose Produktionen zur Verfügung gestellt hat. Dies ist ein feiner Zug von ihm, der bereits andeutet, dass es ihm nicht nur darum geht irgendwelche lieblose Fließbandware rauszurotzen, um den schnellen Dollar zu verdienen. Wer selbst einen Blick auf seine Titel werfen möchte, sollte am besten auf seiner Website vorbeischauen: http://astronomicgames.com/index.html
Das diesem Test zugrundeliegende Spiel gibt es auf Steam für 7,99 Euro zu kaufen, womit es im mittleren Preissegment der Maker-Spiele angesiedelt ist. Dann wollen wir mir mal gucken, ob das Spiel einen Kauf wert ist oder nicht.

 

Tut Buße, indem ihr die Welt rettet

Es heißt, die Engel haben die Welt und ihre Bewohner erschaffen. Seit jeher mussten sich die Menschen die Welt mit den Atheka (Dunkelelfen), Promga (Orks), Tegla (Flugechsen) und Karmit (Vampir-Ninjas) teilen, welche von den meisten Menschen nur abfällig als Dämonen bezeichnet werden. Über 400 Jahre sind vergangen, seitdem der letzte Menschenkönig ermordet wurde, und die Engel daraufhin verschwanden und ihre Schöpfungen somit in Stich ließen. Seit diesem Ereignis geht es mit der Welt jedoch täglich mehr den Bach herunter. Ohne Herrscher hat sich die Zivilisation in kleine Siedlungen zerschlagen, welche sich Tag für Tag eher schlecht als recht gegen grausame Banditen und Monster zur Wehr setzen müssen. Die Tatsache, dass sich die fünf Spezies untereinander nicht sonderlich gut leiden können, macht die Sache freilich auch nicht besser. Lediglich die Order of Atonement (Orden der Buße), ein Zusammenschluss aus mächtigen, ehrwürdigen Magiern, sorgt noch für einen letzten Rest Schutz und Zivilisation in der Welt.

Dies ist die Welt, in der der desillusionierte Kriegernomade Nail und die einsame, verstoßene Hexe Elleria überleben müssen. Durch unglückliche Umstände, sind Nail und Elleria zu Erzfeinden geworden, die immer wieder den Weg kreuzen und sich gegenseitig das Leben schwer machen.

Inzwischen wurde Nail von der Order wegen Diebstahls gefangengenommen und inhaftiert. Sie gewähren ihm jedoch vorzeitige Haftentlassung, wenn er sich bereit erklärt die Hexe Elleria zu stoppen, die mit ihren Promga-Söldnern in den örtlichen Tempel eingedrungen ist, um ein Ritual zur Steigerung ihrer Macht abzuhalten. Da Nail Elleria noch mehr verabscheut als die Order of Atonement, erklärt er sich bereit den Auftrag anzunehmen. Durch die darauffolgende Konfrontation, verpatzt Elleria jedoch ihr Ritual, was zur Folge hat, dass ein mysteriöser Mann in roter Rüstung beschworen wird, welcher fortan Tod und Vergeltung über die Welt bringt. Der Fremde hat es vor allem auf die Mitglieder der Order of Atonement abgesehen. Nail und Elleria erkennen instinktiv, dass der Fremde um jeden Preis gestoppt werden muss, bevor er endgültige Vernichtung über ihre ohnehin schon gebeutelte Welt bringt! Jeder von Beiden folgt fortan seinen eigenen Pfad, um die Welt zu retten. Sie können aber nicht verhindern, dass sie sich dabei hier und da in die Quere kommen …

Die große Besonderheit in Atonement ist also die Möglichkeit die Handlung aus zwei verschiedenen Perspektiven zu erleben. Nail und Elleria bieten beide ihre eigenen individuellen Gruppenmitglieder, Spielabschnitte und Handlungsfragmente. Wer die Handlung im vollem Umfang erleben möchte, sollte also beide Perspektiven spielen. Absolute Pflicht ist dies aber nicht, denn der Kern der Geschichte bleibt bei beiden Antihelden gleich. Da ein Durchgang mit 8-9 Stunden aber ohnehin nicht allzu lange anhält, spricht nichts dagegen beide Routen durchzuspielen, um die Gesamtspielzeit somit auf ca. 17 Stunden anzuheben.

Besonders gelungen finde ich, dass beide Hauptcharaktere mehr oder weniger als Antihelden konzipiert wurden. Nail und Elleria sind zu Beginn des Spiels also nicht unbedingt die freundlichsten und hilfsbereitesten Persönlichkeiten, entwickeln sich im Verlauf der Handlung aber zu besseren Menschen. Dies liegt freilich auch in der Interaktion mit den übrigen Gruppenmitgliedern begründet. Jede Gruppe besteht aus vier Leuten, und während in Nails Gruppe fast jeder Charakter gleichwertige Aufmerksamkeit erhält, konzentriert sich Ellerias Handlungsstrang leider zu sehr auf Elleria selbst. Ihre Kameraden kommen da etwas zu kurz, und das obwohl Elleria die dämonischen und somit interessanteren Leute ins Team bekommt.

Ferner muss ich klarstellen, dass es besser wäre zuerst einmal mit Nail zu spielen. Erstens ist der Schwierigkeitsgrad bei ihm etwas niedriger und zweitens wird man mit ihm nicht direkt in einen Bosskampf geschmissen wie bei Elleria. Ich habe irgendwie den Eindruck, dass der Entwickler davon ausgeht, dass man sich zunächst für Nail entscheidet, womit er aber zumindest bei mir auf den Holzweg geraten ist. Ich verstehe auch nicht, warum man das Konzept in zwei Hälften gesplittet hat. Es wäre besser gewesen, man hätte auf die Charakterauswahl verzichtet und einfach innerhalb des Spiels nach jedem Kapitel die Perspektive gewechselt. Genau so wurde es z.B. im PS2-Rollenspiel „Arc: Twilight of the Spirits“ gehandhabt, was einfach wesentlich sinnvoller ist. Aber alles in allem wurde gute Arbeit bei der Handlung geleistet. Die Präsentation eben dieser wird aber freilich von den technischen Limitierungen des Maker-Programms zurückgehalten.

 

Linear und unspektakulär, aber dafür flott und unterhaltsam

Neben der Wahl zwischen den beiden Hauptcharakteren, kann man auch noch aus den beiden Schwierigkeitsgraden „Normal“ und „Challenging“ wählen. Challenging bedeutet, dass den meisten Gegnern eine größere Palette an Skills zur Verfügung steht, und die Bosse obendrein einen Statusboost erhalten, um den Kampf gegen diese anspruchsvoller zu gestalten. Ich spielte beide Handlungsstränge auf Challenging durch, und bin jetzt nicht unbedingt der Meinung, der Schwierigkeitsgrad wäre sonderlich hoch gewesen. Liegt aber auch daran, dass durch Zufallskämpfe ausgiebiges Grinding ermöglicht wird und viele Schreine zur kompletten Heilung der Gruppe in den Levelkarten platziert wurden. Gespeichert werden darf freilich überall nach eigenem Ermessen und in bis zu 20 Saveslots.
Ansonsten spielt und steuert sich Atonement genauso wie die meisten anderen Maker-RPG’s auch: Man erkundet die Maps nach Schatztruhen, redet mit NPC’s, bekämpft rundenbasiert diverse Gegner um aufzuleveln und Geld zu verdienen und investiert das erbeutete Geld bei Händlern in neue Ausrüstung und Heilgegenstände. Die Steuerung unterstützt Tastatur und Controller und arbeitet in Atonement genauso unkompliziert wie in allen anderen Maker-RPG’s auch. Ein Plus gibt’s übrigens für die Dash-Funktion, welche man im Optionsmenü sogar als Standard-Laufgeschwindigkeit (Auto-Dash) einstellen darf.

Die spielerischen Besonderheiten liegen also eher in Details begründet. Der größte Punkt dürfte wohl die strikte Linearität des Titels sein. Die Wege sind, abseits kleinerer Abzweigungen, immer klar vorgegeben und eine frei begehbare Weltkarte gibt es auch nicht. Ferner ist es fast nie gestattet in altbekannte Gebiete zurückzukehren. Nur gegen Ende darf man per Teleportation in alte Siedlungen zurückkehren, um einige zusätzliche Sidequests in Angriff zu nehmen.

Der Kampf bietet nur zwei kleinere Besonderheiten im Vergleich zum altbekannten Spielschema: Erstens sind die Skills der Charaktere allesamt von vorneherein freigeschaltet, was aber nicht viel bringt, da man die notwendige Menge an Energiepunkten zu deren Wirkung ohnehin erst einmal durch aufleveln zusammentragen muss. Level-Ups dienen nur zur Verbesserung der Statistikwerte, weitere Skills können hingegen nur durch den Besitz einiger spezieller Waffen freigeschaltet werden.
Zweitens regenerieren die Energiepunkte nach jeder Kampfrunde um 10 %, wodurch man ermutigt wird die Skills auch tatsächlich einzusetzen, wenn mal kein Heilschrein in der Nähe ist. Bei langwierigen Bosskämpfen sollte man diesen Umstand freilich auch taktisch nutzen, denn Tränke zur Regeneration der Energiepunkte sind unangenehm teuer.

Abgesehen davon gehört Atonement auch noch zu jenen Maker-RPG’s, die versuchen ihr eher unspektakuläres Gameplay durch den Einsatz einiger kleiner Rätsel- bzw. Puzzle-Aufgaben innerhalb der Dungeons aufzupeppen. Dummerweise sind diese Rätsel in Atonement dermaßen simpel und einfach, dass man eher den Eindruck erhält, sie wären nur enthalten, damit man sagen kann, dieses Spiel würde Rätsel und Puzzles bieten. Trotzdem ist es natürlich schön zu sehen, wenn sich ein Entwickler die Mühe macht mehr aus dem Maker-Programm herauszuholen, auch wenn es letztendlich wenig Substanz hat.

Tja, und damit wäre auch schon alles zum Gameplay gesagt. Man bekommt hier eben das, was man von einem RPG-Maker-Spiel zu erwarten hat. Da können auch die kleineren Besonderheiten nicht drüber hinwegtäuschen. Das ist jetzt auch gar nicht böse gemeint, denn Atonement macht seine Sache gut. Etwas Herausragendes sollte man jedoch nicht erwarten.

 

Grafik und Sound


Anders als die meisten RPG-Maker-Titel, setzt Atonement nicht auf den typischen Anime/Manga-Stil, sondern auf einen westlichen Look. Wer jetzt denkt, die Grafiken wären selbsterstellt irrt jedoch, denn es gibt für das Maker-Programm tatsächlich entsprechende Grafiken zu erwerben. Die da nennen sich z.B. „High Fantasy Megapack“ oder „Mythos Horror Pack“, welche unter anderem in Atonement Verwendung fanden. Natürlich freut es einen, wenn mal etwas grafische Abwechslung im RPG-Maker Anime-Einerlei aufkreuzt, jedoch wurde mir recht bald klar, warum es so wenige Entwickler gibt, die diese westlichen Grafikpacks verwenden. Sie sehen nicht unbedingt attraktiv aus. Die typischen Grafikstile im Anime-Stil sind halt einfach wesentlich hübscher anzuschauen, wobei das freilich auch Geschmackssache ist. Und spätestens wenn man dann die Laufanimationen der Charaktere begutachtet, kann man nur noch mitleidig mit dem Kopf schütteln.

Wesentlich besser gelungen ist da der Soundtrack. Die Stücke passen sehr gut zum depressiv angehauchten Low Fantasy-Setting und waren mir bislang unbekannt. Ich kann aber nicht sagen, ob diese nun speziell für Atonement entworfen wurden, von einem externen Künstler erworben wurden oder Bestandteil der entsprechenden RPG-Maker-Packs waren. Alles in allem wird die düstere Atmosphäre der Spielwelt in audiovisueller Hinsicht ganz gut eingefangen. Insgesamt zwar nichts besonderes, aber dafür stimmig umgesetzt.

Facebook
Twitter
Spiel Bewertung
Singleplayer
73
73
-
Multiplayer

FAZIT

Wem typische Maker-Rollenspiele gefallen und der keine allzu große Abneigung gegen Linearität und westliche Grafikbausätze mitbringt, der wird mit Atonement: Scourge of Time sicherlich seinen Spaß haben. Es ist lobenswert, dass der Entwickler hier und da kleinere Besonderheiten eingebaut hat, um sein Spiel aus der erdrückenden Masse an Maker-RPG's hervorzuheben. Nichtsdestotrotz, schafft es das Spiel aber nicht wirklich zur Oberklasse der Maker-Rollenspiele vorzudringen. Da braucht es schon mehr als zwei wählbare Handlungsstränge, simple Alibi-Puzzles und ein minimal abgewandeltes Skillsystem, um vollauf begeistern zu können. Aber ich will nicht negativer klingen, als es das Spiel verdient hat. Atonement macht seine Sache gut und bietet grundsoliden Spielspaß. Mehr kann und sollte man von den meisten Maker-Rollenspielen ohnehin nicht erwarten.

- Von  Volker

MS Windows

Atonement: Scourge of Time REVIEW

USK 12 PEGI 3

Das könnte dir auch gefallen

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen

Partner: