Ar Tonelico: Melody of Elemia REVIEW
Nachdem der Entwickler Gust zwischen den Jahren 2000 und 2005 bereits acht(!) Ableger ihrer Atelier-Serie für die PS2 rausgehauen haben, fassten sich die Japaner endlich ein Herz und beschlossen für Anfang 2006 endlich mal eine neue Franchise zu veröffentlichen, statt den gefühlt hundersten Ableger von Atelier zu produzieren. Die Rede ist natürlich von Ar Tonelico: Melody of Elemia, ein JRPG, welches seinen Fokus auf die sogenannten Reyvateils legt, künstlich geschaffene Mädels, die über mächtige Gesangsmagie verfügen und nebenbei als Dating-Partner für den männlichen Protagonisten fungieren. Also ja, es ist ein durch und durch japanischens Spiel. Wenig überraschend hat es das Spiel nie nach Deutschland geschafft, was aber in erster Linie am italienischen Publisher 505 Games liegt, welche die lästige Angewohnheit hatten ihre Spiele nur in ausgewählten europäischen Ländern zu veröffentlichen – und Deutschland gehörte leider nicht zu diesem erlauchten Kreis. Glücklicherweise konnte hierbei Ebay abhilfe schaffen, wodurch auch der deutsche JRPG-Fan seine Hände an die Reyvateils … äähm ich meine natürlich an Ar Tonelico legen konnte, das am 22. Mai 2007 von 505 Games herausgebracht wurde. Ob jedoch wirklich mehr aus Ar Tonelico geworden ist, als nicht doch nur ein weiteres Atelier-Spiel unter anderem Namen, soll folgendes Review klären.
Was nach der Apokalypse übrig bleibt
In vielen JRPGs geht es darum die drohende Vernichtung der Welt aufzuhalten. In Ar Tonelico ist die Apokalypse aber schon längst eingetreten und liegt schon so lange zurück, dass sie zum Bereich der Sagen und Legenden gehört. Das Einzige was von der Landmasse des pulverisierten Planeten übrig geblieben ist, wird von gigantischen schwebenden Türmen zusammengehalten. Besagte Türme sind technische Wunderwerke, die ihre Kraft aus der mysteriösen Gesangsmagie speisen. Die Gesangsmagie wird wiederum von extrem hoch entwickelten weiblichen Androiden angezapft, die Reyvateils genannt werden.
Wie der Untertitel bereits andeutet, umfasst „Melody of Elemia“ den Turm Elemia und dessen überschaubare Landmasse, die als „Wings of Horus“ bezeichnet wird. Simpel ausgedrückt handelt es sich bei den Türmen um gigantische Supercomputer, und die hochrangigste Reyvateil, in Elemias Fall eine gewisse Shurelia, fungiert als eine Art Administrator, welche die Funktionen des Turms am laufen halten soll. Aber ein Computer kann auch von Viren befallen werden. Und so wird auch Elemia vom sogenannten Muttervirus „Mir“ traktiert.
Mirs Ziel ist es die Menschheit auszuradieren und ein Paradies exklusiv für Reyvateils zu schaffen. Aus diesem Grund lädt sie ihre Virenprogramme in die reale Welt, wo diese die Gestalt von blutrünstigen Maschinen und Monstern annehmen. Allerdings gibt es nur einen Ort im Turm, wo Mir ihre Viren effektiv spawnen kann. Folglich wurde eine Menschensiedlung namens Platina rund um den Bereich aufgebaut. Ein Teil von Platinas Einwohnern lässt sich zu tapferen Rittern ausbilden, welche zusammen mit Shurelia und anderen Reyvateils die Virenprogramme bekämpfen und somit als Puffer fungieren. Auch Lyner Barsett, der Held des Spiels, ist einer dieser Ritter. Er ist obendrein der Sohn von Leard, dem politischen Führer von Platina, und führt sein Handwerk gegen den Willen seines Vaters aus. Eines Tages spawnt Mir ein neues Virenprogramm, welches sich nicht mit konventionellen Mitteln bekämpfen lässt. Während der Flucht vor der katastrophalen neuen Bedrohung beauftragt Shurelia Lyner damit einen speziellen „Hymn Crystal“ auf den Wings of Horus aufzuspüren. Mit Diesem soll es möglich sein den neuen Virentypus effektiv zu bekämpfen.
Per Luftschiff setzt Lyner zur Landmasse über und wird gleich mal von einem aggressiven Drachen abgeschossen. Nach der Bruchlandung muss sich Lyner nun mit den politischen Ränkespielen der beiden führenden Organisationen von Horus auseinandersetzen, um Hilfe für seine Suche zu erhalten.
Auf der einen Seite ist die philantropisch ausgerichtete „Church of Elemia“ unter der Führung von Bischof Falss und auf der anderen die Organisation „Tenba,“ welche den Turm von Elemia nach neuen Technologien abgrast, um diese für eigene wissenschaftliche Entwicklungen zu nutzen. Tenba wird in erster Linie vom brutalen Bourd repräsentiert, da die Präsidentin von Tenba eher als Graue Eminenz agiert. Es versteht sich von selbst, dass eine religiöse und eine wissenschaftlich ausgerichtete Gruppierung nicht unbedingt miteinander befreundet sind. Das spiegelt sich auch im Umgang mit den Reyvateils wieder, denn während die Androidinnen von der Kirche anständig behandelt werden, dienen sie für Tenba eher als bessere Sklaven.
Der Turmbewohner Lyner muss sich schnellstmöglich in dieser ungewohnten Welt zurechtfinden, um seinen Auftrag abschließen zu können. Unterstützung erhält er dabei von einigen Einheimischen, die sich seiner Sache anschließen. Und Unterstützung hat der jugendlich-naive Ritter auch bitter nötig, denn die Dinge sind nicht unbedingt so, wie sie zunächst scheinen.
Story, Setting und Charaktere von Ar Tonelico sind wesentlich interessanter als in den Atelier-Spielen. Vor allem das Setting entpuppt sich als überraschend quirliger Mischmasch aus Sci-fi, Fantasy und Post-Post-Apokalypse. Glücklicherweise haben sich die Entwickler die Mühe gemacht, einen Codex ins Spiel zu integireren, wo man wichtige Fachbegriffe, Organisationen und Ereignisse der fernen Vergangenheit studieren kann. Auch innerhalb der Handlung bekommt man viel erklärt und erfährt immer wieder neue Bröckchen an Sagengut. Das Gesamtbild der Spielwelt bleibt einem aber verborgen, schließlich wollte man ja noch etwas für die Sequels parat haben.;)
Die Handlung beginnt zunächst klischeehaft und auch die meisten Charaktere strotzen nicht unbedingt vor Tiefe (vor allem nicht der Protagonist), aber im späteren Spielverlauf entwickeln sich die meisten Charaktere gut weiter und werden interessanter. Die Story wiederum gefällt mit ihren Statements für Gleichberechtigung, Zusammenhalt und Vergebung. Die moralischen Ambitionen von Ar Tonelico wirken dabei auch nie, als ob sie einem mit einem Fingerzeig vor die Füße gekotzt werden, stattdessen werden die moralischen Erkenntnisse Stück für Stück erarbeitet und wirken somit glaubhaft statt aufgezwungen.
Dasselbe gilt auch für die Romanzen. Das Dating mit den bis zu drei Reyvateil-Gefährtinnen ist ein wichtiger Bestandteil des Spiels. Alle drei Mädels sind liebenswert, haben aber auch ihre Probleme und Macken denen man sich stellen muss, um ihnen letztendlich näher zu kommen. Die Reyvateils wirken dabei auch nicht wie klischeehafte Maids in Not, sondern drehen den Spieß auch gerne mal um und retten stattdessen Lyner den Popo. Glücklicherweise gelingt dies dann auch ohne Anwendung des Mary Sue-Faktors. Man wird die Reyvateils also aufrecht ins Herz schließen, womit die Entscheidung, welche der drei man letztendlich als Freundin nimmt, umso schwerer wird.
Erkunden und kämpfen
Trotz kreativer Ideen, handelt es sich bei Melody of Elemia im Kern um ein typisches JRPG. Das bedeutet natürlich, dass man die Spielzeit hauptsächlich damit verbringt die Spielwelt zu erkunden, Schätze zu sammeln, rundenbasierte Zufallskämpfe zu bestreiten um Geld für neue Ausrüstung sowie Punkte für höhere Levelstufen zu verdienen sowie mit NPCs zu kommunizieren, um die Handlung voranzutreiben. Im Grunde genommen also alles ganz klassisch.
Wie schon im zuvor veröffentlichten Atelier Iris 2 wurde auf eine frei begehbare Weltkarte verzichtet. Stattdessen wählt man die aktuell verfügbaren Ortschaften auf der Weltkarte direkt an. Cool hierbei ist jedoch, dass der Elemia-Turm, sowie die Landmasse in 3D-Grafik dargestellt und jede Ortschaft aus einem individuellen Kamerawinkel gezeigt wird. Hierdurch erhält man einen guten Eindruck vom Aufbau und der Geographie der schwebenden Landmasse. Eine schöne Idee, die jedoch zu Lasten der Übersicht geht. Wenn man nämlich mal einen neuen Ort auf der Weltkarte freigeschaltet hat, kann es manchmal überraschend knifflig sein sich zu dessen Standort durchzuklicken. Hätte man besser lösen können. Auch die Städte und Siedlungen können nur eingeschränkt erkundet werden. Diese werden als schicke Artwork-Bilder dargestellt, wo man die relevanten Ortschaften via Tabelle anwählt.
Gebiete außerhalb der Siedlungen werden in isometrischer Perspektive dargestellt, deren einzelne Segmente via Automap festgehalten werden. Neben den obligatorischen Schatzcontainern, kann es in seltenen Fällen auch mal ein Rätsel zu lösen geben, welche manchmal durchaus nach etwas Grips verlangen. Ferner verfügt man über einen Jump-Button, um auf höhere Platformen zu gelangen. Die Reyvateils verfügen obendrein über magische Elementar-Projektile, mit denen sich einerseits Wände und Türen einreißen lassen aber auch praktische Dinge getätigt werden können wie etwa eine Kerze via Feuerball anzuzünden und dergleichen. Komplexitätswunden sind bei diesen Mechaniken jedoch nicht zu erwarten. Nette Gimmicks, welche die Erforschung der Spielwelt interessanter gestalten, sind sie jedoch allemal.
Selbstverständlich muss man sich hier auch mit Zufallskämpfen auseinandersetzen, welche jedoch genau wie in Atelier Iris 2 durch einen Balken angekündigt werden, der seine Farbe mit jedem virtuellen Fußschritt langsam von Blau zu Rot ändert. Mit jedem Kampf leert sich der Balken ein wenig. Ist der Balken leer, deaktivieren sich die Zufallskämpfe der jeweiligen Region – zumindest so lange, bis man das Gebiet verlässt und wieder betritt. Anders als in Atelier Iris 2 muss man hier jedoch wesentlich mehr Kämpfe bestreiten, um den Balken zu leeren. Oftmals hat man das Gebiet ohnehin schon abgegrast, ehe sich die Zufallskämpfe deaktivieren. Folglich wirkt dieses, eigentlich coole, Feature relativ überflüssig in Ar Tonelico.
Und wo wir schon mal die Kämpfe angesprochen haben: Diese funktionieren weitestgehend klassisch. Es sind typische Rundenkämpfe, welche dank einer Zugleiste mehr Taktik erlauben als viele andere Genrevertreter. Wirklich interessant werden die Kämpfe aber erst durch die Reyvateils. Die eigene aktive Gruppe umfasst maximal drei Vanguards und eine Reyvateil. Aufgabe der Vanguards ist es nicht nur die Gegner mit ihren Waffen weichzuklopfen, sondern auch die in der hinteren Reihe stehende Reyvateil zu beschützen. Zwar ist das Mädel dank ihrer Positionierung ohnehin vor den meisten Angriffen geschützt, aber einige Gegnertypen verfügen über spezielle Angriffe, die direkt auf die Reyvateil abzielen. Diese Angriffe können jedoch gezielt von den Vanguards abgewehrt werden, auch wenn dies auf Kosten des aktuellen Zugs des jeweiligen Vanguards geht.
Dennoch genießen die fragilen Reyvateils Priorität, da sie einerseits nicht viel einstecken können und andererseits mit ihrer Liedmagie vernichtenden Schaden beim Gegner anrichten können. Anders als die Vanguards sind die Reyvateils nicht an die Zugleiste gebunden. Per Knopfdruck kann man deren Aktionsringmenü aufrufen und somit eine Songmagic aktivieren. Während die Reyvateil den Zauber singt, baut sich ein Zähler auf. Je höher der Zähler, desto stärker die Zauberwirkung. Der Spieler kann selbst entscheiden wann er den Angriffszauber entfesselt. Eingeschränkt wird er dabei nur von den MP (Manapunkte) der Reyvateils. Sind die MP aufgebraucht, kann die Reyvateil nicht mehr singen und der Zauber bricht zusammen. Freilich sollte man den Angriffszauber lostreten bevor das passiert. Allerdings bauen sich die MP extrem schnell wieder auf, weswegen die Reyvateils innerhalb weniger Sekunden schon wieder ein neues Lied ansetzen können. Heil- und Buff-Songs gibt es freilich auch. Diese bleiben einfach so lange aktiv, wie MP zur Verfügung stehen oder der Spieler den Zauber abbricht bzw. einen Neuen in Auftrag gibt.
Es gibt hierbei noch weitere Feinheiten zu beachten, so senken Angriffe der Vanguards die Liedmagie-Resistenz der Gegner. Es bietet sich also an diese weichzuklopfen, ehe man den jeweiligen Angriffszauber wirkt. Außerdem baut jeder Angriff einen Balken am unteren Bildschirmrand auf. Ist der Balken voll, erweckt man einen kleinen Kristall, was bedeutet, dass man zusätzliche, höherstufige Gegenstände nach Kampfesende verdient. Insgesamt gibt es vier Gegenstandsstufen. Nach jedem einzelnen Kampf hat man automatisch die erste Stufe. Das heißt das man grundsätzlich Gegenstände nach Kampfesende verdient. Aber für die drei höheren Stufen muss man die beiden Balken am unteren Bildschirmrand des Kampfscreens aufbauen (der zweite Balken wird durch die Liedmagie aufgebaut). Hierdurch wird der Spieler motiviert die Kämpfe in die Länge zu ziehen, damit man beim anschließenden Loot ordentlich abkassiert. Dabei entblößt sich jedoch auch ein Problem. Die Kämpfe ziehen sich aufgrund der Reyvateil-Mechaniken nämlich ordentlich in die Länge. Schließlich basiert das Kampfsystem darauf, dass die Mädels Zeit haben ihre vernichtende Liedmagie aufzubauen. Zu Beginn hat man es freilich mit vielen Billig-Gegnern zu tun, welche allein von den Vanguards weggeklatscht werden können. Das ändert sich jedoch im späteren Spielverlauf und jeder Kampf erfordert einen gewissen Zeitaufwand, was bei etwas weitläufigeren Dungeonausflügen auch mal sehr nervig werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass der Schwierigkeitsgrad in Ar Tonelico sonderlich hoch angesetzt ist. Dieser ist eigentlich über weite Strecken sehr moderat, womit das Spiel auch für Einsteiger geeignet ist.
Daten und Craften
Abgesehen von Geld, Erfahrungspunkten und dem glorifizierten Item-Loot, kassiert man nach dem Kampf auch die sogenannten „Diving Points“ als Belohnung. Diese werden benötigt, um das Unterbewusstsein der Reyvateils zu erforschen. In fast jeder Siedlung gibt es einen Dive-Shop, wo man für eine symbolische Geldsumme in die sogenannte „Cosmosphere,“ also die Gedankenwelt der Reyvateils eintauchen darf. Hier muss sich Lyner mit den Marotten und psychischen Problemen der Reyvateils auseinandersetzen, um neue, mächtigere Gesangsmagie für diese zu erschließen. Die Gedankenwelt spielt sich wie eine Visual Novel. Man erkundet eine kleine Oberwelt und investiert Diving Points, um umfangreiche Story- und Dialogsequenzen zu triggern, welche manchmal neue Liedmagie offenbaren. Nebenbei lernt man dann auch die Mädels besser kennen. Wobei es natürlich auch zu romantischen, lustigen oder auch ernsthaften Situationen kommt. Diving Points werden auch benötigt, um kritische Situationen innerhalb der Cosmosphere zu entschärfen. Sind keine Punkte vorhanden, wird Lyner aus der Gedankenwelt herausgekickt.
Um tiefere Level der Gedankenwelt freizuschalten, muss Lyner aber auch in der realen Welt seine Beziehung zu den Reyvateils pflegen. In Hotels oder den Rastplätzen an Speicherpunkten, kann man Dialoge mit den Reyvateils triggern, sofern man die Voraussetzungen für das jeweilige Gesprächsthema erfüllt hat. Hat man genügend Gesprächsthemen abgeklappert, wird der nächste Level der Cosmosphere freigeschaltet.
Ist ein Level der Cosmosphere abgeschlossen, bekommt man ein neues Kostüm für die jeweilige Reyvateil freigeschaltet. Diese haben Einfluss auf die Liedmagie-Performance der Mädchen. Sobald man eine bestimmte Stufe der Cosmosphere absolviert hat, darf man die Reyvateils ferner mit sogenannten Grathnode-Crystals frisieren. Dadurch kann man deren Liedmagie verbessern. Auch die reguläre Ausrüstung lässt sich mit entsprechenden Crystals aufrüsten. Die Grathnode-Crystals sind also ein wichtiges Tool im Spiel und auch einer der Gründe, warum man die höheren Item-Loot-Stufen nach Kampfesende erlangen möchte.
Die Grathnodes spielen auch für das Crafting-System eine Rolle. Schließlich gehören sie hier mit zu den zahlreichen Zutaten, um neue Gegenstände zu kreieren. Das Crafting-System nennt sich Grathmelding und ist oberflächlich betrachtet sehr simpel: Zunächst benötigt man eine Rezept-Karte. Diese bekommt man nach bestimmten Bosskämpfen, von Händlern, aus Schatztruhen oder nach bestimmten Storyevents. Das Grathmeld-Menü lässt sich in Hotels oder an Speicherpunkten anwählen. Dort muss man nun lediglich die erforderlichen Gegenstände für das jeweilige Rezept parat haben und kann nun den entsprechenden Grathmeld-Gegenstand produzieren. Hierzu gehören spezielle Items für fortgeschrittene Grathmeld-Rezepte, Objekte die im Kampf verwendet werden können, Ausrüstungsstücke und sogar Schlüsselgegenstände. Grathmelding ist also nichts, was man ignorieren kann, da die Schlüsselgegenstände zwingend benötigt werden. Außerdem erhält man die beste Ausrüstung nur auf diese Weise.
Es ist etwas nervig, dass Gratmelding dem Spieler derart aufgezwungen wird. Da merkt man doch deutlich, dass es sich um ein Überbleibsel aus der großen Schwester-Serie „Atelier“ handelt. Wenigstens steht das Crafting-System nicht im Fokus des Spiels, auch wenn es bestimmte Mechaniken wie Qualität und Wert des produzierten Gegenstands nun echt nicht gebraucht hätte. Das ist dann nämlich wirklich zu viel Atelier.
Bevor wir zum Ende kommen möchte ich noch auf weitere Besonderheiten des Spiels aufmerksam machen. Das Spiel ist in drei Kapitel unterteilt (werden „Phase“ genannt). Zu Beginn von Phase 2 muss man sich letztendlich zwischen den beiden Reyvateils Aurica und Misha entscheiden. Jedes Mädel verfügt über eine eigene Questline mit eigenen Storybröckchen und Bossen. Hierdurch wird freilich ordentlich Wiederspielwert erzeugt. Nach dem Ende von Phase 2 kann man sich entscheiden, ob man das Spiel abschließt oder in Phase 3 einsteigt, wo man dann noch eine dritte Reyvateil ins Team bekommt. Nach Abschluss des Spiels erhält man obendrein ein Bonus-Menü freigeschaltet, wo es nette Dinge wie einen Soundtest, Artwork-Gallerien und weiteres zu entdecken gibt.
Es gibt noch weitere Kleinigkeiten, die ich erklären könnte, wie zum Beispiel die Sammelkarten. Aber das würde hier dann doch den Rahmen sprengen und es ist ja auch nicht verkehrt, wenn ihr ein paar Sachen selbst entdecken könnt. Auf jeden Fall bietet Ar Tonelico: Melody of Elemia gehobenen JRPG-Spielspaß für rund 60 Stunden bei relativ gründlicher Spielweise.
Grafik, Sound und Präsentation
Bezüglich der Grafik hat sich bei Gust leider nichts getan. Die Japaner nutzten auch bei Ar Tonelico die alte Grafikengine der Atelier-Spiele. Ihr bekommt also den altbekannten Mix aus 2D- und 3D-Grafiken, welche in den Maps aus isometrischer Perspektive dargestellt wird, während die Kämpfe auf die klassische 2D-Perspektive setzen.
Wer bereits ein Gust-JRPG auf der PS2 gezockt hat, weiß was ihn hier erwartet. Immerhin hat man aber viele neue Assets kreiert, um das neue Setting zu visualisieren. Das hier ist schließlich keine reine Fantasy-Welt mehr, sondern beinhaltet auch viele Sci-fi-Elemente. Und dieser Aspekt hilft dann auch tatsächlich dabei Ar Tonelico wieder etwas frischer aussehen zu lassen, als die letzten Atelier-Ableger. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele recycelte Assets aus der Engine. Viele Itemcontainer wie Truhen und Beutel und sogar einige NPC-Modelle wurden 1 zu 1 übernommen, was auch nicht immer harmonisch anmutet.
Dafür können jedoch die Charaktersprites wieder restlos überzeugen. Diese lassen vor allem im Kampfscreen das Herz von Pixelfreunden mit schönen Animationen höher schlagen. Etwas enttäuschend ist jedoch das Gegner-Design. Dieses wirkt hier bei weitem nicht so kreativ und vielseitig wie in den Atelier-Spielen. Auch Palette-Swaps tauchen viel zu häufig auf, was aber zumindest dadurch ertragbar gemacht wird, dass es sich nicht um reine Swaps handelt, sondern teilweise auch neue Körpermerkmale wie Hörner und dergleichen hinzukommen.
Im Vergleich zum zuvor veröffentlichten Atelier Iris 2 kann bei Ar Tonelico endlich auch das Anime-Artwork überzeugen. Das ist bei einem Spiel, in dem es ja auch um Romanzen geht, jedoch ehrensache. Schließlich sollen die Reyvateil-Gefährtinnen ja einen gescheiten Waifu-Faktor erzeugen. Darüber hinaus spielen sich die Cosmosphere-Abschnitte ja ohnehin wie Visual Novels. Von daher musste Gust für den Artwork-Künstler tiefer in die Tasche greifen, damit dieser Aspekt des Spiels nicht ins lächerliche gezogen wird.
Bei einem Spiel, das sich um Gesangsmagie dreht, sollte ein hochwertiger Soundtrack zum guten Ton gehören, möchte man meinen. Tatsächlich entpuppt sich der Großteil des regulären Soundtracks jedoch als typischer Gust-JRPG-OST. Dieser ist nun alles andere als schlecht, aber eben auch nichts besonderes was vom Hocker reißt – vor allem dann nicht, wenn man zuvor schon die Atelier Iris-Spiele gezockt hat. Auch hier gilt also die Regel, das diejenigen, die schon mal ein Gust-JRPG auf der PS2 gezockt haben, wissen sollten was sie hier erwartet.
Zur Ehrenrettung gibt es neben dem Standard-OST jedoch auch die sogenannten Hymns (Hymnen). Hierbei handelt es sich dann um die besonders mächtigen Reyvateil-Lieder, die in wichtigen Schlüsselstellen im Spiel gesungen werden und von professionellen japanischen Sängerinnen vorgetragen werden. Wir reden hier auch nicht von kitschigen Popsongs á la Final Fantasy X-2, sondern um richtige Hymnen, die einen kraftvollen, mitunter epischen Flair verströmen und dem Konzept der Reyvateil somit zu Ehre gereichen. Auch wenn der reguläre OST nicht über den grundsoliden Gust-Standard hinausreichen mag, können also zumindest die sieben Hymnen beeindrucken.
Abgerundet wird das Ganze dann durch eine relativ umfangreiche Sprachausgabe, die man sich wahlweise im japanischen O-Ton, oder mit englischer Sprachausgabe anhören darf. Die Wahl zwischen japanischer und englischer Tonspur lässt sich auch völlig unproblematisch im entsprechenden Optionsmenü anwählen, so dass man beide Varianten ohne großes Trara probehören kann. Ich selbst bin bei der englischen Variante geblieben, da deren Sprecher gute Arbeit leisten und ich somit keinen Grund sah die japanische Version anzuwählen. Aber ich weiß, dass sich Puristen über die Originalsprecher freuen werden.
Eine weitere willkommene Option ist die Auswahl zwischen 50 und 60 Hz-Modus. Bezüglich derartig großügiger Optionen haben Gust ja schon zuvor Pluspunkte gesammelt. Leider macht Ar Tonelico jedoch trotz der unspektakulären Grafikengine im technischen Bereich schlapp. Das Spiel leidet nämlich immer wieder unter lästigen Lagging-Aussetzern. Das merkt man vor allem bei Banalitäten wie dem Öffnen des Menüfensters, womit sich das Spiel oftmals überfordert zeigt und rumlaggt. Ich verstehs nicht. Tatsächlich würde ich sogar so weit gehen und sagen, dass das Lagging die größte Schwäche des Spiels ist.
Pro & Kontra
- spannendes Setting samt Codex
- interessante Dating- und Visual Novel-Elemente, die sich auch nicht zu sehr in den Vordergrund drängen
- hoher Wiederspielwert dank einiger wichtiger Entscheidungen
- tolle Hymnen
- schöne 2D-Sprite-Grafiken
- leidet unter Lagging
- läuft immer noch unter der alten Gust/Atelier-Grafikengine
- die Kämpfe ziehen sich etwas in die Länge wegen den Reyvateil-Mechaniken
- Gust konnte es sich nicht verkneifen schon wieder Crafting-Schmonz einzubauen
- der Schwierigkeitsgrad wirkt oftmals zu trivial