Ar Tonelico II: Melody of Metafalica REVIEW
Anfang 2006 überraschte der japanische Entwickler Gust (Atelier-Serie) mit der Veröffentlichung von „Ar Tonelico: Melody of Elemia.“ Eigentlich hatte sich Gust zu diesem Zeitpunkt bereits völlig auf ihre Atelier-Serie versteift, eine auf Crafting fokussierte JRPG-Serie, welche immer noch erfolgreich produziert wird. Da war es schon sehr überraschend, dass man sich plötzlich traute aus dem Trott auszubrechen und eine völlig neue Serie aus dem Boden zu stampfen.
Das Risiko hat sich aber scheinbar gelohnt, denn 1 Jahr und 10 Monate nach „Melody of Elemia“ wurde in Japan die Fortsetzung „Ar Tonelico II: Melody of Metafalica“ nachgeschoben. Wie schon der erste Teil wurde der Zweite exklusiv für die PlayStation 2 herausgebracht. Und das ist durchaus bemerkenswert, denn am 25.10.2007 war die PS2 bereits kalter Kaffee in Japan, da sie knapp ein Jahr zuvor von der PlayStation 3 ersetzt wurde. Hierzulande erschien Ar Tonelico II sogar erst am 05. Juni 2009. Trotzdem hat das Spiel seine Käufer gefunden. Auch ich gehöre zu denen, die das Spiel seinerzeit im Laden erworben hatten, denn im Gegensatz zum ersten Teil, wurde der Zweite auch in Deutschland veröffentlicht (Teil 1 kam nur in einigen wenigen europäischen Ländern heraus).
Dieser Tage habe ich auch den ersten Teil nachgeholt, weswegen ich endlich Vergleiche ziehen kann und die Zusammenhänge besser verstehe. Ob Ar Tonelico II: Melody of Metafalica die Qualität des ersten Teils halten kann oder nicht, erfahrt ihr im folgendem Review.
Die Schöpfung neuen Lebensraums
In vielen JRPGs geht es darum die drohende Vernichtung der Welt aufzuhalten. In der Ar Tonelico-Reihe ist die Apokalypse aber schon längst eingetreten und liegt schon 700 Jahre zurück. Die Überlebenden des zerkokelten Planeten Ar Ciel haben seinerzeit in gigantischen schwebenden Türmen zuflucht gefunden. Besagte Türme sind technisch-magische Wunderwerke, welche die mysteriöse Gesangsmagie verarbeiten. Besagte Gesangsmagie wird wiederum von extrem hoch entwickelten Cyborg-Mädels angezapft, die Reyvateils genannt werden.
Laut der Ar Tonelico-Wikia spielt der zweite Teil ca. 2 Jahre nach dem Ersten. Dieses mal verschlägt es uns jedoch in eine andere Turmregion, welche von ihren Einwohnern als „Metafalss“ bezeichnet wird. Metafalss bietet abgesehen vom Turm noch eine Art Ringwulst, der von den Überlebenden als Lebensraum improvisiert wird und als Rim bezeichnet wird. Sonderlich viel Fläche zum Leben gibt es also nicht und dies ist auch ein treibender Faktor der Handlung.
Durch den extrem stark limitierten Lebensraum wurde eine spezielle Form der Gesangsmagie ersonnen. Die Rede ist von Metafalica. Dieses spezifische Lied soll Landmasse herbeibeschwören, welche das Problem des begrenzten Lebensraums beseitigen möge. 400 Jahre vor Spielbeginn wurde die Beschwörung durchgeführt, jedoch ohne Erfolg. Es folgte ein Krieg. Ein Teil der Bevölkerung machte die Göttin von Metafalss für das Scheitern von Metafalica verantwortlich, der andere Teil der Bevölkerung vertritt die Meinung, dass man den Willen der Göttin zu respektieren und zu akzeptieren hat, da diese schon wissen wird, was gut und richtig ist. Die Seite der Göttin-Befürworter in Form der Sacred Army war Siegreich und regierte Metafalss für die nächsten Jahrhunderte. 20 Jahre vor Spielbeginn startete Alfman, ein Politiker der Sacred Army, jedoch einen Putsch, um seine eigene Regierungsgruppe zu bilden. Besagte Gruppe nennt sich „Grand Bell“ und hat es sich zum Ziel gesetzt Metafalica mit aller Macht zur Realität werden zu lassen – selbst wenn das bedeutet einen blutigen Krieg gegen die Göttin und somit auch gegen die nach wie vor stark vertretene Sacred Army anzuzetteln!
Held des Spiels ist der jugendliche Croix Bartel, ein Ritter der Grand Bell-Organisation. Eigentlich wollte er nur dabei helfen das heißersehnte Metafalica wahr werden zu lassen, doch die harte Realität sieht anders aus. Stattdessen wird er regelmäßig dazu abkommandiert die sogenannten IPDs unschädlich zu machen. Eine IPD ist eine spezielle Form von Reyvateil. Diese beziehen ihre Liedmagie aus einem Server namens Infel Pira, der in der Region von Metafalss erschaffen wurde. Dummerweise scheint dieser Liedmagie-Server ein ziemlicher Schrotthaufen zu sein, denn unter IPD-Reyvateils tritt eine gefährliche Krankheit auf, welche die Mädels in den Zustand der Raserei versetzt. Das heißt im Klartext, dass kranke IPDs alles und jeden mit Liedmagie zerfetzen, was ihnen in die Quere kommt. Da es kein Heilmittel für die Krankheit gibt, müssen die IPDs gefangengenommen und eingekerkert werden. Jedoch werden Reyvateils genauso geboren wie Menschen, was bedeutet, dass die Hinterbliebenen oft hilflos mitansehen müssen, wie ihre Töchter und Schwestern deportiert werden.
Doch heute wartet ein anderer Auftrag auf Croix. Das Resort in dem sich die heilige Reyvateil-Prinzessin Cloche Leythal Pastalia erholt, wird von der Sacred Army angegriffen. Cloche ist jene Reyvateil, welche die Metafalica-Liedmagie singen soll, außerdem ist sie das politische Aushängeschild der Grand Bell-Organisation. Mit anderen Worten soll die Gute um jeden Preis beschützt werden. Dummerweise entpuppt sich Cloche als ziemlich arrogante und verschlossene Person. Um Cloche vor dem Zugriff der Sacred Army zu schützen, beschließt Croix bei seiner Stieffamilie unterzutauchen. Seine Stiefschwester, die gut gelaunte und offenherzige Luca Trulyworth (ebenfalls eine Reyvateil) ist dabei auch gleichzeitig Croix‘ Verlobte. Es versteht sich von selbst, dass Zoff zwischen Cloche und Luca vorprogrammiert ist. Außerdem halten beide Mädels dunkle Geheimnisse parat und auch die politischen Organisationen in Form der Sacred Army und der Grand Bell spielen bei weitem nicht mit offenen Karten. Croix Bartel und seine Gefährten haben alle Hände voll zu tun, wenn sie es irgendwie schaffen wollen dieses Knäuel zu entwirren und Metafalica in die Tat umzusetzen.
Story, Setting und Charaktere der Ar Tonelico-Reihe sind wesentlich interessanter als in den Atelier-Spielen. Vor allem das Setting entpuppt sich als überraschend quirliger Mischmasch aus Sci-fi, Fantasy und Post-Post-Apokalypse. Glücklicherweise haben sich die Entwickler die Mühe gemacht, einen Codex ins Spiel zu integireren, wo man wichtige Fachbegriffe, Organisationen und Ereignisse der fernen Vergangenheit studieren kann. Auch innerhalb der Handlung bekommt man viel erklärt und erfährt immer wieder neue Bröckchen an Sagengut. Das Gesamtbild der Spielwelt bleibt einem aber verborgen, schließlich wollte man ja noch etwas für die Sequels und Prequels parat haben.;)
Wie schon beim Vorgänger interessiert sich das Spiel mehr für seine Reyvateil-Protagonistinnen, statt für deren Vanguard-Bodyguards. Luca, Cloche und die dritte Reyvateil, welche später noch dazu kommt, wurden sehr liebevoll ausgearbeitet und gehören zu den komplexesten Charakteren, die man in einem Videospiel finden wird. Das liegt natürlich auch daran, weil Ar Tonelico Dating-Elemente einflechtet, was den Spieler dazu motiviert sich intensiv mit den psychischen Problemen der Reyvateils auseinanderzusetzen.
Das heißt im Klartext, dass die Heldinnen trotz ihres hübschen Aussehens auch dieses mal bei weitem keine glattgebügelten Mary Sue’s sind, sondern zahlreiche Macken und Probleme im Schlepptau haben. Das macht sie natürlich sehr menschlich und anstrengend, aber eben auch weitaus liebenswerter als die Heldinnen anderer Videospiele. Diesbezüglich hat Gust wieder hervorragende Arbeit geleistet, vor allem weil die Reyvateils in Teil 2 bei weitem nicht so sanftmütig daherkommen wie im ersten Teil. Anders als sein Vorgänger Lyner muss Croix die Macken der Mädels also nicht nur in der Cosmosphere (eine Art virtuelle Welt, in der psychische Probleme der Reyvateils verarbeitet werden) ertragen, sondern wird damit auch häufig in der realen Welt konfrontiert.^^
Auch die Story ist dieses mal wesentlich komplexer und auch futuristischer als im ersten Teil. Im ersten Teil ging es im Endeffekt nur darum diverse Schurken auf die ein oder andere Weise abzuwehren. Teil 2 fährt da eine wesentlich politischere Story auf und thematisiert wichtige Themen wie Vertrauensmissbrauch, Landknappheit und die Möglichkeiten und Gefahren von Virtual Reality-Technologie. Man bekommt also ein reichhaltiges Story-Menü geboten.
Derbe Rückschritte beim Aspekt Erkundung
Im Kern handelt es sich bei Melody of Metafalica um ein typisches JRPG. Das bedeutet natürlich, dass man die Spielzeit hauptsächlich damit verbringt die Spielwelt zu erkunden, Schätze zu sammeln, rundenbasierte Zufallskämpfe zu bestreiten um Geld für neue Ausrüstung und Punkte für höhere Levelstufen zu verdienen sowie mit NPCs zu kommunizieren, um die Handlung voranzutreiben. Im Grunde genommen also alles ganz klassisch.
Wie schon im Vorgänger wird auf eine frei begehbare Weltkarte verzichtet. Stattdessen wählt man die aktuell verfügbaren Ortschaften auf der Weltkarte direkt an. Anders als der erste Teil, der hierfür noch eine angenehm plastisch dargestellte 3D-Karte verwendete, präsentiert sich die Weltkarte des zweiten Teils extremst spartanisch. Dies dürfte vor allem Spieler des ersten Teils irritieren. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass damit auch die Orientierungsprobleme des Vorgängers beseitigt wurden. Wie gehabt erfolgt auch die Erkundung von Städten und Siedlungen nur eingeschränkt. Diese werden als schicke Artwork-Bilder dargestellt, wo man die relevanten Ortschaften via Tabelle anwählt.
Wirklichen Raum zur Erkundung gewähren eigentlich nur die Dungeon-Gebiete, deren einzelne Segmente via Automap festgehalten werden. Leider hat man die Interaktivität der Dungeons im Vergleich zum Vorgänger sehr stark zurechtgestutzt. Wo man im ersten Teil noch springen konnte sowie mit Elementar-Projektilen herumballern durfte, um einige seichte Rätseleinlagen zu lösen und optionale Räume freizulegen, latscht man dieses mal nur noch durch oftmals zu weitläufige und vor allem ereignislose Korridore. Mehr als zu plündernde Schatztruhen und das ein oder andere grenzdebile Schalterrätsel sollte man nicht erwarten. Etwas Abwechslung bietet nur das zweite der fünf in Spiel enthaltenen Kapitel (werden hier Phasen genannt). Dort gibt es dann auch mal keinere Minigames, Dungeons mit spezifischen Sonderregeln und sogar einen kleinen Abschnitt wo man mit Feuerprojektilen herumballern darf. All diese Dinge beschränken sich aber wirklich nur auf die zweite Phase. Ist diese abgeschlossen geht es wieder zurück zu den öden Korridor-Latschereien.
Replakia haut sie alle weg!
Aber kommen wir nun zu den Zufallskämpfen, welche auch hier wieder durch einen Balken angekündigt werden, der seine Farbe mit jedem virtuellen Fußschritt langsam von Blau zu Rot ändert. Je mehr die Farbe ins Rote wandelt, destor höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kampf eintritt. Die Frequenz der Zufallskämpfe ist hier übrigens sehr niedrig angesetzt. Mit jedem Kampf leert sich der Balken ein wenig. Ist der Balken leer, deaktivieren sich die Zufallskämpfe der jeweiligen Region – zumindest so lange, bis man das Gebiet verlässt und wieder betritt. Im ersten Teil hat es noch eine Ewigkeit gedauert den Balken zu leeren, wodurch dieses Feature ad absurdum geführt wurde. Im zweiten Teil hat man diesen Fehler jedoch behoben.
Und wo wir schon mal die Kämpfe angesprochen haben: Diese wurden im zweiten Teil stark abgewandelt. Im Kern gilt natürlich immer noch das „Krieger (Vanguards) und Magier (Reyvateils)-Konzept“ Die Reyvateils verfügen zwar über vernichtende Magie, sind jedoch äußerst fragil und müssen daher von den Bodyguard-Vanguards beschützt werden. Die Angriffskraft der Vanguards reicht dabei bei weitem nicht an die Liedmagie der Reyvateils heran, weswegen diese beiden Klassen also eine möglichst perfekte Symbiose im Kampf eingehen sollten. Im ersten Teil bestand die aktive Gruppe noch aus drei Vanguards und einer Reyvateil. Im zweiten Teil sind es hingegen zwei Vanguards und zwei Reyvateils. Die Charaktere hegen übrigens auch Sympathien und Antipathien untereinander, was wohl Einfluss auf die Leistung im Kampf hat. So hat der grimmige Krieger Leglius einen guten Draht zu Cloche, die er bereits seit ihrer Kindheit beschützt. Luca ist hingegen nur eine Fremde für ihn. Daher sollte man Leglius lieber als Bodyguard für Cloche zuweisen, damit die Leistung der Beiden nicht leidet.
Tiefgreifender ist hingegen die Entsorgung der altbekannten Gust-Zugleiste, welche auch im ersten Ar Tonelico Verwendung fand. Stattdessen gibt es jetzt eine klare Aufteilung in Attack- und Defense-Runden. In der Attack-Runde aktivieren die Reyvateil ihre Liedmagie, während deren Vanguard-Bodyguards mit Nahkampftechniken auf die Gegner eindreschen. Der Spieler ist dabei aber nicht nur auf einen lumpigen Angriff pro Charakter beschränkt, sondern darf so lange Angriffskommandos geben, ehe die Zeitleiste für die Attack-Phase abgelaufen ist. Und während man den jeweiligen Angriffsbutton betätigt (die zwei aktiven Vanguards haben einen separaten Angriffsbutton), sollte man auch eine Richtung des D-Pads gedrückt halten. Hierdurch kann man einerseits festlegen welche Kampftechnik der Vanguard verwenden soll, und andererseits vier verschiedene Reyvateil/Liedmagie-Eigenschaften pushen. Hält man beispielsweise die linke D-Pad-Richtung bei den Angriffen gedrückt, wird nach einigen Attacken der Burst-Power der Liedmagie ein zusätzlicher Schub verpasst, was bedeutet, dass die Leistung der Zauber verbessert wird. Ob und wann man die Angriffs-Liedmagie lostritt, liegt natürlich wieder beim Spieler. Man sollte jedoch einen Blick auf die MP der Reyvateils haben, welche sich bei aktiver Liedmagie konstant verbraucht, aber dafür auch sehr schnell wieder regeneriert.
Dann ist da natürlich noch die Defense-Runde. Hier muss man sich den Angriffen der Gegner stellen. Der Spieler ist dabei jedoch keinesfalls zur Passivität verdammt, im Gegenteil. Stattdessen werden die Angriffe der Gegner in Form von Timing-Balken visualisiert. Drückt man jetzt die entsprechenden Tasten zum richtigen Zeitpunkt, wird der Schaden der Gegner drastisch abgemildert und bei perfektem Timing sogar komplett negiert! Derartige Timing-Minigames im Kampf kennt man zwar schon aus Shadow Hearts und The Legend of Dragoon, jedoch werden sie derart selten verwendet, dass sie immer noch eine erfrischende Erfahrung darstellen. Darüber hinaus beweist das Kampfsystem von Ar Tonelico II, dass rundenbasierte Kampfsysteme mit Menükommandos keineswegs öde, trocken und langsam sein müssen. Ganz im Gegenteil: Die Kämpfe in diesem Spiel präsentieren sich schnell und actionreich. Sie gehören zum Besten was das Genre zu bieten hat!
Einziger Wermutstropfen ist abermals der triviale Schwierigkeitsgrad. Zunächst hat es den Anschein, dass die Kämpfe nun etwas schwerer sind als im ersten Teil, jedoch erhält unsere Reyvateil-Prinzessin Cloche im Spielverlauf Zugriff auf Replakia. Das ist eine Art Satellit, der bei Aktivierung die Burst-Power der Liedmagie in völlig absurde Höhen treibt und somit jeden einzelnen Kampf, selbst auf dem höheren der beiden Schwierigkeitsgrade, absolut trivial werden lässt. Sobald man das Replakia-System erst einmal begriffen hat und auch die entsprechende Sidequest bearbeitet, welche dazu dient das Ding aufzupowern, kann einem nichts mehr aufhalten.
Die Entsprechende Sidequest beläuft sich übrigens darin marodierende IPDs als optionale Bossgegner zu besiegen und diese später dann via Dive-Therapie von ihrer Raserei zu heilen. Danach muss man dann noch bestimmte Bedingungen erfüllen, damit die jeweilige IPD-Reyvateil willens ist sich dem Cloche-Fanclub anzuschleißen. Je mehr IPDs im Fanclub sind, desto mächtiger wird Replakia. Darüber hinaus fungieren die IPDs auch als zusätzliches Ausrüstungsstück für die Vanguards. Jeder Vanguard darf eine IPD ausrüsten und jede IPD bringt bis zu 4 Perks mit, welche extrem nützlich sein können. Da reicht die Palette von höheren Satuswerten, einen besseren Geldoutput nach Kämpfen oder sogar Instant-Kills auf reguläre Gegner bei Vanguard-Angriffen (ebenfalls extrem übermächtig).
Natürlich gäbe es noch zahlreiche weitere Feinheiten zu erklären, jedoch würde das hier den Rahmen sprengen. Daher möchte ich es bei dem Kommentar belassen, dass diejenigen, die Bock darauf haben sich mal wieder richtig mächtig in einem JRPG zu fühlen, sich unbedingt Ar Tonelico II anschauen sollten.;)
Mehr Quantität bei den Cosmospheres und ein angenehmeres Crafting-System
Abgesehen von Geld, Erfahrungspunkten und dem Item-Loot, kassiert man nach dem Kampf auch die sogenannten „Diving Points“ als Belohnung. Diese werden benötigt, um das Unterbewusstsein der Reyvateils zu erforschen. In fast jeder Siedlung gibt es einen Dive-Shop, wo man für eine symbolische Geldsumme in die sogenannte „Cosmosphere,“ also die virtuelle Gedankenwelt der Reyvateils eintauchen darf. Hier muss sich Croix mit den Marotten und psychischen Problemen der Reyvateils auseinandersetzen, um neue, mächtigere Gesangsmagie für diese zu erschließen. Die Gedankenwelt spielt sich wie eine Visual Novel. Man erkundet eine kleine Oberwelt und investiert Diving Points, um umfangreiche Story- und Dialogsequenzen zu triggern, welche manchmal neue Liedmagie offenbaren. Nebenbei lernt man dann auch die Mädels besser kennen. Wobei es natürlich auch zu romantischen, lustigen oder auch ernsthaften Situationen kommt. Diving Points werden auch benötigt, um kritische Situationen innerhalb der Cosmosphere zu entschärfen. Sind keine Punkte vorhanden, wird Croix aus der Cosmosphere herausgekickt.
Um tiefere Level der Gedankenwelt freizuschalten, muss Croix aber auch in der realen Welt seine Beziehung zu den Reyvateils pflegen. In Hotels oder den Rastplätzen an Speicherpunkten, kann man Dialoge mit den Reyvateils triggern, sofern man die Vorraussetzungen für das jeweilige Gesprächsthema erfüllt hat. Hat man genügend Gesprächsthemen abgeklappert, wird der nächste Level der Cosmosphere freigeschaltet. Ist ein Level der Cosmosphere abgeschlossen, bekommt man ein neues Kostüm für die jeweilige Reyvateil freigeschaltet. Diese haben Einfluss auf die Liedmagie-Performance der Mädchen.
Anders als im Vorgänger darf man die höheren Level (also Level 6-9) der Cosmosphere nur dann betreten, wenn man die jeweilige Reyvateil als feste Partnerin nimmt – also willens ist eine feste Bindung mit ihr einzugehen. Das geht logischerweise nur bei einer der drei Mädels. Die erste Entscheidung diesbezüglich muss man bereits im späteren Verlauf des ersten Kapitels treffen. Hier muss man sich entscheiden, ob man Cloche und der Grand Bell-Organisation die Treue hält oder zur Sacred Army überläuft und somit versucht die Beziehung zu Luca zu reparieren. Die jeweils andere Reyvateil wird dabei automatisch in die Friendzone abgeschoben und auch die Story der Kapitel 1 und 2 wird von dieser Entscheidung betroffen (Wiederspielwert ahoy). Bei den beiden übrigen Reyvateils hat man dann beim Ende von Cosmosphere Level 5 die Wahl, ob man diese zur Freundin nimmt oder in die Friendzone abschiebt. Und ja, man hat auch die Wahl alle drei Reyvateil-Gefährtinnen in die Friendzone zu schieben. Diese Entscheidungsmöglichkeiten resultieren dann in 4 verschiedenen Epilog-Endsequenzen.
Darüber hinaus gibt es jetzt auch die Infelsphere. Das ist eine spezielle Cosmosphere mit fünf Leveln, die dazu dient die Beziehung zwischen Luca und Cloche zu verbessern. Im Kern funktioniert sie genauso wie die reguläre Cosmosphere, beansprucht jedoch einen eigenen Pool von Divepoints, die man ebenfalls durch gewonnen Kämpfe verdient. Kurz bevor man dem Endgegner entgegentritt bekommt man dann auch noch Zugriff auf eine weitere Spezial-Cosmosphere. Die Quantität dieser VN-Spielabschnitte wurde seit dem letzten Teil also stark angehoben.
Darüber hinaus wurde auch das Level-Up-System der Reyvateils geändert. Statt mit Exp muss man diese nun mit Kristallenergie aufleveln. Jeder Kristall im Spiel ist ein Einzelstück und um deren Energie anzuzapfen müssen die Reyvateils ein gemeinschaftsbad nehmen. Diese Kristallbäder werden Dualstall genannt, und die Kristalle erhöhen nicht nur den Kampflevel der Mädels, sondern können auch nützliche Perks freischalten. Während dieser Bade-Sessions können auch lustige Dialoge zwischen den Reyvateils freigeschaltet werden, mit denen diese ihre Beziehung untereinander verbessern und somit die Statistika für ihre Zusammenarbeit im Kampf verbessern. Auch beim Rasten können Dialoge zwischen Reyvateils stattfinden.
Während man den Cosmosphere-Aspekt der Serie erweitert hat, wurde der Crafting-Aspekt hingegen zurückgefahren. Es gibt im Spiel vier Crafting-NPCs, welche ihre Dienste anbieten. Mit jedem dieser NPCs kann man Slice of Life-Gesprächssequenzen triggern. Ab und zu rücken diese dann auch mit neuen Rezepten raus. Manche Rezepte bekommt man aber erst, wenn man dem NPC ein Schlüsselgegenstands-Buch überbringt. Das Crafting selbst ist dann völlig unkompliziert. Einfach jeweils ein Exemplar der geforderten Gegenstände abliefern, die Gesprächssequenzen genießen und fertig. Den hergestellten Gegenstand darf man dann freilich behalten und ein paar weitere Exemplare davon darf man dann im jeweiligen Shop des Crafting-NPCs erwerben. Der erste Teil machte das Crafting unnötig kompliziert, in dem die hergestellten Gegenstände eine Qualitätsstufe und ähnlichen Atelier-Kram mitbrachten. Außerdem zwang der erste Teil zur aufwändigen Herstellung einiger zwingend benötigter Schlüsselgegenstände. Teil 2 entfernt diese Nervfaktoren jedoch, weswegen man endlich unbefangen an die Sache herangehen kann. Meines Erachtens war dies die richtige Entscheidung.
Wie auch im letzten Teil bekommt man nach Abschluss des Spiels ein Bonus-Menü freigeschaltet, wo es nette Dinge wie einen Soundtest, Artwork-Gallerien usw. zu entdecken gibt. Und genau wie Teil 1 bietet auch Ar Tonelico II: Melody of Metafalica gehobenen JRPG-Spielspaß für rund 60 Stunden bei gründlicher Spielweise.
Grafik, Sound und Präsentation
Obwohl es sich bei Ar Tonelico II um eines von Gusts letzten Spielen für die PS2 handelt, entschloss man sich dazu die grafische Darstellung etwas abzuwandeln. Die meisten grafischen Elemente sind jedoch identisch zum Vorgänger: Es gibt liebevoll animierte Charaktersprites, Siedlungen werden in Form von Artwork-Standbildern dargestellt und Textboxen werden häufig von angenehm großen Charakterartworks mit variablen Gesichtszügen unterlegt. In seltenen Fällen bekommt man auch mal ein paar solide Anime-Cutscenes spendiert. Das Artwork ist dabei wieder hervorragend gelungen und unterstreicht den Visual Novel-Flair, den das Spiel aufbaut.
Geändert wurde hingegen die grafische Perspektive der Dungeon-Abschnitte. Bis dato setzte Gust auf einen isometrischen Stil, der von den Japanern auch x mal auf der PS2 recycelt wurde. Ar Tonelico II ändert die Perspektive in einen seltsamen Mischmasch aus 2D-Perspektive und Tunnelblick. Und ja, es sieht im Spiel auch so seltsam aus, wie es jetzt klingt. Solch eine Perspektive macht Sinn bei einem Ballerspiel, wirkt bei einem rundenbasierten JRPG aber reichlich fehl am Platz. Darüber hinaus sorgt diese Perspektive dafür, dass die altbekannte Grafikengine sogar noch schlechter herüberkommt als bislang gewohnt. Abgesehen von der neuen, unpassenden Dungeon-Perspektive, wird nämlich immer noch der altbekannte, krude Mix aus 2D- und 3D-Grafiken verwendet. Und durch die neue Perspektive wirkt dieser Mix sogar noch hässlicher als bislang gewohnt. Weder die 2D- noch die 3D-Assets der Dungeon-Passagen sehen sonderlich gut aus, es ist also kein Spiel, welches man notorischen Grafikhuren empfehlen könnte. Positiv ist hingegen, dass sich das Recycling von Assets aus vorherigen Spielen in Grenzen hält.
Bei einem Spiel, das sich um Gesangsmagie dreht, sollte ein hochwertiger Soundtrack zum guten Ton gehören, möchte man meinen. Tatsächlich entpuppt sich der Großteil des regulären Soundtracks jedoch als typischer Gust-JRPG-OST. Dieser ist nun alles andere als schlecht, und im Falle von Ar Tonelico II auch besser als gewohnt. Jedoch bietet der allgemeine OST nichts was wirklich vom Hocker reißt.
Zur Ehrenrettung gibt es neben dem Standard-OST jedoch auch die sogenannten Hymns (Hymnen). Hierbei handelt es sich dann um die besonders mächtigen Reyvateil-Lieder, die in wichtigen Schlüsselstellen im Spiel gesungen werden und von professionellen japanischen Sängerinnen vorgetragen werden. Wir reden hier auch nicht von kitschigen Popsongs á la Final Fantasy X-2, sondern um richtige Hymnen, die einen kraftvollen, mitunter epischen Flair verströmen und dem Konzept der Reyvateil somit zu Ehre gereichen. Auch wenn der reguläre OST nicht über den grundsoliden Gust-Standard hinausreichen mag, können also zumindest die Reyvateil-Hymnen herausstechen.
Abgerundet wird das Ganze dann durch eine relativ umfangreiche Sprachausgabe, die man sich wahlweise im japanischen O-Ton, oder mit englischer Sprachausgabe anhören darf. Die Wahl zwischen japanischer und englischer Tonspur lässt sich auch völlig unproblematisch im entsprechenden Optionsmenü anwählen, so dass man beide Varianten ohne großes Trara probehören kann. Ich selbst bin bei der englischen Variante geblieben, da deren Sprecher gute Arbeit leisten und ich somit keinen Grund sah die japanische Version anzuwählen. Aber ich weiß, dass sich Puristen über die Originalsprecher freuen werden.
Ein dicker Makel ist jedoch die Abstinenz eines 60 Hz-Modus. Ar Tonelico II wurde, wie gesagt, sehr spät im Lebenszyklus der PS2 veröffentlicht. Daher sah es der Publisher NIS wohl nicht als Notwendigkeit an das Game an die europäische Fernsehnorm anzupassen. Aufgrund dessen muss man mit mittelgroßen PAL-Balken und Geschwindigkeitsverlust zurechtkommen.
Etwas positiver ist da hingegen die Tatsache, dass Gust endlich die Lagging-Probleme des Vorgängers zumindest größtenteils in den Griff bekommen haben. Vereinzelt treten immer noch kleinere Lags auf, die auch mal das Timing im Defense-Modus der Kämpfe versauen können, aber das Lagging ist bei weitem nicht mehr so schlimm wie in Ar Tonelico: Melody of Elemia. Das ist zumindest ein kleiner Trost für den fehlenden 60 Hz-Modus.
Pro & Kontra
- spannendes Setting samt Codex
- interessante Dating- und Visual Novel-Elemente
- hoher Wiederspielwert dank einiger weitreichender Entscheidungen
- tolle Hymnen
- schöne 2D-Charaktersprite-Grafiken und tolles Artwork
- das Kampfsystem arbeit mit Timing-Elementen und wirkt actionreicher als in anderen rundenbasierten JRPGs
- das Crafting-System wurde angemessen simplifiziert (das hier ist schließlich kein Atelier-Spiel)
- kein 60 Hz-Modus
- die Sprung- und Projektil-Rätsel-Mechaniken wurden gestrichen
- man hat der alten Gust/Atelier-Grafikengine eine neue, unpassende Dungeon-Perspektive verpasst, welche das Spiel aber nur hässlicher aussehen lässt, als den Vorgänger
- das Lagging-Problem wurde stark entschärft, ist aber immer noch vorhanden
- die Kapitelstruktur wirkt dieses mal wie beliebig reingeklatscht und die Friendzone-Mechanik beim Cosmosphere-Dating hätte besser erklärt werden sollen